Verwaltungsgericht Hannover
Urt. v. 16.12.2020, Az.: 5 A 1480/19

Altersversorgungswerk der Zahnärztekammer Niedersachsen; Antragsfrist; Auskunftpflichtverletzung; Auskunftspflicht; Ausschlussfrist; Folgenbeseitigungsanspruch; Rentenabfindung; sozialrechtlicher Herstellungsanspruch; Treu und Glauben; Witwerrente; Witwerrentenabfindung

Bibliographie

Gericht
VG Hannover
Datum
16.12.2020
Aktenzeichen
5 A 1480/19
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2020, 71975
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

1. Der sozialrechtliche Herstellungsanspruch findet keine Anwendung im allgemeinen Verwaltungsrecht.

2. § 25 Abs. 1 Satz 2 VwVfG setzt ein Auskunftsverlagen zwingend voraus.

3. Ein fehlender Hinweis auf eine in einer Satzung einer Behörde normierte Ausschlussfrist stellt nur eine Auskunftspflichtverletzung i. S. d. § 25 Abs. 1 Satz 1 VwVfG dar, wenn es für einen durchschnittlichen Bediensteten dieser Behörde offensichtlich war, dass eine betroffene Person keine Kenntnis von dieser Ausschlussfrist hatte und die Behörde es somit „sehenden Auges“ zugelassen hat, dass diese Person aus einer solchen Unkenntnis heraus einen Antrag nicht rechtzeitig stellt.

4. § 115 Abs. 6 Satz 1 SGB VI findet keine (analoge) Anwendung auf Versorgungswerke.

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Entscheidung ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt vom Beklagten die Zahlung einer (Witwer-)Rentenabfindung nach § 20 der Satzung für die Alters-, Berufsunfähigkeits- und Hinterbliebenensicherung (ABH).

Der 1947 geborene Kläger war als Zahnarzt tätig und bezieht vom Beklagten eine Altersrente. Seine Ehefrau war ebenfalls Zahnärztin und Mitglied des Beklagten. Sie verstarb Ende Juni 2018.

Mitte Juli 2018 übersandte der Beklagte dem Kläger ein Schreiben inklusive eines Erklärungsvordrucks hinsichtlich der Zahlung einer monatlichen Witwerrente i. H. v. 1.371,99 € ab dem Monat Juli 2018 (Bl. 14ff. d. A.). Dieses Schreiben enthielt den Hinweis:

„Nach der Alters-, Berufsunfähigkeits- und Hinterbliebenenversicherung (ABH) besteht für Sie gemäß § 20 die Möglichkeit der Rentenabfindung (für Rentenansprüche, die aus Beitragszahlungen bis 31.12.2004 resultieren), bzw. gemäß § 21 die Möglichkeit der Teilabfindung (auch hier für Rentenansprüche, die aus Beitragszahlungen bis 31.12.2004 resultieren). Falls Sie davon Gebrauch machen möchten, erstellen wir gern ein entsprechendes Angebot.“

Am 20. August 2018 meldete sich der Kläger telefonisch beim Beklagten und forderte ein Rentenabfindungsangebot an. Dieses übersandte ihm der Beklagte am Folgetag in Form eines Erklärungsvordrucks, verbunden mit dem Hinweis, dass er diesen bitte ausgefüllt und unterschrieben beim Beklagten einreichen möge; für Rückfragen stehe er gerne zur Verfügung (Bl. 17ff. VV).

Unter dem 4. Januar 2019 (Bl. 18f. d. A.) sandte der Kläger den Vordruck ausgefüllt zurück. Als gewünschte Leistung beantragte er die angebotene Rentenabfindung ab dem 1. Juli 2018 i. H. v. 153.193,78 € nebst einer monatlichen Witwerrente ab dem 1. Juli 2018 i. H. v. 449,58 €. Der Vordruck ging dem Beklagten am 7. Januar 2019 zu.

