Verwaltungsgericht Oldenburg
Urt. v. 29.04.2010, Az.: 12 A 530/07
ermittelte Fläche; Erzeugerprämie; Fläche; Flächenprämie; Getreidedurchschnittsertrag; GPS-Vermessung; landwirtschaftliche Parzelle; Messergebnis; Messgenauigkeit; Messmethode; Messverfahren; Parzelle; Toleranzmarge
Bibliographie
- Gericht
- VG Oldenburg
- Datum
- 29.04.2010
- Aktenzeichen
- 12 A 530/07
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2010, 47966
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 10 MOG
- Art 2 EGV 1251/99
- Art 9 Abs 2 EWGV 3887/92
- Art 6 Abs 7 EWGV 3887/92
- Art 6 Abs 1 EWGV 3887/92
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
Zur Berücksichtigung der Toleranzmarge bei Messungen von Flächen.
Tatbestand:
Der Kläger wendet sich gegen die Rücknahme der Bewilligung von Ausgleichszahlungen für den Anbau landwirtschaftlicher Kulturpflanzen und die Rückforderung der ausgezahlten Beträge.
Er ist Landwirt. Auf seine jeweiligen Anträge hin wurden dem Kläger mit Bewilligungsbescheiden von 1993 (ohne Datum) sowie vom 18. November 1994, 30. November 1995, 21. November 1996, 19. November 1997, 30. November 1998, 30. November 1999, 30. November 2000, 28. Februar 2002 und 29. November 2002 Ausgleichszahlungen für den Anbau landwirtschaftlicher Kulturpflanzen gewährt.
Bei einer Vor-Ort-Kontrolle am 28. August 2003 wurden etliche der Antragsflächen des Klägers überprüft und die tatsächlich bewirtschafteten (Acker-)Flächen mittels GPS-Verfahren vermessen. Dabei wurden Differenzen zwischen der in den Anträgen von 1993 bis 2002 angegebenen und dem tatsächlich festgestellten Umfang der Bewirtschaftung auf den Flächen ermittelt. Das Ergebnis ist im Prüfbericht vom 28. August 2003 nebst Anlagen, der vom Kläger unterschrieben ist, festgehalten.
Mit Bescheid vom 24. Oktober 2003 hob das Amt für Agrarstruktur Oldenburg die genannten Bewilligungsbescheide teilweise auf und forderte den Kläger zur Rückzahlung von Teilbeträgen der in den Jahren 1993 bis 2002 bewilligten Flächenprämien auf, insgesamt in Höhe von 39.331,50 € zuzüglich Zinsen. Zur Begründung führte sie aus, bei der Vorortkontrolle am 28. August 2003 seien Abweichungen zwischen den beantragten und den festgestellten Flächengrößen ermittelt worden, die sich im Einzelnen aus der als Anlage beigefügten Tabelle ergäben. Da ein Anspruch auf Flächenprämie nur für Flächen bestehe, die tatsächlich mit Kulturpflanzen bestellt oder tatsächlich stillgelegt worden seien, seien die Beträge zurückzufordern, die für Flächenanteile beantragt worden seien, die nicht auch tatsächlich bewirtschaftet worden seien. Die Bewilligungsbescheide der Jahre 1993 bis 2002 seien insoweit rechtswidrig. Vertrauensschutz komme dem Kläger nicht zu.
Mit Schreiben vom 3. März 2004 wandte sich der Kläger gegen den Rückforderungsbescheid. Er führte aus, die festgestellten Flächendifferenzen könnten ihm nicht in vollem Umfang angelastet werden. Er habe sich bei seinen Antragsangaben auf die Angaben in den Katasterunterlagen gestützt. Im Übrigen sei bei der Berechnung von Sanktionen die Toleranzmarge zu berücksichtigen. Schließlich sei ein Teil der Rückforderungsansprüche verjährt.
