Verwaltungsgericht Hannover
Urt. v. 18.11.2005, Az.: 12 A 6831/04
Erteilung eines immissionsschutzrechtlichen Vorbescheides für 2 Windkraftanlagen mit einer Höhe von bis zu 100 m und einem Schallleistungspegel von bis zu 103 dB(A); Anforderungen des planungsrechtlichen Abwägungsgebots; Erheblichkeit der Beeinträchtigungen des Landschaftsbildes; Rechtmäßigkeit der Erstellung eines Flächennutzungsplans durch die Gemeinde zur Verhinderung der Errichtung einer Windkraftanlage; Anforderungen an eine Verunstaltung i.S.d. § 35 Abs. 3 S. 1 Nr. 5 Baugesetzbuch (BauGB)
Bibliographie
- Gericht
- VG Hannover
- Datum
- 18.11.2005
- Aktenzeichen
- 12 A 6831/04
- Entscheidungsform
- Endurteil
- Referenz
- WKRS 2005, 34498
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:VGHANNO:2005:1118.12A6831.04.0A
Rechtsgrundlagen
- § 9 BImSchG
- § 13 BImSchG
- § 67 Abs. 9 S. 4 BImSchG
- § 35 Abs. 1 Nr. 6 BauGB
- § 35 Abs. 3 S. 1 Nr. 5 BauGB
- § 35 Abs. 3 S. 3 BauGB
- § 36 Abs. 2 S. 2 BauGB
Verfahrensgegenstand
Erteilung eines immissionsschutzrechtlichen Vorbescheides für 2 Windkraftanlagen
Redaktioneller Leitsatz
Soweit die Errichtung von Windkraftanlagen im gemeindlichen Außenbereich einem Planungsvorbehalt unterliegt, sind gebietsbezogene Festlegungen des Plangebers über die Konzentration von Windkraftanlagen an den betroffenen Standorten erforderlich. Diese schließen gleichzeitig die Errichtung von Anlagen an anderen Stellen im Planungsgebiet aus.
Ein solcher Plan bedarf eines schlüssigen gesamträumlichen Planungskonzepts und muss die allgemeinen Anforderungen des planungsrechtlichen Abwägungsgebots berücksichtigen sowie alle betroffenen Standorte.
Das Verwaltungsgericht Hannover -12. Kammer - hat
auf die mündliche Verhandlung vom 25. Oktober/18.November 2005
durch
den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgericht Behrens,
den Richter am Verwaltungsgericht Gonschior,
den Richter am Verwaltungsgericht Schulz-Wenzel sowie
die ehrenamtlichen Richter Binder und Böcker
für Recht erkannt:
Tenor:
Der Beklagte wird unter Aufhebung des Ablehnungsbescheides vom 18.10.2005 verpflichtet, dem Kläger einen immissionsschutzrechtlichen Vorbescheid unter Ausklammerung der Frage der gesicherten Erschließung zur Errichtung von zwei Windenergieanlagen mit einer Höhe von bis zu 100 m und einem Schallleistungspegel von bis zu 103 dB(A) auf den Flurstücken 13/1, 18,1 und 26/1 der Flur 1 der Gemarkung ... auf seine Voranfrage vom 14.07.2004/24.02.2005 zu erteilen.
Der Beklagte und die Beigeladene zu 1) tragen die Kosten des Verfahrens zu je 1/2.
Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen zu 2) sind nicht erstattungsfähig.
Die Entscheidung über die Kosten ist vorläufig vollstreckbar. Die jeweiligen Vollstreckungsschuldner können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der Vollstreckungsgläubiger zuvor Sicherheit in entsprechender Höhe leistet.
Tatbestand
Der Kläger begehrt von dem Beklagten mit der zunächst als Untätigkeitsklage gegen die Beigeladene zu 1) erhobenen Klage die Erteilung eines immissionsschutzrechtlichen Vorbescheides zur Errichtung von zwei Windenergieanlagen mit einer Höhe von bis zu 100 m und einem Schallleistungspegel von bis zu 103 dB(A) auf den Flurstücken 13/1, 18,1 und 26/1 der Flur 1 der Gemarkung .... Die beiden Windenergieanlagen sollen etwa 800 m nördlich des Ortsteils ... zwischen einer in Ostwestrichtung verlaufenden Hochspannungsleitung und der parallel hierzu verlaufenden Bahnstrecke errichtet werden. Etwa 3 km entfernt in nordöstlicher Richtung liegen die Burg Schaumburg und die Paschenburg. Zwischen dem Standort der Windenergieanlagen und der Burg Schaumburg befindet sich ein größeres Betonwerk mit etwa 20 bis 30 m hohen Türmen, Dieses Betonwerk grenzt unmittelbar an ein Areal, in dem die Beigeladene zu 1) durch den im Jahre 2001 in Kraft getretenen Bebauungsplan Nr. 6 - Industriegebiet... West - ein Gewerbegebiet festgesetzt und östlich hieran anschließend gewerbliche Bauflächen im Flächennutzungsplan dargestellt hat. Die genaue Lage der Windenergieanlagen ergibt sich aus der nachfolgenden Skizze:
Unter dem 14.07.2004 beantragte der Kläger bei der Beigeladenen zu 1) die Erteilung einer Bebauungsgenehmigung für die Errichtung von zwei Windenergieanlagen, z.B. des Typs ENERCON E 40/6.44 oder 6.48 mit einer Nabenhöhe von 77,65 m bzw. 75,65 m und einer Gesamthöhe < 100 m in der Gemeinde ..., Gemarkung .,., Flur 1, auf den Flurstücken 13/1 oder 14/2 oder 14/1 oder 53/14 oder 26/1 oder 8/1 oder 49.
Zwei Tage später ging bei der Beigeladenen zu 1) eine weitere Bauvoranfrage eines anderen Bauherrn, der..., für zwei 99 m hohe Windenergieanlagen nördlich des klägerischen Standorts ein (das sind die beiden oberen Punkte auf der o.a. Skizze, Anm. durch das Gericht).
Unter dem 16.08.2004 lehnte die Beigeladene zu 1) den Antrag des Klägers auf Erteilung einer Bebauungsgenehmigung mit der Begründung ab, dem privilegierten Vorhaben stünden das Landschaftsbild, die natürliche Eigenart der Landschaft und ihr Erholungswert sowie der Denkmalschutz als öffentlichen Belange entgegen. Über den hiergegen erhobenen Widerspruch des Klägers wurde nicht entschieden. Nach Ergehen des Urteils des Bundesverwaltungsgerichts vom 30.06.2004 - 4 C 9.03 - zum Vorliegen einer "Windfarm" teilte die Beigeladene zu 1) dem Kläger mit Schreiben vom 30.09. und 10.11.2004 mit, dass er für die Verwirklichung seines Vorhabens nunmehr eine immissionsschutzrechtliche Erlaubnis benötige, für deren Erteilung der Beklagte zuständig sei. Mit bestandskräftigem Bescheid vom 24.11.2004 nahm die Beigeladene zu 1) ihren Bescheid vom 16.08.2004 zurück und übersandte dem Beklagten die Verfahrensakte zur Erteilung einer Bebauungsgenehmigung zur weiteren Bearbeitung im immissionsschutzrechtlichen Verfahren.