Ebenfalls unter dem 4. Januar 2019 (Bl. 20 d. A.) mahnte der Beklagte gegenüber dem Kläger an, dass er bisher von ihm keine Erklärung erhalten habe. Man übersende den Erklärungsvordruck (ausschließlich für die Wittwerrente i. H. v. 1.371,99 €, nicht für eine Rentenabfindung) nochmals und bitte um Erledigung.

Mit Bescheid vom 14. Februar 2019 (Bl. 31f. VV) wies der Beklagte den Kläger gemäß § 18 ABH in eine monatliche Witwerrente ab dem 1. Juli 2018 i. H. v. 1.371,99 € ein; gleichzeitig lehnte er den Antrag des Klägers auf eine Witwerrentenabfindung ab, da die Antragsfrist von sechs Monaten ab dem Tod seiner Ehefrau nach § 20 Abs. 2 ABH am 31. Dezember 2018 abgelaufen sei. Sein Antrag aus dem Januar 2019 sei mithin verspätet. Die Zustellung dieses Bescheides erfolgte am 2. März 2019.

Der Beklagte zahlte im März 2019 an den Kläger 10.975,92 € an Witwerrente für die Monate Juli 2018 bis einschließlich März 2019. Diesen Betrag überwies der Kläger jedoch an den Beklagten zurück.

Der jetzige Prozessbevollmächtigte des Klägers forderte den Beklagten auf, zu bestätigen, dass dieser für den Fall einer rechtskräftigen Abweisung eines Renten- bzw. Rententeilabfindungsanspruchs die Witwerrente ab Juli 2018 nachzahlen werde, ohne sich auf Antragserfordernisse, Antragsfristen, Ausschlussfristen oder Verjährungsfristen zu berufen. Der Beklagte teilte daraufhin mit, dass die Witwerrente mit Bescheid vom 14. Februar 2018 bewilligt worden sei, weshalb keine Notwendigkeit einer Zusicherung bzw. Bestätigung gesehen werde. Er leistet die monatliche Witwerrente i. H. v. 1.371,99 € inzwischen weiter.

