Verwaltungsgericht Braunschweig
Beschl. v. 13.08.1998, Az.: 6 B 6220/98
Genehmigung der Durchführung eines Wochenmarktes ; Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes
Bibliographie
- Gericht
- VG Braunschweig
- Datum
- 13.08.1998
- Aktenzeichen
- 6 B 6220/98
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 1998, 30431
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:VGBRAUN:1998:0813.6B6220.98.0A
Rechtsgrundlagen
- § 67 GewO
- Art. 14 Abs. 1 GG
- § 123 Abs. 1 VwGO
Fundstellen
- FStNds 2000, 219-220
- NdsVBl 1999, 46
Verfahrensgegenstand
Beeinträchtigung durch einen Wochenmarkt
Antrag nach § 123 VwGO
Das Verwaltungsgericht Braunschweig - 6. Kammer - hat
am 13. August 1998
beschlossen:
Tenor:
Der Antrag wird abgelehnt.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 8.000,- DM festgesetzt.
Gründe
I.
Im Stadtteil Zellerfeld der Antragsgegnerin wird seit mehreren Jahren auf einem Teilbereich der Bernhardt-Straße zwischen der Goslarschen Straße und der Treuerstraße der sogenannte Oberharzer Bergbauernmarkt durchgeführt. Dieser Markt findet in den Monaten Mai bis Oktober jeweils donnerstags von 18.00 bis 20.00 Uhr statt. Von den Marktbeschickern werden u.a. Produkte der örtlichen Land-, Forst- und Fischwirtschaft sowie hand- und kunstgewerbliche Erzeugnisse angeboten. Außerdem finden sich dort mehrere Getränke- und Imbißstände. Mit Bescheid der Samtgemeinde Oberharz vom 01. Juli 1998 wurde dem Veranstalter für das Jahr 1998 die Durchführung des Wochenmarktes mit Auflagen genehmigt.
Der Antragsteller betreibt als Anlieger der ... auf dem Grundstück Nr. ... eine Gaststätte. Von dieser Gaststätte aus wird außerdem ein mit Zeltplanen überdachter Freisitz ("Biergarten") bewirtschaftet, der sich auf einem Teil des Gehwegs am Fahrbahnrand befindet. Die Durchgangsbreite für den Fußgängerverkehr zwischen dem Freisitz und der Gaststätte beträgt ca. 1,50 m.
Am 17. Juli 1998 hat der Antragsteller beim Verwaltungsgericht um die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes zur Sicherung seiner Anliegerrechte als Gewerbetreibender nachgesucht. Er trägt vor:
Er werde durch den wöchentlich stattfindenden Markt in seinen Anliegerrechten erheblich beeinträchtigt. Zwar wende er sich nicht gegen den Wochenmarkt als solchen; die Anordnung der aufgestellten Stände habe jedoch unzumutbare Auswirkungen auf seinen Gaststättenbetrieb, die zu Umsatzeinbußen von 400,- bis 500,- DM an den jeweiligen Tagen führten. Vor der Gaststätte befinde sich ein Roßbratwurststand, von dem ein unangenehmer und penetranter Geruch ausgehe, der das Konsumverhalten seiner Gäste beeinflusse. Außerdem werde durch weitere Stände die Sicht auf die Gaststätte und den Biergarten versperrt und der Zugang zur Gaststätte blockiert, so daß man nur mit erheblicher Mühe die Gaststätte erreichen könne. Diese Situation sei für ihn nicht länger hinnehmbar. Versuche zur außergerichtlichen Regelung der Angelegenheit seien bisher erfolglos geblieben.