Der Kläger erhob am 26.11.2004 beim Verwaltungsgericht Hannover Untätigkeitsklage auf Erteilung einer Bebauungsgenehmigung gegen die Beigeladene zu 1); mit Schreiben vom 27.06./19.08.2005 hat er seine Klage auf den Beklagten umgestellt, von dem er nunmehr die Erteilung eines immissionsschutzrechtlichen Vorbescheides begehrt. Er ist der Auffassung, die beiden Windenergieanlagen seien planungsrechtlich an dem gewählten Standort zulässig. Seinem privilegierten Vorhaben stünden öffentliche Belange nicht entgegen; bauordnungsrechtliche Hindernisse seien überwindbar. Eine UVP sei nicht mehr erforderlich, nachdem der andere Betreiber, die ..., ihren Antrag zwischenzeitlich zurückgenommen habe.
Mit Bescheid vom 18.10.2005 hat der Beklagte den Antrag des Klägers auf Erteilung eines immissionsschutzrechtlichen Vorbescheides abgelehnt mit der Begründung, der Rat der Beigeladenen zu 1) habe am 17.10.2005 beschlossen, das gemeindliche Einvernehmen zu verweigern. Angesichts des schon anhängigen Verwaltungsstreitverfahrens sehe er sich gehindert, das Einvernehmen zu ersetzen. Darüber hinaus habe der Rat der Beigeladenen zu 1) ebenfalls am 17.10.2005 die 11. Änderung ihres Flächennutzungsplans beschlossen und eine Sonderbaufläche für Windenergie an anderer Stelle festgesetzt. Die 11. Änderung des Flächennutzungsplans ist vom Beklagten am 18.10.2005 genehmigt und am 19.10.2005 öffentlich bekannt gemacht worden.
Der Kläger hat gegen den Bescheid vom 18.10.2005 fristgerecht Widerspruch erhoben und beantragt,
den Beklagten unter Aufhebung des Ablehnungsbescheides vom 18.10.2005 zu verpflichten, ihm einen immissionsschutzrechtlichen Vorbescheid unter Ausklammerung der Frage der gesicherten Erschließung zur Errichtung von zwei Windenergieanlagen mit einer Höhe von bis zu 100 m und einem Schallleistungspegel von bis zu 103 dB(A) auf den Flurstücken 13/1, 18,1 und 26/1 der Flur 1 der Gemarkung ... auf seine Voranfrage vom 14.07.2004/24.02.2005 zu erteilen, hilfsweise festzustellen, dass die Nichterteilung des beantragten immissionsschutzrechtlichen Vorbescheides bis zum 19.10.2005 rechtswidrig gewesen ist und der Beklagte bis zu diesem Zeitpunkt verpflichtet gewesen sei, den Vorbescheid zu erteilen.
Der Beklagte und die Beigeladene zu 1) beantragen,
die Klage abzuweisen.
Das Bauvorhaben sei bauplanungsrechtlich unzulässig; insbesondere stehe die inzwischen in Kraft getretene 11. Änderung des Flächennutzungsplans dem beantragten Vorhaben entgegen. Die Beigeladene zu 1) sieht darüber hinaus bauordnungsrechtliche Hindernisse als nicht überwindbar an.
Der Beigeladene zu 2), der im Rahmen des Verfahrens auf Erteilung eines immissionsschutzrechtlichen Vorbescheides unter dem 01.09.2005 gegenüber der Beigeladenen zu 1) eine denkmalfachliche Stellungnahme abgegeben hat, wonach die geplanten Windenergieanlagen aus denkmalfachlicher Sicht nicht genehmigungsfähig seien, stellt keinen Antrag.
Wegen des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsvorgänge des Beklagten (2 Bände Genehmigungsakten, den Vorentwurf der Konzeption zur Ausweisung von Konzentrationszonen für WEA, Stand: Januar 2004, das RROP 2003, 3 Bände Teillöschungsverfahren LSG - Wesertal sowie 2 Ordner Landschaftsrahmenplan) einschließlich der Unterlagen zur 11. Änderung des Flächennutzungsplanes der Beigeladenen zu 1) (5 Ordner) verwiesen. Sie waren Gegenstand der Entscheidungsfindung. Im Rahmen der mündlichen Verhandlung hat die Kammer die Örtlichkeit am 25.10.2005 in Augenschein genommen. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Niederschrift vom gleichen Tag Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig.
Der Übergang von einem Verpflichtungsantrag auf Erteilung eines Bauvorbescheides zu einem auf Erteilung eines immissionsschutzrechtlichen Vorbescheides nach § 9 BImSchG ist unter Berücksichtigung der Übergangsvorschrift des § 67 Abs. 9 S. 4 BimSchG als sachdienlich zuzulassen.
Die Klage ist mit dem zur Entscheidung gestellten Hauptantrag auch begründet.
In zulässiger Weise hat der Kläger die Erschließungsproblematik bei der Entscheidung des Beklagten über die Erteilung des begehrten immissionsschutzrechtlichen Vorbescheides für die Errichtung zweier Windenergieanlagen ausgeklammert. Die Beschränkung auf einzelne Punkte, die einer selbstständigen Beurteilung zugänglich sind, ist zulässig, weil der Bauherr bzw. Vorhabenträger mit seiner Voranfrage den Umfang der Prüfung bestimmt. Bezüglich des ausgeklammerten Teils entfaltet der immissionsschutzrechtliche Vorbescheid allerdings keine Bindungswirkung.
Die Klage ist begründet, weil der Kläger einen Anspruch auf Erteilung eines immissionsschutzrechtlichen Vorbescheides nach § 9 BImSchG hat. Hiernach kann durch Vorbescheid über einzelne Genehmigungsvoraussetzungen sowie über den Standort der Anlage entschieden werden, sofern die Auswirkungen der geplanten Anlage ausreichend beurteilt werden können und ein berechtigtes Interesse an der Erteilung eines Vorbescheides besteht. Da gemäß § 13 BlmSchG die immissionsschutzrechtliche Genehmigung die Baugenehmigung einschließt, ist die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit der Anlagen "einzelne Genehmigungsvoraussetzung" im Sinne des § 9 BlmSchG. Ein Vorbescheid kann daher auch über die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens erteilt werden. Diese ist hier nach § 35 BauGB zu beurteilen, weil das Vorhaben im Außenbereich errichtet werden soll.
1.
Das gemäß § 35 Abs. 1 Nr. 6 BauGB privilegierte Vorhaben des Klägers ist bauplanungsrechtlich zulässig.