Der Kläger hat gegen den Bescheid vom 14. Februar 2019 am 19. März 2019 Klage erhoben. Er ist der Auffassung, dass er sich die Nichteinhaltung der Antragsfrist für die Rentenabfindung nicht entgegenhalten lassen müsse. Der Beklagte habe es pflichtwidrig unterlassen, ihn auf die Fristgebundenheit des Antrages hinzuweisen. Der von der sozialgerichtlichen Rechtsprechung (u. a. seitens des Bundessozialgerichts) entwickelte sozialrechtliche Herstellungsanspruch sei für den streitgegenständlichen Fall anzuwenden, was bedeute, dass der Zustand herzustellen sei, der bestehen würde, wenn der Beklagte seinen Aufklärungspflichten nachgekommen wäre. Eine entsprechende Verpflichtung des Beklagten ergebe sich aus dem Rechtsgedanken des § 115 Abs. 6 Satz 1 SGB VI. Danach sollten die Träger der Rentenversicherung die Berechtigten in geeigneten Fällen darauf hinweisen, dass sie eine Leistung erhalten könnten, wenn sie diese beantragten. Diese Hinweispflicht sei nach dem Urteil des Bundessozialgerichts vom 22. Oktober 1996 – 13 RJ 23/95 –, NSZ, 327, 329, grundsätzlich geeignet, bei entsprechender Verletzung einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch zu begründen. Sinn und Zweck der vorbezeichneten Norm sei es, die nicht ausreichend Informierten vor Nachteilen aus dem Antragsprinzip zu bewahren. Die Fristbindung falle unter die Hinweispflicht, was sich aus der vorzitierten Entscheidung des Bundessozialgerichts ergebe. Denn nach dieser Entscheidung sei die Behörde gegenüber den Versicherten zu dem Hinweis verpflichtet, dass ein Antrag auf Regelaltersrente wegen Erreichens der Altersgrenze innerhalb der Drei-Monats-Frist gestellt werden müsse, um den frühestmöglichen Rentenbeginn zu erreichen. Den Beklagten treffe die gleiche Pflicht, da er an die Stelle des gesetzlichen Rentenversicherungsträgers trete, weshalb der Rechtsgedanke des § 115 Abs. 6 Satz 1 SGB IV jedenfalls übertragbar sei. Wenn bereits eine Hinweispflicht auf die Fristgebundenheit eines Antrages bestehe, sofern eine Verfristung sich nur auf einen späteren (leicht verkürzten) Zahlungsanspruch beziehe, müsse dies erst recht für die hier in Rede stehende Frist für die Beantragung einer Rentenabfindung gelten, da es sich bei dieser Frist um eine Ausschlussfrist handele. Der pauschale Hinweis des Beklagten auf § 20 ABH genüge nicht; auf die Ausschlussfrist hätte gesondert hingewiesen werden müssen. Ihm – dem Kläger – könne nicht abverlangt werden, selbst in der Satzung des Beklagten nachzulesen, auch wenn er als pensionierter Zahnarzt Mitglied des Beklagten sei. Denn er beziehe selbst eine Rente und habe sich folglich zum streitgegenständlichen Zeitpunkt nicht mehr mit Antragsfristen zum Rentenbezug beschäftigen müssen. Zudem habe der Beklagte mit dem Schreiben vom 19. Juli 2018 und den damit übersandten Anlagen „den Eindruck einer umfassenden Information erweckt“, auf deren Vollständigkeit er – der Kläger – sich verlassen habe. Der Satz „Falls Sie hiervon Gebrauch machen möchten, erstellen wir Ihnen gern ein entsprechendes Angebot.“ habe ihn „davon abgelenkt“, Überlegungen anzustellen, bis zu welchem Zeitpunkt die Möglichkeit einer Rentenabfindung bestehe. Spätestens nach der Bitte, ein Angebot zu erstellen, sei der Beklagte gehalten gewesen, auf die Ausschlussfrist hinzuweisen. Dies habe er nicht getan und ihn vielmehr „in die Ausschlussfrist ‚hineinlaufen‘ lassen“. Des Weiteren sei nicht außer Acht zu lassen, dass der Hinweis des Beklagten auf § 20 bzw. § 21 ABH drei Wochen nach dem Tod seiner Ehefrau erfolgt sei. Zu diesem Zeitpunkt habe ihn anderes bewegt, als die angegebenen Satzungsbestimmungen nachzulesen. In Bezug auf seine eigene Rente habe der Beklagte jedenfalls mit Schreiben vom 7. August 2017 darauf hingewiesen, dass der Antrag auf Rentenabfindung innerhalb von zwei Monaten vor Rentenbeginn zu stellen sei. Schließlich bestreitet er (der Kläger), dass er bei seinem Anruf am 20. August 2018 bei seiner Bitte um Berechnung der Abfindung den § 20 ABH genannt habe; nichts Anderes ergebe sich auch aus dem Telefonvermerk des Beklagten, in dem lediglich stehe „Bittet um Berechnung der Witwerrentenabfindung“.

In Bezug auf seine Hilfsanträge meint er, der Beklagte sei verpflichtet gewesen, seiner Aufforderung nachzukommen, ihm zu bestätigen, dass für den Fall einer rechtskräftigen Abweisung eines Renten- bzw. Rententeilabfindungsanspruchs die Witwerrente ab Juli 2018 nachgezahlte werde, ohne sich auf Antragserfordernisse, Antragsfristen, Ausschlussfristen oder Verjährungsfristen zu berufen. Der von ihm selbst an den Beklagten zurücküberwiesene Betrag von 10.975,92 € sei noch immer offen. Warum der Beklagte nicht jedenfalls den Betrag i. H. v. 449,58 € monatlich zahle, der auch im Falle einer Rentenabfindung zu zahlen sei, erkläre dieser nicht.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte zu verpflichten, eine Rentenabfindung in Höhe von 153.193,78 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB ab dem 15. Februar 2019 an ihn zu zahlen, nebst einer monatlichen Witwerrente ab dem 1. Juli 2018 i. H. v. 449,58 €,

hilfsweise, die Beklagte zu verurteilen, an ihn 10.975,92 € und ab dem Monat April 2019 monatlich 1.371,99 € zu zahlen,