Hierauf erwiderte die Beklagte mit Schreiben vom 1. Juni 2004, förderfähig seien nur die tatsächlich genutzten Flächen. Die Größe der Anbaufläche könne sich dabei in Abhängigkeit von der jeweiligen Nutzung jährlich ändern. Katasterauszüge und Liegenschaftskarten dagegen dienten lediglich der Identifikation eines Flurstücks; sie enthielten zudem oft nicht landwirtschaftlich nutzbare (Landschafts-)Elemente, wie Straßen, Gehölze, Gräben, Wallhecken etc., die nicht immer als solche ausgewiesen seien. Zugrunde zu legen sei nicht jeweils die ermittelte Fläche einschließlich der Toleranzmarge. Bei Abweichungen von Antragsangaben im Rahmen von Kontrollen seien grundsätzlich entsprechende Abzüge und Sanktionen vorzunehmen. Auf diese könne nur unterhalb einer bestimmten Schwelle (innerhalb der Toleranzmarge) verzichtet werden. Die Rückforderungsansprüche seien schließlich nicht verjährt. Bei den festgestellten Abweichungen handele es sich um fortlaufende Verstöße bis zu ihrer Aufdeckung im Jahre 2003.
Der Kläger wandte hierauf mit Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 8. November 2004 erneut ein, die im Rahmen der Vor-Ort-Kontrolle ermittelten Messergebnisse seien in vielen Punkten nicht nachvollziehbar und entsprächen nicht den tatsächlichen Größenverhältnissen der einzelnen Flächen im Antragsjahr 2003. Die Messung sei in vielen Punkten nicht korrekt erfolgt. Auch seien Zinsen erst ab Übermittlung des Rückforderungsbescheides zu fordern.
Hierauf erwiderte die Beklagte ergänzend mit Schreiben vom 10. März 2005, die Toleranzmarge berücksichtige etwaige technisch bedingte Ungenauigkeiten. Liege eine Abweichung innerhalb der Toleranz, werde sie nicht berücksichtigt. Liege sie außerhalb, so sei die festgestellte Größe maßgeblich; eine Berücksichtigung der Toleranz selbst scheide dann aus.
Mit Widerspruchsbescheid vom 16. Januar 2007 wies die Beklagte die als Widerspruch gewerteten Eingaben des Klägers gegen den Bescheid vom 24. Oktober 2003 zurück. Zur Begründung wiederholte sie im Wesentlichen die in ihren Schreiben vom 1. Juni 2004 und vom 10. März 2005 gemachten Ausführungen. Ergänzend führt sie u.a. aus, für Rückforderungen, die sich auf Zeiträume vor dem 1. Januar 2002 bezögen, greife die Regelung des Art. 14 der Verordnung (EWG) Nr. 3887/1992 ein. Für diese seien Zinsen für den Zeitraum zwischen Zahlung und Rückzahlung des entsprechenden Betrages zu erheben.
Am 16. Februar 2007 hat der Kläger Klage erhoben. Zur Begründung wiederholt er im Wesentlichen sein Vorbringen aus dem Vorverfahren. Er beanstande zwar nicht mehr die in den Anlagen zum angefochtenen Bescheid des Amtes für Agrarstruktur zugrunde gelegten Größen der Flächen hinsichtlich der Messergebnisse. Bei den Berechnungen der Abzüge sei aber zu Unrecht die Toleranzmarge nicht mit einbezogen worden und für die Rückforderungen seien die Jahre 1993, 1994 und 1995 betreffend Verjährung eingetreten. Weiterhin dürften die Bewilligungsbescheide nur zurückgenommen werden, soweit sie rechtswidrig seien, dies sei jedoch unabhängig von dem bisherigen Vortrag nicht in vollem Umfang des Rücknahme- bzw. Rückforderungsbescheides der Fall, weil ihm eine höhere Flächenprämie pro ha zugestanden habe als in den jeweiligen Jahren bewilligt worden sei. Im seinem Urteil vom 25. Juli 2007 führe das Bundesverwaltungsgericht aus, dass die mit der Flächenzahlungsverordnung vorgenommene Aufteilung Niedersachsens in 10 Erzeugerregionen gegen Art. 3 GG verstoße. Die Beklagte habe in Umsetzung der Entscheidung für ganz Niedersachsen einen Durchschnittsertrag in Höhe von 53,5 dt/ha errechnet. Da seine Flächen überwiegend in den Landkreisen Osnabrück und Vechta lägen, habe er eine zu geringe Prämie erhalten. Der Differenzbetrag müsse den gewährten Prämien hinzugerechnet werden.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid des Amtes für Agrarstruktur Oldenburg vom 24. Oktober 2003 in Gestalt des Widerspruchsbescheides der Beklagten vom 16. Januar 2007 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen,
und wiederholt zur Begründung ebenfalls ihren Vortrag aus dem Vorverfahren einschließlich des Inhalts der angegriffenen Bescheide. Dabei weist sie ergänzend darauf hin, dass die Messmethode bei der Vor-Ort-Kontrolle 2003 mit einem GPS-Gerät einschließlich der Toleranzmargen von 1,25 m x Umfang (maximal 10 % pro ha) vorgegeben gewesen sei, dass die Flächen jeweils bis an die Bewirtschaftungsgrenzen gemessen worden seien und bei allen Flächen zusätzlich ein Abgleich mit Luftbildern erfolgt sei, wobei eine genaue Zuordnung von Messergebnis und Lage der Fläche möglich gewesen sei. Ihrer Klageerwiderung füge sie eine Liste der in der Klagebegründung aufgeführten Flächen mit einer Erwiderung auf die jeweiligen Einzeleinwände des Klägers bei.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen; sie sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig, aber nur in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet. Der angefochtene Bescheid des Amtes für Agrarstruktur Oldenburg vom 24. Oktober 2003 in Gestalt des Widerspruchsbescheides der Beklagten vom 16. Januar 2007 ist nur insoweit rechtswidrig, als mit ihm ein 25.088,99 Euro zuzüglich Zinsen übersteigender Betrag zurückgefordert wird; insoweit verletzt er den Kläger in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 VwGO.