1.1
Das fehlende Einvernehmen der Beigeladenen zu 1) steht der Erteilung eines immissionsschutzrechtlichen Vorbescheides nicht entgegen. Das Einvernehmen gilt selbst dann als erteilt, wenn man den übergeleiteten Antrag auf Erteilung einer Bebauungsgenehmigung außer Betracht lässt. Der Antrag des Klägers auf Erteilung eines Vorbescheides nach § 9 BlmSchG datiert vom 24.02.2005. Sieht man dieses Datum als maßgeblich für den Lauf der Zweimonatsfrist des § 36 Abs. 2 Satz 2 BauGB an, so trat die Fiktionswirkung mit Ablauf des 25.04.2005 (Mo.) ein. Tatsächlich hat der Rat der Beigeladenen zu 1) das Einvernehmen erst am 17.10.2005 versagt. Selbst wenn die Frist erst mit dem Anschreiben des Beklagten vom 13.04.2005 zu laufen begonnen hätte, wäre die Frist, die im Übrigen nicht verlängert werden darf, nicht eingehalten. Keineswegs kann der Ansicht des Beklagten gefolgt werden, wonach die Beigeladene zu 1) erstmals mit Schriftsatz vom 31.08.2005 um die Erteilung des Einvernehmens gebeten worden sei; denn schon (!) mit Schreiben vom 04.07.2005 mahnte der Beklagte die Beigeladene und setzte ihr für die endgültige bauordnungs- und bauplanungsrechtliche Stellungnahme eine Frist zum 15.07.2005. Vor diesem Hintergrund verwundert es schon, dass der Beklagte den Antrag des Klägers auf Erteilung eines immissionsschutzrechtlichen Vorbescheides - annähernd 8 Monate nach förmlicher Antragstellung - allein mit der Begründung abgelehnt hat, die Beigeladene zu 1) habe ihr Einvernehmen versagt. Dessen ungeachtet hat die Beigeladene zu 1) das Einvernehmen auch rechtswidrig versagt; dies folgt aus den sich anschließenden Erwägungen:
1.2
Öffentliche Belange i.S. von § 35 Abs. 3 BauGB stehen dem Vorhaben nicht entgegen.
1.2.1
Die Darstellung einer Sonderbaufläche für Windenergie an anderer Stelle im Flächennutzungsplan der Beigeladenen zu 1) steht dem Vorhaben des Klägers nicht entgegen, weil der Plan sich bei der hier gebotenen Inzidentprüfung als unwirksam erweist. Dabei ist von folgenden Grundsätzen auszugehen:
§ 35 Abs. 3 S. 3 BauGB stellt die Errichtung von Windkraftanlagen im gemeindlichen Außenbereich unter einen Planungsvorbehalt, der sich an die Gemeinden als Träger der Flächennutzungsplanung richtet. Der Planungsvorbehalt setzt gebietsbezogene Festlegungen des Plangebers über die Konzentration von Windkraftanlagen an bestimmten Standorten voraus, durch die zugleich ein Ausschluss der Anlagen an anderer Stelle im Plangebiet angestrebt und festgeschrieben wird. § 35 Abs. 3 S. 3 BauGB verleiht derartigen Festlegungen rechtliche Außenwirkung gegenüber dem Bauantragsteller mit der Folge, dass Vorhaben außerhalb der Konzentrationszonen in der Regel unzulässig sind. Die negative und die positive Komponente der festgelegten Konzentrationszonen bedingen einander. Der Ausschluss der Anlagen auf Teilen des Plangebiets lässt sich nach der Wertung des Gesetzgebers nur rechtfertigen, wenn der Plan sicherstellt, dass sich die betroffenen Vorhaben an anderer Stelle gegenüber konkurrierenden Nutzungen durchsetzen. Dem Plan muss daher ein schlüssiges gesamträumliches Planungskonzept zu Grunde liegen, das den allgemeinen Anforderungen des planungsrechtlichen Abwägungsgebots gerecht wird. Die Abwägung aller beachtlichen Belange muss sich auf die positiv festgelegten und die ausgeschlossenen Standorte erstrecken. Eine normative Gewichtungsvorgabe, nach der ein Planungsträger der Windenergienutzung i.S. einer speziellen Förderungspflicht bestmöglich Rechnung zu tragen habe, ist der gesetzlichen Regelung nicht zu entnehmen. Eine gezielte (rein negative) "Verhinderungsplanung" ist dem Plangeber jedoch verwehrt. Er muss die Entscheidung des Gesetzgebers, Windenergieanlagen im Außenbereich zu privilegieren, beachten und für die Windenergienutzung im Plangebiet in substanzieller Weise Raum schaffen (vgl. BVerwG, Urt. v. 13.03.2003 - 4 C 4/02 -, NVwZ 2003, 738 ff. m.w.N.).
1.2.1.1
Vor diesem Hintergrund ist die Ausweisung der Sonderbaufläche 1 im Flächennutzungsplan der Beigeladenen zu 1) nicht das Ergebnis sachgerechter Abwägung. Die dem Gericht vorgelegten Unterlagen belegen ein Abwägungsdefizit, weil die Beigeladene zu 1) sich bereits in einem frühen Zeitpunkt der Planung gegen die Eignungsfläche 7, in der der Kläger seine Windenergieenergieanlagen errichten will, und für die Eignungsfläche 1 entschieden hat, ohne dass ein Für und Wider der beiden Standorte gegeneinander abgewogen worden ist.
Dabei ist die Art und Weise der Ermittlung der Sonderbauflächen vom Ansatz her nicht zu beanstanden. Die Beigeladene zu 1) beauftragte Anfang 2004 das Landschaftsarchitekturbüro ... (im Folgenden: Planungsbüro L) mit der Ausarbeitung eines Entwurfs. Daraufhin sind in einem ersten Schritt anhand von Ausschluss- und Abstandskriterien alle Flächen ermittelt worden, die grundsätzlich für eine Standortauswahl in Frage kommen (sog. Eignungsflächen). Nach Fußnote 4 des Erläuterungsberichts sollen die Ausschlussgebiete, Abwägungserfordernisse und Abstandskriterien überwiegend mit den Empfehlungen des Erlasses des Nds. MI vom 11.07.1996, der am 26.01.2004 durch einen neuen Erlass abgelöst wurde, übereinstimmen. In Tabelle 1 des Erläuterungsberichts sind die Ausschlussgebiete und die Abstandskriterien aufgelistet. Zu den Ausschlussgebieten aufgrund naturschutzrechtlicher Vorgaben zählen z.B. Naturschutzgebiete; avifaunistisch wertvolle Bereiche sowie Landschaftsschutzgebiete können im Einzelfall als Sonderbauflächen ausgewiesen werden; sonstige Ausschlussgebiete sind z.B. kulturelle Sachgüter gemäß RROP-Darstellung. Nach den zu Grunde gelegten Abstandskriterien ist z.B. zu Naturschutzgebieten ein Abstand von 200 m einzuhalten. Die vom Planungsbüro L ermittelten insgesamt 13 Eignungsflächen sind anschließend einer städtebaulichen Bewertung unterzogen worden. Auf Grund dessen schlug das Planungsbüro L in seinem Entwurf aus Januar 2004 vor, die Eignungsfläche 7 als Konzentrationszone im Flächenutzungsplan auszuweisen. Diese Fläche sei von der Größe her ausreichend, liege außerhalb von Landschaftsschutzgebieten und außerhalb von Bereichen, die für Rastvögel eine besondere Bedeutung hätten, Beeinträchtigungen des Verkehrslandeplatzes Rinteln seien nicht zu befürchten, die erforderlichen Abstände von 500 m zu Wohngebieten und 300 m zu Einzelhäusern würden eingehalten. Zudem liege diese Fläche in einem Bereich mit landschaftlichen Vorbelastungen wie dem Gewerbegebiet... (Betonwerk), der Freileitung und der Bahnlinie; auch die Bezirksregierung Hannover habe in ihrer Stellungnahme vom 17.12.2003 diese Einschätzung bestätigt. Dabei seien auch Belange des Denkmalschutzes gewahrt, weil der Bereich innerhalb eines Umkreises von 2000 m um die Burg Schaumburg herum als Ausschlussgebiet behandelt worden sei. Unter Berücksichtigung des Abstandes zum Naturschutzgebiet "Aher Kämpe" und des Hochwasserabflusses betrage die verbleibende Größe der Eignungsfläche 7 etwa 28 ha. Demgegenüber komme der Eignungsfläche 1 eine hohe Bedeutung für den Rastvogelschutz zu; zudem weise sie eine vergleichsweise ungünstige Anbindung an das vorhandene Wegenetz auf und liege vollständig innerhalb des gesetzlichen Überschwemmungsgebietes der Weser.