Der Antragsteller beantragt,
die Antragsgegnerin im Wege einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, mit geeigneten Maßnahmen die von dem jeweils donnerstags ausgerichteten Oberharzer Bergbauernmarkt, ausgehenden Geruchsbelästigungen und Sicht- sowie Zugangsbehinderungen vor seiner Gaststätte zu unterbinden.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Sie entgegnet:
Die Anliegerrechte des Antragstellers seien durch den Bauernmarkt nicht beeinträchtigt. Wie eine Ortsbesichtigung durch einen Vollzugsbeamten ergeben habe, seien die gaststättenrechtlichen Einrichtungen des Antragstellers ohne weiteres zu erreichen. Das Anliegerrecht gewähre ohnehin nur eine Zugangsmöglichkeit von der Straße dem Grunde nach, was hier der Fall sei. Die Sicht auf die Gaststätte und den Biergarten werde zwar von der Straße durch die davor aufgestellten Stände beeinträchtigt; dies sei hinzunehmen, weil ein Anspruch auf eine ungehinderte Sicht auf den Gewerbebetrieb und die Gewerbeanlagen nicht bestehe. Schließlich sei der von den Bratwurstständen ausgehende Geruch ortsüblich und nicht unerträglich. Der Antragsteller betreibe selbst auf seinem Freisitz einen Gyros- und Bratwurstgrill. Während der Ortsbesichtigung sei der Biergarten des Antragstellers gut besucht gewesen. Die von ihm behaupteten Umsatzeinbußen seien im übrigen weder glaubhaft gemacht worden, noch wären sie in dieser Höhe existenzgefährdend.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie auf die Verwaltungsvorgänge der Antragsgegnerin Bezug genommen. Der Kammer haben außerdem die von den Beteiligten beigebrachten Bildaufnahmen von den örtlichen Gegebenheiten vorgelegen.
II.
Der Antrag hat keinen Erfolg.
Das Begehren, das sich ausdrücklich nicht gegen die gewerberechtlich erlaubte Durchführung eines Marktes i.S.d. § 67 GewO richtet, ist als Antrag zur einstweiligen Sicherung der Anliegerrechte des Antragstellers aus Art. 14 Abs. 1 GG zu begreifen. Die Voraussetzungen für eine derartige gerichtliche Regelung liegen jedoch nicht vor. Nach § 123 Abs. 1 VwGO ist eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung nötig erscheint, um von dem Rechtsuchenden wesentliche Nachteile abzuwenden. Ihrer Natur nach darf eine solche Anordnung jedoch nur eine einstweilige Regelung treffen oder einen vorläufigen Zustand schaffen. Dieser Sicherungszweck der einstweiligen Anordnung verbietet es im allgemeinen, einer Entscheidung im Hauptsacheverfahren vorzugreifen. Von diesem Grundsatz hat die Rechtsprechung Ausnahmen zugelassen, wenn wirksamer Rechtsschutz im Klageverfahren nicht oder nicht ausreichend erreichbar ist und dies für den Antragsteller zu schlechthin unzumutbaren Nachteilen führen würde (Finkelnburg/Jank, Vorläufiger Rechtsschutz im Verwaltungsstreitverfahren, 3. Aufl., Rn 231 f. m.w.N.). Darüber hinaus setzt eine einstweilige Anordnung der vom Antragsteller beantragten Art voraus, daß der Antragsteller mit überwiegender Wahrscheinlichkeit in einem Hauptsacheverfahren Erfolg haben würde und die von ihm angestrebte Änderung der Aufstellorte der im Straßenraum vor seinem Grundstück befindlichen Marktbeschicker erreichen könnte. Eine Feststellung dieser Art läßt sich jedoch nach der diesem Verfahren eigenen summarischen Überprüfung der Sach- und Rechtslage hier nicht treffen.