Rechtsgrundlage für die Rücknahme der Bewilligungsbescheide für die Jahre 1993 bis 2002 ist § 10 Abs. 1 des Gesetzes zur Durchführung der gemeinsamen Markorganisation (MOG) in der Neufassung der Bekanntmachung vom 24. Juni 2005 (BGBl. I S. 1847), für den hier maßgeblichen Zeitpunkt zuletzt geändert durch Art. 34 des Gesetzes vom 13. April 2006 (BGBl. I S. 855) i.V.m. § 48 Abs. 2 VwVfG. Danach sind rechtswidrige begünstigende Bescheide in den Fällen der §§ 6 und 8 MOG, auch nachdem sie unanfechtbar geworden sind, zurückzunehmen; § 48 Abs. 2 bis 4 des VwVfG sind anzuwenden. Da es sich bei der hier in Rede stehenden Prämiengewährung um eine Erzeugerprämie nach § 6 Abs. 1 Nr. 6 MOG handelt, ist für die teilweise Rücknahme der Bewilligungsbescheide § 10 Abs. 1 S. 1 1. Halbs. MOG anzuwenden.
Die Voraussetzungen für die jeweiligen Teilrücknahmen der Bewilligungsbescheide liegen in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang vor.
Die Bewilligungsbescheide von 1993 (ohne Datum), vom 18. November 1994, 30. November 1995, 21. November 1996, 19. November 1997, 30. November 1998, 30. November 1999, 30. November 2000, 28. Februar 2002 und 29. November 2002 sind rechtswidrig, soweit sie durch den angegriffenen Bescheid vom 24. Oktober 2003 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. Januar 2007 bis zu einem Umfang in Höhe von 25.088,99 Euro aufgehoben wurden. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die insoweit erhaltenen Prämien, da er die Prämienvoraussetzungen insoweit nicht erfüllt hat.
Rechtsgrundlage für die vom Kläger in den Jahren 1993 bis 2002 beantragten Flächenprämien sind die Art. 2 Abs. 2 der VO (EG) Nr. 1765/92 des Rates vom 30. Juni 1992 zur Einführung einer Stützungsregelung für Erzeuger bestimmter landwirtschaftlicher Kulturpflanzen (ABl. Nr. L 181 vom 1. Juli 1992, S. 12 bis 20) mit Änderungen i.V.m. §§ 4 ff. der Verordnung über die Stützungsregelung für Erzeuger bestimmter landwirtschaftlicher Kulturpflanzen (Kulturpflanzen-Ausgleichszahlungs-Verordnung) vom 3. Dezember 1992 (BGBl. I S. 1991) mit Änderung für die Beihilfeanträge bis zum Abschluss des Wirtschaftsjahres 1999/2000 und Art. 2 der VO (EG) Nr. 1251/1999 des Rates vom 17. Mai 1999 zur Einführung einer Stützungsregelung für Erzeuger bestimmter landwirtschaftlicher Kulturpflanzen (ABl. Nr. L 160 vom 26. Juni 1999, S. 1 - 14) mit Änderung i.V.m. §§ 4 ff. der Verordnung über Stützungsregelungen für Erzeuger bestimmter landwirtschaftlicher Kulturpflanzen und von Schalenfrüchten (Flächenzahlungs-Verordnung) vom 6. Januar 2000 (BGBl. I S. 15, 36) mit Änderungen für die Beihilfeanträge ab dem Wirtschaftsjahr 2000/2001. Nach diesen Vorschriften können Erzeuger landwirtschaftlicher Kulturpflanzen in der Gemeinschaft eine Flächenzahlung gemäß den Bedingungen dieser Verordnungen beantragen. Die je Hektar gewährte Flächenzahlung wird für Flächen gewährt, die mit entsprechenden landwirtschaftlichen Kulturpflanzen bebaut oder