Dieser Entwurf des Planungsbüros L ist anschließend am 29.01.2004 im Rahmen einer gemeinsamen Informationsveranstaltung des Verwaltungsausschusses und des Ausschusses für Bau- und Stadtentwicklung der Beigeladenen zu 1) vorgestellt und erörtert worden. Ausweislich der Niederschrift dieser Informationsveranstaltung schlug der Bürgermeister der Beigeladenen zu 1) unter anderem vor, um die im Entwurf des RROP des Beklagten festgelegte (äußere) Grenze der kulturellen Sachgüter (Burg Schaumburg, Paschenburg, Domäne Koverden) wegen ihrer besonderen Bedeutung für das Stadt- und Landschaftsbild eine (zusätzliche) Schutzzone von 1500 m zu ziehen, um der in der Begründung des RROP formulierten Zielsetzung Rechnung zu tragen, die kulturellen Sachgüter von Verbauung freizuhalten. Unter Anlegung dieses Maßstabes müssten bis auf die Standorte 1,10, 11 und 12 alle anderen Eignungsflächen ausgeschlossen werden.
Der Kläger weist zutreffend darauf hin, dass die Beigeladene sich bereits in diesem frühen Stadium der Planung (politisch) auf eine Ausweisung der Eignungsfläche 1 als (einzige) Sonderbaufläche für Windenergieanlagen festgelegt hat. Das Schreiben des Planungsbüros L vom 04.02.2004 an die Beigeladene zu 1) verdeutlicht dies. Im ersten Absatz dieses Schreibens heißt es wörtlich: "Ich hoffe, dass Sie mit unserer Präsentation am 29.01. zufrieden waren, auch wenn die Fraktionen - wie bereits in den Vorgesprächen deutlich geworden ist - unseren Empfehlungen zur Flächenauswahl nicht gefolgt sind. Selbstverständlich respektiere ich in vollem Umfang diese politische Entscheidung und wir werden mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln daran arbeiten, diese Entscheidung zu unterstützen und ihr zu einem erfolgreichen Weg durch das Flächennutzungsplanänderungsverfahren zu verhelfen".
Nachfolgend weist das Planungsbüro L ausdrücklich auf die Verfahrensrisiken hin und führt u.a. Folgendes aus: Die von den Ausschüssen am 29.01. ausgewählten 4 Flächen lägen ausschließlich innerhalb von Landschaftsschutzgebieten; die Größe der Eignungsflächen 10, 11 und 12 mit insgesamt 11,6 ha sei relativ klein; zudem würden die Belange des Vogelschutzes bei der Fläche 1 - gemessen an den Vorgaben des Erlasses des Nds. MI vom 11.07.1996-sehr gering gewichtet.
Der Verwaltungsausschuss der Beigeladenen zu 1) fasste in seiner Sitzung am 26.02.2004 (gleichwohl) den Beschluss, die im Entwurf des Planungsbüros L dargestellte Eignungsfläche 1 als Sonderbaufläche Windenergie im Flächennutzungsplan darzustellen. Die politischen Gremien der Beigeladenen zu 1) haben sich damit schon Anfang des Jahres 2004 gegen eine Ausweisung der Eignungsfläche 7 und für eine Ausweisung der Eignungsfläche 1 entschieden. Die allein vom politische Willen getragene Entscheidung der Beigeladenen zu 1), entgegen der Empfehlung des Planungsbüros L um die äußere Grenze der im RROP des Beklagten dargestellten Schutzzone um die Burg Schaumburg herum eine weitere Schutzzone von 1500 m zu ziehen, ist fachlich nicht begründbar. Die Kammer folgt insoweit den Ausführungen des Planungsbüros L im Schreiben vom 27.01.2004 an die Beigeladene, wo Folgendes ausgeführt wird: "Der als Mindestabstand zur Schaumburg berücksichtigte Radius von 2,0 km orientiert sich zum einen an der topografischen Situation im Stadtgebiet und zum anderen an der vorherrschenden Fachmeinung bezüglich der Wahrnehmung von Beeinträchtigungen im Landschaftsbild. Mit dem 2-km-Radius ist gewährleistet, dass die Hangbereiche des Wesergebirges unterhalb der Schaumburg sowie die Ortsränder der nächstgelegenen Ortschaften (v. a....,...) zum Schutz des Landschaftsbildes von WEA freigehalten werden. Hierdurch wird weiterhin erreicht, dass der Blick von der B 83 und von der Bahnlinie Hameln-Rinteln auf die Schaumburg nicht verstellt wird. Der 2-km-Radius erreicht exakt die Randbereiche des Gewerbegebietes.... Dieses großflächige Gewerbegebiet wurde nicht in den Radius einbezogen, da es aufgrund der zum Teil auffälligen Baukörper eine Vorbelastung des Landschaftsbildes darstellt (siehe auch LP Rinteln, LRP Schaumburg) und ein besonderer Schutzanspruch des Landschaftsbildes für diesen Bereich daher nicht zu rechtfertigen gewesen wäre. Die vorherrschende landschaftsplanerische Fachmeinung bezüglich der Auswirkungen von Beeinträchtigungen (und insbesondere von WEA) auf das Landschaftsbild besagt, dass die Erheblichkeit der Beeinträchtigungen des Landschaftsbildes ab einer Entfernung von ca. 1500 m deutlich geringer wahrgenommen werden.... Für das vorliegende Gutachten (Zwischenbericht, Januar 2004) wurde dieser aus der Fachdiskussion abgeleitete Wert von 1500 m in Abstimmung mit der Stadt Rinteln auf 2000 m erhöht, insbesondere, um den topografischen Verhältnissen sowie der besonderen Bedeutung und der exponierten Lage der Schaumburg Rechnung zu tragen".
