Verwaltungsgericht Hannover
Urt. v. 22.11.2005, Az.: 4 A 2051/05

Rechtmäßigkeit der Festsetzung von Straßenausbaubeiträgen; Erhebung von Beiträgen zu Deckung des Aufwandes einer Gemeinde für die Herstellung, Anschaffung, Erweiterung, Verbesserung und Erneuerung ihrer öffentlichen Einrichtungen; Beitragsfähigkeit der Erneuerung einer Straße; Besonderer wirtschaftlicher Vorteil der Möglichkeit der Inanspruchnahme von öffentlichen Einrichtungen; Bewirkung der Verbesserung einer Anlage; Beitragspflichtigkeit einer Ausbaumaßnahme; Begriff des besonderen wirtschaftlichen Vorteils

Bibliographie

Gericht
VG Hannover
Datum
22.11.2005
Aktenzeichen
4 A 2051/05
Entscheidungsform
Endurteil
Referenz
WKRS 2005, 35019
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:VGHANNO:2005:1122.4A2051.05.0A

Verfahrensgegenstand

Straßenausbaubeiträge "R.straße"

In der Verwaltungsrechtssache
hat das Verwaltungsgericht Hannover - 4. Kammer -
auf die mündliche Verhandlung vom 22. November 2005
durch
den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgericht Behrens,
den Richter am Verwaltungsgericht Kleine-Tebbe,
die Richterin am Verwaltungsgericht Schraeder sowie
die ehrenamtlichen Richter Rausch und Rottmann
für Recht erkannt:

Tenor:

Der Bescheid der Beklagten vom 25.10.2004 und ihr Widerspruchsbescheid vom 03.03.2005 werden aufgehoben, soweit ein höherer Betrag als 30.288,91 EUR festgesetzt wird. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Von den Kosten des Verfahrens trägt die Beklagte 1/4, der Kläger 3/4. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Der jeweilige Vollstreckungsschuldner kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger zuvor Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand

1

Der Kläger greift die Festsetzung von Straßenausbaubeiträgen an.

2

Am 02.07.1998 beschloss der Rat der Beklagten, das ca. 210 m lange Teilstück der R.straße von der Straße I.Straße (nach dem Ausbau L 388) bis zur Ü.Straße (L 388), das ehemals Teil der Landesstraße L 388 war, auf der gesamten Länge auf den Benutzerkreis Fußgänger und Radfahrer zu beschränken. Die Zufahrt zu den Anliegergrundstücken blieb davon ausgenommen. Die Teileinziehung machte die Beklagte am 12.11.1998 öffentlich bekannt. Die (der Teileinziehung entsprechende) Widmung machte sie am 28.06.2005 öffentlich bekannt.

3

1996/98 und 2000 baute die Beklagte das Teilstück der R.straße aus. Sie ersetzte den bestehenden Regenwasserkanal und verlängerte diesen (um 187 m) durch Rohre mit einer Nennweite von DN 300. Die Beklagte baute die 5 m breite asphaltierte Fahrbahn zu einer 3,50 m breiten mit einer Frostschutzschicht im Unterbau aus. Die Fahrbahn erhielt einen Pflasterbelag. Neben der Fahrbahn legte die Beklagte (erstmals) Ausweichstellen für den Begegnungsverkehr bzw. Parkplätze an. Sie ersetzte den bislang mit der Fahrbahn ebenerdigen bis 1,20 m breiten Gehweg auf der Ostseite, deren mit Bauschutt durchsetzten Untergrund sie als nicht frostsicher einschätzte, durch einen durch Hochbords abgesetzten bis 2 m breiten Gehweg mit einer Frostschutzschicht im Unterbau. Fünf an der Fahrbahn befindliche Leuchten mit 8 m Lichtpunkthöhe ersetzte die Beklagte durch sieben 4 m hohe Leuchten. Die letzte Unternehmerrechnung ging bei der Beklagten am 23.07.2002 ein.

4

Gegenüber Anliegern begründete die Beklagte die in der abgerechneten Straße vorgenommenen umfangreichen Leitungsarbeiten (Schmutz- und Regenwasserkanalisation, Telefonleitungen, Strom- und Gasleitungen) damit, dass sie für die Ver- und Entsorgung der neuen Z.siedlung unumgänglich gewesen seien.

5

Die Beklagte zog die Anlieger der ausgebauten Straße zu den Kosten der Befestigung, Beleuchtung und Entwässerung sowie deren Fremdfinanzierung in Höhe von zusammen 210.326,03 EUR heran. Die Größe des Abrechnungsgebiet ermittelte die Beklagte mit 51.771,8551 m2. Dabei berücksichtigte sie u.a.

  1. 1.)

    die Fläche des aus den Flurstücken 4/1 (zum Teil), 8/3 (zum Teil), 8/4, 7/1 (zum Teil), 7/2, 8/2 (zum Teil), 10/3 und 102/1 (zum Teil) bestehenden Gutsparks E. mit einem Nutzungsfaktor von 0,0167. Der Park ist in dem dem Bebauungsplan der Beklagten Nr. 1234 vom 22.02.1989 zu Grunde liegenden Flächennutzungsplan als "allgemeine Grünfläche" dargestellt. Der Bebauungsplan Nr. 1234 - und für Teilflächen des Parks auch der Bebauungsplan der Beklagten Nr. 1256 vom 22.05.1996 - setzt ihn als "Privater Gutspark" fest und begründet dies:

    "Der innerhalb des Plangebietes vorhandene Gutspark sowie eine weitere südlich angrenzende Fläche prägen u.a. mit ihrem wertvollen Baumbestand das vorhandene Ortsbild. Diese Flächen sind deshalb städtebaulich von besonderer Bedeutung und sollen planungsrechtlich gesichert werden."

    In dem Gutspark befinden sich mehrere kleine Baulichkeiten.

  2. 2.)

    eine Teilfläche des Grundstücks u.a. mit den Flurstücken 7/1 und 8/3 (1214 m2) mit einem Scheunengebäude nördlich des Gutsparks unmittelbar an der L.straße nicht. Für diese Teilfläche setzt der Bebauungsplan der Beklagten Nr. 1256 "Dorfgebiet" fest und lässt eine eingeschossige Bebauung zu.

  3. 3.)

    das Grundstück R.straße 179 (Flurstück 10/2) mit einer Grundfläche von 10.777 m2 insgesamt mit einem Nutzungsfaktor von 1,25. Für das Grundstück setzt der Bebauungsplan der Beklagten Nr. 1618 vom 24.11.1999 im Südwesten südlich des Herrenhauses und im Nordosten angrenzend an den Gutspark jeweils "Private Grünfläche" fest. Nach den textlichen Festsetzungen sind die in der nördlichen Grünfläche vorhandenen Gebäude zu entfernen, die Fläche zu entsiegeln und zu bepflanzen. Auf der südlichen Grünfläche befinden sich zwei Gebäude. Für den südöstlichen Teil des Grundstücks setzt der Bebauungsplan ein Allgemeines Wohngebiet fest, das mittlerweile mit einer Zeile aus 8 Reihenhäusern bebaut ist und wie beplant von der L.straße aus erschlossen wird (jetzt Flurstücke 10/5 bis 10/13). Das Flurstück 10/2 war noch am 20.06.2004 durch die in anderem Eigentum stehende Grabenparzelle 102/1 von der L.straße getrennt.

  4. 4.)

    das Grundstück R.straße 184 (Flurstücke 52/4, 54/7 und 54/12) insgesamt mit einem Nutzungsfaktor von 1,25. Für das Grundstück setzt der Bebauungsplan der Beklagten Nr.1445 vom 03.08.1994 "Dorfgebiet" fest. Er lässt auf den Flurstücken 54/7 und 54/12 einezweigeschossige Bebauung zu, regelt aber den Bereich westlich und südlich des Herrenhauses als "Private Grünfläche", in die der Anbau eines Nebengebäudes auf dem Flurstück 54/7 hineinragt. Die Festsetzung begründet der Plan:

    "Der Bebauungsplan setzt im Geltungsbereich umfangreiche Grünflächen fest (ca. 4.200 m3). Hierdurch sollen Flächen mit wertvollem Baumbestand sowie einem Teich, die als wesentlicher Bestandteil das historische Ortsbild mitprägen, planungsrechtlich gesichert werden."

