Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 18.09.2023, Az.: 7 W 17/23 (L)

Verzicht; Nachabfindungsanspruch; Sittenwidrigkeit; Wegfall der Geschäftsgrundlage; Wirksamkeit eines Verzichts auf Nachabfindungsansprüche gemäß § 13 HöfeO

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
18.09.2023
Aktenzeichen
7 W 17/23 (L)
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2023, 35163
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGCE:2023:0918.7W17.23L.00

Verfahrensgang

vorgehend
AG Rotenburg (Wümme) - 14.02.2023 - AZ: 11 Lw 37/22

In der Landwirtschaftssache
pp.
hat der 7. Zivilsenat - Senat für Landwirtschaftssachen - des Oberlandesgerichts Celle durch die Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht ..., die Richterin am Oberlandesgericht ... und die Richterin am Oberlandesgericht ... als Berufsrichterinnen sowie die Landwirte Frau ... und Herrn .. als ehrenamtliche Richter am 18. September 2023 beschlossen:

Tenor:

Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den ihr Verfahrenskostenhilfegesuch zurückweisenden Beschluss des Amtsgerichts - Landwirtschaftsgerichts - Rotenburg (Wümme) vom 14. Februar 2023 in der Fassung des Nichtabhilfebeschlusses vom 28. Juni 2023 wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Die Antragstellerin begehrt die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe für die gerichtliche Inanspruchnahme des Antragsgegners, ihres Bruders, im Wege eines Stufenantrags auf Auskunftserteilung und Zahlung. Dem liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

Mit notariellem "Überlassungsvertrag" vom 21. Juni 1991 (UR-Nr. XXX des Notars W. R. mit Amtssitz in R. übertrug der am 4. März 2013 verstorbene Vater der Beteiligten, der Eigentümer des im Grundbuch des Amtsgerichts von S. Bl. ... eingetragenen Hofes im Sinne der Höfeordnung mit einer Gesamtfläche von rd. 75 ha war, im Wege der vorweggenommenen Erbfolge der Antragstellerin mit Zustimmung seiner Ehefrau, der am 11. September 2005 verstorbenen Mutter der Beteiligten, ein Baugrundstück mit einer Größe von ca. 1.000 m2. Außerdem verpflichtete er sich gemeinsam mit seiner Ehefrau für die Dauer von 15 Jahren zur Leistung einer monatlichen Zahlung in Höhe von 430 DM an die Antragstellerin. Die Antragstellerin sowie ihre ebenfalls bedachte Schwester S. C. erklärten sich in § 4 des "Überlassungsvertrags" mit dem Erhalt der aufgeführten Leistungen aus dem Vermögen ihrer Eltern für abgefunden und verzichteten für sich und ihre Abkömmlinge auf etwaige Pflichtteilsansprüche nach ihren Eltern einschließlich etwaiger Nachabfindungsansprüche aus § 13 HöfeO.

Mit Hofübergabevertrag vom 8. März 2002 zu UR-Nr. XXX des Notars R. mit Amtssitz in R. übertrug der Vater der Beteiligten seinen vorgenannten Hof dem Antragsgegner im Wege der vorweggenommenen Erbfolge. Außerdem erhielt der Antragsgegner von der Mutter der Beteiligten den im Grundbuch von S. Blatt ... eingetragenen Grundbesitz mit einer Größe von 5,4783 ha. Nach dem Tod des Vaters veräußerte der Antragsgegner - nach seinen Angaben aus gesundheitlichen Gründen - Teile des Hofs, so u.a. die Hofstelle, die verbliebenen Flächen verpachtete er. Der im Grundbuch von S. Blatt ... eingetragene Hofvermerk wurde am 2. Februar 2017 gelöscht.

Die Antragstellerin ist der Ansicht, dass der von ihr erklärte Verzicht auf Nachabfindungsansprüche unwirksam sei und ihr deswegen angesichts der vom Antragsgegner aus den Grundstücksverkäufen voraussichtlich erzielten "Millionenbeträge" Zahlungsansprüche gegen ihn zustünden; zumindest sei der Antragsgegner aber verpflichtet, ihr Auskunft über die Höhe seiner Einnahmen aus der Verwertung der ihm übertragenen Hofgrundstücke zu erteilen.