Über diese nachvollziehbar begründete fachliche Stellungnahme des Planungsbüros L hat sich die Beigeladene ebenso hinweggesetzt wie über die Stellungnahme der Bezirksregierung Hannover vom 17.02.2003, wonach aufgrund der Vorbelastung und der erst in einiger Entfernung gelegenen touristischen Einrichtungen bzw. denkmalgeschützten Objekte der Standort (nördlich der klägerischen Standorte, innerhalb der Eignungsfläche 7, Anm. durch das Gericht) für die Errichtung einer Windkraftanlage grundsätzlich geeignet sei.
Die Begründung der Beigeladenen zu 1), mit der Festlegung dieser zusätzlichen Schutzzone von 1500 m solle die im RROP des Beklagten formulierte Zielsetzung konkretisiert werden, vermag nicht zu überzeugen. Der Schutz der kulturellen Sachgüter wird im RROP des Beklagten unter D 2.6 als Ziel der Raumordnung benannt. Die Beteiligten gehen auch übereinstimmend davon aus, dass es sich hierbei tatsächlich um ein Ziel der Raumordnung handelt. Durch ihren Verbindlichkeitsanspruch heben sich Ziele der Raumordnung nach § 3 Nr. 2 ROG deutlich von den Grundsätzen der Raumordnung ab, die nach § 3 Nr. 3 ROG als Vorgaben für nachfolgende Abwägungs- oder Ermessensentscheidungen dienen; demgegenüber sind Ziele keiner weiteren Abwägung durch nachgeordnete Planungsträger zugänglich (vgl. BVerwG, Beschl. v. 17.06.2004-4 BN 5.04 -BauR 2005, 434). Es kann hier dahinstehen, ob Ziff. D. 2.6 des RROP nur so zu verstehen ist, dass die Beigeladene zu 1) als nachfolgender Planungsträger bei ihrer Bauleitplanung gehindert ist, den Schutzbereich des RROP weiter einzuschränken, oder ob es der Beigeladenen zu 1) zusätzlich verwehrt ist, diesen Schutzbereich weiter auszudehnen. Selbst wenn die Beigeladene zu letzterem ermächtigt wäre, bedurfte die im RROP formulierte Zielsetzung jedenfalls keiner weiteren Konkretisierung. Nach der Begründung des RROP ist "die Burg Schaumburg der namensgebende und in besonderer Weise identitätsstiftende Ort für die Region. Sie bildet mit der Paschenburg, der Domäne Koverden und der Ortschaft Schaumburg eine gewachsene Kulturlandschaft. Zusammen mit den geowissenschaftlich bedeutsamen, bis 25 m hohen Kalksteinklippen im Kammbereich des Wesergebirges besteht ein kulturelles und landschaftliches Gesamtensemble, das insbesondere vor Verbauungen der weitreichenden Sichtbeziehungen und vor Zersiedelungen zu schützen ist (vgl. Bl. 201 RROP). Wenn im RROP anschließend eine Anbauverbotszone um die Schaumburg herum zeichnerisch dargestellt wird, ist die Zielsetzung "Schutz vor Verbauungen der weitreichenden Sichtbeziehungen und vor Zersiedelungen" durch den Träger der Regionalplanung hinreichend konkretisiert worden. Der Einwand der Beigeladenen zu 1), das RROP habe dabei Windenergieanlagen nicht im Blick gehabt, geht fehl. Denn das RROP des Beklagten befasst sich mit der Windenergienutzung ausdrücklich (vgl. E 3.5.05 RROP). In Tabelle 3.5/1 auf Blatt 256 des RROP sind darüber hinaus sog. Tabubereiche, Restriktionsbereiche und Suchbereiche für die Windenergienutzung dargestellt.
Mit der Beschlussfassung ihres Verwaltungsausschusses vom 26.02.2004 stand für die Beigeladene zu 1) fest, die Eignungsfläche 1 als Sonderbaufläche WEA auszuweisen. Die Eignungsfläche 7 war seit diesem Zeitpunkt aus dem Spiel. Daran ändert auch nichts, dass auf Seite 28 des Erläuterungsberichts ansatzweise dargestellt wird, welche Vorteile die Eignungsfläche 1 gegenüber den anderen Eignungsflächen aufweise. Allein eine im Erläuterungsbericht aufgestellte Behauptung, die Vor- und Nachteile der jeweiligen Eignungsflächen seien gegeneinander abgewogen worden, ersetzt eine tatsächlich stattgefundene Abwägung nicht. Die Aufstellungsvorgänge der Beigeladenen zu 1) enthalten keinen einzigen tragfähigen Anhaltspunkt dafür, dass die Eignungsfläche 7 nach Beschlussfassung des Verwaltungsausschusses im Februar 2004 noch ernsthaft als Sonderbaufläche erwogen worden ist.
1.2.1.2
Die Auswahlentscheidung der Beigeladenen zu 1) zu Gunsten der Eignungsfläche 1 stellt sich - selbstständig tragend - aus einem weiteren Grunde als abwägungsdefizitär dar. Auch insoweit gilt, dass für die Beigeladene zu 1) mit der Beschlussfassung ihres Verwaltungsausschusses vom 26.02.2004 bereits feststand, die Eignungsfläche 1 als Sonderbaufläche WEA auszuweisen, obwohl diese Fläche zum damaligen Zeitpunkt noch im Landschaftsschutzgebiet LSG - Wesertal lag und obwohl bereits damals bekannt war, dass der Eignungsfläche 1 avifaunistisch unstreitig eine hohe, nämlich nationale und landesweite Bedeutung als Rastvogellebensraum zukommt und die Fläche damit materiell dem Tabubereich I des Landschaftsrahmenplanes des Beklagten unterfällt, der in Tabelle 3.5/1 des RROP wiedergegeben worden ist. Hierauf hat unter anderem die untere Naturschutzbehörde des Beklagten in ihrer Stellungnahme vom 04.10.2005 ausdrücklich hingewiesen. Der in der mündlichen Verhandlung anwesende Vertreter des Planungsbüros L hat bestätigt, dass die Eignungsfläche 1 materiell nach den dort genannten Kriterien in den Tabubereich I eingestuft werden müsste. Bei Beachtung der Vorgaben des RROP hätte damit die Eignungsfläche 1 schon nicht in die nähere Auswahl genommen werden dürfen. Die Versuche der Beigeladenen zu 1) und des Beklagten, mit Hilfe des Teillöschungsverfahrens die Eignungsfläche 1 aus dem Landschaftsschutz zu entlassen und mit Hilfe des Grünordnungsplans Ausgleichsmöglichkeiten für die Beeinträchtigung der Brut- und Rastvögelvorkommen darzustellen, waren deshalb von vornherein zum Scheitern verurteilt. Dass der Landschaftsrahmenplan des Beklagten hinsichtlich der hohen Bedeutung für die Avifauna noch nicht fortgeschrieben worden ist und der Bereich der Eignungsfläche 1 derzeit zeichnerisch noch als Tabuzone II dargestellt wird, ist rechtlich ohne Belang; faktisch gehört die Eignungsfläche 1 zum Tabubereich I.