stillgelegt wurden. Der Kläger hat die genannten Voraussetzungen der Flächenzahlung für die in dem angegriffenen Bescheid genannten Teilflächen in den angegebenen Jahren nicht erfüllt, da insoweit keine Flächen tatsächlich vorhanden waren, d.h. eine entsprechende Nutzung/Bebauung nicht vorlag. Die Messergebnisse der Beklagten bezüglich der einzelnen Flächenabweichungen sind nicht zu beanstanden. Der Kläger hat auf die Geltendmachung seiner diesbezüglichen Einzeleinwände in der mündlichen Verhandlung vom 12. Januar 2010 mit der Maßgabe verzichtet, dass die für die jeweiligen Nutzflächen errechneten Toleranzmargen im Umfang von 1,25m x Umfang berücksichtigt werden müssten. Dem Kläger durften daher für die nach den Messergebnissen überbeantragten Anteile seiner landwirtschaftlichen Flächen allerdings unter Berücksichtigung der für diese ausgewiesenen Toleranzen nach den genannten Regelungen keine Ausgleichsbeträge gewährt werden.
Nach den für die vom Kläger beantragte Agrarförderung geltenden Durchführungsbestimmungen, Art. 9 Abs. 2 S. 1 der VO (EWG) Nr. 3887/92 der Kommission vom 23. Dezember 1992 (ABl. Nr. L 391 vom 31. Dezember 1992, S. 36-42) mit Änderungen und Art. 31 Abs. 2 der VO (EG) Nr. 2419/2001 der Kommission vom 11. Dezember 2001 (ABl. Nr. L 327 vom 12. Dezember 2001, S. 11-32) ist für den hier gegebenen Fall, dass die in dem Antrag angegebene Fläche über der ermittelten Fläche liegt, für die Höhe des Anspruches auf die tatsächlich ermittelte Fläche abzustellen. Die ermittelte Fläche ist gem. Art. 2 lit. r VO (EG) Nr. 2419/2001 eine Fläche, die alle in den Vorschriften für die Beihilfegewährung festgelegten Voraussetzungen erfüllt, d.h. u.a. mit Kulturpflanzen bebaut oder stillgelegt, also in diesem Sinne (tatsächlich) bewirtschaftet wird. Die Beteiligten sind sich - abgesehen von der noch zu berücksichtigenden Messungenauigkeit des angewandten Messverfahrens - insoweit einig, dass die von der Beklagten durch Vermessung und Abgleich mit Luftbildern festgestellten Flächen des Klägers seine tatsächlichen Bewirtschaftungsflächen ausmachen. Die Feststellungen erfolgten auf der Grundlage von GPS-Vermessungen, die den Anforderungen der Durchführungsbestimmungen, die in Art. 6 Abs. 7 VO (EWG) Nr. 3887/92 bzw. Art. 22 Abs. 1 VO (EG) Nr. 2419/2001 niedergelegt sind, entsprechen. Danach werden die Flächen der landwirtschaftlich genutzten Parzellen mit den geeigneten Mitteln bestimmt, die von der zuständigen Behörde festgelegt werden und eine mindest gleichwertige Messgenauigkeit wie die nach den einzelstaatlichen Bestimmungen durchgeführten amtlichen Messungen gewährleisten müssen. Das Gericht geht deshalb ebenfalls von diesen tatsächlich festgestellten Flächen aus.
Der angegriffene Bescheid ist jedoch insoweit rechtswidrig, als die Aufhebung der Bewilligungsbescheide und die Berechnung der Rückforderungssumme auf der Grundlage der gemessenen Größe der Nutzflächen unter Ausschluss der jeweiligen Toleranzmarge erfolgten.
