Verwaltungsgericht Braunschweig
Urt. v. 17.03.2006, Az.: 8 A 418/05

Rechtsbehelfsbelehrung; Sitz; Verwaltungsbehörde; Zusatz

Bibliographie

Gericht
VG Braunschweig
Datum
17.03.2006
Aktenzeichen
8 A 418/05
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2006, 53188
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens; insoweit ist das Urteil vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des gegen ihn festzusetzenden Kostenerstattungsbetrages abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in derselben Höhe leistet.

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 1.000,00 Euro festgesetzt.

Tatbestand:

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Der Kläger wendet sich gegen einen Bescheid, mit dem ihn die Beklagte zum Einbau eines Fettabscheiders für seinen Gaststättenbetrieb verpflichtet hat.

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Mit Bescheid vom 07.05.2001 forderte die Beklagte den Kläger zur Nachrüstung mit einer Abwasservorbehandlungsanlage nach DIN 4040 (Abscheideranlage für Fette) bis zum 31.05.2002 auf. Der Bescheid enthält folgende Rechtsbehelfsbelehrung:

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„Gegen diesen Bescheid kann innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe Widerspruch erhoben werden. Der Widerspruch ist schriftlich oder zur Niederschrift bei der Stadt Wolfsburg, Geschäftsbereich Tiefbau, Grundstücksentwässerung, P.straße 49, 38440 Wolfsburg bzw. Postfach 10 09 44, 38409 Wolfsburg oder bei der Bezirksregierung Braunschweig, Bohlweg 38, 38100 Braunschweig, einzulegen.“

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Der Bescheid wurde dem Kläger auf dem Postwege bekannt gegeben. Der Ausdruck des Bescheides in den Verwaltungsvorgängen der Beklagten enthält keinen Abgangsvermerk. Der Kläger erhielt den Bescheid offensichtlich, denn mit einem per Telefax am 03.05.2002 übermittelten Schreibens beantragte er bei der Beklagten eine Fristverlängerung für den Einbau eines Fettabscheidersystems bis zum Dezember 2002. Mit Schreiben vom 05.05.2002, eingegangen bei der Beklagten am 08.08.2002, legte der Kläger gegen die Aufforderung zur Nachrüstung eines Fettabscheiders Widerspruch ein.

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Ausweislich eines Vermerks in den Verwaltungsvorgängen vom 21.05.2002 wurde der Kläger bei einem Ortstermin darauf hingewiesen, sein Widerspruch sei nicht fristgerecht eingereicht worden.

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Mit Widerspruchsbescheid vom 05.10.2005 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers gegen den Bescheid vom 07.05.2001 zurück. Zur Begründung stellte sie zunächst fest, der Widerspruch sei unzulässig, weil er zu spät erfolgt sei. Weiterhin sei der Widerspruch auch unbegründet.

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Der Kläger hat am 08.11.2005 Klage erhoben. Er verweist darauf, der Widerspruch habe gemäß § 58 Abs. 2 VwGO innerhalb eines Jahres eingelegt werden dürfen, weil die Rechtsbehelfsbelehrung des Bescheides vom 07.05.2001 unrichtig sei. Diese verweise nämlich nicht lediglich auf die Stadt Wolfsburg als Verwaltungsbehörde i. S. des § 58 Abs. 1 VwGO, sondern enthalte den Zusatz „Geschäftsbereich Tiefbau, Grundstücksentwässerung“. Eine solche Behörde existiere in Wolfsburg nicht. Der Briefkasten vor dem Gebäude C. in Wolfsburg sei ein Briefkasten der Stadt Wolfsburg, nicht der Stadt Wolfsburg - Geschäftsbereich Tiefbau, Grundstücksentwässerung. Die Rechtsbehelfsbelehrung erwecke den Eindruck, als könne der Widerspruch nur bei dieser einen Abteilung ordnungsgemäß eingelegt werden. Nach Dienstschluss der Behörde vor Ablauf der Rechtsmittelfrist um 24:00 Uhr bestehe somit keine Möglichkeit, einen Widerspruch bei der in der Rechtsbehelfsbelehrung angegebenen Stelle abzugeben. Auch habe er nicht die Möglichkeit gehabt, den Widerspruch bei der Ortsteilsprechstelle der Beklagten in Sülfeld, D. zu erheben. Von seinem Wohnsitz im E. in Sülfeld sei bis zur Ortsteilsprechstelle nur eine Strecke von 800 bis 900 m zurückzulegen. Die Entfernung vom E. bis zur C. in Wolfsburg betrage hingegen knapp 8 km. Durch den Verweis allein auf das Rathaus in der C. werde die Einlegung des Widerspruchs unzumutbar erschwert. Die Angabe eines Amtes in einer Rechtsbehelfsbelehrung sei unrichtig i. S. des § 58 Abs. 1 VwGO. Insoweit verweise er auf den Beschluss des OVG Greifswald vom 05.08.1998 (NVwZ-RR 1999, 476 [OVG Mecklenburg-Vorpommern 05.08.1998 - 1 L 74/97]).