Bereits die vorstehenden Ausführung machen deutlich, dass die Beigeladene zu 1) tatsächlich keine sachgerechte Abwägung getroffen, sondern ihren Blick frühzeitig auf die Eignungsfläche 1 verengt hat. Die Ausweisung der Eignungsfläche 1 als Sonderbaufläche stellt sich zusätzlich als typische Feigenblattplanung dar, mit der die Errichtung von Windenergieanlagen im Stadtgebiet der Beigeladenen zu 1) verhindert werden soll. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist es einer Gemeinde verwehrt, den Flächennutzungsplan als Mittel zu benutzen, das ihr dazu dient, unter dem Deckmantel der Steuerung Windkraftanlagen in Wahrheit zu verhindern. Mit einer bloßen Feigenblattplanung, die auf eine verkappte Verhinderungsplanung hinausläuft, darf sie es nicht bewenden lassen (vgl. hierzu: BVerwG, Urt. v. 17.12.2002 - 4 C 15/01 -, NVwZ 2003, 733 ff).
Die Beigeladene zu 1) hat die Eignungsfläche 1 als Sonderbaufläche ausgewiesen, obwohl ihr klar sein müsste, dass Windenergieanlagen dort niemals realisiert werden können. Die machen exemplarisch die folgenden Gesichtspunkte deutlich:
a)
Die Beigeladene zu 1) stellt die Eignungsfläche 1 als Sonderbaufläche dar, obwohl diese zum Naturschutzgebiet "Eisberger Werder" auf nordrhein-westfälischer Seite, das avifaunistisch ebenfalls von hoher Bedeutung ist, lediglich einen Abstand von 200 m einhält. Sowohl die untere Naturschutzbehörde des Beklagten als auch die benachbarte Stadt Porta Westfalica haben hierauf vehement hingewiesen. Die Beigeladene zu 1) hat den in den Empfehlungen des Erlasses des Nds. Mi vom 11.07.1996 aufgeführten Mindestabstand von 200 m zu Naturschutzgebieten gewählt, obwohl noch der Entwurf des Planungsbüros L Stand Januar 2004 auf Seite 9 ausgeführt hat, dass zu Naturschutzgebieten mindestens 200m, im Einzelfall bis 500 m (Hervorhebung durch das Gericht) Abstand gehalten werden solle. Im Erläuterungsbericht auf S. 9 findet sich der Zusatz "im Einzelfall bis zum 500 m" dann nicht mehr, obwohl die Empfehlungen des Nds. Landkreistages - NLT - (Stand: Mai 2005) sogar Abstände von 1000 m zu Naturschutzgebieten vorsehen. Auf den Inhalt dieser Empfehlungen hat unter anderem die untere Naturschutzbehörde des Beklagten in ihrer Stellungnahme vom 04.10.2005 ausdrücklich hingewiesen. Gleichwohl werden im Erläuterungsbericht ausschließlich der Windenergie-Erlass des Nds. Ministeriums für den ländlichen Raum, Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz vom 26.01.2004 und der Erlass des Nds. Mi vom 11.07.1996 erwähnt (vgl. S. 5 des Erläuterungsberichts sowie Fußnote 4 auf S. 8 des Erläuterungsberichts). Auf Seite 8 unten des Abwägungsberichts wird dazu ausgeführt, dass die Hinweise des NLT nach einem längeren Bearbeitungszeitraum, in dem sie immer wieder Veränderungen erfahren hätten, im Mai 2005 veröffentlicht worden seien; zu diesem Zeitpunk seien die Belange von Natur und Landschaft sowohl für das Verfahren zur LSG-Teilaufhebung als auch für das Verfahren zur Flächennutzungsplanänderung ermittelt und weitestgehend bereits aufgearbeitet worden.
Auch dies lässt nur den Schluss zu, dass die Beigeladene zu 1) sich bereits Anfang 2004 auf die Ausweisung der Eignungsfläche 1 festgelegt hatte und in der Folge nicht mehr bereit war, gewichtige Belange des Naturschutzes sachgerecht in eine Abwägung einzustellen. Jedenfalls ist an keiner Stelle dokumentiert, warum die Beigeladene zu 1) sich mit dem Mindestabstand von 200 m zufrieden gegeben und nicht einen Abstand gewählt hat, der zwischen 200 m und 1000 m liegt. Der Vertreter des Planungsbüros L hat hierzu in der mündlichen Verhandlung erklärt, dass zur Frage der 200 m-Grenze eine Abwägung nicht mehr stattgefunden habe. Der Einwand des Vertreters der Beigeladenen zu 1), der dem widersprochen und behauptet hat, die Gedanken seien nur nicht dokumentiert worden, überzeugt nicht; an die Dokumentation könnten allenfalls dann geringere Anforderungen gestellt werden, wenn die Beigeladene zu 1) sich hinsichtlich des Abstandes zum Naturschutzgebiet "Eisberger Werder" für einen Zwischenwert entschieden hätte. Hält sie hingegen den Mindestabstand für ausreichend, obwohl die Empfehlungen des NLT, die gerade für die Regional- und Bauleitplanung erarbeitet worden sind, sehr viel größere Abstände vorsehen, bedarf diese Entscheidung einer nachvollziehbaren, einzelfallbezogenen Begründung. Die Behauptung auf S. 9 des Abwägungsberichts, die Hinweise des NLT seien nur zum Teil berücksichtigt worden, weil eine uneingeschränkte Ausrichtung der Abwägung an diesen Empfehlungen zu keinen sachgerechten Ergebnissen geführt hätte und somit nicht möglich war, reicht nicht aus.
b)
Auch die Größe der ausgewiesenen Sonderbaufläche und deren Erschließung lassen Zweifel aufkommen, ob die Beigeladene mit der Ausweisung einer einzigen Sonderbaufläche der Windenergie tatsächlich substanziell Raum schaffen wollte. Die 29,5 ha große Sonderbaufläche macht lediglich 3 Promille des gesamten, 10.900 ha großen Gemeindegebietes aus. Zwar ist eine im Vergleich zur Gesamtgröße kleine Konzentrationsfläche allein kein ausreichender Indikator für eine missbilligenswerte Verhinderungstendenz, wenn sich nur ein geringer Teil des Gemeindegebiets für eine Windenergienutzung eignet; vielmehr ist hierbei eine qualitative und nicht eine rein quantitative Betrachtungsweise angezeigt (vgl. Nds. OVG, Urt. v. 08.11.2005-1 LB 133/04-, V.n.b.). Hier kommt jedoch hinzu, dass die Eignungsfläche 1 wegemäßig verhältnismäßig ungünstig angebunden ist und die Einspeisungsmöglichkeiten dort lediglich 4 MW betragen. Von den heute üblichen Windenergieanlagen der 2-MW-Klasse (z.B. die ENERCON E-70) könnten danach lediglich 2 Anlagen errichtet werden.