Liegt bei einem "Beihilfeantrag Flächen" die vom Antragsteller angegebene Fläche über der ermittelten Fläche, ist für den Umfang des Beihilfeanspruches auf die (tatsächlich) ermittelte Fläche abzustellen. Dies ergibt sich für die hier maßgeblichen Prämienzeiträume von 1993 bis 2001 aus Art. 9 Abs. 2 S. 1 VO (EWG) Nr. 3887/92 und für den Prämienzeiträume ab 2002 aus Art. 31 Abs. 2 VO (EG) Nr. 2419/2001. Als "ermittelte Fläche" gilt die Fläche, die alle in den Vorschriften für die Beihilfegewährung festgelegten Voraussetzungen erfüllt, Art. 2 lit. r VO (EG) Nr. 2419/2001. Die genannten Vorschriften regeln damit, was Berechnungsgrundlage für den Umfang des "Beihilfeanspruches Flächen" ist. Hinweise dazu, in welcher Art und Weise und mit welchen Mitteln bei einer Kontrolle die tatsächliche Größe, d.h. die ermittelte Fläche als Berechnungsgrundlage festzustellen ist, ergeben sich daraus nicht. Diese finden sich vielmehr in den Vorschriften über die Vor-Ort-Kontrollen. Gemäß Art. 6 Abs. 1 VO (EWG) Nr. 3887/92, Art. 15 VO (EG) Nr. 2419/2001 werden u.a. Vor-Ort-Kontrollen so durchgeführt, dass zuverlässig geprüft werden kann, ob die Voraussetzungen für die Gewährung der Beihilfen (und Prämien) eingehalten wurden. Gemäß Art. 6 Abs. 7 VO (EWG) Nr. 3887/92, Art. 22 Abs. 1 VO (EG) Nr. 2419/2001 werden die Flächen der landwirtschaftlich genutzten Parzellen mit geeigneten Mitteln bestimmt, die von der zuständigen Behörde festgelegt und eine mindestens gleichwertige Messgenauigkeit wie die nach den einzelstaatlichen Bestimmungen durchgeführten amtlichen Messungen gewährleisten müssen. Dabei legt die zuständige Behörde eine Toleranzmarge fest, um insbesondere dem angewandten Messverfahren, der Genauigkeit der vorhandenen amtlichen Dokumente, den örtlichen Gegebenheiten wie Hanglage und Parzellenform Rechnung zu tragen. Damit ist es den Mitgliedstaaten bei den Vor-Ort-Kontrollen freigestellt, unter verschiedenen Messverfahren auszuwählen. Sie haben dabei allerdings eine bestimmte Messgenauigkeit sicherzustellen und zum Ausgleich u.a. für die der jeweiligen Messmethode anhaftende Ungenauigkeit eine Toleranzmarge festzulegen. Sinn und Zweck dieser Regelung, die - wie erwähnt - gem. Art. 6 Abs. 1 VO (EWG) Nr. 3887/92, Art. 15 VO (EG) Nr. 2419/2001 die zuverlässige Feststellung des Vorliegens der Beihilfevoraussetzungen gewährleisten soll - ist es mithin, u.a. Messungenauigkeiten aufzufangen, damit diese sich nicht zu Lasten der Antragsteller, deren Angaben in den Beihilfeanträgen bei den Vor-Ort-Kontrollen auf ihre Richtigkeit überprüft werden sollen, auswirken können. Zu dieser Vorschrift wurde in Niedersachsen für den hier maßgeblichen Zeitraum der Vor-Ort-Kontrolle im Jahre 2003 der Erlass des Niedersächsischen Ministeriums für den ländlichen Raum, Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz vom 5. Mai 2003 herausgegeben, in dem als Messverfahren für die Vermessung von Großparzellen oder Flächen mit unregelmäßigem Grenzverlauf die Messung mittels GPS-Gerätes vorgeschrieben und hierfür eine Toleranzmarge im Umfang von 1,25 m x Umfang (max. 10 % / 1 ha) der zu messenden Fläche festgelegt wurde. Darüber hinaus ist dort bestimmt, dass bei einer Abweichung zwischen der ermittelten und der beantragten Fläche, dann, wenn diese kleiner als die Toleranz ausfällt, der beantragte Wert zu akzeptieren und dann, wenn diese größer als die Toleranz ausfällt, von der tatsächlich ermittelten Fläche ohne Berücksichtigung der Toleranz auszugehen sei (so auch das Orientierungsdokument AGRI/60363/2005-REV1 der Europäischen Kommission zu Vor-Ort-Kontrollen landwirtschaftlicher Flächen gemäß den Art. 23 -32 der VO (EG) Nr. 796/2004 in der Fassung vom 18. Oktober 2006, Ziff. 3 lit. i, ii).