äußerst hilfsweise, die Beklagte zu verpflichten, ihm ab dem Monat April 2019 eine monatliche Witwerrente zu zahlen, die im Monat April 1.371,99 € ausmacht und auch etwaige zukünftige Rentenerhöhungen umfasst.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er meint, dass der Hinweis auf die entsprechenden Vorschriften der ABH ausreichend sei, um seinen Hinweispflichten nachzukommen. Aus diesen Normen ergebe sich die Fristgebundenheit eindeutig. Es sei auch zu berücksichtigen, dass der Kläger selbst Mitglied des Beklagten sei und eine eigene Altersrente nach der ABH erhalte. Ihm sei deshalb auch bekannt, dass die Versorgungsleistungen ab Antragstellung und nur auf schriftlichen Antrag gewährt würden. Der im Januar 2019 eingereichte Antrag sei verfristet und deshalb abzulehnen gewesen. Entschuldigungsgründe seien nicht vorgetragen. Der sozialrechtliche Herstellungsanspruch finde keine Anwendung auf das Verwaltungsrecht und damit auch nicht auf ihn – den Beklagten –, auch nicht analog. Eine planwidrige Regelungslücke bestehe nicht. Zudem habe er auch keine Pflichten aus § 25 VwVfG i. V. m. § 1 NVwVfG verletzt. Die Ausschlussfristen würden sich eindeutig aus der ABH ergeben und es bestehe keine Pflicht, auf diese hinzuweisen. Vielmehr bestehe eine Obliegenheit für Mitglieder, sich selbst über derartige Fristen zu informieren. Dies habe auch das Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil vom 8. März 1983 – 1 C 34/80 – so gesehen, in welchem es hervorgehoben habe, dass ein Fristversäumnis dann verschuldet sei, wenn der Betroffene nicht die Sorgfalt habe walten lassen, die für einen gewissenhaften, seine Rechte und Pflichten sachgerecht wahrnehmenden Beteiligten geboten und diesem nach den gesamten Umständen zumutbar sei. Hier lägen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass der Kläger bei Einhaltung dieser Sorgfalt von der Frist keine Kenntnis erlangt hätte. Vielmehr verfüge der Kläger als Mitglied des Beklagten über entsprechende Vorkenntnisse. Zudem sei er Akademiker, weshalb von ihm erwartet werden könne, dass er sich über das Bestehen von Antragsfristen im Klaren sei. Aufgrund des Anrufs des Klägers am 20. August 2018 habe er – der Beklagte – auch davon ausgehen dürfen, dass der Kläger Kenntnis über die Voraussetzungen der Renten- und Rentenabfindungszahlungen besitze. Ein „vernünftiger Antragsteller“ würde sich vor Antragstellung mit der Materie befassen und entsprechende Normen durchlesen. Letzteres sei auch erfolgt, da der Kläger bei seinem Anruf am 20. August 2018 ausdrücklich die Berechnung der Abfindung nach § 20 ABH verlangt habe. Hierzu könne die Mitarbeiterin des Beklagten, Frau C., als Zeugin vernommen werden.

Die Hilfsanträge sind nach Auffassung des Beklagten schon unzulässig, da der Kläger insoweit nicht beschwert sei. Dass der Anspruch Witwerrente bestehe, ergebe sich aus dem Bescheid vom 14. Februar 2019. Für die vorgerichtlich begehrte Zusicherung bestehe darüber hinaus auch keine Anspruchsgrundlage. Es sei davon ausgegangen worden, dass der Kläger aufgrund der Rücküberweisung bis zur endgültigen Klärung des Rechtsstreits zunächst auf Leistungen verzichten wolle. Da dies offenbar nicht so sei, werde nunmehr wieder an ihn die monatliche Rente i. H. v. 1.371,99 € geleistet.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und des beigezogenen Verwaltungsvorgangs Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage, über die die Kammer gemäß § 101 Abs. 2 VwGO ohne mündliche Verhandlung entscheiden kann, ist nicht begründet.