c)
Zudem liegt die Eignungsfläche 1 insgesamt im gesetzlich festgelegten Überschwemmungsgebiet. Die untere Wasserbehörde des Beklagten hat in ihrer hausinternen Stellungnahme vom 05.07.2005 dargelegt, die Sonderbaufläche liege in einem aus Sicht der Wasserwirtschaft denkbar ungünstigen Bereich und eine Genehmigung von Windkraftanlagen in diesem Bereich sei nur denkbar, wenn es sich um wenige Anlagen (1 - 3) handele. Für Windfarmen werde die Genehmigungsfähigkeit in diesem Bereich als äußerst gering eingeschätzt; der Verlust von verloren gegangenem Retentionsraum sei in diesem Bereich (flache Ebene) kaum auszugleichen; Windkraftanlagen beeinflussten in gleicher Weise wie Pfeiler von Brückenwerken den Hochwasserabfluss nachteilig; daher könne eine endgültige Einschätzung über die Genehmigungsfähigkeit derzeit noch nicht gegeben werden. Wenn auf S. 12 des Abwägungsberichts hierzu lediglich ausgeführt wird, die Hinweise zur wasserrechtlichen Beurteilung der geplanten Sonderbaufläche für WEA würden zur Kenntnis genommen und auf S. 40 des Abwägungsberichts auf die Anregungen des NABU hin behauptet wird, die zuständigen Wasserbehörden hätten keine grundsätzlichen Bedenken gegenüber der Ausweisung der Sonderbaufläche geltend gemacht, kann dies nur als Feigenblattplanung bezeichnet werden; denn die Beigeladene zu 1) verlagert die Frage, ob in dem Bereich der Sonderbaufläche jemals Windenergieanlagen in ausreichender Zahl und unter wirtschaftlich tragbaren Bedingungen errichtet werden könnten, unzulässigerweise in ein späteres Genehmigungsverfahren.
d)
Dies gilt im Übrigen auch hinsichtlich der Problematik des Fledermauszuges. Da die Sonderbaufläche in einer Breite von ca. 1100 m quer zum Flussverlauf der Weser verläuft, ist sowohl nach Ansicht des Nds. Landesbetriebes für Wasser-, Küsten- und Naturschutz - NLWKN - als auch nach Ansicht des Planungsbüros L nicht auszuschließen, dass die Sonderbaufläche neben der Bedeutung für Brut- und Rastvögel zudem eine Bedeutung für Fledermäuse hat. Die Behauptung des in der mündlichen Verhandlung anwesenden Vertreters des Planungsbüros L, die Fledermausproblematik könne im nachfolgenden Genehmigungsverfahren bewältigt werden, ist vor diesem Hintergrund nicht nachvollziehbar. Denn wenn sich das Sonderbaugebiet als Leitkorridor des Fledermauszuges darstellen sollte, kann angesichts des Zuschnitts der Sonderbaufläche realistischerweise dort keine Windfarm errichtet werden. Die untere Naturschutzbehörde des Beklagten weist insoweit zu Recht auf die Notwendigkeit hin, diese Fragen bereits auf Flächennutzungsplanebene zu untersuchen.
e)
Gleiches gilt im Übrigen hinsichtlich der Problematik des Denkmalschutzes bezogen auf die auf nordrhein-westfälischem Gebiet stehende Windmühle Veitheim, zu der lediglich ein Abstand von 400 m eingehalten wird. Wenn die Beigeladene zu 1) hinsichtlich der in ihrem Stadtgebiet stehenden Denkmäler bereits im Flächennutzungsplanverfahren eine Genehmigungsfähigkeit prüft, darf sie dies hinsichtlich eines Denkmals auf nordrhein-westfälischem Gebiet nicht in das nachfolgende Genehmigungsverfahren verschieben.
1.2.2
Durch die geplante Errichtung der beiden Windenergieanlagen auf den Flurstücken 13/1, 18,1 und 26/1 der Flur 1 der Gemarkung ... kommt es nicht zu einer Verunstaltung des Landschaftsbildes.
Eine Verunstaltung i.S. von § 35 Abs. 3 S. 1 Nr. 5 BauGB setzt voraus, dass das Vorhaben dem Orts- oder Landschaftsbild in ästhetischer Hinsicht grob unangemessen ist und auch von einem für ästhetische Eindrücke offenen Betrachter als belastend empfunden wird. Ob die Schwelle zur Verunstaltung überschritten ist, hängt von den konkreten Umständen der jeweiligen Situation ab. Allerdings wird eine Verunstaltung des Landschaftsbildes nur in Ausnahmefällen anzunehmen sein, nämlich wenn es sich um eine wegen ihrer Schönheit und Funktion besonders schutzwürdige Umgebung oder um einen besonders groben Eingriff in das Landschaftsbild handelt (vgl. BVerwG, Beschl. v. 18.03.2003 -4 B 7.03 -, BauR 2004, 295; BW-VGH, Urt. v. 20.05.2003 - 5 S 1181/02 -, ZfBR 2003, 696 = DÖV 2003, 822 = BRS 66 Nr. 104; OVG Münster, Urt. v. 18.11.2004 -7 A 3329/01 -, BauR 2005, 836 [OVG Nordrhein-Westfalen 18.11.2004 - 7 A 3329/01] = NuR 2005, 192, jew. mit weiteren Nachweisen).
Unter Berücksichtigung der im Rahmen der mündlichen Verhandlung durchgeführten Augenscheinseinnahme vor Ort hat die Kammer festgestellt, dass die unmittelbare Umgebung keinesfalls als ästhetisch wertvoll und einzigartig angesehen werden kann; denn die unmittelbare Umgebung um den geplanten Standort herum ist durch technische Landschaftselemente erheblich vorbelastet, nämlich durch eine große Hochspannungsleitung im Süden, die Bundesbahntrasse Hameln-Rinteln sowie die parallel hierzu verlaufende und viel befahrene Bundesstraße B 83 im Norden sowie das nordöstlich gelegene Betonwerk Deckbergen, das aus allen Himmelsrichtungen mit seinen hohen gelben Türmen gut sichtbar ist. Gerade dieser Teil des Wesertals stellt sich als Landschaft dar, die durch technische Anlagen geprägt und verfremdet worden ist. In diesem Zusammenhang ist zusätzlich zu berücksichtigen, dass die Beigeladene zu 1) in ihrem Flächennutzungsplan Erweiterungsflächen des Gewerbegebiets ... dargestellt hat und darüber hinaus beabsichtigt, die geplante Ortsumgehung ... in unmittelbarer Nähe des klägerischen Standorts verlaufen zu lassen. Die Tatsache, dass in dem Gewerbegebiet... derzeit noch zahlreiche Gewerbeflächen frei sind, ändert an dieser Beurteilung nichts. Jedenfalls ist es erklärter planerischer Wille der Beigeladenen zu 1), dort Gewerbe anzusiedeln, das typischerweise aufgrund seiner Bauweise und der damit einhergehenden Werbeanlagen weithin sichtbar sein wird; nicht zuletzt bewirbt die Beigeladenen zu 1) diese Gewerbeflächen auf ihrer Internetseite. Schließlich hat der Blick von der Schaumburg herab deutlich gemacht, dass das östliche Wesertal schon jetzt nicht frei von Windenergieanlagen ist, weil im Bereich des benachbarten Landkreises Hameln-Pyrmont Windenergieanlagen auf dem Gebiet der Stadt Hessisch-Oldendorf bereits errichtet worden sind und weitere folgen sollen. Vor diesem Hintergrund stehen auch die natürliche Eigenart der Landschaft und ihr Erholungswert dem Vorhaben des Klägers nicht entgegen. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass Windenergieanlagen vom Gesetzgeber "nun einmal" baurechtlich privilegiert worden sind und schon von ihrer Höhe und Betriebsweise her einem Landschaftsbild weit eher Nachteile eintragen können als sonstige Außenbereichsvorhaben. Damit nun nicht fast jede Windenergieanlage wegen Eingriffs in die Ausgewogenheit vorhandener Landschaftsstrukturen scheitert, ist daher bei der Annahme einer Verunstaltungswirkung eine gewisse Zurückhaltung geboten (Nds. OVG, Urt. v. 08.11.2005, a.a.O.).
