Verwaltungsgericht Lüneburg
Beschl. v. 24.07.2001, Az.: 4 B 76/01

Abschiebungshindernisse; Aufenthaltsgenehmigung; Homosexualität; Kosovo

Bibliographie

Gericht
VG Lüneburg
Datum
24.07.2001
Aktenzeichen
4 B 76/01
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2001, 39845
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

kein Abschiebungshindernis für Homosexuelle

Gründe

1

Der Antragsteller begehrt einstweiligen Rechtsschutz gegen die Ablehnung seines Antrages auf Erteilung einer Aufenthaltsgenehmigung durch den Antragsgegner.

2

Der Antrag hat keinen Erfolg.

3

Soweit der Antragsteller gem. § 80 Abs. 5 VwGO die Anordnung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs gegen den den Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsgenehmigung ablehnenden Bescheid des Antragsgegners vom 28. Mai 2001 begehrt, ist der Antrag nicht zulässig. Nach überwiegender Auffassung in Rechtsprechung und Literatur kommt nach Ablehnung einer beantragten Aufenthaltsgenehmigung als statthafte Antragsart § 80 Abs. 5 VwGO nur dann in Betracht, wenn der Antrag auf Erteilung der Aufenthaltsgenehmigung ein fiktives Aufenthalts- bzw. Bleiberecht nach § 69 Abs. 2 oder 3 AuslG ausgelöst hat. Denn die mit der Antragstellung entstehenden Fiktionen sind Vergünstigungen, die durch die Ablehnung entfallen. Ist dagegen keine Fiktionswirkung eingetreten, besteht keine Rechtsposition, die im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes nach § 80 Abs. 5 VwGO gesichert werden müsste. Einstweiliger Rechtsschutz kommt in diesen Fällen nur nach § 123 VwGO in Betracht (vgl. Hailbronner, Ausländerrecht, Kommentar, Stand: März 2001, § 69 Rn. 66; Renner, Ausländerrecht, Kommentar, 7. Auflage, § 69 Rn. 17 jeweils mit weiteren Nachweisen; Hessischer VGH, Beschl. v. 26.3.1998 - 6 ZT 4017/97 -, DVBl. 1998, 1033). Hier ist der Antragsteller mit Bescheid des Antragsgegners vom 12. November 1996 bestandskräftig ausgewiesen worden. Insofern konnte sein Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsgenehmigung gem. § 69 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 AuslG kein fiktives Aufenthalts- oder Bleiberecht auslösen, so dass der von ihm ausdrücklich beantragte Eilrechtsschutz nach § 80 Abs. 5 VwGO nicht statthaft ist.

4

Selbst wenn zugunsten des Antragstellers davon ausgegangen werden würde, dass er hilfsweise einen Antrag nach § 123 VwGO gestellt hätte, wäre dieser zwar zulässig, aber nicht begründet. Hinsichtlich eines auf Sicherung eines Aufenthaltsgenehmigungsanspruchs gerichteten Antrages würde der erforderliche Anordnungsgrund fehlen. Aus der Systematik der §§ 8, 9, 62 Abs. 2 und 3, 71 Abs. 2 AuslG folgt, dass die Durchsetzung der Verpflichtung zur Ausreise nicht schon als Vereitelung oder wesentliche Erschwerung der Rechtsverfolgung angesehen werden kann. Der visumspflichtige Ausländer soll das Visum grundsätzlich vom Ausland her beantragen. Dies gilt erst recht für den vorliegenden Fall, in dem eine unanfechtbare Ausweisungsverfügung vorliegt. Denn einem ausgewiesenen Ausländer wird, solange die Wirkungen der Ausreise nicht befristet worden sind, auch bei Vorliegen eines Anspruchs keine Aufenthaltsgenehmigung erteilt.

5

Auch wenn zugunsten des Antragstellers sein Rechtsschutzbegehren dahingehend ausgelegt werden würde, ihm hilfsweise ein vorläufiges Bleiberecht zur Sicherung eines Anspruchs auf Erteilung einer Duldung gem. § 55 Abs. 1 AuslG zu gewähren, würde zwar ein Anordnungsgrund, aber kein Anordnungsanspruch vorliegen. Denn die Abschiebung des Antragstellers ist weder aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen unmöglich noch nach § 53 Abs. 6 bzw. § 54 AuslG auszusetzen.

6

In Bezug auf die Lebensgemeinschaft des Antragstellers mit Herrn R. P. käme lediglich Art. 8 EMRK in Betracht, wonach jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens hat. Art. 6 Abs. 1 GG gilt dagegen nicht für die gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaft. Ein Anspruch auf Aufenthalt und Einreise lässt sich aus Art. 8 EMRK jedoch grundsätzlich nicht herleiten. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat ausgeführt, dass aus Art. 8 EMRK nicht die Pflicht eines Konventionsstaates folge, die von einem Ehepaar getroffene Wahl des gemeinsamen Wohnsitzes zu achten und Ehegatten, die nicht die Nationalität des Vertragsstaates haben, den Aufenthalt zu ermöglichen (EGMR, Urt. v. 28.05.1985 - 15/1983/71/107 -109 - Fall Abdulaziz -, NJW 1986, 3007). Das Ausmaß der staatlichen Verpflichtung, Verwandte der ansässigen Einwanderer in das Staatsgebiet immigrieren zu lassen, hänge vielmehr von den besonderen Umständen der betroffenen Personen ab (EGMR, Urt. v. 28.05.1985, a.a.O.). Diese für den Schutzbereich des Familienlebens entwickelten Grundsätze gelten in entsprechender Weise für den des Privatlebens. Die Abschiebung des ausländischen Partners einer gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaft verletzt daher nur dann das Recht auf Achtung des Privatlebens, wenn das Paar andernorts nicht leben kann und die Verbindung mit dem Abschiebestaat ein wesentliches Element der Beziehung ist (Hessischer VGH, Beschl. v. 1.8.1997 -7 TZ 1535/97-, InfAuslR 1998, 50; siehe auch: BVerwG, Urt. v. 27.2.1996 - BVerwG 1 C 41.93 -, InfAuslR 1996, 294). Davon ist hier nicht auszugehen. Der Antragsteller ist jugoslawischer Staatsangehöriger albanischer Volkszugehörigkeit und stammt aus dem Kosovo. Wie das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge in seinem Bescheid vom 25. Juni 2001 ausgeführt hat, gibt es dort keine Gesetze (mehr), die Homosexualität und deren Praktizierung mit Strafe bedrohen. Ebenso wenig stellt Homosexualität einen Anlass für Blutrache dar (vgl. Auswärtiges Amt, Lagebericht vom 8.5.2001 und Auskunft vom 15.8.1997 an VG Ansbach; Institut für Ostrecht - München -, Gutachten vom 29.7.1997 an VG Ansbach). Der Antragsteller könnte daher grundsätzlich auch im Kosovo mit seinem Partner zusammenleben und ist nicht darauf angewiesen, die Partnerschaft gerade in Deutschland zu führen, so dass Art. 8 EMRK einer Abschiebung nicht entgegen steht.

7

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf §§ 20 Abs. 3, 13 Abs. 1 GKG.