Der Kläger hat keinen Anspruch auf die begehrte Rentenabfindung nebst entsprechend geminderter Witwerrente und ist durch den rechtmäßigen Bescheid des Beklagten vom 14. Februar 2019 nicht in seinen Rechten verletzt (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).

Der Beklagte hat den Antrag des Klägers auf Zahlung einer Rentenabfindung zurecht abgewiesen, da die Antragstellung am 7. Januar 2019 verfristet erfolgte, womit der Anspruch gemäß § 20 Abs. 2 ABH ausgeschlossen ist. Nach dieser Vorschrift kann eine rentenberechtigte Witwe bzw. ein rentenberechtigter Witwer bis spätestens sechs Monate nach dem Tode des Mitgliedes die Rentenabfindung für Rentenansprüche, die aus Beitragszahlungen bis 31. Dezember 2004 resultieren, fordern. Die Ehefrau des Klägers ist am 29. Juni 2018 verstorben, womit die Frist am 30. Dezember 2018 um 0.00 Uhr abgelaufen war.

Das Versäumen der Antragsfrist ist auch nicht unbeachtlich.

Insoweit kann sich der Kläger nicht auf einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch berufen, weil dieser für das allgemeine Verwaltungsverfahrensrecht nicht gilt (vgl. BVerwG, Urteil vom 18. April 1997 – 8 C 38/95 –, juris; BVerwG, Urteil vom 24. März 1988 – 3 C 48/86 –, BVerwGE 79, 192-200, Rn. 21; Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, Urteil vom 22. Mai 2014 – 10 S 1719/13 –, Rn. 58, juris; Hessischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 1. November 2010 – 11 A 686/10 –, Rn. 36, juris; Ramsauer a. a. O., m. w. N).

Der Kläger ist auch nicht aufgrund eines Folgenbeseitigungsanspruches bzw. nach den Grundsätzen von Treu und Glauben (§ 242 BGB analog) unter Berücksichtigung des Rechtsgedankens des § 162 BGB so zu stellen, dass sich der Beklagte auf die versäumte Frist nach § 20 Abs. 2 ABH nicht berufen dürfte und den Antrag auf Witwerrentenabfindung als rechtzeitig gestellt gegen sich gelten lassen müsste (vgl. hierzu ausführlich: Ramsauer in: Kopp/Ramsauer, VwVfG, 19. Aufl., Rn. 25; NK-VwVfG/Rüdiger Engel/Mario Pfau, 2. Aufl. 2019, VwVfG § 25, Rn. 21 – 29, jeweils m. w. N.).

Hierfür bedürfte es jeweils einer (Beratungs-)Pflichtverletzung des Beklagten. Eine solche liegt hier aber nicht vor. Es kann deshalb dahingestellt bleiben, welche der beiden genannten Anspruchsgrundlagen dem Grunde nach in Betracht käme.

Eine Auskunftspflichtverletzung im Sinne des § 25 Abs. 1 Satz 2 VwVfG i. V. m. § 1 NVwVfG liegt deshalb nicht vor, weil der Kläger nicht um eine Auskunft über mögliche Ausschlussfristen gebeten hatte (dies hätte er beispielsweise telefonisch oder schriftlich nach der Angebotsübersendung durch den Beklagten machen können). § 25 Abs. 1 Satz 2 VwVfG setzt ein solches Auskunftsverlangen jedoch zwingend voraus und kann daher nicht zur Begründung eines (vermeintlichen) Belehrungserfordernisses herangezogen werden (vgl. Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht, Beschluss vom 14. Januar 2014 – 7 MS 103/13 –, Rn. 41, juris).