    Zwischen dem bebaubaren Flurstück 52/4 und der R.straße liegt die festgesetzte "Private Grünfläche". Das Flurstück liegt an dem Pfeifenstielgrundstück 52/6, das an die Wülfeler Straße angrenzt.

  5. 5.)

    das Grundstück L.straße 3 (Flurstücke 54/16 und 54/13), den ehemaligen Lidl-Markt,nicht. Der Bebauungsplan der Beklagten Nr. 1445 setzt hierfür, ebenso wie für das demselben Eigentümer gehörende südlich angrenzende Grundstück R.straße 184 (Flurstück52/4, 54/7 und 54/12), "Dorfgebiet" fest und lässt eine eingeschossige Bebauung zu. Überdas Grundstück R.straße 184 hat das Grundstück L.straße 3 eine (befahrbare) Verbindungzur ausgebauten Straße.

6

Der Kläger war zum Zeitpunkt der Heranziehung Eigentümer des Grundstücks R.straße 179 in Form des Flurstücks 10/2, das durch Bescheid der Beklagten vom 25.10.2004 zu einem Beitrag von 41.045,78 EUR herangezogen wurde.

7

Den gegen seine Heranziehung gerichteten Widerspruch des Klägers wies die Beklagte mit Bescheiden vom 03.03.2005, zugestellt am 08.03.2005 zurück.

8

Anlieger der Anlage haben gegen ihre Heranziehung unter Hinweis darauf, dass das Abrechnungsgebiet fehlerhaft ermittelt worden sei, Klage erhoben (Az. 4 A 2157/05 und 4 A 2140/05). Der Kläger hat am 08.04.2005 Klage erhoben.

9

Er beanstandet, dass der Ausbau der R.straße weder eine beitragfähige Erneuerung noch eine Verbesserung gewesen sei: die Straße habe für eine 4 m tiefe Baugrube geöffnet werden müssen, um die Ver- und Entsorgungsleitungen für das Baugebiet Z. zu verlegen.

10

Die Deckschicht sei zuvor intakt gewesen. Die Straße sei auch in ganzer Länge auf ihrer Westseite über eine Gosse entwässert worden und habe mehrere Regenwasserabläufe im Abstand von ca. 50 m besessen. Dies belegten vorgelegte Fotografien auf der Höhe des Hauses R.straße 173. Vor seinem Grundstück habe er 1985 einen Regenwasserkanal festgestellt, der nach Norden geführt habe. Auf ganzer Straßenlänge sei auch eine Straßenbeleuchtung vorhanden gewesen. Nach den Leitungsarbeiten sei die Oberfläche zerstört gewesen. Allein dass die Straße aus Sicht der Beklagten nicht ihren Richtlinien über den Ausbau von Ortsdurchfahrten entsprochen habe, begründe noch keinen Erneuerungsbedarf. Zwar möge der Untergrund der Fahrbahndecke nicht heutigen technischen Regeln entsprochen haben, dies begründe allein noch nicht den Tatbestand der Verbesserung. Die alte Frostschutzschicht sei ausreichend dimensioniert gewesen. Die Straße habe vor dem Ausbau trotz starker Inanspruchnahme keine Schäden aufgewiesen.

11

Der Kläger verweist darauf, dass sein übergroßes Grundstück nicht vollständig von der R.straße bevorteilt worden sei. Es habe sich um ein "durchlaufendes Grundstück" gehandelt, denn es sei auch von der L.Straße erschlossen worden. Außerdem werde es in unterschiedlicher Weise genutzt.

12

Der Kläger beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 25.10.2004 in der Fassung ihres Widerspruchsbescheides vom 09.03.2005 aufzuheben.

13

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

14

Sie verweist darauf, dass der Ausbau der Straße eine Verbesserung und Erneuerung bedeute: Vor dem Ausbau sei der Regenwasserkanal nur auf einer Länge von 45 m in DN 300 am Nordende des abgerechneten Straßenstücks vorhandenen gewesen. Diesen habe sie nach einer TV-Befahrung als schadhaft erachten müssen. Überdies habe der Kanal zu flach unter der Erdoberfläche gelegen. Der neue Regenwasserkanal führe unter dem gesamten Straßenabschnitt entlang. Der Ausbau habe mit dem Baugebiet Z. nichts zu tun, das Regenwasser von dort werde ausschließlich über Retentionsflächen gedrosselt und in das Regenrückhaltebecken N. geleitet. Die Fahrbahn habe vordem Ausbau wegen ihres bindigen Bodens bzw. ihrer Kiesschicht keinen frostsicheren Unterbau besessen. Eine Gegenüberstellung der Ausbauzustände belege den Gewähr leisteten Frostschutz. Der Gehweg sei durch Bordsteine abgetrennt worden. Außerdem seien erstmals Parkflächen angelegt worden.

15

Die Beklagte vertieft, dass bei der Ermittlung der von dem Ausbau begünstigten Fläche das Flurstück 10/2 in seiner gesamten Größe habe berücksichtigt werden müssen, weil die als "Private Grünflächen" festgesetzten Teilflächen den Eindruck einer privaten Gartenfläche machten und so wie Bauland bewertet werden müssten.

16

Die Kammer hat das Abrechungsgebiet in Augenschein genommen.

17

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsvorgänge der Beklagten und der Gerichtsakte verwiesen/der Gegenstand der Entscheidung der Kammer war.

Entscheidungsgründe

18

Die Anfechtungsklage ist zulässig und teilweise begründet.

19

Der Heranziehungsbescheid der Beklagten vom 25.10.2004 sowie der Widerspruchsbescheid vom 03.03.2005 sind nur insoweit rechtmäßig, als ein Betrag von 30.288,91 EUR gegen den Kläger festgesetzt wird, und verletzen den Kläger in seinen Rechten, soweit ein höherer Betrag, nämlich insgesamt 41.045,78 EUR, festgesetzt wird (§ 113 Abs. 1 VwGO). Die Beklagte kann vom Kläger nach § 6 NKAG i.V.m. ihrer Satzung über die Erhebung von Beiträgen nach § 6 NKAG für straßenbauliche Maßnahmen vom 31.03.1992 (Abi. RBHan. S. 261) in der Fassung der Satzung vom 21.03.2002 (Abi. RBHan. S. 402) -Straßenausbaubeitragssatzung - SABS - Straßenausbaubeiträge nur in Höhe von 30.288,91 EUR für den Ausbau der Anlage "R.straße von der Ü.Straße bis l.straße" verlangen.

20

Gemäß § 6 NKAG können die Gemeinden zur Deckung ihres Aufwandes für die Herstellung, Anschaffung, Erweiterung, Verbesserung und Erneuerung ihrer öffentlichen Einrichtungen Beiträge von den Grundstückseigentümern erheben, denen die Möglichkeit der Inanspruchnahme dieser öffentlichen Einrichtungen besondere wirtschaftliche Vorteile bietet.

21

Entgegen der Ansicht des Klägers hat der Ausbau der Anlage eine Verbesserung bzw. Erneuerung der bisherigen Anlage bewirkt. Nach § 1 SABS erhebt die Beklagte zur Deckung ihres Aufwandes für die Herstellung, Anschaffung, Erweiterung, Verbesserung und Erneuerung (Ausbau) ihrer Straßen, Wege, Plätze (öffentlichen Einrichtungen) Beiträge von den Grundstückseigentümern, denen die Möglichkeit der Inanspruchnahme dieser öffentlichen Einrichtungen besondere wirtschaftliche Vorteile bietet (Anlieger).

22

Die Beklagte kann zwar für den Ausbau des hier abgerechneten Abschnitts der R.straße in der insgesamt geltend gemachten Höhe Straßenausbaubeiträge gegenüber den Anliegern festsetzen (1). Sie darf auch den Kläger als Anlieger zu Beiträgen heranziehen (2), muss dabei jedoch den Kreis der berücksichtigungsfähigen Grundstücke bzw. -flächen beschränken bzw. erweitern und für die berücksichtigungsfähigen Grundflächen teilweise einen anderen Nutzungsfaktor zu Grunde legen (3).

23

1.

Die Beklagte hat den Aufwand für den Ausbau der Straße insgesamt zutreffend mit 210.326,03 EUR ermittelt. Er ist beitragsfähig.

