Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 20.09.2023, Az.: 2 U 27/23

Rechtsfolgen des Übergangs des Mietverhältnisses auf einen neuen Eigentümer; Wirksamkeit einer in Unkenntnis des Vertragsübergangs gegenüber dem früheren Vermieter ausgesprochenen Kündigung; Rechtswirkungen einer nach Zugang der Kündigung des Mietverhältnisses geschlossenen Nachtragsvereinbarung

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
20.09.2023
Aktenzeichen
2 U 27/23
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2023, 34899
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGCE:2023:0920.2U27.23.00

Verfahrensgang

vorgehend
LG Hannover - 10.02.2023 - AZ: 5 O 193/21

Fundstelle

  • NWB 2023, 3059

Amtlicher Leitsatz

Zur Frage, ob die nachträgliche Errichtung einer dem Schriftformerfordernis des § 550 BGB genügenden Vereinbarung Wirkung ex nunc oder ex tunc entfaltet.

Redaktioneller Leitsatz

1. Hat der Vermieter dem Mieter den Übergang des Vertragsverhältnisses auf einen anderen Rechtsträger nicht bekannt gemacht, so ist es diesem verwehrt, sich auf eine Unwirksamkeit der Kündigung des Mietverhältnisses wegen eines falschen Adressaten zu berufen.

2. Eine bei Abschluss des Mietvertrages fehlende Schriftform (§ 550 BGB) kann zwar durch Abschluss einer Nachtragsvereinbarung geheilt werden. Jedoch ist eine ordentliche Kündigung erst von dem Zeitpunkt an ausgeschlossen, indem eine dem Schriftformerfordernis des § 550 BGB genügende Vertragsurkunde existiert.

3. Eine vor Abschluss der Nachtragsvereinbarung zugegangene Kündigung ist daher als ordentliche Kündigung wirksam.

In dem Rechtsstreit
M. GmbH, vertreten durch den Geschäftsführer R. L.,
...,
Beklagte und Berufungsklägerin,
Prozessbevollmächtigte:
Anwaltsbüro S., ...,
Geschäftszeichen: ...
gegen
Klinikum R. GmbH, vertreten durch die Geschäftsführer M. B., Dr. med. M. B. u.a., ...,
Klägerin und Berufungsbeklagte,
Prozessbevollmächtigte:
Anwaltsbüro H. Rechtsanwälte Partnerschaft,
...,
Geschäftszeichen: ...
hat der 2. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle durch die Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht ..., den Richter am Oberlandesgericht ... und den Richter am Oberlandesgericht ... am 20. September 2023 einstimmig beschlossen:

Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das am 10. Februar 2023 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 5. Zivilkammer des Landgerichts Hannover wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahren hat die Beklagte zu tragen.

Das angefochtene Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagten bleibt nachgelassen, die Zwangsvollstreckung seitens der Klägerin durch Sicherheitsleistung in Höhe von 60.000,- € abzuwenden, sofern nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 80.000,- € leistet.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf bis zu 65.000,- € festgesetzt.

Gründe

I.

Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Räumung und Herausgabe von Räumlichkeiten im K. Klinikum S. in Anspruch, welche eine GbR als Rechtsvorgängerin der Beklagten von der Klägerin angemietet hatte.

Zur Darstellung des Sach- und Streitstandes erster Instanz wird auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil der Einzelrichterin der 5. Zivilkammer des Landgerichts Hannover vom 10. Februar 2023 (Bl. 164ff. d.A.), insbesondere die Wiedergabe des Parteivortrags und die gestellten Anträge sowie die tatbestandlichen Ausführungen des Senats unter Ziffer I. des Hinweisbeschlusses vom 30. Juni 2023 (Bl. 275ff. d.A.) Bezug genommen.

Der Senat hat die Beklagte mit dem vorgenannten Beschluss darauf hingewiesen, dass er beabsichtige, die Berufung der Beklagten gegen das landgerichtliche Urteil durch einstimmigen Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO zurückzuweisen.

Die Beklagte hat sodann nach Verlängerung der Stellungnahmefrist bis zum 21. August 2023 mit Schriftsatz vom 21. August 2023, auf elektronischen Wege beim Oberlandesgericht eingegangen am selben Tage (Bl. 299ff. d.A.), zum Hinweisbeschluss des Senates Stellung genommen.

Die Beklagte teilt zunächst mit, dass sie zwischenzeitlich Ersatzmieträumlichkeiten gefunden habe und bietet der Klägerin den Abschluss eines Räumungsvergleiches an.

Im Übrigen sieht die Beklagte die Voraussetzungen des § 522 Abs. 2 ZPO als nicht erfüllt an. Das Landgericht sei davon ausgegangen, dass die Beklagte beweispflichtig für den Umstand sei, dass die Nachtragsvereinbarung vor Zugang der Kündigung unterzeichnet worden sei. Dies sei unzutreffend. Dem Rechtsstreit liege ein unstreitig wirksamer Mietvertrag und auch ein unstreitig wirksam abgeschlossener Nachtrag nebst entsprechender Urkunde zugrunde. Wenn sich die Klägerin auf die Unwirksamkeit und Formnichtigkeit des Mietvertrages zuzüglich des Nachtrages im Hinblick auf die erforderliche Schriftform berufe, müsse die Klägerin nachweisen, dass ein entsprechender Formmangel vorliege. Diesen Beweis sei die Klägerin aber fällig geblieben.

Ungeachtet dessen sei nach Auffassung der Beklagten die Beweisaufnahme zu wiederholen, damit der Senat sich selber ein Bild von den Zeugen machen könne, um die Glaubhaftigkeit deren Angaben und deren Glaubwürdigkeit bewerten zu können. Nach Auffassung der Beklagten sei bisher nicht ausreichend gewürdigt worden, dass beide Zeugen in einzelnen Detailfragen zum Teil sehr vage und unsichere Angaben gemacht hätten. Dies sei nach Auffassung der Beklagten fehlerhaft bewertet worden, denn diese Angaben würden gerade für die Glaubwürdigkeit der Zeugen und die Glaubhaftigkeit ihrer Angaben sprechen. Berücksichtige man, dass mit dem Zugang der für die Zeugen völlig überraschenden Kündigung eine extreme Veränderung ihres Berufslebens eingetreten sei, entspreche es der einfachen Logik, dass die Zeugen sich konkret daran erinnern könnten, dass sie erst nach diesem "Extremereignis" des Zugangs der Kündigung den Nachtrag zum Mietvertrag unterschrieben hätten.

Entgegen der Auffassung des Senates sei sehr wohl seitens der Klägerin bezüglich ihrer Berufung auf einen Formmangel ein Verstoß gegen Treu und Glauben gegeben, der es der Klägerin verbiete, sich auf den angeblichen Formverstoß zu berufen. Insoweit habe der vorliegende Rechtsstreit nach Auffassung der Beklagten auch eine grundsätzliche Bedeutung und diene der Fortbildung des Rechts. Es bestehe zwischen den Vertragsparteien ein besonderes Vertrauensverhältnis bei einer langen Vertragslaufzeit sowie eine weitere sehr enge Bindung, welche ein besonderes Treueverhältnis geschaffen habe. Die Parteien verbinde damit der besondere ethische Anspruch als hochwertiger medizinischer Vorsorger der Bevölkerung im Allgemeinen und im Besonderen durch die enge Kooperation über den reinen Mietvertrag hinausgehend. Die Beklagte verweist auf § 20 Abs. 2 des Mietvertrages, wonach die Parteien zu einem kooperativen positiven Verhalten vertraglich verpflichtet gewesen seien. Schließlich ergebe sich das treuwidrige Verhalten der Klägerin aus ihrem eigenen aktiven Tun gegenüber der Beklagten hinsichtlich der 5-jährigen Verlängerung des Mietvertrages gemäß Schreiben der Beklagten vom 6. Mai 2020. Auf diese den Mietvertrag betreffende Erklärung der Beklagten habe die Klägerin ausdrücklich den entsprechenden Eingang des Schreibens bestätigt, ohne darauf hinzuweisen, dass nach ihrer Rechtsauffassung bereits zu diesem Zeitpunkt das Vorliegen einer 5-Jahres-Option nicht gegeben sei. Die Klägerin wäre aufgrund der beschriebenen Nähe zu der Beklagten auch hinsichtlich ihrer gleichen medizinischen Ethik verpflichtet gewesen, die Beklagte auf ihren Rechtsirrtum hinzuweisen und nicht noch durch die Abgabe der gewünschten Erklärung die Beklagte in ihrem erkennbaren Fehlglauben zu lassen, es sei alles in Ordnung.