Ihre Rechtsauffassung zur Unwirksamkeit des Pflichtteils- und Nachabfindungsverzichts hat die Antragstellerin zunächst darauf gestützt, dass der beurkundende Notar weder über die Auswirkungen des Verzichts belehrt habe, noch der Überlassungsvertrag durch das Familiengericht genehmigt worden sei, obwohl die Antragstellerin nicht nur für sich, sondern auch für ihre Abkömmlinge auf Ansprüche verzichtet habe. Dies führe zu einer Unwirksamkeit des Verzichts insgesamt, da die Regelungen im "Überlassungsvertrag" wegen ihrer Verwendung in einer Vielzahl von Fällen Allgemeine Geschäftsbedingungen im Sinne von §§ 305 ff. BGB darstellten und insoweit das Verbot der geltungserhaltenden Reduktion greife.

Außerdem hat die Antragstellerin geltend gemacht, dass ihr ein Recht auf Vertragsanpassung gem. § 313 Abs. 1, 2 BGB dergestalt zustehe, dass der Pflichtteils- und Nachabfindungsverzicht aufzuheben sei, weil sie den Vertrag mit ihren Eltern nur im Vertrauen auf die landwirtschaftliche Weiternutzung des Hofes durch den Antragsgegner geschlossen habe.

Nachdem das Landwirtschaftsgericht dieser Argumentation der Antragstellerin nicht gefolgt ist und ihr Begehren auf Verfahrenskostenhilfe mit Beschluss vom 14. Februar 2023 zurückgewiesen hat, will die Antragstellerin die vermeintliche Unwirksamkeit ihres Pflichtteils- und Nachabfindungsverzichts - wie in der Begründung ihrer am 9. März 2023 erhobenen (sofortigen) Beschwerde ausgeführt - aus dem Gesichtspunkt der Sittenwidrigkeit herleiten. Denn es liege nach ihrer Auffassung ein grobes Missverhältnis zwischen dem Wert des von ihren Eltern an sie Geleisteten ("Mini-Grundstück") und der von ihr erbrachten Gegenleistung (Verzicht auf weitere Ansprüche) vor; außerdem hätten die Eltern ihre Jugend und Unerfahrenheit ausgenutzt, um sie - gleichermaßen wie ihre Schwester - ein für alle Mal von Pflichtteils- und Nachabfindungsansprüchen auszuschließen. Hierfür spräche insbesondere, dass der "Überlassungsvertrag" nicht als "Erb- und Pflichtteilsvertrag" bezeichnet worden sei, keine Belehrungen in die Vertragsurkunde aufgenommen worden seien und durch die gewählte Formulierung, dass sich die Antragstellerin "vom Vermögen ihrer Eltern für abgefunden" erklärt habe, bewusst auf eine Differenzierung zwischen väterlichem und mütterlichem Vermögen verzichtet worden sei.

Auch diese Begründung hat das Landwirtschaftsgericht als nicht tragfähig erachtet und der sofortigen Beschwerde der Antragstellerin nicht abgeholfen.

II.

Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen die Zurückweisung ihres Verfahrenskostenhilfegesuchs ist zulässig, insbesondere fristgerecht eingelegt, §§ 9 LwVG, 76 Abs. 1 und 2 FamFG, 127 Abs. 2 Satz ZPO; in der Sache verbleibt sie allerdings ohne Erfolg.

Die Antragstellerin hat wirksam auf das ihr grundsätzlich als weichende Hoferbin zustehende Recht auf Nachabfindung verzichtet, was zur Folge hat, dass ihr weder Zahlungsansprüche nach § 13 Abs. 1 bis 8 HöfeO gegen den Antragsgegner zustehen, noch sie Auskunft vom Antragsgegner nach § 13 Abs. 10 HöfeO im Zusammenhang mit den vom diesem vorgenommenen Veräußerungen und Verwertungen des ihm vom Vater der Beteiligten übertragenen Hofvermögens verlangen kann. Daher fehlen der von der Antragstellerin beabsichtigten Vorgehensweise gegen den Antragsgegner im Wege eines auf Auskunft und Zahlung gerichteten Stufenantrags die erforderlichen Erfolgsaussichten gem. § 114 Abs. 1 ZPO, weswegen ihr das Landwirtschaftsgericht zu Recht keine Verfahrenskostenhilfe bewilligt hat.