24

Ob eine Ausbaumaßnahme i.S.d. § 1 SABS zu einer beitragspflichtigen Maßnahme geführt hat, ist in der Regel nicht für jede Straße insgesamt, sondern für jede ihrer Teileinrichtungen getrennt zu beantworten (vgl. für die Verbesserung Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 7. Aufl., Rdnr. 36 zu § 32). Eine Verbesserung liegt vor, wenn sich der Zustand der Anlage nach dem Ausbau von ihrem ursprünglichen Zustand im Zeitpunkt der erstmaligen Herstellung in einer Weise unterscheidet, die positiven Einfluss auf ihre Benutzbarkeit hat (vgl. Driehaus, a.a.O., Rdnr. 29 zu § 32). Die Verbesserung muss sich dabei auf die bestimmungsgemäße Funktion der Verkehrsanlage beziehen. Sie liegt vor, wenn die Benutzbarkeit der Straße positiv beeinflusst worden ist (vgl. OVG Lüneburg, Urteil vom 07.09.1999 - 9 L 393/99 -, NVwZ-RR 2000, 381). Eine Erneuerung liegt vor, wenn eine abgenutzte Anlage durch eine gleichsam "neue" von - im Vergleich zum ursprünglichen Ausbau - gleicher räumlicher Ausdehnung, gleicher funktioneller Aufteilung der Fläche und gleichwertiger Befestigungsart ersetzt wird (vgl. Driehaus, a.a.O., Rdnr. 13 zu § 32). Der Aufwand bezüglich der Oberflächenentwässerung (1.1), der Fahrbahn und dem Gehweg (1.2) sowie der Beleuchtungseinrichtungen (1.3) ist beitragsfähig.

25

1.1

Der nach § 2 Abs. 1 Nr. 6 e SABS für die Erneuerung und Verbesserung beitragsfähige Aufwand für "Einrichtungen (u.a. Kanäle, Abläufe und Gossen) für die Oberflächenentwässerung" besteht darin, dass ein Teilstück von 45 m ersetzt, d.h. erneuert, und im Übrigen der Regenwasserkanal erstmals angelegt, also die Oberflächenentwässerung verbessert, wurde. Die Beklagte hat den Schaden an dem vorhandenen Kanal am Nordende der Anlage durch eine TV-Befahrung feststellen müssen und im Übrigen keine Fortsetzung des Kanals nach Süden feststellen können. Hiervon muss auch die Kammer ausgehen, da dies sonst bei den Bauarbeiten festgestellt worden wäre. Zwar mag, worauf Anlieger verweisen, die ersetzte Fahrbahn eine Gosse und Regenwasserabläufe besessen haben. Deren Anschluss im südlichen Bereich der Anlage an eine Entwässerungseinrichtung der Straße ist aber angesichts der Feststellungen der Beklagten ausgeschlossen. Die Entwässerung könnte - wenn überhaupt - über private Einrichtungen vorgenommen worden sein. Soweit Anlieger beanstanden, dass die in der Anlage verbauten Leitungen dazu dienten, das Baugebiet am Z. zu ver- und entsorgen, schließt dies die Verbesserung/Erneuerung der Regenwasserentwässerung nicht aus. Zwar mag der Untergrund der Anlage auch für andere - nicht abgerechnete - Leitungen 4 m tief geöffnet und genutzt worden sein, die Regenwasserentwässerung jedoch steht in keinem Zusammenhang mit dem Neubaugebiet. Dessen Regenwasser wird ausschließlich über Retentionsflächen gedrosselt und in das Regenrückhaltebecken N. geleitet, ohne den erneuerten/verbesserten Kanal zu benutzen. Der neue Kanal besitzt zudem denselben Durchmesser (DN 300) wie der ursprüngliche.

26

1.2.

Den für die Herstellung, Erneuerung und Verbesserung beitragsfähigen Aufwand für "die Fahrbahn mit Unterbau und Decke" (§ 2 Abs. 1 Nr. 4 SABS), für "Rad- und Gehwege (auch in kombinierter Form)" (§ 2 Abs. 1 Nr. 6 b SABS) und für "Parkflächen (auch Standspuren und Haltebuchten" (§ 2 Abs. 1 Nr. 6 g SABS) hat die Beklagte ebenfalls zutreffend ermittelt.

27

Die Beklagte engte die bislang 5 m breite asphaltierte Fahrbahn auf eine 3,50 m breite gepflasterte ein. Eine beitragsfähige Verbesserung liegt darin, dass diese erstmals eine Frostschutzschicht im Unterbau erhielt. Die vor dem Ausbau intakte oberste Decksicht der Fahrbahn spricht nicht gegen die fehlende Frostsicherheit ihres Unterbaues. Den Gehweg verbesserte die Beklagte, weil sie den bislang mit der Fahrbahn ebenerdigen und nicht frostsicheren Gehweg, der bis 1,20 m breit war, durch einen durch Hochbords abgesetzten bis 2 m breiten mit einer Frostschutzschicht im Unterbau ersetzte. Erstmals stellte die Beklagte Ausweichstellen für den Begegnungsverkehr bzw. Parkplätze her.

28

Eine Verbesserung liegt auch darin, dass durch die Gliederung der Anlage in Gehweg, Fahrbahn und Ausweichstellen/Parkplätze die Abwicklung des Anliegerfahrzeug-, Fußgänger- und Radfahrerverkehrs verbessert worden ist. Eine beitragsfähige Verbesserung ist auch bei einer erweiterten funktionalen Aufteilung der Verkehrsanlage, bei einer den Verkehrsbedürfnissen mehr entsprechenden und daher besseren Befestigungsart und bei einer größeren räumlichen Ausdehnung anzunehmen (vgl. Nds. OVG, Urteil vom 07.09.1999, NVwZ-RR 2000, 381). Mit der Anlegung der Parkbuchten ist eine stärkere funktionale Aufteilung der Verkehrsanlage verbunden. Der ruhende und der fließende Verkehr werden eindeutiger voneinander getrennt. Dies stellt eine beitragsfähige Verbesserung dar, weil dadurch die Nachteile vermieden werden, die mit dem Parken von Autos auf der Fahrbahn verbunden sind (vgl. Driehaus, a.a.O., Rdnr. 62 zu § 32). Verbesserungscharakter hat die Verbreiterung der Gehwege, weil sich dadurch die Benutzbarkeit für Fußgänger verbessert hat, dass die Hochbordanlage von der Fahrbahn abgetrennt ist und zudem der Gehweg in einzelnen Bereichen relativ schmal war.

29

1.3

Den beitragsfähigen Aufwand für "Beleuchtungseinrichtungen" (§ 2 Abs. 1 Nr. 6 d SABS) hat die Beklagte ebenfalls zutreffend ermittelt. Indem sie die Zahl der an der Fahrbahn befindlichen Leuchten von 5 auf 7 erhöhte und für diese zugleich einen niedrigeren Lichtpunkt wählte, verbesserte sie die Beleuchtungseinrichtungen der Anlage.

30

Die Beklagte darf auch den Kläger als Anlieger heranziehen. Er genießt durch den Ausbau der Anlage einen Vorteil, der seine Heranziehung zu einem Beitrag rechtfertigt. Dabei ist es unerheblich, ob eine Inanspruchnahme erwünscht ist oder - derzeitigen - subjektiven Vorstellungen nicht entspricht. Maßgeblich sind objektive Kriterien. Ist die Beziehung eines Grundstücks zu einer Anlage so, dass erfahrungsgemäß angenommen werden kann, die ausgebaute Anlage werde von ihm aus in Anspruch genommen, so ist es gerechtfertigt, auch diesem Grundstück Anteile am umlagefähigen Aufwand aufzuerlegen. Auch die anderen beitragspflichtigen Anlieger können schutzwürdig erwarten, dass solche Grundstücke einbezogen werden.