Auch aus § 25 Abs. 1 Satz 1 VwVfG i. V. m. § 1 NVwVfG ergibt sich nichts Anderes. Danach soll die Behörde die Abgabe von Erklärungen, die Stellung von Anträgen oder die Berichtigung von Erklärungen oder Anträgen anregen, wenn diese offensichtlich nur versehentlich oder aus Unkenntnis unterblieben oder unrichtig abgegeben oder gestellt worden sind. Die Vorschrift soll nach Möglichkeit verhindern, dass die Verwirklichung von Rechten an der Unkenntnis, Unerfahrenheit und Unbeholfenheit im Umgang mit Behörden scheitert (BVerwG, Urteil vom 22. Oktober 1993 – 6 C 10/92 –, Rn. 27, juris). Es ist nicht offensichtlich, dass die rechtzeitige Antragstellung des Klägers nur versehentlich oder aus Unkenntnis unterblieben ist. Dies wäre dann anzunehmen, wenn es sich dem Beklagten hätte aufdrängen müssen, dass der Kläger keine Kenntnis von der Ausschlussfrist in § 20 Abs. 2 ABH hatte (vgl. hierzu auch: Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht, Beschluss vom 14. Januar 2014, a. a. O., das im dort streitgegenständlichen Fall für eine Verpflichtung zu einer unaufgeforderten Information voraussetzte, dass es für die betroffene Behörde „offensichtlich gewesen wäre, dass sich die Antragstellerin in einem Irrtum darüber befand, dass die Abgabe einer fristgerechten behördlichen Stellungnahme keinen vollwertigen Ersatz für die Erhebung einer fristgerechten Einwendung darstellte“). Dies war hier nicht der Fall. Dabei ist auf einen durchschnittlichen Bediensteten abzustellen. Nur wenn für einen durchschnittlichen Bediensteten der Mangel ohne Weiteres erkennbar war, sich also dem zuständigen Beamten die Notwendigkeit einer Nachfrage geradezu aufdrängte, war es offensichtlich, dass eine Erklärung oder ein Antrag nur versehentlich oder aus Unkenntnis unterblieben sind. Dabei setzt Offensichtlichkeit nicht die Sinneswahrnehmung des Fehlers voraus; dieser kann auch durch Nachdenken oder logische Schlussfolgerungen bemerkt werden (HK-VerwR/Kyrill-Alexander Schwarz, 4. Aufl. 2016, VwVfG § 25, Rn. 19). Es darf nicht „sehenden Auges“ zugelassen werden, dass ein Antragsteller einen Schaden erleidet, der durch einen kurzen Hinweis, eine Beratung mit wenigen Worten oder eine entsprechende Auskunft zu vermeiden wäre (NK-VwVfG/Rüdiger Engel/Mario Pfau, a. a. O., Rn. 26).

