Verwaltungsgericht Braunschweig
Beschl. v. 10.03.2006, Az.: 6 B 52/06

deutsche Sprachkenntnis; Deutschkenntnis; DSH-Prüfungsordnung; Einschreibung; Hochschule; Hochschulzugang; höherrangiges Recht; Immatrikulation; Immatrikulationsordnung; Kenntnis; Sprachkenntnis; Vereinbarkeit

Bibliographie

Gericht
VG Braunschweig
Datum
10.03.2006
Aktenzeichen
6 B 52/06
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2006, 53378
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Zur Rechtmäßigkeit der Ablehnung einer Immatrikulation wegen unzureichender Kenntnisse der deutschen Sprache.

Gründe

1

I. Der Antragsteller begehrt die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für ein Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung, mit der er die Immatrikulation im Fachbereich Maschinenbau der Antragsgegnerin erreichen will.

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Der Antragsteller ist tunesischer Staatsangehöriger und beantragte am 3. Januar 2006 seine Zulassung zum Studium im Fachbereich Maschinenbau der Antragsgegnerin. Dazu legte er ein tunesisches Zeugnis und ein Zeugnis über die Deutsche Sprachprüfung für den Hochschulzugang (DSH) vor. Ausweislich des eingereichten DSH-Zeugnisses schloss der Antragsteller die Sprachprüfung mit dem Gesamtergebnis „DSH-1“ ab.

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Mit Bescheid vom 2. Februar 2006 lehnte die Antragsgegnerin den Antrag mit der Begründung ab, der Antragsteller habe keine zum Studium ausreichenden Deutschkenntnisse nachgewiesen.

4

Am 17. Februar 2006 hat der Antragsteller die Bewilligung von Prozesskostenhilfe beantragt und angekündigt, im Falle der Bewilligung den Erlass einer einstweiligen Anordnung zu beantragen. Außerdem liegt dem Gericht ein Prozesskostenhilfe-Antrag für eine ggf. zu erhebende Klage vor. Der Antragsteller macht geltend, mehrere Universitäten hätten ihm mitgeteilt, das Ergebnis „DSH-1“ genüge den dortigen Anforderungen an die Sprachprüfung. Seiner Ansicht nach dürfen die Universitäten keine unterschiedlichen Anforderungen an die Sprachkenntnisse stellen. Unter anderen habe ihn die TU Clausthal-Zellerfeld benachrichtigt, er könne dort in den Studiengang Maschinenbau aufgenommen werden. Er wolle aber in Braunschweig studieren, weil hier seine Verwandten und Bekannten lebten. Seine Aufenthaltserlaubnis werde ohne Studienplatz nicht verlängert.

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Der Antragsteller beantragt,

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ihm Prozesskostenhilfe zu bewilligen.

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Die Antragsgegnerin hat keinen Antrag zum Prozesskostenhilfegesuch des Antragstellers gestellt. Sie ist der Ansicht, sie habe rechtmäßig gehandelt, und bezieht sich auf ihre Immatrikulationsordnung und ihre DSH-Prüfungsordnung. Von der danach grundsätzlich bestehenden Möglichkeit, durch Beschluss den Hochschulzugang auch mit dem Ergebnis „DSH-1“ und nicht mit dem sonst mindestens erforderlichen Ergebnis „DSH-2“ zuzulassen, habe sie keinen Gebrauch gemacht. Gerade für das Studium im Fachbereich Maschinenbau bestünden nach den dortigen Erfahrungen gesteigerte Anforderungen an die Kenntnisse der deutschen Sprache. Unabhängig davon - so die Antragsgegnerin - hätte der Antragsteller schon deswegen keinen Studienplatz im angestrebten Studiengang erhalten, weil er das Auswahlverfahren für ausländische Studienbewerber hätte durchlaufen müssen, dort aufgrund seiner Abschlussnote von 3,6 an letzter Stelle einzuordnen gewesen wäre und der erstplatzierte Studienbewerber den einzigen für diesen Bewerberkreis vorgesehenen Studienplatz angenommen habe.

