Verwaltungsgericht Hannover
Urt. v. 30.12.2020, Az.: 13 A 3376/20

Altersgrenze; Altersgrenze, besondere; Anrechnung; Erwerbseinkommen; Versorgungsbezüge; Verwaltungsakt

Bibliographie

Gericht
VG Hannover
Datum
30.12.2020
Aktenzeichen
13 A 3376/20
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2020, 71539
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Entscheidung ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Vollstreckungsgläubigerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.

Tatbestand:

Der im Februar 1956 geborene Kläger wendet sich gegen die grundsätzliche Anrechnung von Einkommen auf seine Versorgungsbezüge

Der Kläger war Polizeibeamter und erreichte mit der Vollendung des 62. Lebensjahres die entsprechende gesetzliche Altersgrenze. Er trat mit Ablauf des Monats Februar 2018 in den Ruhestand.

Seit Juni 2019 ist der Ruhestandsbeamter als Berufsbetreuer tätig. Nach dem Einkommenssteuerbescheid für 2019 erzielte er letztendlich Einnahmen von 156,00 € im Steuerjahr 2019.

Allerdings teilte der Kläger vor Erlass des Steuerbescheides dem Beklagten mit, er habe bislang lediglich ein monatliches Durchschnittseinkommen von 125,10 € erzielt; er rechne in Zukunft jedoch mit höheren Einnahmen.

Daraufhin wies der Beklagte dem Kläger mit Schreiben vom 26. September 2019 daraufhin, dass er, der Beklagte, im Hinblick auf die angekündigte Erhöhung der Einnahmen erst einmal bis zur Vorlage eines Steuerbescheides von einem Betrag von monatlich 450,00 € ausgehe. Auswirkungen auf die Versorgungsbezüge habe dies aber nicht.

In einer vorgelegten Bezügeabrechnung für Dezember 2019 ist der Ruhensbetrag wegen § 64 NBeamtVG mit 0,00 € ausgewiesen.

Gleichwohl legte der Kläger unter dem 1. Dezember 2019 Widerspruch gegen die Ruhensberechnung ein. Er habe seine gesetzliche Altersgrenze nach § 109 Abs. 1 NBG erreicht; deshalb sei § 64 NBeamtVG in seinem Fall nicht anwendbar.

Mit Widerspruchsbescheid vom 14. Mai 2020 wies der Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück. Grundsätzlich sei weiteres Einkommen gem. § 64 NBeamtVG bis zu den Altersgrenzen des § 35 Abs. 2 NBG anzurechnen. Dieser Bescheid wurde dem Kläger nach eigenen Vortrag am 19. Mai 2020 zugestellt.

Der Kläger hat am 18. Juni 2020 Klage erhoben.

Er trägt vor, § 64 Abs. 7 NBeamtVG beziehe sich nicht nur auf die Altersgrenzen gem. § 35 Abs. 2 NBG, sondern auch auf die Altersgrenze nach § 109 NBG. Dies ergebe sich aus der Landtagsdrucksache 16/4178.

Der Kläger beantragt wörtlich,

den Bescheid über den Widerspruch gegen die Anrechnung von Erwerbs- und Erwerbszusatzeinkommen nach § 64 NBeamtVG vom 26.09.2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.06.2020 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie verweist darauf, dass das von ihr angesetzte Einkommen bei der Ruhensberechnung überhaupt nicht auf die Versorgungsbezüge auswirke. Im Übrigen sei aber eine Anrechnung grundsätzlich zulässig, weil § 64 NBeamtVG nur auf § 35 Abs. 2 NBG verweise.

Alle Beteiligten haben sich mit einem Urteil ohne mündliche Verhandlung und mit einer Entscheidung des Berichterstatters anstelle der Kammer einverstanden erklärt.

Wegen des weiteren Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Im Einverständnis der Beteiligten ergeht die Entscheidung gemäß § 87a Abs. 2 und 3 VwGO durch den Berichterstatter und nach § 101 Abs. 2 VwGO weiterhin ohne mündliche Verhandlung.

Eine Anfechtungsklage – wie wörtlich erhoben - ist unzulässig, soweit sie sich gegen das Schreiben des Beklagten vom 26. September 2019 richtet. Bei diesem Schreiben handelt es sich nicht um einen Verwaltungsakt. Es wird darin lediglich mitgeteilt, dass bei der Anrechnung von Einkommen bis auf Weiteres nur von einem Betrag von 450 € mtl. an monatlichen Einnahmen ausgegangen wird. Ein Widerspruchsverfahren war lediglich nur im Hinblick auf § 54 Abs. 2 Satz 1BeamtStG, § 105 Abs. 1 Satz 2 NBG erforderlich.

Das Gericht deutet deshalb die Klage in eine allgemeine Leistungsklage mit dem Ziel, den Beklagten zu verpflichten, von einer Anrechnung von Einkommen abzusehen, um. Dies entspricht dem Begehren des Klägers, so wie es in seinem Vortrag zum Ausdruck gekommen ist.

Allerdings ist auch die so verstandene Klage mangels eines Rechtsschutzinteresses des Klägers unzulässig. Die vom Beklagten intern vorgenommene Anrechnung von anderweitigen Erwerbseinkommen wirkt sich auf die Höhe der dem Kläger zu gewährenden und auszuzahlenden Versorgung überhaupt nicht aus. Dem Kläger ist es zuzumuten, mit einer entsprechenden Klage zu warten, bis tatsächlich einmal Teile der Versorgungsbezüge einbehalten werden sollten.