Einem durchschnittlichen Bediensteten des Beklagten musste es sich nicht aufdrängen, nachzufragen, ob der Kläger die Antragsfrist für die Beantragung einer Witwerrentenabfindung kennt. Der Kläger war auf die maßgebliche Vorschrift des § 20 ABH hingewiesen worden, weshalb ein durchschnittlicher Bediensteter davon ausgehen durfte, dass der Kläger diese Vorschrift auch liest. Die Vorschrift ist nicht besonders lang oder kompliziert, sodass auch unter diesem Gesichtspunkt keine weiteren Hinweise des Beklagten notwendig waren. Einem Akademiker und zudem Mitglied des Beklagten dürfte sich der § 20 ABH leicht erschließen. Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass der Beklagte es „sehenden Auges“ zugelassen hätte, dass der Kläger aus Unkenntnis seinen Antrag auf Rentenabfindung nicht rechtzeitig gestellt hat. Dagegen spricht insbesondere, dass es im vorliegenden Fall darum ging, ob der Kläger von seinem Wahlrecht zwischen Witwerrente und Witwerrentenabfindung Gebrauch macht. Nur für den Fall, dass er das Rentenabfindungsangebot des Beklagten annehmen wollte, musste er innerhalb einer bestimmten Frist einen entsprechenden Antrag stellen. Wollte er es dagegen bei der Witwerrente belassen, musste er nichts weiter unternehmen, denn die Witwerrente war ja bereits bewilligt worden. Ein durchschnittlicher Bediensteter des Beklagten konnte somit auch annehmen, dass der Kläger weiterhin die Witwerrente beziehen wollte und deshalb innerhalb der vorgesehenen Frist keinen Antrag auf Rentenabfindung stellte. Es ist dabei auch zu berücksichtigen, dass der Kläger nicht einfach eines Anspruches „verlustig“ geworden ist, sondern nur des Wahlrechts zwischen zwei Ansprüchen. Insofern musste sich für den Beklagten auch nicht aufdrängen, dass der Kläger sich deshalb nicht innerhalb der Frist äußerte, weil er keine Kenntnis von der Antragsfrist hatte. Welcher Anspruch für ihn persönlich günstiger ist, hängt von vielen Faktoren ab, die nur der Kläger selbst beurteilen kann (z. B. die voraussichtliche Lebenserwartung, auch unter Berücksichtigung seines allgemeinen Gesundheitszustandes oder eine möglicherweise bestehende Insolvenz, die gegen die Wahl eines Abfindungsanspruches sprechen könnte). Vor diesem Hintergrund musste der Beklagte das Verstreichenlassen der Ausschlussfrist nicht dahingehend bewerten, dass der Kläger den Ablauf der Frist aus Unkenntnis hat verstreichen lassen. Vielmehr konnte er dies auch als Entscheidung gegen den Rentenabfindungsanspruch auffassen bzw. als Ergebnis eines langen Entscheidungsprozesses in Abwägung aller Vor- und Nachteile. Aus dem Verwaltungsvorgang oder aus dem Vorbringen im Klageverfahren konnte die Kammer keinen Anhalt dafür erkennen, dass der Beklagte davon ausgegangen wäre, dass der Kläger nicht über die Antragsfrist hinsichtlich des Rentenabfindungsanspruches im Bilde war und sich nur deshalb nicht fristgerecht geäußert hätte.

Es ist Angelegenheit des Klägers, sich darüber zu informieren, welche Rechte und Ansprüche ihm im konkreten Fall zustehen. Als langjähriges Mitglied des Beklagten muss ihm die Existenz der Satzung bekannt sein, auf deren §§ 20 und 21 er auch im Schreiben vom 19. Juli 2018 explizit hingewiesen wurde, zumal nach Kenntnis der Kammer jedes Mitglied zu Beginn der Mitgliedschaft ein Satzungsheft erhält und sämtliche Änderungen im Internet zusammen mit der aktuell gültigen Fassung bekanntgegeben werden (vgl. hierzu auch: VG München, Urteil vom 23. Februar 2012 – M 12 K 11.4740 –, Rn. 40, juris). Es hätte sich dem Kläger zudem aufdrängen müssen, dass die Auswahl zwischen einer Witwerrente und einer Abfindung fristgebunden sein muss. Denn andernfalls hätte der Beklagte keine Planungssicherheit. Zudem bestünde die Möglichkeit, dass Witwen/ Witwer, die zunächst eine Witwen-/Witwerrente beziehen, lange Zeit nach Eintritt des Versorgungsfalls noch einen Abfindungsantrag stellen, weil sich zum Beispiel ihre ursprüngliche Lebensplanung nicht mehr verwirklichen lässt, da sie schwer erkrankt sind und eine Rentenabfindung sich für sie deshalb günstiger darstellt. Dass eine solche Möglichkeit nicht existieren kann, liegt auf der Hand. Der Kläger hat im Übrigen selbst ausgeführt, dass der Beklagte ihn (etwa ein Jahr vor dem Tod seiner Ehefrau) schriftlich darauf hingewiesen habe, dass im Rahmen seiner Verrentung ein Rentenabfindungsanspruch binnen zwei Monaten vor Rentenbeginn geltend zu machen sei. Demnach verwundert es umso mehr, dass er vorgibt, ihm sei das Bestehen einer Ausschlussfrist nicht bekannt gewesen. Im vorliegenden Fall ist auch zu berücksichtigen, dass es sich bei der Sechs-Monats-Frist um eine relativ lange Frist handelt (auch im Zeitpunkt des Schreibens der Beklagten vom 21. August 2018 hatte der Kläger noch mehr als vier Monate Zeit, um den Antrag fristgemäß zu stellen). Diese lange Frist soll offensichtlich gerade berücksichtigen, dass sich die betroffene Person in einer Situation der Trauer befindet und ihr deshalb eine lange Zeitperiode einräumen, während derer sie sich über ihre Ansprüche und deren Voraussetzungen informieren kann, um den für sich (wahrscheinlich) günstigsten Anspruch auszuwählen. Die diesbezügliche Argumentation des Klägers vermag deshalb nicht zu verfangen.