1.2.3
Belange des Denkmalschutzes stehen dem klägerischen Vorhaben ebenfalls nicht entgegen. Nach der durchgeführte Ortsbesichtigung vermag die Kammer die denkmalfachliche Stellungnahme des Beigeladenen zu 2), die dieser im Rahmen des Vorbescheidesverfahrens unter dem 1.09.2005 gegenüber der Beigeladenen zu 1) abgegeben und die der Vertreter des Beigeladenen zu 2) im Rahmen der Ortsbesichtigung wiederholt hat, nicht zu teilen. Nach Auffassung der Kammer berücksichtigt die denkmalfachliche Stellungnahme des Beigeladenen zu 2) nicht hinreichend, dass die unmittelbare Umgebung des klägerischen Standorts schon jetzt durch technische Anlagen vorbelastet ist, die in direkter Sichtachse zwischen dem Standort der Windenergieanlagen und den im RROP des Beklagten dargestellten Bereich der "kulturellen Sachgüter" liegen; darüber hinaus sollen nach dem planerischen Willen der Beigeladenen zu 1) dort weitere Gewerbebetriebe angesiedelt werden. Zudem ist die Burg Schaumburg immerhin etwa 3 km entfernt und umgeben von Wald, sodass sie für die Mitglieder der Kammer schon vom Standort der Windenergieanlagen aus kaum wahrzunehmen war. Wie oben unter 1.2.1.1 bereits dargelegt, besteht aus Sicht der Kammer deshalb kein Anlass, die im RROP des Beklagten festgesetzte Anbauverbotszone um die "kulturellen Sachgüter" herum weiter auszudehnen. Hiervon ist im Übrigen auch die Bezirksregierung Hannover in ihrer Stellungnahme vom 17.12.2003 zutreffend ausgegangen; in Verbindung mit den ersten Ausarbeitungen des Planungsbüros L kann die Stellungnahme der Bezirksregierung Hannover nur dahingehend verstanden werden, dass in dem hier fraglichen Bereich Windenergieanlagen errichtet werden können, sofern ihre Höhe 100 m nicht übersteigt.
1.2.4
Schließlich steht das Erfordernis einer förmlichen Planung dem Vorhaben des Klägers als öffentlicher Belang nicht entgegen, weil bei Verwirklichung der vom Kläger geplanten 2 Einzelanlagen keine Konfliktlage mit so hoher Intensität für die berührten öffentlichen und privaten Belange entsteht, die die in § 35 BauGB vorausgesetzte Entscheidungsfähigkeit des Zulassungsverfahrens übersteigen würde. Folglich greift vorliegend die gesetzgeberische Prämisse, dass jedenfalls im Grundsatz bei Anlagen nach § 35 Abs. 1 Nr. 2 bis 6 BauGB das den Gemeinden zur Verfügung gestellte Entscheidungsprogramm die Zulässigkeit von derartigen Anlagen ausreichend zu steuern vermag. Ein atypischer Sonderfall, den das Verwaltungsgericht Oldenburg bei 42 geplanten Windenergieanlagen in einer Windfarm mit Anlagenhöhen von mehr als 100 m angenommen hat (vgl. Urt. v. 15.09.2005 - 4 A 5270/03 -, V.n.b.), liegt hier ersichtlich nicht vor. Auch im Falle der Unwirksamkeit eines Flächennutzungsplans - wie hier - hat der Gesetzgeber im Grundsatz ein Lösungsmodell bereitgestellt, um im Einzelfall prüfen zu können, ob eine Windenergieanlage mit öffentlichen Belangen, beispielsweise des Naturschutzes öder des Immissionsschutzes, vereinbar ist oder nicht (BVerwG, Urt. v. 21.10.2004 - 4 C 2/04 -, NVwZ 2005, 211 f).
2.
Hinsichtlich der von der Beigeladenen zu 1) angesprochenen bauordnungsrechtlichen Bedenken teilt die Kammer die im Schriftsatz des Prozessbevollmächtigen des Klägers vom 11.10.2005 ausführlich dargelegte Rechtsauffassung, zumal der Beklagte diese Rechtsauffassung teilt, wie sich aus seinem Schriftsatz vom 13.10.2005 ergibt. Die Kammer sieht insoweit von weiteren Ausführungen ab.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1 und 3 VwGO. Die Beigeladene zu 1) hat einen Antrag gestellt und auf Seiten des Beklagten gekämpft. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGo-in Verbindung mit §§ 708 Nr. 11, 711 Satz 1 ZPO. Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen zu 2) hat die Kammer nicht für erstattungsfähig erklärt, weil dieser einen Antrag nicht gestellt und sich damit einem eigenen Kostenrisiko nicht ausgesetzt hat (§§ 162 Abs. 3, 154 Abs. 3 VwGO).
Streitwertbeschluss:
Der Wert des Streitgegenstands wird gemäß § 52 Abs. 1 GKG auf 49.800,- EUR festgesetzt.
Die Baukammern des Verwaltungsgerichts Hannover orientieren sich bei Klagen auf Genehmigung von Windenergieanlagen an Ziff. 9.1.8 des Streitwertkatalogs 2004 des Bundesverwaltungsgerichts und setzen - unabhängig von der Investitionssumme - einen festen Prozentsatz, nämlich 10% der sich aus dem Bauantrag ergebenden Herstellungskosten als Streitwert fest.
Der Kläger hat in seinem Antrag auf Erteilung eines immissionsschutzrechtlichen Vorbescheides vom 24.02.2005 die Herstellungskosten für die hier im Streit befindliche Windenergieanlage des Typs ENERCON E-40/6.44 mit rd. 249.000,- EUR incl. MwSt. je Anlage angegeben. Die Kammer sieht keinen Anlass, von diesem Wert abzuweichen.
Schulz-Wenzel
Gonschior