Das bestehende Mietverhältnis sei auch nicht durch die fristlose Kündigung der Klägerin vom 2. März 2023 beendet worden. Der vorliegenden Entscheidung komme grundsätzliche Bedeutung zu und sie diene der Fortbildung des Rechts. Soweit der Senat der Auffassung sei, dass § 314 Abs. 3 BGB nicht anwendbar sei, gelte dies nur für Wohnraummietverhältnisse, nicht aber für gewerbliche Mietverhältnisse. Nach Meinung der Beklagten sei § 314 Abs. 3 BGB als Auffangtatbestand sehr wohl anwendbar.

Außerdem lägen entgegen der Auffassung des Senats auch die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Verwirkung vor. Die Klägerin habe nämlich unstreitig während der gesamten langen Laufzeit des Mietverhältnisses Zahlungsverzüge nicht nur toleriert, sondern auch stillschweigend Verrechnungen vorgenommen. Insoweit habe sich die Beklagte darauf verlassen und auch verlassen können, dass bei einem bestehenden Zahlungsverzug nicht sofort die fristlose Kündigung des Mietverhältnisses ausgesprochen werde.

Der Beklagten sei gemäß § 712 Absatz 1 Satz 1 ZPO in jedem Fall eine Räumungsfrist zu gewähren. Durch eine zu gewährende Räumungsfrist würde der Klägerin kein finanzieller Schaden entstehen, weil die Beklagte bisher immer ihre Mietverbindlichkeiten im vollem Umfang ausgeglichen habe. Darüber hinaus sei es der Beklagten nicht zur Last zu legen, dass sie trotz ausreichender Bemühungen zunächst keine Ersatzmöglichkeit gefunden habe.

Wegen der weiteren Einzelheiten der Stellungnahme wird auf den Schriftsatz vom 21. August 2023 (Bl. 300ff. d. A.) Bezug genommen.

II.

Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung und eine Entscheidung des Berufungsgerichts zur Fortbildung des Rechts oder der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung ist nicht erforderlich. Es handelt sich um einen Einzelfall, dessen Entscheidung von den tatsächlichen Besonderheiten der vorliegenden Fallgestaltung abhängig ist und dem deshalb grundsätzliche Bedeutung nicht zukommt. Gegenteiliges zeigt die Berufung der Beklagten auch nicht auf. Der Senat hat sich bei seiner Entscheidung an der höchstrichterlichen Rechtsprechung zur Einhaltung der Schriftform sowie der Wirksamkeit von Kündigungen orientiert. Die Auffassung des Senats fügt sich in den durch diese Entscheidungen vorgezeichneten Kontext. Eine mündliche Verhandlung gem. § 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 ZPO hält der Senat nicht für geboten.

III.

Die zulässige Berufung der Beklagten hat aus den fortgeltenden Gründen des Hinweisbeschlusses vom 30. Juni 2023 auch offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg. Im vorgenannten Hinweisbeschluss hat der Senat zu den Erfolgsaussichten der Berufung wie folgt ausgeführt:

"Zwar hat die Einzelrichterin mit einer unvertretbaren Begründung die grundsätzliche Anwendbarkeit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Frage der Treuwidrigkeit bei einer Existenzgefährdung verneint und in diesem Zusammenhang auch ihr obliegende Hinweispflichten verletzt. Gleichwohl bleibt der Berufung der Beklagten der Erfolg versagt, weil die Beklagte jedenfalls im Ergebnis zu Recht zur Räumung und Herausgabe verurteilt worden ist.

1. Die Beklagte ist gemäß § 546 Abs. 1 BGB der Klägerin gegenüber zur Rückgabe der angemieteten Räumlichkeiten im K. Klinikum S. verpflichtet, nachdem die Klägerin das bestehende Mietvertragsverhältnis wirksam mit Kündigungsschreiben vom 26. April 2021 zum Ablauf des 31. Dezember 2021 gekündigt hat.

a) Ohne Erfolg macht die Beklagte geltend, dass die ausgesprochene Kündigung unwirksam sei, weil die Kündigung nicht an die beklagte GmbH, sondern an die GbR von W./K. gerichtet gewesen ist.

Die Wirksamkeit der Kündigung folgt aus einer analogen Anwendung von § 407 Abs. 1 BGB. Gemäß § 407 Abs. 1 BGB muss der neue Gläubiger jedes Rechtsgeschäft, dass nach der Abtretung zwischen dem Schuldner und dem bisherigen Gläubiger in Ansehung der Forderung vorgenommen wird, gegen sich gelten lassen, es sei denn, dass der Schuldner die Abtretung bei der Leistung oder der Vornahme des Rechtsgeschäfts kennt. Gemäß § 412 BGB findet diese Vorschrift auf die Übertragung einer Forderung kraft Gesetzes entsprechende Anwendung. Auch wenn § 412 BGB dem Wortlaut nach nicht Fälle einer Gesamtrechtsnachfolge erfasst, schließt dies aber nicht aus, dass in jedem Einzelfall zu prüfen ist, ob eine konkrete Bestimmung der §§ 398ff. BGB nach ihrem Sinn und Zweck entsprechend anwendbar ist (siehe Erman/Martens, BGB, 16. Aufl., § 412 Rn. 4).

Vorliegend ist eine solche analoge Anwendung von § 407 Abs. 1 BGB geboten. Im Anwendungsbereich von § 566 BGB ist in Bezug auf rechtsgeschäftliche Handlungen des Mieters, wie zum Beispiel eine Kündigung, anerkannt, dass § 407 BGB entsprechend anwendbar ist (Landwehr, in: Bub/Treier, Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete, 5. Aufl., Kapitel II. Rn. 2736). So hat der Bundesgerichtshof mit Urteil vom 23. Februar 2012 (Az.: IX ZR 29/11) klargestellt, dass § 412 BGB auch für die Kündigungserklärung gilt und lediglich eine unmittelbare Anwendung der §§ 412, 407 Abs. 1 BGB im Anwendungsbereich von § 566 BGB mangels einer Rechtsnachfolge ausscheidet (aaO, zitiert nach juris Rn. 16f.). Der Bundesgerichtshof hat dabei hervorgehoben, dass sich die Situation in der sich der Mieter befindet, wenn er in Unkenntnis des Übergangs das Mietverhältnis gegenüber dem ursprünglichen Vermieter kündigt, sich nicht wesentlich von derjenigen eines Schuldners unterscheidet, dem der Forderungsübergang unbekannt geblieben ist. Habe dieser gegenüber dem ursprünglichen Gläubiger eine Rechtshandlung in Unkenntnis des Übergangs vorgenommen, müsste sie der neue Gläubiger gegen sich wirken lassen. Das gelte auch für die gegenüber dem ursprünglichen Vermieter erklärte Kündigung, die dem neuen gegenüber wirksam sei. Insoweit bestehe eine planwidrige Regelungslücke, welche durch die entsprechende Anwendung der §§ 412, 407 Abs. 1 BGB zu schließen sei. Habe der Mieter nicht von dem Eigentumsübergang gewusst, müsse seine Kündigung als wirksam angesehen werden. Der neue Eigentümer könne sich nicht darauf berufen, ihm gegenüber sei keine Kündigung erklärt worden (BGH, aaO, zitiert nach juris Rn. 18).