31

Bei dem Begriff des besonderen wirtschaftlichen Vorteils handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der nach der ständigen Rechtsprechung des Nds. OVG gegeben ist, wenn den Anliegern die Möglichkeit der Inanspruchnahme der öffentlichen Einrichtung geboten wird. Zur Auslegung dieses Begriffs ist darauf abzustellen, dass § 6 NKAG den Begriff "Vorteil" in Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 Satz 1 und Abs. 5 Satz 3 NKAG verwendet. Nach § 6 Abs. 1 Satz 1 NKAG können die Gemeinden und Landkreise zur Deckung ihres Aufwandes für die Herstellung/Anschaffung, Erweiterung, Verbesserung und Erneuerung ihrer öffentlichen Einrichtungen Beiträge von den Grundstückseigentümern erheben, denen die Möglichkeit der Inanspruchnahme dieser öffentlichen Einrichtungen besondere wirtschaftliche Vorteile bietet. Nach § 6 Abs. 5 Satz 1 NKAG sind die Beiträge nach den Vorteilen zu bemessen. Nach § 6 Abs. 5 Satz 3 NKAG bleibt, wenn die Einrichtungen erfahrungsgemäß auch von der Allgemeinheit oder von der Gemeinde oder dem Landkreis selbst in Anspruch genommen werden, bei der Ermittlung des Beitrages ein dem besonderen Vorteil der Allgemeinheit oder der Gebietskörperschaft entsprechender Teil des Aufwandes außer Ansatz. Dabei besteht in der Rechtsprechung Übereinstimmung, dass der Inhalt des an diesen drei Stellen verwandten Tatbestandsmerkmals "(wirtschaftlicher) Vorteil" identisch ist (vgl. Driehaus, a.a.O. Rdnr. 6 zu § 29). Da § 6 NKAG den Begriff "Vorteil" durch die ausgebaute Straße sowohl in Beziehung zu den Grundeigentümern wie auch der Allgemeinheit setzt, folgt aus der inhaltlichen Identität des Merkmals, dass es um etwas geht, was beide Gruppen - Grundeigentümer und Allgemeinheit - mit Blick auf die ausgebaute Straße gemeinsam haben (vgl. Driehaus, a.a.O., Rdnr. 7 zu § 29). Der beitragrechtlich relevante Vorteil kann daher nicht mit dem identisch sein, was sich für den einzelnen Grundstückseigentümer in Euro und Cent bezifferbar wertsteigernd für das Grundstück erweist. Für die Allgemeinheit gibt es nämlich keinen derart bezifferbaren Vorteil. Entscheidend ist bei der Bestimmung des Vorteilsbegriffs daher darauf abzustellen, ob der Straßenbau etwas bietet, was sowohl für die Allgemeinheit als auch für die Grundstückseigentümer nützlich ist (vgl. Driehaus, a.a.O.). Einen derartigen Vorteil kann nur die Möglichkeit der Inanspruchnahme der ausgebauten Straße (vgl. Driehaus, a.a.O.) verschaffen. Soweit § 6 NKAG den Begriff "wirtschaftlicher Vorteil" verwendet, ist dieser Begriff allein mit der Verteilungsphase in Verbindung gesetzt. Dieses Merkmal dient daher der Ermittlung und der Verteilung des umlagefähigen Aufwandes (vgl. Driehaus, a.a.O., Rdnr. 8 zu § 29). Soweit § 6 NKAG den Begriff der "besonderen wirtschaftlichen Vorteile" verwendet, wird der Gleichklang von Allgemeinvorteilen und Anliegervorteilen verlassen, und der Blick auf die Anliegervorteile gerichtet. Diese müssen "besondere" sein, das heißt, sie müssen in erster Linie einer bestimmten Gruppe von Grundstückseigentümern zukommen (vgl. Driehaus, a.a.O., Rdnr. 12 zu § 29). Dies ist die Gruppe der Grundstückseigentümer, denen ein Sondervorteil zukommt, der die Konsequenz der Kostenbelastung rechtfertigt. Eine abstrakte Besserstellung genügt. Es kommt daher nicht darauf an, ob der Beitrag aus den Grundstückserträgen erwirtschaftet werden kann, ein höherer Pachtzins durchsetzbar ist oder ob der Straßenausbau zu einer bezifferbaren Werterhöhung des Grundstücks führt. Unter Sondervorteil ist insoweit allein eine qualifizierte Inanspruchnahmemöglichkeit (vgl. Driehaus, a.a.O., Rdnr. 13 zu § 29) zu verstehen. Die Rechtfertigung, ein Grundstück zu einem Ausbaubeitrag zu veranlagen und es bei der Verteilung des umlagefähigen Beitrages zu berücksichtigen, ergibt sich aus der Inanspruchnahmemöglichkeit. Nur derjenige Grundstückseigentümer ist bei der Verteilung des umlagefähigen Aufwandes zu beteiligen, dem eine vorteilsrelevante Inanspruchnahme der ausgebauten Straße möglich ist. Vorteilsrelevant in diesem Sinne ist eine Inanspruchnahmemöglichkeit, die für bestimmte Grundstücke im Verhältnis zu allen anderen deshalb besonders vorteilhaft ist, weil aufgrund der räumlich engen Beziehung dieser Grundstücke zu der ausgebauten Anlage erfahrungsgemäß angenommen werden kann, diese werde von ihnen in stärkerem Umfang in Anspruch genommen als von anderen Grundstücken. Der Ausbau führt zu einer Steigerung des Gebrauchswertes des Grundstückes, der für die übrigen Grundstücke nicht in vergleichbarerweise eintritt. Eine solche vorteilsrelevante Inanspruchnahmemöglichkeit haben in erster Linie Anliegergrundstücke. Darauf, ob ein Grundstück bereits anderweitig erschlossen ist oder nach dem Willen der Grundstückseigentümer keine Zufahrt angelegt werden soll, kommt es nicht an. Ebenso wenig von Bedeutung sind Straßenbezeichnungen oder die Zugehörigkeit zu einem Bebauungsplangebiet.

32

Der angefochtene Bescheid ist gleichwohl teilweise rechtswidrig, weil die Beklagte die Gesamtverteilungsfläche und in der Folge die Beitragssätze falsch ermittelt hat. Die Beklagte hat zum einen ein berücksichtigungsfähiges Grundstück unberücksichtigt gelassen, zum anderen aber Grundstücksflächen berücksichtigt, die nicht hätten berücksichtigt werden dürfen (3.1). Darüber hinaus hat die Beklagte in einigen Fällen einen falschen Nutzungsfaktor zu Grunde gelegt (3.2).

33

3.1

Die Beklagte hat einerseits zu Unrecht Grundflächen berücksichtigt, andrerseits ein berücksichtigungsfähiges Grundstück außer Betracht gelassen.

34

Nach § 6 Abs. 1 S. 1 SABS wird der umlagefähige Ausbauaufwand auf die Grundstücke verteilt, von denen aus die Möglichkeit der Inanspruchnahme der ausgebauten öffentlichen Einrichtung besteht (berücksichtigungsfähige Grundstücke). Die Verteilung des Aufwandes auf diese Grundstücke erfolgt im Verhältnis der Nutzflächen, die sich für diese Grundstücke aus der Vervielfachung der maßgeblichen Grundstücksfläche mit dem nach §§ 7 und 8 SABS maßgeblichen Nutzungsfaktor ergeben, § 6 Abs. 1 S. 2 SABS.

35

3.1.1

Die Beklagte hat bei der Ermittlung der Abrechnungsfläche zu Recht von vornherein das mit einem Scheunengebäude bebaute Teilstück des nördlichen Gutsparks (Teile der Flurstücke 7/1 und 8/3, 1214 m2) ausgeschieden, zu Unrecht aber das Flurstück 52/4, das ein Teilstück des Grundstücks R.straße 184 ist, berücksichtigt.

36

Die beiden in Bebauungsplänen als Dorfgebiet festgesetzten Flächen sind zwar Teil berücksichtigungsfähiger Grundstücke. Ihnen fehlt aber die Inanspruchnahmemöglichkeit der ausgebauten Anlage, weil die im Bebauungsplan festgesetzte Nutzung - bezogen auf die abzurechnende Anlage - nicht ausgeübt werden kann. Die Straße ermöglicht dem Eigentümer nicht die bestimmungsgemäße Nutzung seines (Teil-)Grundstücks (vgl. Nds. OVG, Beschluss vom 11.09.2003 - 9 ME 117/03 -). Solche Teilflächen an und für sich berücksichtigungsfähiger Grundstücke unterliegen nicht der Beitragspflicht. Das folgt aus § 6 Abs. 1 Satz 1 NKAG.

37

Zwar sind gemäß § 6 Abs. 1 S. 1 SABS Grundstücke, die eine Möglichkeit der Inanspruchnahme der ausgebauten Anlage besitzen, berücksichtigungsfähig, wobei Grundstück in diesem Sinne das Grundstück im bürgerlich-rechtlichen Sinn mit seinem Flächeninhalt meint (§ 6 Abs. 2 Satz 1 SABS). Dies spricht dafür, ein Grundstück, das wenigstens mit Teilflächen die Inanspruchnahmemöglichkeit besitzt, grundsätzlich insgesamt zu berücksichtigen.