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und den beigezogenen Verwaltungsvorgang der Antragsgegnerin verwiesen.

9

II. Die beantragte Prozesskostenhilfe kann nicht bewilligt werden, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 166 VwGO i.V.m. § 114 ZPO).

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Ein Antrag, die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, den Antragsteller vorläufig durch Immatrikulation als Student in den angestrebten Studiengang im Fachbereich Maschinenbau der Antragsgegnerin aufzunehmen, hätte keinen Erfolg.

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Nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO kann das Gericht eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes erlassen, wenn diese Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile oder aus anderen Gründen notwendig erscheint. Dazu muss der Antragsteller grundsätzlich glaubhaft machen, dass die gerichtliche Entscheidung eilbedürftig ist (Anordnungsgrund) und der geltend gemachte Anspruch besteht (Anordnungsanspruch). Besondere Anforderungen gelten für den Fall, dass die begehrte Entscheidung - wie hier - die Entscheidung in der Hauptsache vorwegnehmen würde. Da die einstweilige Anordnung grundsätzlich nur zur Regelung eines vorläufigen Zustandes ausgesprochen werden darf, ist sie in diesen Fällen nur möglich, wenn sonst das Grundrecht auf Gewährung effektiven Rechtsschutzes verletzt würde. So darf die Entscheidung in der Hauptsache ausnahmsweise vorweggenommen werden, wenn ein Hauptsacheverfahren mit überwiegender Wahrscheinlichkeit Erfolg haben, d. h. zur Immatrikulation führen würde, und wenn es dem Antragsteller darüber hinaus schlechthin unzumutbar wäre, den Abschluss des Hauptsacheverfahrens abzuwarten (vgl. VG Braunschweig, Beschl. vom 16.08.2004 - 6 B 318/04 -; Finkelnburg/Jank, Vorläufiger Rechtsschutz im Verwaltungsstreitverfahren, 4. Aufl., Rn. 211 ff.). Diese Anforderungen sind nicht erfüllt.

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Der Antragsteller hat nicht glaubhaft gemacht, dass ohne die begehrte Immatrikulation erhebliche, die sofortige Entscheidung des Gerichts erfordernde Nachteile drohen und damit die besonderen Voraussetzungen erfüllt sind, unter denen bei einem auf die Vorwegnahme der Hauptsache gerichteten Eilantrag von einem Anordnungsgrund ausgegangen werden kann. Nach seinen eigenen Angaben kann er das angestrebte Studium an einer anderen Hochschule beginnen. Dass in Braunschweig Verwandte und Bekannte des Antragstellers leben, macht die Aufnahme des Studiums an einem anderen Ort (z. B. in Clausthal-Zellerfeld) für ihn nicht schlechthin unzumutbar (s. a. Finkelnburg/Jank, aaO., Rn. 223).

13

Darüber hinaus hat der Antragsteller nicht glaubhaft gemacht, dass er einen Rechtsanspruch darauf hat, durch Immatrikulation in den gewählten Studiengang bei der Antragsgegnerin aufgenommen zu werden.

14

Die Immatrikulation zur Aufnahme des Studiums bei der Antragsgegnerin setzt neben der für den jeweiligen Studiengang erforderlichen Qualifikation die Zulassung voraus, wenn ein Studiengang mit Zulassungsbeschränkungen angestrebt wird; darüber hinaus ist die Immatrikulation bei Bewerbern mit einem als gleichwertig anerkannten ausländischen Vorbildungsnachweis in der Regel nur dann vorzunehmen, wenn ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache nachgewiesen werden (§ 1 Abs. 2 der Immatrikulationsordnung der Antragsgegnerin - ImmO -, Verkündungsblatt der Antragsgegnerin vom 04.02.2004). Weist der Bewerber keine ausreichenden Kenntnisse der deutschen Sprache nach, so kann die Antragsgegnerin die Immatrikulation versagen (§ 4 Abs. 2 Nr. 5 ImmO). Die erforderlichen Kenntnisse der deutschen Sprache werden konkretisiert in der Ordnung der Antragsgegnerin zur Durchführung der Deutschen Sprachprüfung für den Hochschulzugang ausländischer Studienbewerberinnen und Studienbewerber (DSH-PrüfungsO, Verkündungsblatt der Antragsgegnerin vom 27.07.2005). Danach kann der Nachweis hinreichender Sprachkenntnisse durch die Deutsche Sprachprüfung für den Hochschulzugang (DSH) erbracht werden, wobei regelmäßig erforderlich ist, dass der Bewerber ein Gesamtergebnis von mindestens „DSH-2“ erreicht hat (§ 1 Absätze 1 und 2 DSH-PrüfO). Ausnahmen sind in § 1 Absätze 3 bis 5 DSH-PrüfO geregelt. Auf der Grundlage dieser Vorschriften kann gegenwärtig nicht davon ausgegangen werden, dass der Antragsteller von der Antragsgegnerin die Immatrikulation verlangen kann.