Im Einzelnen:

1. Da die dem weichenden Erben gesetzlich zustehenden Abfindungsansprüche aus §§ 12 und 13 HöfeO Ausfluss seines gesetzlichen Erbrechts sind, stellt der Verzicht auf diese Ansprüche einen Erbverzicht dar, der nach §§ 2346, 2348 BGB der notariellen Beurkundung bedarf (OLG Hamm, AgrarR 1988, 197; Wöhrmann/Graß, Landwirtschaftserbrecht, 11. Aufl., §4 HöfeO Rn. 17). Diesem Form-erfordernis ist dabei im Streitfall genügt, da die seitens der Antragstellerin erfolgte Verzichtserklärung auf Nachabfindungsansprüche gem. § 13 HöfeO im Rahmen einer nach den Grundsätzen von § 8 ff. BeurkG errichteten Urkunde, nämlich des "Überlassungsvertrags" vom 21. Juni 1991 (Ur-Nr. XXX des Notars R. mit Amtssitz in R.) abgegeben wurde.

2. Bei diesem seitens der Antragstellerin erklärten Verzicht auf Nachabfindungsansprüche nach § 13 HöfeO handelt es sich um ein abstraktes Rechtsgeschäft (Verfügungsvertrag), das den (vertraglichen) Wegfall der Antragstellerin als gesetzlich Anspruchsberechtigte im Sinne dieser Norm zur Folge hat (vgl. Weidlich, in: Grüneberg, BGB, 82. Aufl., § 2346 Rn. 12).

Anders als die Antragstellerin meint, bedurfte es für die Wirksamkeit dieses Verzichts keiner familiengerichtlichen Genehmigung, auch wenn der Verzicht durch die Antragstellerin zugleich mit Wirkung für ihre Abkömmlinge erklärt wurde. Gem. § 2349 BGB erstreckt sich der Verzicht nämlich mangels anderweitiger Bestimmung automatisch auf den gesamten Stamm nach dem Verzichtenden. Daher ist weder eine Zustimmung bereits vorhandener Abkömmlinge - und in den Fällen, in welchen die Kinder des Verzichtenden noch minderjährig sind, eine gerichtliche Genehmigung - erforderlich, noch eine Genehmigung etwaiger erst künftig geborener Abkömmlinge des Verzichtenden (Wegerhoff, in: MünchKomm BGB, 9. Aufl., § 2349 Rn. 4 m.w.N.).

Vor diesem Hintergrund spielt auch keine Rolle, dass der Verzicht für die Antragstellerin und ihre Abkömmlinge in § 4 der Vertragsurkunde im selben Satz erklärt wurde; denn abgesehen davon, dass nach § 310 Abs. 4 BGB Verträge aus dem Bereich des Erb- und Familienrechts, selbst wenn für diese Formularverträge verwendet werden, ohnehin der Kontrolle nach den Bestimmungen der §§ 305 ff. BGB entzogen sind (Grüneberg, in: Grüneberg BGB, aaO, § 310 Rn. 48), stellt sich mangels Unwirksamkeit des Verzichts die Frage des Verbots einer geltungserhaltenen Reduktion im hiesigen Fall schon von Vorherein nicht.

3. Eine Unwirksamkeit des Verzichts lässt sich entgegen der Ansicht der Antragstellerin auch nicht aus der von ihr in Bezug genommenen Entscheidung des BGH vom 29. November 1996 (BLw 16/96) herleiten.

Danach kann zwar - wenn auch nicht der Erbverzicht als Grundgeschäft selbst - jedoch der im Fall eines Erbverzichts gegen Abfindung regelmäßig hinter dem abstrakten erbrechtlichen Verfügungsvertrag des Erbverzichts stehende schuldrechtliche Abfindungsvertrag (Kausalgeschäft), wie ihn auch im Streitfall die Antragstellerin mit ihren Eltern geschlossen hat, nach den Grundsätzen über den Wegfall der Geschäftsgrundlage grundsätzlich einer Anpassung unterzogen werden, so das ihr beispielsweise Nachabfindungsansprüche unter Anrechnung der bereits erhaltenen Abfindung erhalten bleiben (BGH, aaO, juris Rn. 13). Dabei ist der Antragsgegner durch den von ihm im Jahr 2002 mit seinen Eltern geschlossenen Übergabevertrag als Hoferbe an deren Stelle in den Abfindungsvertrag mit der Antragstellerin eingetreten.