Für den vorliegenden Fall kann nichts Anderes gelten. Die Sach- und Interessenlage ist in jeder Hinsicht vergleichbar.

Da die Beklagte nach ihrem eigenen Vorbringen erst nach Zugang der Kündigung mit Schreiben vom 5. Mai 2021, welches der Klägerin am 4. Juni 2021 zugegangen ist, mitgeteilt hat, dass ein Übergang des Mietvertragsverhältnisses auf die Beklagte stattgefunden hat, ist es der Beklagten verwehrt, sich auf eine Unwirksamkeit der Kündigung wegen eines falschen Adressaten zu berufen.

b) Die Klägerin war auf der Grundlage von § 550 BGB wegen Nichteinhaltung der Schriftform auch zur ordentlichen Kündigung berechtigt.

aa) Das Wesentliche der Schriftform ist die Errichtung einer Urkunde. Es spielt auch keine Rolle, in wessen Besitz die Urkunde anschließend verbleibt. Wenn eine den Erfordernissen des § 550 i.V.m. § 126 Abs. 2 BGB genügende Urkunde errichtet worden ist, schadet es nicht, wenn die Urkunde später verloren gegangen oder vernichtet worden ist. Für die Einhaltung des § 550 BGB i.V.m. § 126 Abs. 2 Satz 1 BGB reicht es nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes dabei aus, dass die Vertragsbestimmungen in einem unterzeichneten Schreiben der einen Partei niedergelegt sind, welches die andere ihrerseits unterzeichnet hat; der nochmaligen Unterzeichnung durch die andere Partei unterhalb der Gegenzeichnung bedarf es nicht (BGH NJW 2004, 2962 [BGH 14.07.2004 - XII ZR 68/02]).

§ 126 Abs. 2 BGB gilt im Anwendungsbereich von § 550 BGB zwar mit einer bedeutsamen Einschränkung. § 126 Abs. 2 BGB fordert die Einhaltung der Schriftform bei Vertragsschluss. Für einen wirksamen Vertragsschluss ist aber erforderlich, dass die empfangsbedürftige Willenserklärung der anderen Partei auch zugeht. Infolgedessen wäre bei uneingeschränkter Anwendung von § 126 Abs. 2 BGB die Schriftform des § 550 BGB nicht gewahrt, wenn die von beiden Vertragsparteien unterschriebenen Vertragsurkunde der jeweils anderen Vertragspartei nicht zugegangen ist. Der Bundesgerichtshof legt jedoch § 550 BGB im Wege einer teleologischen Reduktion dahingehend aus, dass zur Wahrung der Schriftform die bloße Einhaltung der äußeren Form ausreicht (BGH, Urteil vom 7. März 2018, Az.: XII ZR 129/16, zitiert nach juris Rn. 21ff.). Es reicht also aus, wenn eine von beiden Parteien unterzeichnete Vertragsurkunde existiert, die den Inhalt des Mietvertrages vollständig und richtig wiedergibt. Dass der Mietvertrag vor oder erst nach Errichtung der Urkunde (durch z.B. konkludentes Handeln) wirksam zustande gekommen, schadet nicht (BGH NJW 2010, 1518 [BGH 24.02.2010 - XII ZR 120/06] Rn. 24; NJW 2015, 2648 [BGH 17.06.2015 - XII ZR 98/13]). Zur Begründung verweist der Bundesgerichtshof auf die ratio legis des § 550 BGB, wonach diese Norm in erster Linie dem Informationsbedürfnis des Erwerbers dient.

Es ist ferner anerkannt, dass der Mangel der Schriftform gemäß § 550 BGB durch eine spätere formgerechte (Nachtrags-) Vereinbarung geheilt werden kann (siehe Landwehr, in Bub/Treier, Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete, 5. Aufl., Kapitel II. Rn. 2502). So hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass durch einen der gesetzlichen Form genügenden Nachtrag sogar ein insgesamt formwirksamer Mietvertrag entstehen kann, wenn der Ursprungsvertrag formunwirksam gewesen ist (BGH NJW-RR 1988, 201 [BGH 11.11.1987 - VIII ZR 326/86]; NJW 2009, 2195). Diese Rechtsprechung hat der BGH bekräftigt. Er betont, dass es für die Einhaltung der Schriftform nicht erforderlich sei, dass schon die erste Vertragsurkunde selbst alle Schriftformvoraussetzungen erfülle. Es genüge vielmehr, wenn diese Voraussetzungen durch eine nachfolgende Änderungsvereinbarung gemeinsam mit der in Bezug genommenen ersten Vertragsurkunde erfüllt werden (BGH, Urteil vom 4. November 2020, Az.: XII ZR 104/19, zitiert nach juris Rn. 20 m.w.N).

Zu berücksichtigen ist in diesen Fällen allerdings, dass bis zu dem Zeitpunkt, zu dem die zweite Urkunde errichtet wird, eine ordentliche Kündigung wegen Nichteinhaltung der Schriftform ausgesprochen werden kann. Erst ab dem Moment, in dem eine dem Schriftformerfordernis des § 550 BGB genügende Vertragsurkunde existiert, die den Inhalt des Mietvertrages vollständig und richtig wiedergibt, ist eine ordentliche Kündigung ausgeschlossen. Denn die Errichtung der Urkunde entfaltet nur Wirkung ex nunc und nicht ex tunc Wirkung.

Dies folgt nach Auffassung des Senats aber nicht aus einer Analogie zu den §§ 141 Abs. 2, 184 BGB (so Lammel, in: Schmidt-Futterer, Mietrecht, 15. Auflage, § 550 Rn. 30). Vorzugswürdig ist vielmehr ein argumentum a fortiori mit Rücksicht auf die Regelungen zur Heilung von formnichtigen Rechtsgeschäften bei Nichteinhaltung der notariellen Beurkundung. Denn gemäß § 311 Abs. 1 Satz 2 BGB "wird" ein ohne Beachtung der Form geschlossener Vertrag seinem ganzen Inhalte nach gültig, wenn die Auflassung und die Eintragung in das Grundbuch erfolgen. Wenn bei Formverstößen, die sogar die Wirksamkeit des Vertrages im Ganzen berühren, eine Heilung ex nunc eintritt, kann für die Nichteinhaltung der Schriftform, die nur eine Teilnichtigkeit zur Folge hat, nichts Anderes gelten.

bb) Die vorstehenden Ausführungen zugrunde gelegt fehlt es an einer vor Zugang der Kündigungserklärung zustande gekommenen formgerechten Nachtragsvereinbarung, die ex nunc zu einer Heilung des Formmangels geführt hat.

Die Beklagten haben nämlich nicht den Beweis erbracht, dass die Nachtragsvereinbarung vor Zugang der Kündigung vom 26. April 2021 unterzeichnet worden ist und dadurch nachträglich eine Heilung der bis zu diesem Zeitpunkt nicht eingehaltenen Schriftform erfolgt ist.

Die Beweiswürdigung des Landgerichts greift die Beklagte ohne Erfolg an. Es kann keine Rede davon sein, dass dem Landgericht bei seiner Beweiswürdigung eine gravierende Falschbewertung unterlaufen sei. Es besteht keine Veranlassung, die bereits ausführlich vernommenen Zeugen erneut zu vernehmen.

Der Senat hat gemäß § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO grundsätzlich die verfahrensfehlerfrei durch das Landgericht festgestellten Tatsachen seiner Entscheidung zu Grunde zu legen. Die von den Beklagten vorgebrachten Einwände gegen die Beweiswürdigung des Landgerichts und die eigenständige Prüfung der gerichtskundigen Tatsachen durch den Senat begründen aus der maßgeblichen Sicht des Berufungsgerichts nicht mit der notwendigen gewissen Wahrscheinlichkeit konkrete Anhaltspunkte für Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen des Landgerichts, die gemäß § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO eine neue Feststellung durch den Senat gebieten.