Die zuletzt genannte Maßgabe wird der zugrundeliegenden europarechtlichen Vorschrift jedoch nicht gerecht. Sieht nämlich die für die Feststellung der tatsächlichen Größe einer Antragsfläche maßgebliche Vorschrift wegen der nicht auszuschließenden Ungenauigkeit des gewählten Messverfahrens die Bildung einer Toleranzmarge zwingend vor, muss diese auch für alle Fälle, in denen es auf die tatsächlich "ermittelte Fläche" ankommt, Berücksichtigung finden. Andernfalls hätte es der Regelung entweder nicht bedurft oder ihre eingeschränkte Anwendbarkeit auf bestimmte Fälle oder in bestimmtem Umfang hätte ausdrücklich geregelt werden müssen. Für die von der Beklagten vorgenommene eingeschränkte Berücksichtigung der Toleranzmarge nur für die Fälle, in denen die Angaben eines Antragstellers - wie hier des Klägers - in seinen Beihilfeanträgen sich gegenüber der gemessenen Größe einer Fläche noch innerhalb des jeweils errechneten Toleranzbereiches befinden, fehlt es somit an einer gesetzlichen Grundlage. Die eingeschränkte Berücksichtigung führt auch zu unbilligen Ergebnissen, die zudem der Auslegung der streitbefangenen Vorschriften durch die Beklagte widersprechen. Beantragt ein Landwirt für eine Fläche Beihilfe und gibt für diese eine Übergröße an, die sich noch im Rahmen der Toleranzmarge hält, wird ihm für die beantragte (Über-)Größe der Fläche Beihilfe gewährt, also auch für einen Flächenanteil, der nach der Auslegung der Beklagtenseite nicht als "ermittelte Fläche" anzuerkennen ist. Gibt ein Antragsteller dagegen für eine Fläche eine Übergröße an, die den Rahmen der Toleranzmarge überschreitet, wird ihm Beihilfe nur für die Fläche in gemessener Größe ohne Berücksichtigung der Toleranz gewährt, d.h. dass Landwirte bei geringfügigen Falschangaben Beihilfen für nach der Auslegung der Beklagtenseite nicht existierende Flächenanteile erhalten, während solche mit Falschangaben größeren Umfangs diese Vergünstigung nicht erhalten. Darüber hinaus wird für die erste Fallgruppe die Anwendung der Sanktionsvorschriften teilweise außer Kraft gesetzt. Für diese Ungleichbehandlung findet sich in den maßgeblichen europarechtlichen Regelungen kein Anhalt.
Für die auch unter Berücksichtigung der Toleranzmarge als überbeantragt festgestellten Flächenanteile steht dem Kläger dagegen kein Beihilfeanspruch zu.
Vertrauensschutz im Sinne des § 10 Abs. 1 S. 1 MOG i.V.m. § 48 Abs. 2 - 4 VwVfG greift zu seinen Gunsten nicht ein. Gemäß § 48 Abs. 2 S. 3 Nr. 2 VwVfG kann sich der Begünstigte auf Vertrauen nicht berufen, selbst wenn er die Leistungen inzwischen verbraucht oder entsprechende Vermögensdispositionen getroffen haben sollte (§ 48 Abs. 2 S. 2 VwVfG), weil er die Verwaltungsakte durch in wesentlicher Beziehung unrichtige Angaben erwirkt hat. Auf ein Verschulden kommt es in diesem Zusammenhang nicht an. Für die Antragsjahre ab 1998 wird § 10 Abs. 1 S. 1 MOG i.V.m. § 48 Abs. 2 VwVfG durch Art. 14 Abs. 4 und 5 der Verordnung Nr. 3887/92 i.d.F. von Art. 1 Ziff. 7 der Verordnung (EG) Nr. 1678/98 der Kommission vom 29. Juli 1998 (Amtsblatt EG Nr. L 212/23) verdrängt, da diese gemeinschaftsrechtliche Regelung den dem Begünstigten einer rechtswidrigen Beihilfe gegenüber deren Rückforderung zustehenden Vertrauensschutz abschließend regelt (BVerwG, Beschluss vom 29. März 2005 - 3 B 117.04 -, Buchholz 316 § 48 VwVfG Nr. 112; Nds. OVG, Urteil vom 24. April 2004 - 10 LB 156/07 -, Rn 68, juris).