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Der Kläger beantragt,

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den Bescheid der Beklagten vom 07.05.2001 in der Form des Widerspruchsbescheides vom 05.10.2005 aufzuheben.

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Die Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Sie ist weiterhin der Auffassung, der Widerspruch sei gemäß § 70 Abs. 1 VwGO verspätet erhoben worden. Die Rechtsbehelfsbelehrung des angefochtenen Bescheides sei richtig. Sie sei weder irreführend noch erschwere sie die Einlegung des Widerspruchs. Alle nach § 58 Abs. 1 VwGO erforderlichen Angaben seien in dem Text der Rechtsbehelfsbelehrung enthalten.

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Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsvorgänge der Beklagten, die dem Gericht bei der Entscheidung vorgelegen haben, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Die Klage ist unzulässig.

15

Die Sachurteilsvoraussetzung des ordnungsgemäß abgeschlossenen Vorverfahrens gemäß §§ 68 ff. VwGO liegt nicht vor. Ein Widerspruchsverfahren war bei Erlass des Bescheides vom 07.05.2001 noch durchzuführen, da die Nachprüfung der Rechtmäßigkeit und Zweckmäßigkeit eines Verwaltungsaktes in einem Verfahren nach §§ 68 ff. VwGO für einen auf einer kommunalen Abwasserbeseitigungssatzung beruhenden Bescheid erst mit Wirkung vom 01.05.2005 ausgesetzt wurde (§ 8a Abs. 1 Nds AGVwGO i. d. F. des Gesetzes v. 05.11.2004 (Nds. GVBl. 31 v. 11.11.2004)).

16

Der Widerspruch des Klägers gegen den Bescheid vom 07.05.2001 ist erst am 08.05.2002 erhoben worden und damit nicht innerhalb der Monatsfrist des § 70 Abs. 1 Satz 1 VwGO.

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Entgegen der Auffassung des Klägers gilt nicht die Jahresfrist des § 70 Abs. 2 i. V. m. § 58 Abs. 2 Satz 1 VwGO. Die Rechtsbehelfsbelehrung in dem angefochtenen Bescheid ist nicht i. S. des § 58 Abs. 2 Satz 1 VwGO unrichtig. Sie entspricht vielmehr den Voraussetzungen des § 58 Abs. 1 VwGO. Danach beginnt die Frist für ein Rechtsmittel oder einen anderen Rechtsbehelf nur zu laufen, wenn der Beteiligte über den Rechtsbehelf, die Verwaltungsbehörde oder das Gericht, bei denen der Rechtsbehelf anzubringen ist, den Sitz und die einzuhaltende Frist schriftlich oder elektronisch belehrt worden ist.

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Die Rechtsbehelfsbelehrung des Bescheides vom 07.05.2001 weist auf den Widerspruch als Rechtsbehelf, die Frist von einem Monat nach Bekanntgabe, die Stadt Wolfsburg als Verwaltungsbehörde und auf den Sitz der Verwaltungsbehörde in der C. in 38440 Wolfsburg hin.