Für eine solche Anpassung nach den Grundsätzen des Wegfalls der Geschäftsgrundlage genügt nach den Ausführungen des BGH das Risiko der Wertentwicklung des Nachlasses für den Verzichtenden allerdings gerade nicht (BGH, aaO, juris Rn. 13.); denn ein Erbverzicht ist ein Vertrag mit aleatorischer Natur (vgl. Everts, in: BeckOGK, Stand 01.06.2023, § 2346, Rn. 8), weswegen Änderungen in der Vermögenslage des Erblassers (oder des Erben als dessen Rechtsnachfolger) nach Vertragsschluss keine Anpassung rechtfertigen (Weidlich, in: Grüneberg BGB, 82. Aufl., § 2346 Rn. 9).

Zwar soll nach Auffassung des BGH für eine Anpassung des Abfindungsvertrags genügen, wenn sich später herausstellt, dass die Vertragsteile mit dem Vertrag den Zweck nicht erreichen können, den sie angestrebt haben, ohne ihn zum Vertragsinhalt zu machen (BGH, a.a.O., juris Rn. 13). Angestrebter Zweck kann dabei insbesondere auch sein, entsprechend dem Wunsch des Erblassers - hier der Eltern der Beteiligten - den Hof einem der Abkömmlinge und dessen Nachkommen zu erhalten (BGH, a.a.O., juris Rn. 13) - vorliegend dem Antragsgegner und dessen Kindern.

Das Vorliegen eines solchen Zwecks lässt sich im Streitfall allerdings nicht zur Überzeugung des Senats feststellen.

Zwar hat die Antragstellerin gleichfalls wie die im vom BGH entschiedenen Fall übergangene gesetzliche Hoferbin behauptet, den Erbverzicht nur im Vertrauen auf eine landwirtschaftliche Weiternutzung des elterlichen Hofes durch den Antragsgegner erklärt zu haben, so dass infolge der Aufgabe der Bewirtschaftung durch diesen und des Verkaufs wesentlicher Bestandteile des Hofes die Geschäftsgrundlage für den von ihr erklärten Verzicht auf Nachabfindungsansprüche entfallen sei.

Wie das Landwirtschaftsgericht indes zutreffend ausgeführt hat, ergeben sich im hiesigen Fall für eine solche Annahme keine belastbaren Anhaltspunkte.

Im Gegensatz zu dem vom BGH entschiedenen Fall, in dem bereits einen Tag nach der Hoferbenbestimmung durch die Erblasser mit notariellem Vertrag die Verzichtserklärung der dortigen weichenden Erbin erfolgte, lag hier zwischen dem bereits im Jahr 1991 zwischen der Antragstellerin, ihren Eltern und ihrer Schwester geschlossenen Erbverzicht und der Fortführung des väterlichen Hofes durch den am "Überlassungsvertrag" gar nicht beteiligten Antragsgegner durch Hofübergabevertrag vom 8. März 2002 ein Zeitraum von rd. 11 Jahren. Angesichts dieser großen zeitlichen Differenz zwischen dem Erbverzicht der Antragstellerin einerseits und der Bestimmung des Antragsgegners zum Hoferben andererseits drängt sich infolgedessen ein Zusammenhang zwischen den beiden Verträgen, aus dem auf die Motivlage der Vertragsparteien des "Überlassungsvertrags" geschlossen werden könnte, keineswegs auf und es erscheint im vorliegenden Fall gerade nicht nach allgemeiner Lebenserfahrung naheliegend, dass die Antragstellerin nur im Hinblick auf den elterlichen Wunsch, den Hof ihrem Bruder und dessen Nachkommen zu erhalten, auf eigene Erb- und Pflichtteilsansprüche verzichtet hätte.