Die Teilaufhebungen der genannten Bewilligungsbescheide und die Rückforderungssumme reduzieren sich nach der von der Beklagten vorgelegten und von der Klägerseite akzeptierten Berechnung zufolge demnach auf 25.088,99 Euro.
Das Gericht folgt dem Kläger nicht, soweit er den Umfang der Rücknahme mit dem Einwand angreift, die Bewilligungsbescheide dürften nur zurückgenommen werden, soweit sie rechtswidrig seien, dies sei jedoch unabhängig von dem bisherigen Vortrag nicht in vollem Umfang des Rücknahme- bzw. Rückforderungsbescheides der Fall, weil ihm eine höhere Flächenprämie pro ha zugestanden habe als in den jeweiligen Jahren bewilligt worden sei. Der Kläger verweist hierzu auf das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 25. Juli 2007. Dort ist ausgeführt, dass die Festsetzung von unterschiedlichen Getreidedurchschnittserträgen für bestimmte Regionen in Niedersachsen in der Anlage zur Flächenzahlungsverordnung als Grundlage der Berechnung der Flächenbeihilfen verfassungswidrig sei. Die Verwaltungsgerichte dürften Verpflichtungsklagen von Landwirten auf Gewährung einer Flächenprämie, errechnet auf der Grundlage eines Durchschnittsertrages in Niedersachsen in Höhe von 53,3 dt/ha, nicht unter Hinweis auf den Regelungsspielraum des Verordnungsgebers abweisen, da in diesen Fällen dem Gebot, eine verfassungsgemäße Regelung zu schaffen, praktisch nur im Sinne der Klage nachgekommen werden könne. Eine Klageabweisung in diesem Fall wäre mit Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG nicht zu vereinbaren (vgl. BVerwG, Urteil vom 25. Juli 2007 - 3 C 10/06 -, BVerwGE 129, 116). Der Kläger beruft sich damit auf einen Gegenanspruch. Der Geltendmachung dieses Anspruches im vorliegenden Fall der Teilrücknahme von Bewilligungsbescheiden steht aber die Bestandskraft dieser Bewilligungsbescheide entgegen. Die Flächenprämien wurden für den Anbau von Kulturpflanzen auf bzw. die Stilllegung von bestimmten Flächen gewährt. Für den überbeantragten, d.h. den jeweils (nach den Messergebnissen einschließlich Toleranzen) nicht existierenden Anteil der Flächen hat der Kläger keinen entsprechenden Anspruch. Nur bzgl. dieser Anteile und der hierfür gewährten Prämien sind die Bewilligungsbescheide gem. § 10 MOG aufgehoben worden, im Übrigen ist ihre Bestandskraft nicht berührt worden. Den möglicherweise dem Kläger für den Anbau auf den tatsächlich bewirtschafteten Flächen zustehenden Anspruch auf eine höhere Prämie hat er nicht innerhalb der jeweiligen Rechtsmittelfrist geltend gemacht. Nur für diesen Fall aber hat das Bundesverwaltungsgericht die Gewährung des Rechtsschutzes, auf den der Kläger sich beruft, für zwingend erachtet.