Gem. § 286 ZPO hat das Gericht unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden. Vor diesem Hintergrund ist es nicht zu beanstanden, dass das Landgericht unter Berücksichtigung aller Umstände die für die Erbringung eines Vollbeweises notwendige Gewissheit, die Zweifeln Schweigen gebietet, ohne sie vollständig auszuschließen (siehe Zöller/Greger, ZPO, 34. Auflage, § 286 Rn. 19), nicht zu erlangen vermochte.

Auch nach Auffassung des Senats bestehen gewichtige Zweifel an der Richtigkeit der Darstellung der Beklagten.

Der als Zeuge vernommene P. von W. hat nicht konkret angeben können, wann genau er den Nachtrag unterschrieben hat und wann ihm dieser Nachtrag zur Unterschrift vorgelegt worden ist. Seine Angaben sind insoweit äußerst vage und lassen jede konkrete Festlegung vermissen. So hat der Zeuge angegeben, dass er nicht mehr genau wisse, wie das in diesem Fall gewesen sei. Es sei nicht so gewesen, dass er jetzt extrem darauf gewartet hätte. Zu welchem Zeitpunkt das gewesen sei, wisse er nicht mehr. Ob das mit dem Schreiben danach passiert sei, könne er nicht sagen. Es gebe im Sekretariat verschiedene Körbchen mit verschiedenen Adressaten. Teilweise lege er die von ihm bearbeitete Post in das Körbchen für das Sekretariat, teilweise lege er es direkt in das Körbchen für den nächsten Ansprechpartner. Wie das in diesem konkreten Fall gewesen sei, könne er nicht sagen. Er könne auch nicht sagen, wie der Vertrag zu ihm gekommen sei. Er hat lediglich konkret angegeben, dass er die Unterschrift auf dem Vertrag als Erster geleistet habe und es danach erst zu dem Zeugen Dr. K. gegangen sei. Sodann hat der Zeuge wie folgt ausgeführt:

"Ich habe eben gesagt, dass der Vertrag dann zu Herrn Dr. K. gegangen ist, weil ich davon ausgehe, dass ich der Sekretärin gesagt habe, dass der Vertrag dann an Dr. K. weitergeleitet werden soll. Konkrete Erinnerungen habe ich an dieses Gespräch nicht. Ich habe der Sekretärin auch gesagt, dass der Vertrag dann an das Klinikum gehen muss. Ich denke, ich erinnere das. Ich habe den Vertrag nicht gesehen, nachdem Herr Dr. K. unterschrieben hatte. Wir haben kein konkretes System für das Absenden von Dokumenten. Das schickt die Sekretärin einfach weg. Ich kann nicht mehr sagen, wann das stattgefunden hat. Ich kann nicht sagen, ob die von mir geleistete Unterschrift im Jahre 2019, 2020 oder 2021 geleistet wurde."

[Hervorhebung durch den Senat].

Der Zeuge hat auch auf anschließenden Vorhalt den zeitlichen Rahmen nicht näher eingrenzen können und (lediglich) angegeben, er "denke", dass zwischen den Gesprächen und der Unterzeichnung keine 2 Jahre vergangen seien (Blatt 112 der Akte). Allein die Aussage, dass er eher nicht glaube, dass es ihm durchgerutscht wäre, wenn er dieses Schriftstück erst im Jahre 2021 vorgelegt bekommen hätte, ist angesichts der vorherigen äußerst vagen Ausführungen nicht geeignet, den erforderlichen Vollbeweis zu erbringen.

Gleiches gilt für die Aussage des Zeugen K.. Auch die Aussage des Zeugen H. K. rechtfertigt nicht die Annahme, dass die Schriftform durch Unterzeichnung des Nachtrages nachträglich nachgeholt worden ist.

Der Zeuge K. konnte zu Beginn seiner Aussage nicht sagen, ob er diesen Vertrag unterzeichnet hat, weil er diesen Vertrag nicht in seinen Unterlagen habe. Er könne keine Aussage darüber treffen. Er gehe davon aus, dass er diesen Vertrag nicht unterzeichnet habe. Hätte er diesen Mietvertrag unterschrieben, hätte er wohl eine Kopie. Er habe an diesen Änderungsvertrag zum Mietvertrag überhaupt gar keine Erinnerung. Zur Erläuterung hat der Zeuge darauf hingewiesen, dass er sozusagen Minderheitspartner in der GbR gewesen sei. Solche Sachen wie Gespräche mit dem K. seien von Herrn von W. geführt worden und die Angelegenheiten seien auch von ihm bearbeitet worden. Er erinnere sich an ein Gespräch über eine Vertragsänderung. Dabei sei es um eine andere Etage innerhalb des Gebäudes gegangen. An diesen konkreten Vertrag könne er sich aber nicht erinnern. Er habe den Vertrag weder gesehen noch habe er ihn unterschrieben. Er hat nochmals bekräftigt, dass er sich eine Kopie gemacht hätte, wenn ihn unterschrieben hätte.

Sodann hat der Zeuge auf Vorhalt von Blatt 57 d.A. bestätigt, dass es seine Unterschrift sei und er offensichtlich diesen Vertrag unterschrieben habe. Eine Erinnerung habe er daran aber nicht. Er habe auch keine Kopie davon erhalten. Jetzt wo er wisse, dass er den Vertrag offenbar unterzeichnet haben müsse, könne er das aber trotzdem zeitlich überhaupt nicht einordnen. Er könne sich schon erinnern, dass sie ein Interesse an der Erweiterung der Flächen gehabt hätten. An die Unterzeichnung des Vertrages habe er aber keine Erinnerung (Blatt 113 der Akte).

Der Zeuge hat zwar angegeben, dass er ausschließe, den Vertrag erst nach Erhalt der Kündigung unterzeichnet zu haben. Denn ab dem Zeitpunkt der Kündigung seien sie alle in erhöhter Alarmbereitschaft gewesen und die Aufmerksamkeit sei auf dieses Thema gelenkt worden. Zu diesem Zeitpunkt war die Sache mit der Erweiterung der Mietfläche längst abgeschlossen. Also nach Mai 2021 könne er das auf keinen Fall unterschrieben habe.

Auch dieser Aussage haftet jedoch ein erhebliches Unsicherheitsmoment an. Die Kündigung ist ausgesprochen worden am 26. April 2021. Soweit der Zeuge daher bekundet, dass er den Vertrag nach Mai 2021 auf keinen Fall unterschrieben habe, folgt daraus aber im Umkehrschluss keineswegs, dass der Vertrag noch vor Zugang des Kündigungsschreibens unterschrieben worden ist. Dies gilt umso mehr, als der Zeuge keine konkrete Erinnerung an die Situation der Vertragsunterzeichnung gehabt hat und auch nicht wusste, wie dieser Vertrag zu seinem Anwalt gelangt sei.

Die Aussagen beider Zeugen zeichnen sich mithin durch eine besonders ausgeprägte Vagheit aus.

Die Einzelrichterin hat auch völlig zu Recht bei ihrer Beweiswürdigung hervorgehoben, dass die auf der Urkunde vorhandenen Unterschriften der Zeugen nicht mit einem Datum versehen worden seien, was bei dem Abschluss eines so wichtigen Vertrages wie einem Mietvertrag über Praxisräume mehr als ungewöhnlich sei. Die Einzelrichterin hat auch weiter zu Recht hervorgehoben, dass es ungewöhnlich sei, dass für die behauptete Übersendung des Unterseitenvertrages kein schriftlicher Nachweis existiert. Im Übrigen hat die Einzelrichterin auch zu Recht betont, dass das Schreiben der GbR vom 6. Mai 2020 zur Ausübung der Verlängerungsoption bemerkenswerterweise lediglich auf den ursprünglichen Mietvertrag aus dem Jahre 2015 Bezug nimmt und es zu erwarten gewesen wäre, dass die ehemalige Mieterin bei Ausübung der Option schon auf die mündlich vereinbarte Vertragsänderung Bezug nimmt. All diese Umstände blendet die Beklagte zu Unrecht bei ihrer Argumentation aus.