Dabei erscheint schon zweifelhaft, ob zumindest die Eltern der Beteiligten, insbesondere ihr Vater, bereits bei Abschluss des "Überlassungsvertrags" im Jahr 1991 von einem Zusammenhang zwischen dem Verzicht der Antragstellerin auf Nachabfindungsansprüche und einer sich gegen den Antragsgegner richtenden Untersagung, Grundstücksveräußerungen vorzunehmen, wie sie im später abgeschlossenen Hofübergabevertrag festgelegt wurde, ausgingen. Selbst wenn man aber unterstellte, dass es dem Vater der Beteiligten tatsächlich schon zu dieser Zeit in erster Linie um ein Zusammenhalten des im Familienbesitz vorhandenen Grundbesitzes zugunsten des Antragsgegners gegangen sein sollte und es ihm deswegen auf einen Erbverzicht durch die Antragstellerin angekommen wäre, lässt sich jedenfalls nichts dafür ersehen, dass dies auch die für die Antragstellerin entscheidende Motivation für ihre Verzichtserklärung gewesen wäre.

Gleichermaßen denkbar sind stattdessen vorrangig eigene wirtschaftliche Motive der Antragstellerin, so insbesondere ein mögliches Interesse ihrerseits, möglichst frühzeitig über die erforderlichen Ressourcen für eine wirtschaftliche Unabhängigkeit zu verfügen - hier in Form eines Baugrundstücks und regelmäßiger monatlicher Zahlungen. Auf diese Weise konnte die Antragstellerin bereits mit 24 Jahren mit der Errichtung eines eigenen Wohnhauses beginnen und brauchte nicht den unter Umständen erst viele Jahre später eintretenden Erbfall für eine zu ihren Gunsten eintretende etwaige Vermögensmehrung zu diesem Zweck abzuwarten und sich zudem mit dem Risiko zu belasten, unter Umständen leer auszugehen; denn die Aussichten auf finanzielle Zuwendungen von Todes wegen ohne entsprechende vertragliche Vereinbarungen sind wegen möglicher zwischenzeitlicher lebzeitiger Verfügungen des Erblassers grundsätzlich hochgradig ungewiss.

Auch im Rahmen ihres Beschwerdeschriftsatzes hat die Antragstellerin nichts von Substanz dafür aufgezeigt, das darauf schließen ließe, sie habe den Erbverzicht nur deswegen erklärt, um dem Wunsch ihrer Eltern zu entsprechen. In diesem Zusammenhang fehlt es insbesondere nach wie vor schon an Vortrag dazu, dass eine entsprechende Absicht der Eltern, den Antragsgegner zum Hoferben zu bestimmen und es aus ihrer Sicht zur Absicherung von dessen Position eines Erbverzichts durch die beiden Töchter bedürfe, mit der Antragstellerin kommuniziert worden wäre. Dies wäre jedoch überhaupt Voraussetzung für das Vorliegen eines gemeinsamen, im Ergebnis aber gescheiterten Zwecks, um eine Anpassung der Abfindungsreglung im Überlassungsvertrag nach § 313 BGB zu rechtfertigen.

4. Schließlich begründet sich eine Unwirksamkeit des seitens der Antragstellerin erklärten Erbverzichts auch nicht unter dem Gesichtspunkt der Sittenwidrigkeit gem. § 138 Abs. 1 BGB.

Zwar kann eine dem Erbverzicht zugrundeliegende schuldrechtliche Vereinbarung, bei der es sich im Verhältnis zum Erbverzicht um ein eigenständiges Rechtsgeschäft handelt, grundsätzliche zum Verdikt der Sittenwidrigkeit führen und auch den Erbverzicht als abstraktes Verfügungsgeschäft erfassen, wenn beide Rechtsgeschäfte - der Erbverzicht als Grundgeschäft und der Abfindungsvertrag als Kausalgeschäft - nach dem Parteiwillen als einheitliches Geschäft i.S.d. § 139 BGB miteinander verknüpft sind und beide Geschäfte miteinander "stehen und fallen sollen" (OLG Hamm, Beschluss v. 8. November 2016 - 10 U 36/15, NJW 2017, 576 f. mwN). In diesem Fall kann sich eine Unwirksamkeit des Verzichts nach § 138 Abs. 1 BGB aus dem Gesamtcharakter der dem Verzicht zugrundeliegenden schuldrechtlichen Vereinbarung ergeben (OLG Hamm, aaO, mwN).