38

Eine solche Auslegung stünde jedoch nicht in Einklang mit § 6 Abs. 1 S. 1 NKAG , wonach "Beiträge von den Grundstückseigentümern erhoben werden können, denen die Möglichkeit der Inanspruchnahme dieser öffentlichen Einrichtungen besondere wirtschaftliche Vorteile bietet". Danach dürfen nur für solche Grundstücksflächen, die auch bevorteilt sind, Beiträge erhoben werden. Dies entspricht der Rechtsprechung des OVG Lüneburg, wonach eine Begrenzung des beitragsrelevanten Vorteils auf eine bestimmte Teilfläche des Grundstücks zwar in der Regel nicht stattfindet, ausnahmsweise aber zulässig ist (vgl. Nds. OVG, Urteil vom 12.07.1994-9 L 295/92-für den Fall eines an mehrere Straßen angrenzenden bürgerlich-rechtlichen Grundstücks, wenn besondere Umstände -wie die einseitige Ausrichtung der inneren Erschließung von Teilflächen - zu bestimmten Straßen hin bzw. die unterschiedliche, jeweils verschiedenen Straßen zuzuordnende Nutzung von Teilflächen es nahe legen, bei realistischer Betrachtungsweise davon auszugehen, die ausgebaute Straße werde aller Wahrscheinlichkeit nach nur von bestimmten Teilflächen des Grundstücks in Anspruch genommen). Ein solcher Ausnahmefall ist auch dann gegeben, wenn für Flächen eines Grundstücks durch Bebauungsplan unterschiedliche Nutzungen festgesetzt werden, diese Nutzungen aber - die nicht abzurechnenden Anlagen hinweggedacht - bezogen auf die abzurechnende Anlage nicht ausgeübt werden können. In Bezug auf diese Anlage fehlt es dann an einem beitragsrelevanten Vorteil. Diese Fallkonstellation ist vergleichbar derjenigen, in der es - bezogen auf das gesamte Grundstück - an einem Vorteil fehlt, wenn die Inanspruchnahmemöglichkeit eine Befahrbarkeit voraussetzt (vgl. etwa Nds. OVG, Beschluss vom 16.10.2003, NVwZ-RR 2004, 607, wonach es bei einem bewirtschafteten Waldbestand, der darauf angewiesen ist, mit Nutzfahrzeugen angefahren zu werden, an einem Vorteil fehlt, wenn er von der abzurechnenden Anlage nur fußläufig erreichbar ist). Auf der Grundlage des genannten Beschlusses des Nds. OVG vom 12.07.1994 kann sich die fehlende Vorteilswirkung auf Teilflächen beschränken.

39

Nach diesen Vorgaben sind die Teilfläche auf den Flurstücken 7/1 und 8/3 (1214 m2) und das Flurstück 52/4 bezogen auf die abzurechnende Anlage nicht bevorteilt, weil auf diesen Flächen die im Bebauungsplan festgesetzte Nutzung nicht verwirklicht werden könnte. Für beide Flächen gelten die Festsetzungen "Dorfgebiet" in den Bebauungsplänen Nr. 1256 bzw. Nr. 1445. Damit lassen sie eine Bebauung der Flächen wenigstens mit Wohngebäuden zu. Diese (Minimal-)Nutzung kann jedoch allein im Hinblick auf die ausgebaute Anlage nicht ausgeübt werden, weil die Festsetzungen der jeweils rechtsverbindlichen Bebauungspläne für die zwischen den jeweiligen "Dorfgebieten" und der ausgebauten Anlage liegenden Bereiche dagegen stehen.

40

Bezüglich der Teilfläche auf den Flurstücken 7/1 und 8/3 (1214 m2) an der l.straße setzt der Bebauungsplan Nr. 1245 für die südlich angrenzenden Flächen zu der ausgebauten Anlage hin "Privater Gutspark" fest. Für den Bereich zwischen dem Flurstück 52/4 und der ausgebauten Anlage setzt der Bebauungsplan Nr. 1445 "Private Grünfläche" fest.

41

An der Gültigkeit der Festsetzungen dieser Grünflächen hat die Kammer keinen Zweifel. Sie sind jeweils durch § 9 Abs. 1 Nr. 15 BBauG als Festsetzung von "öffentlichen und privaten Grünflächen, wie Parkanlagen ..." gedeckt (vgl. BVerwG, Beschluss vom 24.04.1991 - BVerwG 4 NB 24.90 -, Buchholz 406.11 § 9 BBauG/BauGB Nr. 49 S. 51, 52).

42

Eine Anlage vermittelt einer bebaubaren Grundstücksfläche dann keinen Vorteil, wenn diese Fläche - andere Anlagen hinweggedacht - wegen dieser Anlage gar nicht bebaubar wäre. Es kommt somit darauf an, ob zumindest eine der Festsetzung "Dorfgebiet" entsprechende "Minimalnutzung" - also etwa eine Wohnnutzung - baurechtlich zulässig wäre. Dies ist für beide Flächen zu verneinen. Bauplanungs- und bauordnungsrechtlich zulässig wäre eine solche Nutzung nur dann, wenn die Erschließung gesichert wäre. Diese setzt voraus, dass die bebaubare Fläche zumindest über eine Zuwegung (oder eine Zufahrt) verfügt. Einer solchen Zuwegung stehen bei beiden Flächen die Festsetzungen des Bebauungsplans entgegen.

43

Ob die notwendigen Wegeverbindungen über (private) Grünflächen im Einzelfall angelegt werden dürfen und damit einen Zugang im Sinne des § 5 Abs. 2 NBauO sichern können, ist eine Frage der Auslegung des jeweils einschlägigen Bebauungsplans (zur grundsätzlichen Zulässigkeit der Anlegung von Gehwegen auf Grünflächen vgl. BVerwG, Urteil vom 17.06.1994 - 8 C 22.92 -, ZMR 1994, 531, 533; Nds. OVG, Beschluss vom 17.09.2003, a.a.O.; OVG Münster, Urteil vom 15.11.1996 - 3 A 1364/91 -, zit. nach JURIS). Rechtsfolge der Festsetzung als Grünfläche ist, dass Vorhaben in den festgesetzten Grünflächen der jeweiligen Zweckbestimmung nicht widersprechen dürfen. Insofern kommt es auf den Festsetzungsgehalt an. Denkbar sind dabei zwar bestimmte Spielräume, d.h. Festsetzungen über die Zweckbestimmung von Grünflächen können ggf. bestimmten anderen Nutzungen nicht widersprechen, so z.B. bestimmten (geringfügigen) baulichen Anlagen. Je nach Zweckbestimmung sind auf den Grünflächen daher solche baulichen Anlagen und sonstigen Einrichtungen zulässig, die sich im Rahmen der Zweckbestimmung halten, auch wenn sie nicht erforderlich, sondern nur zweckmäßig sind (vgl. Emst/Zinkahn/Bielenberg, § 9 BauGB, Rdn. 131).

44

Die planerisch festgesetzten Grünflächen schließen die Anlage einer Zuwegung (oder einer Zufahrt) aus, denn nach der Begründung der jeweiligen Festsetzung sollen die Grünflächen in dem vom Plangeber vorgefundenen Stand gesichert und künftig erhalten werden. Durch den Bebauungsplan Nr. 1245 soll der Gutspark in seiner derzeitigen Form erhalten werden, denn die Begründung führt aus, dass der Gutspark sowie eine weitere südlich angrenzende Fläche ... u.a. mit ihrem wertvollen Baumbestand das vorhandene Ortsbild (prägen), diese Flächen deshalb städtebaulich von besonderer Bedeutung seien und planungsrechtlich gesichert werden sollen. Nach dem Bebauungsplan Nr. 1445 sollen die festgesetzten privaten Grünflächen, u.a. östlich des Flurstücks 52/4, geschützt werden. Durch die Festsetzung sollen die "Flächen mit wertvollem Baumbestand sowie einem Teich, die als wesentlicher Bestandteil das historische Ortsbild mitprägen, planungsrechtlich gesichert werden". Diese planerischen Festsetzungen wollen den vorhandenen Bestand des Gutsparks ebenso wie die Grünflächen des gegenüberliegenden Gutes als städtebaulich relevant bzw. für das Ortsbild von besonderer Bedeutung bewahren und deshalb vor Veränderung schützen.