Entgegen den Ausführungen der Beklagten verhält es sich auch nicht so, dass bei einem kollusiven Zusammenwirken eine gänzlich andere Aussage zu erwarten gewesen sei. Insoweit verbleibt es bei Spekulationen zu einem mutmaßlichen Verhalten bei abgestimmten Aussagen. Es gibt keinen allgemeinen Grundsatz, wonach abgestimmte Aussagen immer deckungsgleich sind. Es sind durchaus Fälle denkbar, in denen Erinnerungslücken betont werden, um somit den potentiellen Vorwurf einer Falschaussage zu entkräften.

c) Auch der Einwand der Beklagten, dass es der Klägerin mit Rücksicht auf die Grundsätze von Treu und Glauben verwehrt sei, sich auf einen zur Kündigung berechtigenden Schriftformmangel zu berufen, geht fehl.

aa) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes dürfen die aus der Verletzung gesetzlicher Formvorschriften resultierenden Rechtsfolgen im Interesse der Rechtssicherheit nicht schon aufgrund von Billigkeitserwägungen außer Acht gelassen werden. Eine Ausnahme kann nur in solchen ganz besonders gelagerten Fällen gemacht werden, in denen nach den gesamten Umständen die Nichtigkeit zu einem schlechthin untragbaren Ergebnis führen würde, wobei an die Bejahung eines solchen Ausnahmefalles strenge Anforderungen zu stellen sind (vgl. Landwehr, in: Bub/Treier, Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete, 5. Aufl., Kapitel II. Rn. 2556 m.w.N.).

bb) Ein solcher Ausnahmefall liegt unter anderem vor, wenn eine Partei die andere schuldhaft von der Wahrung der Form abgehalten hat, etwa wenn sie beim Vertragsschluss in Kenntnis der Formbedürftigkeit mit der Absicht handelt, sich später nach Belieben zum eigenen Vorteil auf den Formmangel zu berufen (Landwehr, aaO, Rn. 2559 mit weiteren Nachweisen; siehe ferner BGH, Urteil vom 29. Januar 1965, Az.: V ZR 53/64). Die Voraussetzungen für einen solchen Ausnahmefall liegen nach dem beiderseitigen Parteivorbringen jedoch nicht vor. Lediglich ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass es für den Vorwurf der Treuwidrigkeit auch nicht ausreicht, dass der sich auf den Formmangel berufenden Partei nur vorgeworfen werden könnte, dass sie den Formmangel zwar nicht erkannt hat, ihn aber hätte kennen müssen (siehe Landwehr, aaO).

cc) Bei lediglich fahrlässiger Verursachung des Formmangels greift § 242 BGB allenfalls dann ein, wenn der anderen Partei die Verletzung einer durch ein enges Vertrauensverhältnis begründeten Betreuungspflicht beim Vertragsschluss zur Last fällt. Da aber beim Vertragsschluss in der Regel beide Parteien jeweils ihre eigenen Interessen zu wahren haben, wird ein solcher Fall nur selten anzunehmen sein (siehe Landwehr, aaO Rn. 2560). Allein der Umstand, dass die Beklagte zur Ausübung ihrer ärztlichen Tätigkeit im Interesse ihrer Patienten auf die Nutzung der Räume angewiesen ist, begründet keine umfassende Betreuungspflicht. Die bloße Verbindung zwischen zwei Parteien begründet nicht ohne weiteres eine gegenseitige Verantwortlichkeit für die Einhaltung von Formvorschriften (siehe Landwehr, aaO Rn. 2560). Es liegt auch kein Fall vor, in dem die den Formmangel begründende Vertragsänderung auf den Wunsch der Klägerin als stärkere Partei zurückgegangen ist (vergleiche zu diesem Aspekt ebenfalls Landwehr, aaO).

dd) Ohne Erfolg macht die Beklagte ferner geltend, dass das Berufen der Klägerin auf die Nichteinhaltung der Form gegen Treu und Glauben verstößt, weil die wirtschaftliche Existenz der Beklagten durch die Formnichtigkeit bedroht wäre (vgl. BGH, NJW 2007, 3702 sowie BGH NJW 2014, 1087 [BGH 22.01.2014 - XII ZR 68/10] Rn. 32).

Entgegen der Auffassung der Einzelrichterin, welche eine neuere Entscheidung des Kammergerichts vom 7. November 2022 (Az.: 8 U 157/21; Nichtzulassungsbeschwerde anhängig beim BGH unter dem Az.: XII ZR 110/22) zitiert und sich deren Inhalt zu eigen gemacht hat, kann nicht davon gesprochen werden, dass es juristischen Personen des Privatrechts generell verwehrt ist, sich auf eine Treuwidrigkeit infolge einer Existenzbedrohung zu berufen.

Dies lässt sich nicht ansatzweise der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes oder dem Schrifttum entnehmen. Eine solche Betrachtungsweise verkennt grundlegend, dass das wechselseitige Pflichtenprogramm bei Mietverträgen nicht davon abhängig ist, ob es sich bei dem Mieter um eine natürliche Person oder um eine juristische Person oder um eine rechtsfähige Personengesellschaft handelt. Die juristische Person ist insoweit in rechtlicher Hinsicht in jeder Hinsicht der natürlichen Person gleichgestellt. Die Auffassung, dass sich Kapitalgesellschaften als künstliche Schöpfungen im Hinblick auf Art. 1 GG nicht auf einen Verstoß gegen Treu und Glauben berufen könnten, kann bei objektiver Betrachtung nicht nachvollzogen werden.

In jedem Fall hätte die Einzelrichterin die Beklagte daher zwingend darauf hinweisen müssen, dass sie diese (bei objektiver Betrachtung überraschende) Auffassung zu vertreten gedenke. Die Einzelrichterin hat insoweit den Anspruch der Beklagten auf Gewährung rechtlichen Gehörs offenkundig verletzt.

Dieser Verfahrensmangel hat sich jedoch nicht kausal ausgewirkt. Denn im Ergebnis kann sich die Beklagte nicht auf eine Existenzbedrohung berufen. Auch in diesem Zusammenhang gilt der Grundsatz, dass der Einwand der Treuwidrigkeit nur dann zum Tragen kommt, wenn die Kündbarkeit des Vertrages zu einem schlechthin untragbaren Ergebnis führen würde (siehe Landwehr, in: Bub/Treier, Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete, 5. Aufl., Kapitel II. Rn. 2567).

Von einer rechtlich relevanten Existenzbedrohung kann bei gewerblichen Mietverhältnissen daher nur dann gesprochen werden, wenn die betroffene Vertragspartei gerade durch den Verlust der Nutzungsmöglichkeit des konkreten Mietobjekts die Grundlagen ihrer wirtschaftlichen Existenz in dem Sinne verlieren würde, dass sie dauerhaft und endgültig nicht mehr in der Lage wäre, ihren Lebensunterhalt zu bestreiten (Senat, Urteil vom 22. Juni 2018, Az.: 2 U 93/16; NZB zurückgewiesen mit Beschluss des BGH vom 08.05.2019, XII ZR 62/18; siehe auch Landwehr, aaO, Kap. II Rn. 2567).