Anders als die Antragstellerin meint, rechtfertigen allerdings die von ihr vorgetragenen Umstände einen "Verstoß gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden" (vgl. Ellenberger, in: Grüneberg BGB, aaO., § 138 Rn. 2 mwN) und damit den Vorwurf der Sittenwidrigkeit im hier zu entscheidenden Fall nicht.

a) Soweit die Antragstellerin meint, dass sich eine Sittenwidrigkeit aus einem "krassen Missverhältnis" zwischen dem Wert der von den Eltern erhaltenen Leistung (Grundstück und monatliche Zahlung) und dem Wert ihrer Gegenleistung (Verzicht auf Erb- und Pflichtteil nach beiden Elternteilen) begründe, kann dieser Auffassung nicht gefolgt werden.

Angesichts des Risikocharakters von Erbverzichtsverträgen ist bei der Beurteilung der Frage der Sittenwidrigkeit äußerste Zurückhaltung geboten. Insbesondere dient die Bestimmung des § 138 Abs. 1 BGB nicht dazu, zur Unwirksamkeit der Verzichtserklärung in Fällen zu gelangen, in denen eine Anfechtung nach § 119 Abs. 2 BGB oder ein Vorgehen nach § 313 BGB ausscheidet, weil die Anfechtungsfrist versäumt ist oder die sonstigen Voraussetzungen nicht vorliegen (Everts, in: BeckOGK, a.a.O., § 2346 BGB Rn. 7). Auch sind die zu einer Überprüfung von Eheverträgen und Scheidungsvereinbarungen im Hinblick auf materielle Vertragsgerechtigkeit entwickelten Grundsätze auf Erb- und Pflichtteilsverzichte, gerade, was die "Wirksamkeitskontrolle" betrifft, allenfalls eingeschränkt übertragbar, weil erbrechtlichen Verzichtslagen andere Konstellationen zugrundeliegen als familienrechtlichen und der Verzichtende durch die Möglichkeit der Anfechtung und der Vertragsanpassung ausreichend geschützt ist (vgl. Evert, in: BeckOGK, aaO., § 2346 BGB, Rn. 20 mwN; Wegerhoff, in: MünchKomm BGB, 9. Aufl., § 2346, Rn. 39 ff.).

Vor diesem Hintergrund rechtfertigt ein bloßer Wertunterschied - selbst u.U. in Millionenhöhe (vgl. LG Düsseldorf, Urteil v. 29. Januar 2014, ErbR 2014, 607) - zwischen dem dem Verzichtenden gezahlten Abfindungsbetrag und möglichen Erb- und Pflichtteilsansprüchen (bzw. wie im Streitfall: Nachabfindungsansprüchen) nicht den Vorwurf der Sittenwidrigkeit, da - wie oben bereits ausgeführt - auch eine zwar vergleichsweise geringfügige, dafür aber zeitnahe Abfindungsleistung wirtschaftlich sinnvoll sein kann. Zudem ist eine erbrechtliche Verzichtserklärung selbst ohne jedwede Gegenleistung zulässig, ohne das Verdikt der Sittenwidrigkeit zu begründen, weswegen nichts anderes gelten kann, wenn für den Erbverzicht eine - wenn auch nur "unterwertige" - Abfindung geleistet wird (Evert, in: BeckOGK, aaO., § 2346 Rn. 12.4).

b) Eine Sittenwidrigkeit des erklärten Erbverzichts lässt sich entgegen der Ansicht der Antragstellerin auch nicht damit begründen, dass sie ihre "Berechtigung an dem erheblichen Vermögen ihrer Eltern" aufgrund ihrer "Jugend" und geschäftlichen Unerfahrenheit aufgegeben habe.