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Nach gegenwärtigem Sachstand hat der Antragsteller die erforderlichen Kenntnisse der deutschen Sprache nicht nachgewiesen. Er hat die Deutsche Sprachprüfung für den Hochschulzugang lediglich mit dem Ergebnis „DSH-1“ bestanden. Dies genügt den Anforderungen an ausreichende Sprachkenntnisse nach den Regelungen der Antragsgegnerin grundsätzlich nicht (vgl. § 1 Abs. 2 DSH-PrüfO). Ein Ausnahmefall, in dem geringere Sprachkenntnisse genügen (vgl. § 1 Abs. 3 DSH-PrüfO) oder auf den Nachweis der sprachlichen Studierfähigkeit verzichtet werden kann (vgl. § 1 Absätze 4 und 4 DSH-PrüfO), liegt nicht vor. Insbesondere können geringere sprachliche Anforderungen für bestimmte Studienzwecke nur auf der Grundlage eines Beschlusses der Antragsgegnerin festgelegt werden, an dem es für das angestrebte Studium im Fachbereich Maschinenbau nach den Angaben der Antragsgegnerin fehlt.

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Zwar muss die Immatrikulation im Falle nicht nachgewiesener ausreichender Kenntnisse der deutschen Sprache nicht von vornherein und stets unterbleiben. Nach § 4 Abs. 2 Nr. 5 ImmO steht es vielmehr im Ermessen der Antragsgegnerin, die Immatrikulation in einem solchen Fall zu versagen. Ein Immatrikulationsanspruch der Studienbewerberin oder des Studienbewerbers gegen die Antragsgegnerin entsteht danach aber nur dann, wenn jede andere Entscheidung der Hochschule als die Immatrikulation rechtswidrig wäre (sog. Ermessensreduzierung auf Null). Das Gericht darf die Hochschule allein dann im Wege einer einstweiligen Anordnung zur Immatrikulation verpflichten, wenn der Antragsteller glaubhaft macht, dass ihm ein solcher Immatrikulationsanspruch zusteht. Diese Voraussetzung ist gegenwärtig nicht erfüllt.

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Zwar ist nach den Ausführungen im Bescheid der Antragsgegnerin vom 2. Februar 2006 zweifelhaft, ob sie das ihr nach § 4 Abs. 2 Nr. 5 ImmO eingeräumte Ermessen erkannt hat. Es ist aber nicht ersichtlich, dass allein die Vornahme der Immatrikulation rechtmäßig gewesen wäre oder die Entscheidung der Antragsgegnerin aus anderen Gründen rechtsfehlerhaft ist. Rechtlich ist jedenfalls nicht zu beanstanden, dass die Antragsgegnerin die Immatrikulation unter Hinweis auf die Bedeutung besonderer Kenntnisse der deutschen Sprache für den angestrebten Studiengang sowie die insoweit bestehenden Erfahrungen mit erhöhten Abbrecherquoten und erheblich verlängerten Studienzeiten ausländischer Studentinnen und Studenten versagt hat. Diese Überlegungen dienen dazu, einen ordnungsgemäßen und effektiven Lehr- und Forschungsbetrieb aufrechtzuerhalten und damit die der Hochschule übertragenen Aufgaben (§ 3 Abs. 1 Nds. Hochschulgesetz - NHG - i.V.m. § 2 Hochschulrahmengesetz - HRG -) zu erfüllen. Gegenteilige Interessen des Antragstellers, der es in der Hand hat, seine Sprachfähigkeiten zu verbessern, müssen demgegenüber zurückstehen. Das Recht des Antragstellers auf Zugang zu einer Hochschule, das für ihn als Ausländer grundsätzlich nach Art. 2 Abs. 1 GG geschützt ist, ist nicht verletzt: Die Entscheidung der Antragsgegnerin schränkt dieses Recht aus überwiegenden öffentlichen Interessen in dem für die Aufgabenerfüllung der Hochschule erforderlichen Umfang ein und ist als verhältnismäßiger Grundrechtseingriff daher mit der Verfassung vereinbar.