Für die Frage der Existenzbedrohung sind dabei nicht nur isoliert die Einnahmen bzw. Gewinne aus dem Mietobjekt, sondern auch die übrigen Vermögensverhältnisse der betroffenen Vertragspartei in den Blick zu nehmen. Eine (wirtschaftliche) Existenzbedrohung ist beispielsweise zu verneinen, wenn die betroffene Partei über weiteres Vermögen (zum Beispiel Rücklagen oder anderes Einkommen) verfügt, welches ihr ermöglicht, ein anderes Objekt anzumieten und an anderer Stelle dauerhaft ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. Dass die Verlegung des Tätigkeitssitzes mit wirtschaftlichen Verlusten verbunden ist, schadet insoweit grundsätzlich nicht. Denn allein wirtschaftliche Verluste sind nicht mit dem Verlust der wirtschaftlichen Existenzgrundlage gleichzusetzen. Auch der Umstand, dass ein Gewerberaummieter kostenträchtige Investitionen getätigt hat, belegt keine Existenzbedrohung, zumal nicht aus dem Blick geraten darf, dass sich Investitionen in vielen Fällen wenigstens teilweise durch die Nutzung in der Vergangenheit amortisiert haben werden (siehe zu alledem Landwehr, in: Bub/Treier, Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete, 5. Auflage, Kapitel II. Rn. 2567).

Gemessen an diesen Grundsätzen kann von einer Existenzbedrohung auf Seiten der Beklagten nicht gesprochen werden.

Die Beklagte hat zu ihren Vermögensverhältnissen keinen Sachvortrag gehalten. Dies war aber erforderlich. Denn die Frage, ob eine Existenzbedrohung vorliegt, kann naturgemäß nur mit Rücksicht auf das Gesamtvermögen einer Partei beurteilt werden, so dass die Partei auch gehalten ist, konkreten Vortrag dazu zu halten, über welche weiteren Vermögenswerte sie im Einzelnen verfügt. Entsprechenden Vortrag hat die Beklagte aber zu keinem Zeitpunkt gehalten. Von einer Insolvenzgefährdung kann mithin keine Rede sein.

Allein der Umstand, dass die Beklagte bis zum heutigen Tag noch keine Ersatzräumlichkeiten gefunden hat, rechtfertigt für sich genommen ebenfalls nicht die Feststellung einer existenzbedrohlichen Lage.

Die Beklagte ist überdies jede nachvollziehbare Schilderung schuldig geblieben, wann genau sie mit den Immobilienmaklern oder den Immobilienfirmen Kontakt aufgenommen hat. Im Schriftsatz vom 18. Mai 2022 hatte die Beklagte vorgetragen, dass sie lediglich mit einer einzigen Immobilienfirma Kontakt aufgenommen hatte (Blatt 81 R der Akte). Die Kontaktaufnahme mit einer einzigen Immobilienfirma war jedoch offenkundig unzureichend.

Ungeachtet dessen ist ausweislich der von der Beklagten vorgelegten Anlage B3 ein Großteil weiterer kontaktierter Immobilienfirmen nicht erreichbar gewesen, sodass nicht die Feststellung getroffen werden könnte, dass auf dem Immobilienmarkt in H. keine anwendbaren geeigneten Flächen zur Verfügung stehen. Im Gegenteil ist senatsbekannt, dass im großen Ballungsraum H. eine Vielzahl von Gewerberäumlichkeiten zur Anmietung zur Verfügung stehen.

Die Beklagte hatte in ihrem Schriftsatz vom 22. Februar 2022 darauf hingewiesen, dass sie nicht innerhalb von wenigen Monaten in einem Ballungsgebiet wie Hannover die benötigten ca. 500 m2 Praxisräume anderweitig anmieten könne. Dieser Einwand geht zum jetzigen Zeitpunkt, in dem mehr als ein Jahr und 3 Monate vergangen sind, offenkundig fehl. Die Beklagte hatte ausreichend Zeit sich um anmietbare Ersatzräume zu bemühen. Dass solche Räumlichkeiten im gesamten Ballungsraum H. nicht zur Verfügung stehen, behauptet nicht einmal die Beklagte selbst. Eine solche Behauptung wäre auch (senatsbekannt) unzutreffend.

Die Beklagte hat es sich insoweit selbst zuzuschreiben, dass sie trotz Anhängigkeit des Räumungsprozesses im Jahre 2021 erst jetzt verstärkte und auch nur teilweise ausreichende Bemühungen entfaltet hat, Ersatzräume zu finden.

Vor diesem Hintergrund scheidet auch eine Anordnung auf der Grundlage von § 712 Abs. 1 Satz 1 ZPO aus.

2. Ungeachtet der vorstehenden Ausführungen hat die Klägerin das bestehende Mietvertragsverhältnis auch wirksam mit Schreiben vom 2. März 2023 fristlos wegen Zahlungsverzuges gekündigt, so dass die Beklagte auch aus diesem Grunde zur Räumung verpflichtet ist.

a) Die Beklagte befand sich in einem Zeitraum, der sich über mehr als 2 Termine erstreckt, mit der Entrichtung der Miete in Höhe eines Betrages in Verzug, der die Miete für 2 Monate erreicht (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 lit. b BGB). Ausweislich der von der Klägerin vorgelegten Übersicht in der Anlage K 12 hat die Beklagte seit 2021 die geschuldete Miete in Höhe von 4.808,93 € bis einschließlich Februar 2023 nicht geleistet, obwohl sie dies zuvor noch bis Juni 2021 getan hat.

aa) Zu Unrecht beruft sich die anwaltlich beratene Beklagte darauf, dass sie nicht zur Zahlung eines erhöhten Mietzinses verpflichtet gewesen sei.

Das Landgericht hat mit Tatbestandswirkung im angefochtenen Urteil ausgeführt, dass sich die Parteien in einem Gespräch am 20. März 2019 auf eine Flächenerweiterung und eine Mieterhöhung und auf eine neue Gesamtmiete in Höhe von 4.808,93 € geeinigt hätten. Die Änderung hätte dann in einem schriftlichen Mietvertragsnachtrag festgehalten werden sollen. Mit Anschreiben vom 27. Mai 2019 habe die Klägerin der GbR 2 von ihr bereits unterschriebene Exemplare des Mietvertragsnachtrages mit der Aufforderung übersandt, eine Ausfertigung unterschrieben zurückzusenden. Gleichzeitig habe die Klägerin die GbR aufgefordert, zwischenzeitlich aufgelaufene Rückstände in Höhe von 25.331,08 € zu begleichen. In der Folgezeit habe die GbR die erhöhte Miete und den Rückstand gezahlt.

Auf der Grundlage dieser tatbestandlichen Ausführungen steht fest, dass trotz der zunächst nicht erfolgten Unterzeichnung der schriftlichen Vereinbarung jedenfalls durch die Zahlung der erhöhten Miete im Folgezeitraum von einer konkludenten Vertragsänderung auszugehen ist.

bb) Die Beklagte hat das Unterbleiben der Leistung auch zu vertreten. Dass erforderliche Verschulden des Mieters wird vermutet (§ 286 Abs. 4 BGB; siehe Fleindl, in: Bub/Treier, Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete, 5. Aufl., Kapitel IV. Rn. 372). Ein Schuldner ist für die Verzögerung der Leistung auch dann verantwortlich, wenn sie auf mangelnder finanzieller Leistungsfähigkeit, Fehlern bei geschäftlichen Dispositionen oder auf Gründen beruht, die in seinen Risikobereich fallen (Grüneberg/Grüneberg, BGB, 82. Aufl., § 286 Rn. 32). Die Beklagte hat es sich insoweit selbst zuzuschreiben, dass sie ihre eigene Buchhaltung nicht so organisiert hat, dass Zahlungsrückstände vermieden werden.