Davon abgesehen, dass sich vor Eintritt des Erbfalls für einen potentiellen Erben wie hier die Antragstellerin ohnehin allenfalls eine "Aussicht" am Nachlass begründen kann, mitnichten dagegen eine "Berechtigung", weil jeder Erblasser zu seinen Lebzeiten über sein Vermögen - soweit er nicht vertraglich abweichend gebunden ist - frei verfügen kann, scheidet die Annahme eines trotz vorgeschriebener notarieller Beurkundungs- und Belehrungspflicht "sozialtypischen Durchsetzungsgefälles" und "verzichtstypischen Rationalisierungsdefizits" und eine hierauf gestützte Unwirksamkeit der Verzichtserklärung wegen eines noch relativ "jugendlichen" Alters des Verzichtenden von Vornherein aus (vgl. Evert, in: BeckOGK, aaO, § 2346 Rn. 9). Denn das Gesetz kennt keine "graduelle Geschäftsfähigkeit", sondern knüpft die Geschäftsfähigkeit nach §§ 2, 104 ff. BGB an die Vollendung des 18. Lebensjahres. Hat der Verzichtende das 18. Lebensjahr vollendet, ist er an seine Verzichtserklärung in gleicher Weise gebunden wie an andere von ihm abgegebene rechtsgeschäftliche Erklärungen, da der Gesetzgeber davon ausgeht, dass er ab diesem Zeitpunkt - jedenfalls unter zivilrechtlichem Aspekt - die Trageweite seines Handelns in geeigneter Weise einschätzen kann und eines besonderen Schutzes, wie ihn ein beschränkt Geschäftsfähiger erfährt, nicht mehr bedarf.

Gemessen daran kommt es auf eine zum Zeitpunkt des "Überlassungsvertrags" vorhandene etwaige "Naivität" der Antragstellerin, die sie für sich in Anspruch nimmt, nicht weiter an. Denn die Antragstellerin hatte - wie auch ihre Schwester - zu dieser Zeit die Altersgrenze zur unbeschränkten Geschäftsfähigkeit unzweifelhaft überschritten; dass in ihrem Fall die Voraussetzungen des § 104 Abs. 2 BGB vorgelegen hätten, ist weder dargetan noch anderweitig ersichtlich.

Im Übrigen weist Evert (in BeckOGK, aaO, § 2346 BGB Rn. 9) zu Recht darauf hin, dass die bis 1998 - nur für nichteheliche Kinder zwischen dem 21. und dem 27. Lebensjahr - vorgesehenen Möglichkeit des vorzeitigen Erbausgleichs nach § 1934d BGB a.F. auch nur in "jungen Jahren" geltend gemacht werden konnte und somit eine etwaige altersbedingte Unerfahrenheit nach den gesetzgeberischen Vorstellungen keinen Hinderungsgrund für vertragliche Gestaltungslösungen darstellte, selbst wenn dabei das - im dortigen Fall nichteheliche - Kind wirtschaftlich in Nachteil geraten konnte. Warum im Fall des Erbverzichts etwas anderes gelten sollte, ist daher nicht ersichtlich.

c) Dementsprechend können lediglich besondere Umstände ausnahmsweise eine Sittenwidrigkeit des Verzichtsvertrags begründen, namentlich, mit welchen Mitteln und unter welchen äußeren Gegebenheiten er zustande gekommen ist.

Vor diesem Hintergrund kommt die Annahme von Sittenwidrigkeit vor allem dann in Betracht, wenn der Verzichtende durch Täuschung oder Nötigung zur Abgabe seiner Erklärung gebracht wurde (sog. "Umstandssittenwidrigkeit", vgl. Evert, in: BeckOGK aaO, § 2346 Rn. 12.3 unter Verweis auf OLG Hamm, Beschluss v. 8. November 2016 - 10 U 36/15, NJW 2017, 576 f sowie OLG München, Urteil v. 25. Januar 2006 - 15 U 4751/04, ZEV 2006, 313f.).