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Das Gericht kann daher offen lassen, ob die Antragsgegnerin die Immatrikulation für den fraglichen Studiengang im Fachbereich Maschinenbau stets bei nicht ausreichenden Sprachkenntnissen versagt und sich dadurch derart gebunden hat, dass im Hinblick auf den Gleichheitsgrundsatz nach Art. 3 Abs. 1 GG auch im Fall des Antragstellers nur die Versagung der Immatrikulation rechtmäßig wäre.

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Die in der Immatrikulationsordnung und der DSH-Prüfungsordnung der Antragsgegnerin geregelten Anforderungen an die Kenntnisse der deutschen Sprache und die dort vorgesehenen Auswirkungen unzureichender Kenntnisse auf die Immatrikulationsentscheidung sind mit höherrangigem Recht vereinbar. Das Nds. Hochschulgesetz berechtigt die Hochschulen dazu, den Hochschulzugang von Studienbewerberinnen und Studienbewerbern mit gleichwertiger ausländischer Bildung davon abhängig zu machen, ob die für das Studium „erforderlichen“ Sprachkenntnisse vorliegen (vgl. § 18 Abs. 4 Satz 1 NHG, s. a. § 19 Abs. 4 NHG). Was unter erforderlichen (oder ausreichenden) Sprachkenntnissen zu verstehen ist, dürfen die Hochschulen auf der Grundlage ihres Selbstverwaltungsrechts (§ 15 NHG) im Grundsatz selbstständig konkretisieren. Wenn die Bestimmungen der Hochschule nach den Anforderungen, die sich aus dem Zuschnitt der einzelnen Studiengänge ergeben, und hinsichtlich der ihnen übertragenen gesetzlichen Aufgaben erforderlich und angemessen sind, sind sie auch verfassungsrechtlich - vor allem im Hinblick auf das Zugangsrecht ausländischer Studienbewerberinnen und Studienbewerber nach Art. 2 Abs. 1 und Art. 3 Abs. 1 GG - nicht zu beanstanden. Die Hochschulen sind danach insbesondere auch dazu berechtigt, die Anforderungen an den Nachweis der Sprachfähigkeit abweichend von anderen Hochschulen zu konkretisieren. Nach den aufgezeigten Maßstäben ist die Entscheidung der Antragsgegnerin nicht zu beanstanden.

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Unabhängig davon kann der Antragsteller die Immatrikulation nur verlangen, wenn er nach dem erforderlichen Auswahlverfahren für den angestrebten Studiengang zugelassen ist (vgl. § 1 Abs. 2 Nr. 2 ImmO i.V.m. § 19 Abs. 1 Satz 2 NHG). Auch dies ist nicht der Fall. Dass die Antragsgegnerin das Auswahlverfahren fehlerhaft durchgeführt hat und ein Zulassungsanspruch des Antragstellers bestünde, ist nach den dem Gericht gegenwärtig zur Verfügung stehenden Unterlagen nicht ersichtlich.

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Die Kostenentscheidung beruht auf § 1 GKG i.V.m. § 166 VwGO und § 118 Abs. 1 Satz 4 ZPO.