Entgegen der Auffassung der Beklagten war die Klägerseite auch nicht nach Treu und Glauben verpflichtet, die Beklagte auf das Ausbleiben von Zahlungen hinzuweisen. Eine solche Hinweispflicht besteht nur in Ausnahmefällen, wie zum Beispiel in den Fällen eines Zuständigkeitswechsels bei Sozialämtern (siehe Fleindl, a.a.O.).

cc) Zu Recht weist die Klägerin auch darauf hin, dass § 569 Abs. 3 Nr. 2 Satz 1 BGB im vorliegenden Fall nicht zur Anwendung kommt. Dies ergibt sich aus der eindeutigen Regelung in § 578 BGB, wonach § 569 Abs. 3 bis 5 BGB nur auf Verträge über die Anmietung von Räumen durch eine juristische Person des öffentlichen Rechts oder einen anerkannten privaten Träger das Wohl der Wohlfahrtspflege anwendbar sind.

b) Entgegen der Auffassung der Beklagten ist die Kündigung auch nicht gemäß § 314 Abs. 3 BGB unwirksam.

§ 314 Abs. 3 BGB ist vorliegend nicht anwendbar (ebenso OLG Hamm, Urteil vom 8. November 2019, Az.: I-30 U 117/19, zitiert nach juris Rn. 95ff.). Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat mit Versäumnisurteil vom 13. Juli 2016 (Az.: VIII ZR 296/15) ausgeführt, dass § 314 Abs. 3 BGB auf die fristlose Kündigung eines Wohnraummietverhältnisses keine Anwendung finde. Zur Begründung hat der Bundesgerichtshof ausgeführt, dass sich aus den Gesetzesmaterialien zu den §§ 543, 569 BGB und § 314 BGB eindeutig ergebe, dass die Vorschriften über die fristlose Kündigung eines Mietverhältnisses als abschließende spezielle Regelung konzipiert sei und von der Einfügung einer Bestimmung, wonach die Kündigung in "angemessener Frist" zu erfolgen habe, bewusst abgesehen wurde (BGH, aaO, zitiert nach juris Rn. 18 sowie Rn. 20 unter Hinweis auf BT-Drucksache 14/4553, Seite 44). In der Tat lassen die Gesetzesmaterialien den eindeutigen Willen des Gesetzgebers erkennen, keine gesetzliche Regelung zu schaffen, wonach innerhalb einer angemessenen Zeit eine Kündigung zu erfolgen habe. In den Materialien wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass eine einheitliche feste Ausschlussfrist wegen der Vielgestaltigkeit der Mietverhältnisse (Wohnraum, Geschäftsraum, Grundstück, bewegliche Sachen) nicht möglich sei und eine offenere Bestimmung durch die Rechtsprechung in jedem Falle auslegungsbedürftig sei. Eine mögliche Regelung könne damit nur wenig zur Vereinfachung des Mietrechts beitragen (BT-Drucksache 14/4553, Seite 44; wörtlich wiedergegeben auch vom BGH, aaO Rn. 21). Gerade weil in den Gesetzesmaterialien auch Geschäftsräume ausdrücklich Erwähnung finden, verbietet sich ein Verständnis dahingehend, dass die Rechtsprechung des VIII. Zivilsenats des BGH ausschließlich auf Wohnraummietverhältnisse Anwendung finden kann.

Ein Kündigungsrecht der Beklagten kann mithin allenfalls mit der Erwägung verneint werden, dass dieses verwirkt worden sei (vergleiche BGH, Versäumnisurteil vom 13. Juni 2016, Az.: VIII ZR 206/15, zitiert nach juris Rn. 21).

Die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Verwirkung sind aber ersichtlich nicht gegeben. Jedenfalls ist nicht erkennbar, dass die Beklagte der Klägerin gegenüber einen Vertrauenstatbestand geschaffen hat. Bloßes Nichtstun reicht hier nicht aus. Ebenso wenig war die Klägerin verpflichtet, der Beklagten eine Saldomitteilung zu übersenden. Es war allein Sache der Beklagten, sich um ihre finanziellen Angelegenheiten zu kümmern."

Die hiergegen gerichteten Ausführungen der Beklagten im Schriftsatz vom 21. August 2023 (Bl. 300f. d.A.) geben dem Senat keine Veranlassung zu einer geänderten Beurteilung.

1. Entgegen der Auffassung der Beklagten trägt nach ganz herrschender Meinung die Beweislast für die Einhaltung der Schriftform diejenige Partei, die sich trotz Kündigung auf das Fortbestehen des Mietvertrages beruft (siehe nur Schweitzer, in: Guhling/Günter, Gewerberaummiete, 2. Aufl., § 550 Rn. 99).

2. Es verbleibt auch dabei, dass die Beklagte nicht den Nachweis der Einhaltung der Schriftform geführt hat. Soweit es die Beweiswürdigung des Senats betrifft, setzt die Beklagte lediglich ihre eigene nicht überzeugende Auffassung an die Stelle derjenigen des Senats, ohne tragfähige Gründe aufzuzeigen, die zu einer anderen Bewertung führen.

Auch der Hinweis darauf, dass der Ausspruch der Kündigung völlig überraschend für die Zeugen gewesen sei, zwingt mit Rücksicht auf den protokollierten Inhalt der Zeugenaussagen keineswegs dazu, den "vagen" Angaben der Zeugen Glauben schenken zu müssen. Es besteht keinerlei Veranlassung, die bereits ausführlich vernommenen Zeugen nochmals zu vernehmen.

3. Die kritischen Anmerkungen von Lammel, in: jurisPR-MietR 16/2023 Anm. 4 geben dem Senat keine Veranlassung von seiner im Hinweisbeschluss geäußerten Rechtsmeinung (Heilung der Schriftform "ex nunc") abzurücken.

Lammel weist zwar zutreffend darauf hin, dass ein Zitierfehler vorliegt ("§ 311 Abs. 1 Satz 2 BGB" statt richtigerweise § 311 b Abs. 1 Satz 2 BGB) und dass er in seiner Kommentierung von § 550 BGB - entgegen der Darstellung des Senats - eine Heilung des Formmangels "ex tunc" annimmt.

Der Senat verbleibt nach erneuter kritischer Überprüfung allerdings dabei, dass die auf eine analoge Anwendung der §§ 141 Abs. 2, 184 BGB gestützte Annahme einer Heilungswirkung "ex tunc" aus dogmatischer Sicht nicht zu überzeugen vermag.

Soweit der Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung vom 14. Juli 2004 (Az.: XII ZR 68/02) ausgeführt hat, dass ein formgerechtes Schriftstück einen durch mündliche Nachtragsvereinbarung zwischenzeitlich entstandenen Mangel der Form "rechtzeitig vor Ausspruch der Kündigung" geheilt hat, weil der Vertrag dann von Anfang an als in der gesetzlich vorgeschriebenen Form abgeschlossen gilt, hat der Bundesgerichtshof dies nicht näher dogmatisch begründet. Dem Zusatz "rechtzeitig vor Ausspruch der Kündigung" lässt sich allerdings entnehmen, dass auch nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes eine bereits ausgesprochene Kündigung durch die Nachholung der vorgeschriebenen Form gerade nicht ihre Wirkung verlieren soll.

Die in der Rechtsliteratur vertretene Gesamtanalogie zu den §§ 141 Abs. 2, 184 BGB begegnet Zweifeln. Denn wenn zwischen den Parteien des Mietvertragsverhältnisses eine (umfassende) schuldrechtliche Rückwirkung im Sinne von § 141 Abs. 2 BGB angenommen würde, dann drängt sich die Frage auf, warum es der anderen Partei nicht möglich sein sollte, sich gerade wegen der schuldrechtlichen Rückwirkung darauf zu berufen, dass die bereits ausgesprochene und wirksame Kündigung auf der Grundlage von § 242 BGB gegen Treu und Glauben verstößt.