Hierfür ist im Streitfall indes nichts ersichtlich.

aa) Dass die Eltern, insbesondere der Vater der Beteiligten, in irgendeiner Weise Druck auf die Antragstellerin ausgeübt oder dieser gegenüber falsche Versprechungen gemacht hätten, um sie auf diese Weise zur Abgabe ihrer Verzichtserklärung zu bewegen, behauptet nicht einmal die Antragstellerin selbst.

bb) Soweit sie sich in diesem Zusammenhang darauf beruft, dass ihr Vater auf den den "Überlassungsvertrag" beurkundenden Notar eingewirkt habe, an der von ihm in Wahrheit beabsichtigten "Enterbung" seiner Töchter mitzuwirken, und dieser quasi in kollusivem Zusammenwirken mit ihrem Vater eine diese Absicht möglichst umfassend verschleiernde Vertragsgestaltung gewählt habe, ergeben sich hierfür keine belastbaren Anhaltpunkte.

Weder die Bezeichnung der notariellen Urkunde als "Überlassungsvertrag", noch die in § 4 dieses "Überlassungsvertrags" gewählte Formulierung, dass sich die Antragstellerin "vom Vermögen ihrer Eltern für abgefunden" erklärt, sind für vergleichbare Regelungswerke ungewöhnlich oder täuschen darüber hinweg, dass die Antragstellerin über die in §§ 1 und 2 der Urkunde erwähnten Leistungen hinaus aus dem Vermögen ihrer Eltern nicht mehr erhalten sollte. Dabei lässt der Begriff der "Eltern" selbst in der Laiensphäre keinen Zweifel daran aufkommen, dass hiermit beide Elternteile gemeint sind, die Antragstellerin also weder aus dem Vermögen des Vaters, noch der Mutter weitere Zuwendungen erhalten sollte.

Zudem ergibt sich aus der Tatsache, dass in der Vertragsurkunde keine Hinweise für die Vornahme einer notariellen Belehrung über die Folgen eines Erb- und Pflichtteilsverzichts enthalten sind, keineswegs zwingend, dass eine solche Belehrung nicht gleichwohl stattgefunden hat. Zwar besteht für eine über ein Rechtsgeschäft aufgenommene notarielle und damit öffentliche Urkunde im Sinne von § 415 ZPO nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung die Vermutung der Vollständigkeit und Richtigkeit (vgl. BGH, Urteil v. 10. Juni 2016, VI ZR 295/14, juris Rn. 6 mwN). Die Vermutung ist aber widerleglich, wobei für die Widerlegung auch auf außerhalb der Urkunde liegende Mittel der Auslegung (Begleitumstände des Geschäfts, Äußerungen der Parteien außerhalb der Urkunde u.a.) zurückgegriffen werden kann (BGH, Urteil v. 5. Juli 2002 - V ZR 143/01, juris Rn. 7).

Im Übrigen wäre eine unterbliebene Belehrung seitens des Notars über die Bedeutung der in § 4 des "Überlassungsvertrags" enthaltenen Verzichtserklärung nicht mit einer Täuschung oder Nötigung der Antragstellerin vergleichbar. Denn dass sie mit ihrer Verzichtserklärung auf weitere Vermögenswerte aus dem Vermögen und dem Nachlass ihrer Eltern verzichtete, musste der Antragstellerin auch ohne entsprechende Hinweise durch den Notar klar sein. Soweit bei der Antragstellerin Zweifel bestanden haben sollten, was unter dem Begriff der "Nachabfindungsansprüche" zu verstehen ist, hätte sie von der Möglichkeit Gebrauch machen können, den Notar um eine Erläuterung zu bitten. Dass dieser einer solchen Bitte nicht nachgekommen wäre oder die Antragstellerin unrichtig belehrt hätte, behauptet auch die Antragstellerin nicht.

Hieraus folgt, dass sich damit im Streitfall eine Unwirksamkeit des seitens der Antragstellerin erklärten Erbverzichts auch nicht unter dem Gesichtspunkt der Sittenwidrigkeit begründen lässt.

Zusammenfassend ergibt sich damit, dass die Antragstellerin mit ihrem Verlangen auf Verfahrenskostenhilfe nicht durchdringen kann und sich die angefochtene Entscheidung des Landwirtschaftsgerichts als zutreffend erweist. Daher war die Beschwerde der Antragstellerin zurückzuweisen.

III.

Eine Kostenentscheidung ist mit Rücksicht auf §§ 76 FamFG, 127 Abs. 4 ZPO und Nr. 1812 KV (Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG) nicht veranlasst.