Soweit der Kläger behauptet, er sei durch den Beklagten in die Irre geführt worden, der Satz im Schreiben vom 19. Juli 2018 „Falls Sie hiervon (den einfach nicht abzubringen Angebot auf Rentenabfindung, Anmerkung des Gerichts) Gebrauch machen möchten, erstellen wir Ihnen gern ein entsprechendes Angebot.“ habe bei ihm den Eindruck erweckt, er habe nichts weiter zu beachten, überzeugt die Kammer dies nicht. Der Satz ist lediglich wertneutral dahingehend zu verstehen, dass der Beklagte für den Kläger im Interessensfalle eine Berechnung vornehmen wird, damit dieser für sich selbst eine Prüfung durchführen kann, was für ihn günstiger ist. § 25 Abs. 1 Satz 1 VwVfG i. V. m. § 1 NVwVfG begründet darüber hinaus keine Verpflichtung der Behörde, einen Antragsteller, der die ihm obliegenden Mitwirkungspflichten für die Inanspruchnahme von Leistungen der Verwaltung nicht innerhalb angemessener Zeit erfüllt, vor den durch seine Säumigkeit bedingten Risiken zu bewahren (vgl. hierzu auch: Hessischer Verwaltungsgerichtshof, Urteil vom 25. Februar 1985 – VIII OE 30/82 –, juris).

Eine Pflichtverletzung des Beklagten, mit der Folge, dass der Kläger die Fristversäumnis nicht gegen sich gelten lassen müsste, ergibt sich schließlich auch nicht aus § 115 Abs. 6 Satz 1 SGB VI. Nach dieser Vorschrift sollen die Träger der Rentenversicherung die Berechtigten in geeigneten Fällen darauf hinweisen, dass sie eine Leistung erhalten können, wenn sie diese beantragen. Diese betrifft Träger der Rentenversicherung i. S. d. SGB VI und nicht den Beklagten. Eine analoge Anwendung der Vorschrift scheitert schon daran, dass keine planwidrige Regelungslücke erkennbar ist. Hätte der Gesetzgeber die Vorschrift auf Versorgungswerke – wie den Beklagten – erweitern wollen, wäre dies mit Sicherheit ausdrücklich erfolgt.

Die gestellten Hilfsanträge sind bereits unzulässig, da wegen des bestehenden Anspruchs aus dem Bescheid vom 14. Februar 2018 kein Rechtsschutzbedürfnis besteht. Der Kläger muss sich auch vorhalten lassen, dass er selbst das Geld zurücküberwiesen hat, ohne dass hierfür ein Grund erkennbar wäre. Die Zahlungen wären im Obsiegensfalle auf den Rentenabfindungsanspruch anzurechnen gewesen, ohne dass für den Kläger irgendwelche Nachteile entstanden wären. Die laufende Wittwerrente i. H. v. 1.371,99 € wird unstreitig gezahlt und der Beklagte bestreitet nicht, dass der Anspruch in Höhe der Rücküberweisung von 10.975,92 € besteht. Es ist Sache des Klägers den letztgenannten Anspruch gegenüber dem Beklagten geltend zu machen, um beispielsweise einer möglichen Verjährung entgegenzuwirken.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit § 708 Nr. 11 und § 711 Satz 1 und 2 ZPO.