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Die Rechtsbehelfsbelehrung hat keinen unzutreffenden oder irreführenden Inhalt, der nach seiner Art generell, also losgelöst vom Verständnis, das er bei dem Betroffenen gefunden hat, geeignet ist, die Einlegung des Rechtsbehelfs zu erschweren (vgl. allg. Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Komm., Bd. I Stand: Okt. 2005, § 58 Rn. 33 m.w.N. zur st. Rspr. d. BVerwG). Die Verwaltungsbehörde Stadt Wolfsburg ist durch den Zusatz „Geschäftsbereich Tiefbau, Grundstückentwässerung“ nicht unzutreffend bezeichnet worden. Anders als in dem vom OVG Greifswald entschiedenen Fall (Beschl. v. 05.08.1998 - 1 L 74/97 -, NVwZ-RR 1999, 478 [OVG Sachsen 11.06.1998 - 2 S 669/97]) verweist die Rechtsbehelfsbelehrung auch nicht allein auf das Amt bzw. den Geschäftsbereich, der für die Angelegenheit zuständig ist. Vielmehr ist zweifelsfrei die Stadt Wolfsburg als die Verwaltungsbehörde bezeichnet worden, bei der der Widerspruch nach § 70 Abs. 1 Satz 1 VwGO zu erheben ist. Wie in Wolfsburg allgemein bekannt befindet sich in der F. das Rathaus, so dass auch aufgrund der Adresse kein Zweifel darüber bestehen konnte, dass der Widerspruch bei der Stadt Wolfsburg und nicht bei dem „Geschäftsbereich Tiefbau, Grundstücksentwässerung“ einzulegen ist. Der Zusatz mit dem Geschäftsbereich ist daher auch nicht irreführend.

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Er erschwert aber auch nicht in einer nennenswerten Weise die Erhebung des Widerspruchs. Der Zusatz ist zwar geeignet, einen Widerspruchsführer davon abzuhalten, bei anderen Verwaltungsstellen der Beklagten, etwa bei den Ortsteilsprechstellen, den Widerspruch zu erheben. Denn um hinreichend sicher zu sein, den Rechtsbehelf auch bei der richtigen Stelle eingelegt zu haben, wird sich der Adressat des Bescheides nicht darauf verlassen wollen, auch eine Außenstelle der Stadt Wolfsburg unter einer anderen Adresse sei zur fristgerechten Entgegennahme des Widerspruchs zuständig. Dieses Hindernis ist jedoch so geringfügig und erschwert die Wahrnehmung der Rechte durch den Betroffenen in einer so geringen Weise, dass daraus kein Fehler i. S. des § 58 Abs. 2 i. V. m. Abs. 1 VwGO hergeleitet werden kann. Sofern der Widerspruch schriftlich erhoben wird, macht es keinen Unterschied, ob ein Schreiben an das Rathaus oder an eine Außenstelle adressiert wird. Nur dann, wenn am Tag des Fristablaufs der Widerspruch mangels eines die rechtzeitige Einlegung sichernden Briefkastens nicht bei der Ortsteilsprechstelle erhoben werden kann, sondern bis zum Rathaus in der P.straße gebracht werden muss, wird das von dem Kläger dargelegte Erschwernis überhaupt relevant.

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Abgesehen davon haben Rechtsbehelfsbelehrungen nicht die Aufgabe, dem Betroffenen bis nahezu an die Bevormundung alle eigenen Überlegungen bezüglich der Art seines weiteren Vorgehens abzunehmen. Die Belehrung über Rechtsbehelfe ist für den geschäfts- und prozessfähigen Bürger bestimmt und nicht an einer unmündigen Person zu orientieren, die sich nicht zu helfen weiß (BVerwG, Urt. v. 27.02.1976, Buchholz 310, § 58 VwGO Nr. 31, OVG Lüneburg, Beschl. v. 13.02.1998 - 12 L 5348/97 - Juris, VGH Ba-Wü, Urt. v. 31.01.1996 - 13 S 3068/95 -, Juris). Auch nach diesen Grundsätzen wird deutlich, dass der Zusatz „Geschäftsbereich Tiefbau, Grundstücksentwässerung“ für den geschäfts- und prozessfähigen Bürger kein nennenswertes Hindernis bedeutet, da er sich notfalls telefonisch danach erkundigen kann, ob der Widerspruch auch bei einer Ortsteilsprechstelle eingelegt werden kann.

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Die Monatsfrist des § 70 Abs. 1 VwGO ist auch nicht deshalb unerheblich, weil sich die Beklagte ergänzend zur materiellen Rechtslage im Widerspruchsbescheid und in der Klageerwiderung eingelassen hat. Vorrangig hat sie jeweils auf die Bestandskraft des angefochtenen Bescheides verwiesen und sich damit nicht über das Fristversäumnis hinweggesetzt.

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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

24

Die Berufung war nicht zuzulassen, weil die Gründe des § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 VwGO nicht vorlagen (§ 124a Abs. 1 Satz 1 VwGO).

25

Der Streitwert ist in Anwendung des § 52 Abs. 1 GKG festgesetzt worden.