45

Diese Festsetzungen schließen eine Zuwegung, wie sie für eine bauliche Nutzung erforderlich wäre, aus. Die festgesetzte Grünfläche auf den Flurstücken 54/7 und 54/12 hält den rückwärtigen und zur Wülfeler Straße gerichteten Teil des Grundstücks R.straße 184 von Bebauung frei. Hinter dem Wohnhaus ist diese Fläche nur wenige Meter breit. Eine Zuwegung, die diese Fläche zerschneiden würde, würde der mit der Festsetzung verbundenen Absicht zuwider laufen und wäre daher baurechtlich nicht zulässig. Der Bebauungsplan will diese Fläche ersichtlich in ihrem Bestand und ihrem Zuschnitt schützen. Zudem lässt die Anordnung der Baufenster auf den Flurstücken 52/2, 52/6 und 52/4 bei verständiger Würdigung nur den Schluss zu, dass sich der Plangeber eine Erschließung von der Wülfeler Straße über den "Pfeifenstiel" des Flurstücks 52/6 oder über die Anlage "l.straße" vorgestellt hat. Die Festsetzung der Teilfläche auf den Flurstücken 7/1 und 8/3 (1214 m2) an der l.straße als Dorfgebiet in dem Bebauungsplan Nr. 1256 erfolgte unabhängig von derjenigen für die übrige in dem Bebauungsplan Nr. 1234 als privater Gutspark geregelten Grundstücksfläche. Der Plangeber nahm damit von vornherein in den Blick, dass die Teilfläche nur von der l.straße erreicht werden soll. Gerade dies soll sichern, "den vorhandenen Park in vollem Umfang zu erhalten" (Bebauungsplan Nr. 1256, S. 8 der Begründung).

46

War damit für den Plangeber maßgeblich, die Zuwege zu den im Dorfgebiet liegenden Baugrundstücken nicht durch die festgesetzten Grünflächen zu ermöglichen, können die Eigentümer der Baugrundstücke nicht darauf verwiesen werden, sie könnten die ausgebaute Anlage durch einen durch die Grünflächen geführten Weg gleichwohl vorteilhaft in Anspruch nehmen, weil praktisch zwischen einem erlaubten Gartenweg und einer nicht mehr erlaubten Zuwegung zu einer baulichen Anlage nicht unterschieden werden könne und es somit an einer sachliche Rechtfertigung für die Unterscheidung beider Wegetypen mangele (vgl. das zum Erschließungsbeitragsrecht ergangene "Treppenweg"-Urteil des BVerwG vom 17.06.1994 - 8 C 22.92 -, ZMR 1994, 531). Dieser Schluss kann da gerechtfertigt sein, wo das Bebauungsplankonzept die Zuwegung zu einem Baugrundstück durch eine Grünfläche gerade in Kauf nimmt. Hier stehen - wie bereits ausgeführt - die Plankonzeptionen der Bebauungspläne Nr. 1245 und Nr. 1445 einen derartigen Zuwegung aber ausdrücklich entgegen. Zudem ist eine Abgrenzung beider Wegetypen möglich, da sich die von Zuwegen freizuhaltenden Grünflächen im rückwärtigen Teil der jeweiligen Grundstücke befinden und die noch weiter rückwärtig gelegenen, als "MD" festgesetzten Grundstücksbereiche nach dem Willen des Plangebers offenbar im Hinblick auf eine andere als die ausgebaute Anlage genutzt werden sollen. Innerhalb der festgesetzten Grünflächen sind somit nur Gartenwege zulässig, die der Bewirtschaftung des Gutsparks bzw. des Gartens des gegenüberliegenden Gutes dienen. Die beiden dahinter liegenden "MD"- Flächen können damit von der ausgebauten Anlage aus vielleicht gärtnerisch, nicht aber ihrer planerischen Festsetzung entsprechend genutzt werden, was es nach Auffassung der Kammer rechtfertigt, diese Flächen aus dem Kreis der bevorteilten Grundstücksflächen auszuschließen.

47

Da die Grundstücksflächen bebaubar sind, kommt es auf die diesbezügliche Vorteilsbeziehung zur ausgebauten Anlage und nicht darauf an, ob sie allein wegen ihrer gärtnerischen Nutzbarkeit (mit einem entsprechend niedrigen Nutzungsfaktor) berücksichtigungspflichtig sind (vgl. die Differenzierung des Nds. OVG, Beschluss vom 16.10.2003, a.a.O., das den nur fußläufig erreichbaren Nutzwald vollständig unberücksichtigt lässt).

48

3.1.2

Die Beklagte musste die übrigen Flächen der Grundstücke R.straße 167 und 169 als beitragspflichtig berücksichtigen. Sie konnte der Tatsache, dass drei der Grundstücke des Gutsparks nur hinter unmittelbar an die ausgebaute Anlage anliegenden Grundstücken liegen und nicht daran angrenzen, nicht dadurch Rechnung tragen, diese nicht zu berücksichtigen. Die Grundstücke stehen im Eigentum einer Person, die die ausgebaute Anlage über die ihr gehörenden Grundstücke R.straße 169 bzw. 167 für die planungsrechtliche Nutzung als Parkfläche in Anspruch nehmen kann. Entscheidend ist diese Inanspruchnahmemöglichkeit; diese besteht bei Eigentümeridentität, wenn die Inanspruchnahme erfahrungsgemäß nicht völlig auszuschließen ist (Driehaus § 35, Rdn. 26). Hierfür ist nichts ersichtlich.

49

Ebenso wenig kommt es darauf an, wenn Hinterliegergrundstücke nicht wie die Vorderliegergrundstücke einheitlich genutzt werden. Dies schließt die Inanspruchnahme der Hinterliegergrundstücke nicht aus. Gehören Anlieger- und Hinterliegergrundstück demselben Eigentümer, ist entscheidend, ob dem Eigentümer des Hinterliegergrundstücks durch den Straßenausbau ein beitragsrelevanter Vorteil im Sinne des § 6 Abs. 1 NKAG geboten wird, weil er vom Hinterliegergrundstück aus eine dauerhafte Möglichkeit zur Inanspruchnahme der ausgebauten Straße besitzt. Diese Möglichkeit besteht in Fällen der Eigentümeridentität beim Vorliegen einer einheitlichen Nutzung immer. Sie setzt diese aber nicht zwingend voraus, sondern ist - außer bei einer unterschiedlichen Nutzung (z.B. einerseits zum Wohnen und andererseits als Gewerbegrundstück) - vielmehr in allen Fällen vorhanden, in denen die Straße vom Hinterliegergrundstück aus erreicht werden kann. Der Zugang zur Straße vom Hinterliegergrundstück ist dann regelmäßig schon wegen der Eigentümeridentität gewährleistet. Die Möglichkeit zur Inanspruchnahme der Straße und damit ein beitragsrelevanter Vorteil entfallen für den Hinterlieger nur in eng begrenzten Ausnahmefällen, etwa dann, wenn es für ihn wegen einer weit gehenden Überbauung des Anliegergrundstückes bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise ausgeschlossen ist, sich einen Zugang zur Straße zu verschaffen (vgl. zu Vorstehendem Nds. OVG, Beschluss vom 13.6.2000 - 9 M 1349/00 -, NdsRpfl 2000, 296-297). Von einem solchen Ausnahmefall kann vorliegend nicht ausgegangen.

50

Die Abrechnungsfläche des Gutsparks ist auch nicht wegen ihrer Größe zu beschränken, etwa auf eine gedachte Linie von 100 m parallel zur R.straße. Die SABS sieht zwar (in § 6 Abs. 3 Nr. 4 b) zur Abgrenzung von baulich nutzbarem Land und solchem, wo dies nicht mehr der Fall ist, in bestimmten Fällen eine Tiefenbegrenzung (von 50 m) vor, aber nur bei Grundstücken, für die kein Bebauungsplan besteht. Hier ist damit die gesamte im Geltungsbereich des Bebauungsplans gelegene Fläche des Grundstücks zu Grunde zulegen. Ebenso wenig kommt eine Flächenbegrenzung wegen beschränkter Erschließungswirkung (Driehaus, a.a.O. Rdn. 38 ff. zu § 35) in Betracht. Zu erwägen ist dies für tatsächlich übergroße Grundstücke (z.B. ein 550.000 m2 großes fortwirtlich genutztes Grundstück: Nds. OVG, Beschluss vom 12.07.1994 - 9 L 2945/92), wenn eine Grundstücksseite zu einer anderen Erschließungsanlage hin orientiert ist. Diese Größe erreicht der Gutspark mit ca. 20.000 m2 bei weitem nicht (vgl. Nds. OVG, Beschluss vom 16.10.2003 -9 ME 150/03, das einem 125.000 m2 großen Waldstück die Übergröße abgesprochen hat).