Überdies ist nach Auffassung des Senates zu berücksichtigen, dass § 141 Abs. 2 BGB nur eine Vermutung der schuldrechtlichen Rückwirkung begründet, die widerlegt werden kann. In diesem Zusammenhang kommt aber gerade der gesetzlichen Regelung in § 550 Satz 2 BGB maßgebliche Bedeutung zu. Zwar kann eine Partei bei Nichteinhaltung der Form Erfüllung des Vertrages verlangen, solange die andere Partei nicht den Vertrag unter Berufung auf § 550 Satz 2 BGB wirksam gekündigt hat und der Mietvertrag sodann beendet worden ist. Einen Anspruch auf Nachholung der Form besteht aber grundsätzlich nicht, weil ansonsten die vom Gesetz ausdrücklich für den Regelfall vorgesehene Kündbarkeit des Vertrages andernfalls keinen Sinn machen würde (siehe Staudinger/Emmerich, BGB, Stand: August 2017, § 550 Rn. 39).

Da das Gesetz eine jederzeitige Kündbarkeit gewährt, solange nicht das Formerfordernis gewahrt ist, folgt daraus, dass ein Vertrag bis zum Zeitpunkt der Nachholung der Schriftform gekündigt werden kann und diese Kündigung gerade nicht ihre Wirkungen einbüßt. Eine umfassende Rückwirkung würde insoweit dem Gesetzeszweck widersprechen. Genau dieser Gesichtspunkt (Widerspruch zum Gesetzeszweck) ist es auch, der im Anwendungsbereich von § 184 BGB in bestimmten Fällen dazu führt, dass eine Rückwirkung ("ex tunc") verneint wird (siehe Erman/Mayer-Reimer/Finkenauer, BGB, 16. Aufl., § 184 Rn. 15). So wird die Verjährung im Falle der Genehmigung nicht rückwirkend, sondern "ex nunc" in Gang gesetzt (siehe nur Grüneberg/Ellenberger, BGB, 82. Auflage, § 184 Rn. 2; ebenso Larenz, Allgemeiner Teil des deutschen Bürgerlichen Rechts, 7. Auflage, § 24 (S. 487)). Gleiches gilt für den Schuldnerverzug (Grüneberg/Ellenberger, aaO). Auch die Genehmigung der vom Nichtberechtigten erhobenen Klage wirkt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs lediglich ex nunc (Grüneberg/Ellenberger, aaO). Für den vorliegenden Fall kann nach Auffassung des Senats nichts Anderes gelten.

Mit Rücksicht darauf hält es der Senat weiterhin aus dogmatischer Sicht für vorzugswürdig, eine Wirkung "ex nunc" anzunehmen, die auf einen Rückgriff auf den in § 311b Abs. 1 Satz 2 BGB zum Ausdruck kommenden Gedanken oder aber auf einer einschränkenden analogen Anwendung des § 141 Abs. 2 BGB gründet.

4. Entgegen der Auffassung der Beklagten ist auch ein Verstoß gegen Treu und Glauben zu verneinen.

a) Zunächst einmal kann keine Rede davon sein, dass der Bundesgerichtshof nur sehr fragmentarisch bisher dargelegt habe, unter welchen Kriterien ein Verstoß gegen Treu und Glauben vorliege. Der Senat verweist exemplarisch auf die Kommentierung von V. Emmerich, in: Staudinger, BGB, Stand: 2021, der unter Rückgriff auf die zahlreichen Urteile des Bundesgerichtshofes die in der Rechtspraxis relevanten Fallgruppen beschreibt.

b) Auch der Hinweis auf den besonderen ethischen Anspruch der Klägerin und der Beklagten als medizinische Versorger rechtfertigt nicht die Annahme eines treuwidrigen Verhaltens. Der ethische Anspruch im Zusammenhang mit der Versorgung von Kranken hat schon der Sache nach nichts mit dem ethisch wertfreien Rechte- und Pflichtenprogramm bei Durchführung eines Mietvertrages zu tun.

Soweit die Beklagte außerdem in ihrem Schriftsatz vom 21. August 2023 erstmals das Bestehen einer über das Mietverhältnis hinausgehenden Kooperation behauptet, handelt es sich um eine neue, den Umständen nach bestrittene Behauptung.

Der Vortrag ist zudem nicht schlüssig bzw. entbehrt der erforderlichen Substanz. Der Umstand, dass die Parteien dadurch faktisch verbunden gewesen sein sollen, dass sie sich wechselseitig Patienten haben zukommen lassen, berechtigt nicht zu der Annahme, zwischen den Parteien des Rechtsstreits habe eine rechtlich verbindliche Kooperationsvereinbarung bestanden, die das Rechte- und Pflichtenprogramm des (unstreitig gesondert) geschlossenen Mietvertrages maßgeblich mitbestimmt hat.

c) Ebenfalls fehl geht der Hinweis darauf, dass die Klägerin durch ihre Reaktion auf das Schreiben der Beklagten vom 6. Mai 2020 einen Vertrauenstatbestand geschaffen haben soll. Allein der Umstand, dass die Klägerin den Eingang des entsprechenden Schreibens bestätigt hat, ist mit Sicherheit nicht dazu geeignet, bei dem Beklagten ein Vertrauen dahingehend zu schaffen, dass der Vertrag sowie bisher für eine Dauer von 5 Jahren fortgesetzt wird. Die Klägerin traf insoweit auch keine Hinweispflicht. Die Klägerin ist nicht Sachwalterin der Beklagten, die als (erfahrene) Freiberuflerin durchaus in der Lage ist, ihre Rechten und Pflichten selbst wahrzunehmen.

5. Es verbleibt auch dabei, dass die Klägerin zu einer fristlosen Kündigung des Mietvertragsverhältnisses verpflichtet war.

Der Senat hat in seinem Hinweisbeschluss im Einzelnen dargelegt, warum die Vorschrift des § 314 Abs. 3 BGB vorliegend nicht anwendbar ist. Der Gesetzgeber hat in der vom Senat in Bezug genommenen BT-Drucksache 14/4553 klar zum Ausdruck gebracht, dass seine Erwägungen sowohl für Wohnräume, Geschäftsräume, Grundstücke und bewegliche Sachen gelten (siehe dort Seite 44). Mit Rücksicht auf die maßgebliche Entscheidung des Bundesgerichtshofes vom 13. Juli 2016 sowie das vom Senat zitierte Urteil des Oberlandesgericht Hamm vom 8. November 2019 verbietet sich eine anderweitige Interpretation. Auch von einer rechtsgrundsätzlichen Bedeutung kann insoweit nicht mehr gesprochen werden. Der Senat war daher nicht an einer Entscheidung im Beschlusswege gehindert, zumal die Frage der Wirksamkeit der ausgesprochenen fristlosen Kündigung angesichts der durchgreifenden ordentlichen Kündigung gesamtunerheblich ist.

6. Ebenfalls fehl geht der Hinweis der Beklagten darauf, dass die Klägerin unstreitig während der gesamten langen Laufzeit des Mietverhältnisses Zahlungsverzug toleriert und auch stillschweigend Aufrechnungen vorgenommen habe. Allein dadurch konnte bei der Beklagten kein Vertrauenstatbestand derart geschaffen werden, dass zukünftig jedweder Zahlungsverzug nicht zur Kündigung berechtigen würde oder aber die Klägerin in jedem einzelnen Fall zu einer vorherigen Anmahnung verpflichtet gewesen wäre. Der Beklagten als Kapitalgesellschaft, die von erfahrenen Freiberuflern geleitet worden ist, war es durchaus zumutbar, ihre eigenen finanziellen Dinge im Blick zu behalten und darauf zu achten, dass mietvertragliche Pflichten eingehalten werden. Dies haben die Gesellschafter der Beklagten offenkundig nicht getan, was aber ausschließlich zu ihren Lasten geht.

III.

1. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

2. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr. 7 und 10, 711 ZPO.

Soweit es die von der Beklagten zu leistende Sicherheit betrifft, hat der Senat im Hinblick auf die voraussichtliche Dauer eines etwaigen Rechtsmittelverfahrens den einjährigen Bruttomietzins zugrunde gelegt.

3. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 41 Abs. 2 GKG.