Es kann dahingestellt bleiben, ob es bereits an der für eine einstweilige Anordnung erforderlichen Dringlichkeit des Begehrens scheitert; denn es fehlt bereits an einem Rechtsanspruch des Antragstellers als Anlieger der Bernhardtstraße, der als gefährdet erscheint und deshalb zu sichern wäre. Zwar trifft es zu, daß der Anlieger einer Straße auf den Gemeingebrauch an ihr in einer spezifisch gesteigerten Weise angewiesen ist, die in sachlicher, räumlicher und zeitlicher Hinsicht den Umfang dessen, was ein Nichtanlieger als (schlichten) Gemeingebrauch erlaubnisfrei verlangen kann, übersteigt (BVerwG, Urt. vom 15.12.1972 - VkBl. 1973, 614). Ein solchermaßen gesteigerter Gemeingebrauch (sog. Anliegergebrauch) umfaßt entsprechend dem Zweck der Straße als Erschließungsanlage eine Straßenbenutzung auch für die Ausübung des auf dem Anliegergrundstück befindlichen Gewerbebetriebes. Ein Gaststättenbetrieb, wie er von dem Antragsteller unterhalten wird, ist zu einem beträchtlichen Teil auf die Laufkundschaft angewiesen. Dieses Angewiesensein umschließt als Erfordernis in erster Linie den Zugang des Grundstücks zur Straße und seine Zugänglichkeit von der Straße her. Bei Gewerbebetrieben von Anliegern gehört deshalb zum eigentumsrechtlichen Bestand der sog. Kontakt nach außen (BVerwG, Urt. vom 29.04.1977 - DVBl. 1977, 864 m.w.N.). Allerdings können die Anlieger einer Straße nicht mit der unveränderten Aufrechterhaltung des straßenrechtlich geschaffenen Zustandes rechnen. Dies gilt insbesondere im Hinblick auf Änderungen des Gemeingebrauchs an der Straße durch veränderte Verkehrsabläufe; eine Einwirkung auf den Gemeingebrauch ist darüber hinaus in solchen Fällen innerhalb angemessener Grenzen hinzunehmen, in denen die Straße in einer den Gemeingebrauch übersteigenden, aber noch Straßen- oder straßenverkehrsrechtlich genehmigten oder genehmigungsfähigen Weise für andere Nutzungsarten in Anspruch genommen wird. Dies ist beispielsweise bei stationären Veranstaltungen wie Straßen- und Stadtfesten sowie - wie hier - bei Märkten der Fall. Allerdings haben sich die mit der mehr als verkehrsüblichen Inanspruchnahme der Straße durch derartige Veranstaltungen einhergehenden Einwirkungen auf die Anlieger innerhalb zumutbarer Grenzen zu halten, deren Reichweiten sich an dem Kernbereich des Anliegerrechts orientieren.
Nach Maßgabe dieser Grundsätze wird das Anliegerrecht des Antragstellers durch die Ausgestaltung des Bergbauernmarktes offensichtlich nicht beeinträchtigt. Wie den von den Beteiligten vorgelegten Bildaufnahmen zu entnehmen ist, können die Gaststätte und der Biergarten des Antragstellers über den daran vorbeiführenden Gehweg ohne weiteres ungehindert erreicht werden. Auch von der Fahrbahn aus sind - ohne daß dies von rechtlicher Bedeutung ist - in unmittelbarer Grundstücksnähe Durchgangsmöglichkeiten vorhanden. Allein eine ungehinderte Sicht ist von der Straße aus auf die Gaststätte nicht gegeben, wie auch die von den vor dem Grundstück des Antragstellers aufgestellten Imbiß- und Gewürzständen ausgehenden Gerüche wahrnehmbar sein dürften. Derartige Auswirkungen auf die Anliegergrundstücke sind jedoch den Abläufen einer solchen Marktveranstaltung eigen und deshalb als zumutbar hinzunehmen. Ein mit dem Verkehrszweck der Straße nicht mehr zu vereinbarendes Ausmaß haben diese Auswirkungen schon deshalb nicht, weil die Veranstaltung nur in den Monaten Mai bis Oktober, wöchentlich lediglich einmal donnertags und zeitlich begrenzt für wenige Stunden stattfindet. Selbst ein Umsatzrückgang, der von dem Antragsteller allerdings nicht in der nach den §§ 123 Abs. 3 VwGO, 920 Abs. 2, 294 ZPO erforderlichen Weise glaubhaft gemacht worden ist, wäre innerhalb der von ihm behaupteten Grenzen hinzunehmen. Die Antragsgegnerin hat zu Recht darauf hingewiesen, daß hierdurch der Gewerbebetrieb des Antragstellers in seinem Bestand nicht gefährdet wird. Mit Blick auf die von dem Vollzugsbeamten gemachten und eidesstattlich versicherten Beobachtungen während des Bauernmarktes am 23. Juli 1998 sind allerdings Zweifel an der Richtigkeit dieser Angaben des Antragstellers zu erheben, dessen Gaststättenbetrieb offenkundig von den Besuchern dieser Veranstaltung profitiert. Dies bedarf jedoch keiner weiteren Klärung.
Der Antrag ist nach alledem mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen.
Streitwertbeschluss:
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 8.000,- DM festgesetzt.
Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG und orientiert sich an den vom Antragsteller angegebenen wirtschaftlichen Einbußen für den Zeitraum von der Antragstellung bis zum Ablauf der festgesetzten Marktzeit (16 × 500,- DM = 8.000,- DM).
Düfer
Tscherning