Im Übrigen ist die Klage aber auch unbegründet.

Rechtsgrundlage der Anrechnung ist § 64 NBeamtVG. Gem. § 64 Abs. 1 NBeamtVG stehen Ruhestandsbeamten Versorgungsbezüge nur bis zum Erreichen der in Absatz 2 dieser Vorschrift bezeichneten Höchstgrenze, wenn sie daneben Erwerbs- oder Erwerbsersatzeinkommen iSd. Abs. 6 der Vorschrift beziehen.

Die Einnahmen aus seiner Tätigkeit als selbstständiger Betreuer sind Einnahmen nach § 64 Abs. 6 Satz NBeamtVG. Dies dürfte auch zwischen den Beteiligten unstreitig sein.

Allerdings bestimmt § 64 Abs. 7 NBeamtVG, dass nach Ablauf des Monats, in dem ein Versorgungsberechtigter die Altersgrenze nach § 35 Abs. 2 NBG erreicht, die Absätze 1 bis 6 der Vorschrift nur noch für Erwerbseinkommen aus einer Verwendung im öffentlichen Dienst (Verwendungseinkommen) gelten.

Das mit der Tätigkeit als Berufsbetreuer erzielte Einkommen stellt kein Verwendungseinkommen dar; es handelt sich nicht um eine Tätigkeit im öffentlichen Dienst.

Jedoch hat der Kläger die Altersgrenze des § 35 Abs. 2 NBG noch nicht erreicht.

Diese Vorschrift regelt, dass - soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist - die Altersgrenze mit Vollendung des 67. Lebensjahres erreicht wird. Beamte, die vor dem 1. Januar 1947 geboren sind, erreichen die Altersgrenze abweichend davon mit Vollendung des 65. Lebensjahres. 3Für Beamte, die – wie der Kläger – im Jahr 1956 geboren sind, wird diese Altersgrenze um 10 Monate angehoben. Nach alledem erreicht der Kläger die Altersgrenze nach § 35 Abs. 2 NBG erst mit Ablauf des Monats Dezember 2021.

Zwar bestimmt § 109 Abs. 1 NBG, dass ein Beamter in einer Laufbahn der Fachrichtung Polizei (Polizeivollzugsbeamtin oder Polizeivollzugsbeamter), der auch der Kläger angehört, die Altersgrenze bereits mit Vollendung des 62. Lebensjahres erreicht. § 67 Abs. 7 NBeamtV verweist indes auf § 35 Abs. 2 NBG, nicht auf § 109 NBG.

Das von einer Anrechnung erst nach Erreichen der allgemeinen Einkommensgrenze abzusehen ist, ist in der Rechtsprechung auch geklärt. So hat etwa der BayVGH zu den insoweit vergleichbaren Vorschriften des Beamtenversorgungsgesetzes des Bundes entschieden:

„Nach dem eindeutigen Wortlaut des § 53 Abs. 8 Satz 1 BeamtVG kommt es für die Anrechnung des Erwerbseinkommens nicht darauf an, aus welchem Grund ein Beamter vor diesem Zeitpunkt in den Ruhestand getreten ist. Erfasst wird deshalb nicht nur die Versetzung in den Ruhestand durch Verwaltungsakt wegen individueller Dienstunfähigkeit oder auf Antrag nach Erreichen einer gesetzlichen Antragsaltersgrenze, sondern auch der Eintritt in den Ruhestand kraft Gesetzes wegen Erreichens einer besonderen, vor der Vollendung des 65. Lebensjahres liegenden Altersgrenze. In jedem Fall kann der Ruhestandsbeamte seine Versorgungsbezüge erst nach Vollendung des 65. Lebensjahres durch eine Erwerbstätigkeit außerhalb des öffentlichen Dienstes anrechnungsfrei aufstocken“ (Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 16. September 2014 – 3 ZB 11.1780 –, Rn. 8, juris mit Hinweis auf BVerwG U.v. 17.12.12008 - 2 C 26/07 - BVerwGE 133, 25 juris Rn. 8; BayVGH B.v. 4.4.2001 - 3 ZB 01.373; B.v. 17.4.2012 - 3 ZB 11.1923 - juris Rn. 6)

Die zeitliche Anrechnungsgrenze verstößt auch nicht gegen den durch Art. 33 Abs. 5 GG gewährleisteten Alimentationsgrundsatz, soweit sie auch privatwirtschaftliches Erwerbseinkommen der Anrechnung unterwirft, das Ruhestandsbeamte in der Zeit zwischen dem Eintritt in den Ruhestand aufgrund einer besonderen Altersgrenze und der Vollendung des 65. Lebensjahres erzielen (vgl. BVerwG, Urteil vom 17. Dezember 2008 – 2 C 26/07 –, BVerwGE 133, 25-31, Rn. 9 zu § 53 Abs. 8 Satz 1 BeamtVG unter Hinweis auf BVerfG, Kammerbeschluss vom 2. April 2003 - 2 BvR 889/01 -, juris Rn. 1).

Das Gericht schließt sich dieser Rechtsprechung auch in Bezug auf das NBeamtVG an. Nach alledem konnte die Klage keinen Erfolg haben.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit § 708 Nr. 11 und § 711 Satz 1 und 2 ZPO.