51

3.1.3

Bei der Ermittlung des Abrechnungsgebiets hat die Beklagte zutreffend das Grundstück R.straße 179 mit dem Flurstück 10/2 als in ganzer Größe bevorteilt berücksichtigt. Soweit eingewandt wird, die östliche Hälfte des Grundstücks sei nicht zu der ausgebauten Anlage, sondern zur L.straße orientiert und müsse deshalb unberücksichtigt bleiben, greift der Einwand schon deshalb nicht, weil zum Zeitpunkt des Entstehens der Beitragspflicht auch dieser Grundstücksteil ausschließlich von der ausgebauten Anlage aus erschlossen war. Denn das Flurstück grenzte nicht unmittelbar an die L.straße, sondern war von dieser durch die in anderweitigem Eigentum stehende Grabenparzelle 102/1 getrennt.

52

Doch selbst wenn dies nicht der Fall wäre, wäre die Osthälfte des Grundstücks von der ausgebauten Anlage aus den in dem Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 07.02.2005 genannten Gründen bevorteilt, auf die Bezug genommen wird.

53

3.1.4

Zu Unrecht nicht berücksichtigt hat die Beklagte das Grundstück I.Straße 3 (Flurstück 54/16 und 54/13), den ehemaligen Lidl-Markt. Der Bebauungsplan der Beklagten Nr. 1445 setzt hierfür, ebenso wie für das demselben Eigentümer gehörende Grundstück R.straße 184 (Flurstück 52/4, 54/7 und 54/12), "Dorfgebiet" fest und lässt eine eingeschossige Bebauung zu. Über das Grundstück R.straße 184 hat das Grundstück l.straße 3 eine (befahrbare) Verbindung zur ausgebauten Straße und kann diese vorteilhaft in Anspruch nehmen.

54

3.2

Darüber hinaus hat die Beklagte in einigen Fällen einen falschen Nutzungsfaktor zu Grunde gelegt, so dass sich für die berücksichtigungsfähigen Grundflächen unter Berücksichtigung der zutreffend ermittelten Flächen (3.1) eine Gesamtverteilfläche von 49.097,9437 m2 statt der zu Grunde gelegten 51.771,8551 m2 ergibt.

55

§ 6 Abs. 2 S. 2 SABS regelt, dass soweit Flächen berücksichtigungsfähiger Grundstücke baulich oder gewerblich nutzbar sind, sich der Nutzungsfaktor nach § 7 SABS richtet. Als baulich oder gewerblich nutzbar gilt bei Grundstücken im Geltungsbereich eines Bebauungsplanes nach § 6 Abs. 3 Nr. 1 SABS die Gesamtfläche des Grundstücks mit Ausnahme der unter § 6 Abs. 4 Nr. 2 SABS genannten Flächen. Diese wiederum sind solche, die "wegen entsprechender Festsetzungen im Bebauungsplan nur in anderer Weise nutzbar sind (z.B. land- oder forstwirtschaftliche Nutzung)". Als "andere Weise" kann die Bestimmung nur "nicht baulich oder gewerblich nutzbar" meinen. Für die berücksichtigungsfähigen Flächen im Sinne von § 6 Abs. 4 Nr. 2 SABS richtet sich die Ermittlung des Nutzungsfaktors nach § 8 SABS, § 6 Abs. 2 S. 3 SABS. Die SAbs. 1ässt damit ausdrücklich eine unterschiedliche Bewertung von Teilflächen - "baulich oder gewerblich nutzbar" oder "nur in anderer Weise nutzbar" - zu. Die Kammer kann dies nicht beanstanden.

56

Der Kläger im Parallelverfahren 4 A 2140/05 macht geltend, dass bei der Ermittlung der Beitragsfläche eine Aufteilung der Gesamtfläche in Bauland und baulich nicht nutzbare Fläche nicht habe erfolgen dürfen. Grundstücke, die jedenfalls teilweise baulich nutzbar seien, müssten insgesamt mit dem für Bauland geltenden Faktor berücksichtigt werden. Zur Begründung wird der Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 29.11.1994 (8 B 171/94 -, NVwZ 1995, 1215) zur Behandlung von Grundstücken im Erschließungsbeitragsrecht angeführt. Die Kammer teilt diese Auffassung nicht. Dabei ist zunächst darauf zu verweisen, dass der Beklagten eine solche Berücksichtigung der Grundstücksflächen schon deshalb verwehrt war, weil sie im Widerspruch zu ihrer Satzung steht, die eine Unterscheidung von Flächen nach ihrer Ausnutzbarkeit vorsieht. Der Einwand kann sich daher nur gegen die Rechtswirksamkeit der Satzung richten, die einen solchen Verteilungsmaßstab vorsieht. Die Berufung auf die Rechtsprechung zum Erschließungsbeitragsrecht geht bereits deswegen fehl, weil im Straßenausbaubeitragsrecht der die Beitragserhebung rechtfertigende Vorteil nicht auf bauliche oder vergleichbare Nutzungen beschränkt ist, sondern sich auf alle rechtmäßigen Nutzungen von Innen- oder Außenbereichsgrundstücken erstreckt. Dabei ist anerkannt, dass unter Vorteilsgesichtspunkten dem Umstand Rechnung zu tragen ist, dass eine Straße etwa bei der Nutzung eines Grundstücks als Grünfläche geringere Vorteile vermittelt als für ein Grundstück mit Baulandqualität. Der Verteilungsmaßstab muss dem Rechnung tragen. Es gibt nun keinen Grund, eine solche Differenzierung dann nicht vorzunehmen, wenn innerhalb eines Grundstücks verschiedene Nutzungen durch Bebauungsplan festgesetzt werden. Dabei kann die oben zitierte Rechtsprechung des Nds. OVG (vgl. etwa Beschluss vom 16.10.2003 - 9 ME 150/03 -) herangezogen werden. Wenn es grundsätzlich möglich ist, den Vorteil auf Teilflächen zu begrenzen, dann muss es erst recht zulässig sein, für Teilflächen eines Grundstücks einen unterschiedlichen Verteilungsmaßstab vorzusehen. Die Kammer ist der Auffassung, dass dieses nicht nur zulässig, sondern sogar geboten ist.

57

3.2.1

Die Beklagte hat demnach zu Recht den wegen der Festsetzung "Privater Gutspark" nicht baulich oder gewerblich nutzbaren Gutspark (auf den Flurstücken 102/1, 7/1, 7/2, 8/3 und 8/4 und 10/3) als Fläche nach § 6 Abs. 4 Nr. 2 SABS angesehen, hierfür aber nicht den nach § 8 SABS zutreffenden Nutzungsfaktor ermittelt.

58

§ 8 Abs. 1 Nr. 2 a SABS regelt, dass Flächen nach § 6 Abs. 4 SABS, die wegen entsprechender Festsetzungen im Bebauungsplan nur in anderer Weise nutzbar sind (z.B. landwirtschaftliche Nutzung), wenn sie ohne Bebauung sind, unterschiedlich zu bewerten sind. Besitzen sie "Waldbestand oder wirtschaftlich nutzbare Wasserflächen" gilt der Nutzungsfaktor 0,0167, für eine "Nutzung als Grünland, Ackerland, Gartenland oder Brachland" dagegen 0,0333. Die Beweisaufnahme hat ergeben, dass die Einschätzung der Beklagten, der Gutspark besitze einen Waldbestand (mit dem Nutzungsfaktor 0,0167), nicht zutrifft. Zwar stehen in dem wohl ursprünglich als Landschaftsgarten angelegten Park besonders an der Ostseite zahlreiche hoch gewachsene Bäume, doch überwiegt schon von der bedeckten Fläche her die davon freie Fläche, deren Wechselspiel mit dem Baumbesatz den Parkcharakter ausmacht. Besonders im nördlichen Bereich sowie südlich und östlich des Gutshauses sind Wiesen, teilweise mit niedrigen Obstbäumen besetzt anzutreffen. Die Bäume des Gutsparks sind nicht durchgängig Waldbäume (vgl. die Hängebuche oder den Ahorn).