Der Einwand der Verjährung greift ebenfalls nicht durch. Die für die Beihilfeanträge bis Ende 2001 geltenden Durchführungsvorschriften zur Agrarflächenförderung, die VO (EWG) Nr. 3887/92, enthält keine Verjährungsregelung, so dass hiernach eine Verjährung bzgl. der Rückforderung die Prämiengewährung in den Jahren 1993 bis 2001 betreffend nicht eingetreten ist. Die 10- bzw. bei gutem Glauben 4jährige Verjährungsfrist der Regelung für Beihilfeanträge ab dem 1. Januar 2002, Art. 49 Abs. 4 VO (EG) Nr. 2419/2001, ist vorliegend nicht abgelaufen, da die Rückforderung bereits durch Bescheid vom 24. Oktober 2003 erfolgte. Diese Verjährungsvorschrift gilt zwar gem. Art. 52a VO (EG) Nr. 2419/2001 auch für Beihilfeanträge, die Prämienzeiträume vor dem 1. Januar 2002 betreffen, allerdings nur dann, wenn der Begünstigte nicht vor dem 1. Februar 2004 von der Behörde erfahren hat, dass die Beihilfe zu Unrecht gewährt wurde. Dies war vorliegend jedoch der Fall. Dem Kläger war anlässlich der Vor-Ort-Kontrolle am 28. August 2003 die Flächendifferenz zwischen der Messung und seinen Beihilfeanträgen bekannt geworden. Spätestens mit Erhalt des Rückforderungsbescheides vom 24. Oktober 2003 war für ihn ersichtlich, dass er Flächenbeihilfen zu Unrecht erhalten hatte. Der Kläger kann sich auch nicht mit Erfolg auf die Verjährungsvorschrift des Art. 3 Abs. 1 der (Rahmen-) Verordnung (EG, Euratom) Nr. 2988/95 berufen. Die Verjährungsfrist für die Verfolgung beträgt danach 4 Jahre ab Begehung der Unregelmäßigkeit nach Art. 1 Abs. 1. Bei andauernden oder wiederholten Unregelmäßigkeiten beginnt die Verjährungsfrist an dem Tag, an dem die Unregelmäßigkeit beendet wird. Bei mehrjährigen Programmen läuft die Verjährungsfrist auf jeden Fall bis zum endgültigen Abschluss des Programms. Der Kläger hat die fehlerhaften Angaben von 1993 bis (auf jeden Fall) 2002 gemacht. Die Fehler sind im Jahr 2003 aufgedeckt und die Rückforderung noch im gleichen Jahr durch den Rückforderungsbescheid vom 24. Oktober 2003 geltend gemacht worden. Die im Jahr 2002 beginnende 4jährige Verjährungsfrist war demnach bei Rückforderung der zu Unrecht gewährten Beihilfebeträge noch nicht abgelaufen. Eine Verjährung liegt auch nicht gem. Art. 3 Abs. 1 Unterabsatz 4 der Verordnung (EG, Euratom) Nr. 2988/95 vor. Danach tritt die Verjährung jedoch spätestens zu dem Zeitpunkt ein, zu dem eine Frist, die doppelt so lang ist wie die Verjährungsfrist, abläuft, ohne dass die Behörde eine Sanktion verhängt hat. Hierbei handelt es sich nicht um eine absolute Verjährungsfrist von 8 Jahren. Die Regelung bezieht sich auf den Unterabsatz 3 dieser Vorschrift. Danach wird die Verfolgungsverjährung durch jede der betreffenden Person zur Kenntnis gebrachte Ermittlungs- oder Verfolgungshandlung der zuständigen Behörde unterbrochen. Nach jeder eine Unterbrechung bewirkenden Handlung beginnt die Verjährungsfrist von neuem. Die Regelung bezieht sich damit auf die Unterbrechungstatbestände einer eingetretenen Verjährung. Sie ändern aber nicht den Beginn der Verjährungsfrist.
Der angegriffene Bescheid ist darüber hinaus, soweit mit ihm für die zu Unrecht gewährten Beiträge Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz für die Zeit zwischen Beihilfegewährung und dem Rückforderungszeitpunkt in Gestalt der Bekanntgabe des Rückforderungsbescheides gefordert werden, rechtswidrig. Die Beklagte stützt sich für ihre diesbezügliche Festsetzung zu Unrecht auf die für die u.a. streitbefangenen Antragsjahre 1993 bis 2001 zunächst maßgebliche Regelung des Art. 14 Abs. 1, 3 VO (EWG) Nr. 3887/92, wonach Zinsen ab dem Zeitpunkt der Zahlung der Beihilfe zu zahlen sind. Gemäß Art. 2 Abs. 2 S. 2 der VO (EG, EURATOM) Nr. 2988/95 des Rates vom 18. Dezember 1995 über den Schutz der finanziellen Interessen der europäischen Gemeinschaften (ABl. Nr. L 312 S. 1) - Meistbegünstigungsklausel - ist für die Antragsjahre vor 2002 nicht diese Regelung, sondern die weniger strenge Bestimmung des Art. 49 Abs. 3 VO (EG) Nr. 2419/2001 anzuwenden, die die Erhebung von Zinsen erst vom Zeitpunkt der Übermittlung des Rückforderungsbescheides an vorsieht (vgl. Urteil des Nds. OVG vom 24. April 2008 - 10 LB 156/07 -, Rn 83, juris).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 S. 1 VwGO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit aus § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11 ZPO.