59

Geht die Einschätzung des Gutsparks als "Waldbestand" fehl, bedeutet dies nicht, dass die Fläche nicht veranlagt werden kann, etwa weil die Satzung der Beklagten die Nutzung als "Park" nicht ausdrücklich nennt oder deswegen rechtlich zu beanstanden wäre. Die Kammer sieht keinen Anlass, die Parkfläche nicht als "Nutzung als Gartenland" mit dem Nutzungsfaktor 0,0333 in die Abrechnung einzustellen. Der Gutspark lässt sich ohne weiteres unter den Begriff Gartenland subsumieren. Für ein engeres Verständnis des Begriffs "Gartenland" - wie es von den Rechtsvertretern einiger herangezogener Anlieger favorisiert wird - sieht die Kammer keinen Anlass. Zwar wird der Begriff "Gartenland" im Rechtsverkehr teilweise im Sinne einer landwirtschaftlichen Nutzung verstanden. So wird der Begriff im Automatisierten Liegenschaftsbuch (ALB) der Vermessungs- und Katasterverwaltung (zur Klassifizierung einer landwirtschaftlichen Nutzung) neben "Obstplantage", "Baumschule", "Anbauflächen unter Glas", "Kleingarten (Dauerkleingartenland)", "Weihnachtsbaumkultur", "Saatzucht" verwandt (Hinweise zu den Erbschaftsteuer-Richtlinien 2003 (ErbStH 2003) vom 17. März 2003 - BStBI I Sondernummer 1/2003). Dies zwingt die Kammer jedoch nicht dazu, ausschließlich die mit Obstbäumen besetzte Fläche des Gutsparks zu berücksichtigen, denn der Begriff "Gartenland" kann sogar in der Rechtsprache weiter als "Grabeland" etwa in dem Sinne "Land eines Gartens" reichen. Einen Hinweis in diese Richtung bieten die Richtlinien für die Bewertung des Grundvermögens (vom 19. September 1966 - BAnz. Nr. 183, Beilage/BStBI. I S. 890), die (in Abschnitt 10 Abs. 1) bestimmen, dass "Hinterland, das weder baulich noch gewerblich, sondern nur als Gartenland nutzbar ist, u.U. nur mit dem Wert von gärtnerisch genutztem Land anzusetzen" ist. Diese Regelung sieht (wenigstens) "gärtnerisch genutztes Land" auch als "Gartenland" an. Eine solche "gärtnerische Nutzung" verwirklicht der Eigentümer des Gutsparks, indem er - wie die Ortsbesichtigung der Kammer ergeben hat - Büsche beschneidet, Rasenflächen mäht und den Baumbewuchs kontrolliert. Dass auf Flächen des Parks dicht beieinander Bäume stehen, die teilweise geschützt sind und (vermutlich) keiner intensiven Pflege unterworfen sind, schließt nicht aus, sie auch als Gartenbestandteil zu sehen. Auch in Hausgärten wird herkömmlicherweise nicht jede Einzelfläche gleich intensiv gärtnerisch genutzt, zu ihnen gehört auch Baumbesatz. Hinzu kommt, dass der alltägliche Sprachgebrauch den Begriff "Gartenland" in einem sehr weiten Sinne verwendet. So können Journalisten ganze Bundesländer als "Gartenland" bezeichnen ("NRW - das Gartenland der Nation" in Welt am Sonntag vom 23. März 2003; http://www.wams.de/data/2003/03/23/56457.html; gleiches gilt für Bayern, s. http://www.muenchen.de/Rathaus/bau/dienstleist/gruen/hallens_preise/139465/) oder die Werbung damit Erholungsgärten synonym zu "Park" meinen (www.rain.de/bilder/blumenpark/park4.htm).

60

Für ausgeschlossen hält es die Kammer dagegen, die Fläche des Gutsparks mit einem Nutzungsfaktor von 0,5 zu bewerten. Dieser gilt für baulich oder gewerblich nicht nutzbare Flächen nach § 8 Abs. 1 Nr. 2 b SABS, "wenn sie in einer der baulichen oder gewerblichen Nutzung vergleichbaren Weise genutzt werden (z.B. Friedhöfe, Sport- und Festplätze, Freibäder, Dauerkleingärten, Campingplätze ohne Bebauung)". Diese beispielhaft genannten Nutzungen - daraufweist die Beklagte zu Recht hin - machen deutlich , dass der Faktor 0,5 nur für vergleichbar intensive Nutzungen gerechtfertigt ist, die eine Zugänglichkeit der Grünfläche für die Öffentlichkeit voraussetzen. Für den der Öffentlichkeit gegenüber verschlossenen privaten Gutspark gilt dies nicht.

61

Bei der Berechnung der Fläche des Gutsparks mit dem Nutzungsfaktor 0,0333 hat die Beklagte die Regelung des § 8 Abs. 1 Nr. 1 c SABS zu beachten und die Grundfläche der bislang unberücksichtigt gebliebenen Gebäude auf den Flurstücken 102/1, 7/1, 7/2, 8/3 und 8/4 und 10/3 durch 0,2 zu teilen und mit dem Nutzungsfaktor 1 zu berücksichtigen.

62

3.2.2

Die Beklagte hat zu Unrecht Flächen der Grundstücke R.straße 179 (Flurstück 10/2) bzw. 184 (Flurstücke 54/7 und 54/12), für die in Bebauungsplänen "Private Grünfläche" festgesetzt ist, wie eine baulich oder gewerblich nutzbare Fläche mit einem Nutzungsfaktor von 1,25 bewertet. Da - wie ausgeführt - die "Privaten Grünflächen" im Sinne des § 6 Abs. 4 Nr. 2 SABS wegen entsprechender Festsetzungen in einem Bebauungsplan nicht baulich oder gewerblich nutzbar sind, hätte die Beklagte nach § 6 Abs. 2 S. 2 SABS hierfür einen Nutzungsfaktor nach § 8 SABS wählen müssen. Wie für den Gutspark gilt für die mit Wiesen, Büschen und Baumgruppen besetzten Flächen der Faktor nach § 8 Abs. 1 Nr. 2 a, bb SABS wegen "Nutzung als Gartenland", also 0,0333.

63

Bei der Berechnung der Fläche des Gartenlandes ist § 8 Abs. 1 Nr. 1 c SABS zu beachten, da auf den Flächen Wohnbebauung bzw. landwirtschaftliche Nebengebäude vorhanden sind. Dabei sind allerdings die in der "Privaten Grünfläche" am Nordrand des Grundstücks R.straße 179 (Flurstück 10/2) zum Zeitpunkt der Entstehung der Beitragspflicht noch vorhandenen Gebäude außer Betracht zu lassen. Die beitragsrelevante Möglichkeit der Inanspruchnahme der abgerechneten Anlage setzt die Erwartung künftiger Inanspruchnahme in diesem Fall auch seitens der Gebäude in der Grünfläche voraus. Diese ist jedoch ausgeschlossen, weil nach den textlichen Festsetzungen des Bebauungsplanes Nr. 1618 die auf der Grünfläche vorhandenen Gebäude Zug um Zug mit der Bebauung im Übrigen zu entfernen, die Flächen zu entsiegeln und zu bepflanzen sind. Der Grundstückseigentümer ist dieser Verpflichtung, wie die Ortsbesichtigung ergeben hat, bereits überwiegend nachgekommen, denn zu diesem Zeitpunkt stand nur noch der östliche Schuppenanbau.

64

Die Berechnung des Beitrags des Klägers hat sich demnach an der folgenden Aufstellung zu orientieren, so dass sich lediglich die im Tenor bezeichnete Forderung als rechtmäßig erweist:

65

Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 S. 1 VwGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 167 VwGo-in Verbindung mit §§ 708 Nr. 11, 711 Satz 1 ZPO.

66

Die Berufung wird zugelassen, weil die Rechtssache besondere rechtliche Schwierigkeiten aufweist. Dies gilt für die beitragsrechtliche Berücksichtigung von Parkflächen und für die Beschränkung der Inanspruchnahmevorteile auf Teilflächen eines bürgerlichrechtlichen Grundstücks.

Behrens
Schraeder
Kleine-Tebbe