Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 29.10.1993, Az.: 8 L 4327/91
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 29.10.1993
- Aktenzeichen
- 8 L 4327/91
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1993, 13752
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OVGNI:1993:1029.8L4327.91.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG Oldenburg (Oldenburg) 20.03.1989 - 5 OS A 552/88
- nachfolgend
- BVerwG - 20.04.1994 - AZ: BVerwG 9 B 77/94
- BVerwG - 05.07.1994 - AZ: BVerwG 9 C 158/94
Tenor:
Auf die Berufung der Kläger wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Oldenburg - 5. Kammer Osnabrück - vom 20. März 1989 geändert:
Der Bescheid des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 22. Juli 1988 wird aufgehoben. Die Beklagte zu 1) wird verpflichtet, die Kläger als Asylberechtigte anzuerkennen und festzustellen, daß im Falle der Kläger die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG vorliegen.
Im übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Die außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 2) tragen die Kläger; die Beklagte zu 1) trägt die außergerichtlichen Kosten der Kläger zu drei Vierteln. Im übrigen tragen die Beteiligten ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Dem jeweiligen Kostenschuldner wird nachgelassen, die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe des beizutreibenden Betrages abzuwenden.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Der am 1. Februar 1963 in Barane/Kreis Pec (Kosovo) geborene Kläger zu 1) und die am 6. Februar 1959 in Drenovac/Kreis Klina (Kosovo) geborene Klägerin zu 2) sind jugoslawische Staatsangehörige albanischer Volkszugehörigkeit. Sie sind die Eltern der in den Jahren 1980, 1982, 1983, 1985 und 1986 geborenen Kläger zu 3) bis 7). Die Familie lebte vor ihrer Ausreise am 23. November 1986 in Barane/Kreis Pec in der serbischen Provinz Kosovo. Die Klägerin zu 2) hatte bereits nach einer früheren Ausreise aus Jugoslawien am 10. Dezember 1981 in der Bundesrepublik Deutschland einen Asylantrag gestellt, den das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge mit Bescheid vom 23. März 1982 ablehnte; daraufhin war die Klägerin zu 2) am 24. Juni 1982 nach Jugoslawien zurückgekehrt. Einen zweiten Asylantrag stellte die Klägerin zu 2) am 31. Oktober 1985, den sie jedoch durch Erklärung vom 15. Januar 1986 wieder zurücknahm; sie reiste anschließend am 22. Januar 1986 nach Jugoslawien zurück.
Nach ihrer gemeinsamen Einreise am 24. November 1986 in die Bundesrepublik Deutschland beantragten die Kläger am 28. November 1986 bzw. am 10. Dezember 1986 ihre Anerkennung als Asylberechtigte. Zur Begründung gaben sie an, daß der Kläger zu 1) wiederholt in der serbischen Provinz Kosovo an politischen Demonstrationen beteiligt gewesen sei. Nach einer derartigen Demonstration im Jahre 1983 sei der Kläger zu 1) für drei Monate festgenommen worden. Er habe sich anschließend ein Jahr in Haft befunden. Nach seiner Freilassung habe er erneut an Demonstrationen teilgenommen. Er sei mit anderen Demonstranten verhaftet worden und habe anschließend sechs Monate Untersuchungshaft verbüßen müssen. Im Herbst 1985 sei er durch ein Gericht zu einer Gefängnisstrafe von vier Jahren verurteilt worden. Im Januar 1986 sei es ihm während eines Freiganges gelungen, aus der Haft zu fliehen. Bei dem anschließenden Versuch, mit einem gefälschten Paß die Grenze nach Österreich zu überschreiten, sei er gefaßt und zu einer Freiheitsstrafe von knapp drei Wochen verurteilt worden. Im Anschluß an diese Strafe habe er sich zu Hause einen neuen Paß beschaffen wollen. Der Polizei sei jedoch schon bekannt gewesen, daß er aus dem Gefängnis ausgebrochen sei. Deshalb sei er erneut verhaftet und ins Gefängnis zurückgebracht worden. Einen Hafturlaub im November 1986 habe er gemeinsam mit der Familie zur Flucht genutzt.
Bei der Anhörung im Rahmen der Vorprüfung durch das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge am 11. Januar 1988 führte der Kläger zu 1) weiter aus: Er sei von Mai 1985 bis zum 18. November 1986 ununterbrochen im Gefängnis gewesen. Nur ausnahmsweise habe er in Begleitung von Polizeibeamten für etwa zwei bis drei Tage nach Hause gehen dürfen. Schon 1983 habe er an mehreren Demonstrationen teilgenommen. Seit 1982 habe er mit seiner Familie in dem Dorf Barane im Kreis Pec gewohnt, wo auch sein Großvater gelebt habe. In diesem Dorf hätte die Familie ein Haus aus Lehmziegeln modernisiert und sich dort niedergelassen. Bis zu seiner erneuten Ausreise in die Bundesrepublik Deutschland 1986 sei er arbeitslos gewesen. Im Kosovo gebe es zwar viele Fabriken, aber Albaner bekämen dort keine Arbeit. Sein Großvater besitze Land, welches die Familie bebaut habe; man habe von dem Verkauf der Ernte gelebt. Die Klägerin zu 2) hat bei ihrer Anhörung am gleichen Tage angegeben, daß der Kläger zu 1) nach ihrer ersten Rückkehr aus Jugoslawien im Jahr 1982 fünf Jahre lang ununterbrochen inhaftiert gewesen sei. Während dieses Zeitraums sei er fünf- oder sechsmal mit gefesselten Händen von Polizisten nach Hause gebracht worden; gelegentlich sei er auch für einige Tage aus der Haft entlassen worden.
Das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge lehnte die Asylanträge der Kläger mit Bescheid vom 22. Juli 1988 ab. Daraufhin forderte der Beklagte zu 2) die Kläger zu 1) und 2) mit Bescheid vom 18. Oktober 1988 zur Ausreise auf und drohte ihnen die Abschiebung an.
Die Kläger haben am 26. Oktober 1988 Klage erhoben und ihr Asylbegehren weiterverfolgt. Ihr Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes blieb ohne Erfolg (VG Oldenburg, Beschl. v. 30. 11. 1988 - 5 OS VG D 270/88 -, OVG Lüneburg, Beschl. v. 29. 12. 1988 - 11 OVG B 1115/88 -).
Die Kläger haben beantragt,
die Beklagte zu 1) unter Aufhebung des Bescheides vom 22. Juli 1988 zu verpflichten, sie als Asylberechtigte anzuerkennen, und den Bescheid des Beklagten zu 2) vom 18. Oktober 1988 aufzuheben.
Die Beklagten haben beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der beteiligte Bundesbeauftragte für Asylangelegenheiten hat keinen Antrag gestellt.
Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit Urteil vom 20. März 1989 abgewiesen und zur Begründung dargelegt, daß die Kläger eine politisch motivierte Verfolgung nicht glaubhaft gemacht hätten. Ihr Vorbringen sei durch zahlreiche Widersprüche im Verwaltungsverfahren wie auch im gerichtlichen Verfahren gekennzeichnet. Die Kläger seien niemals irgendeiner Verfolgungsmaßnahme ausgesetzt gewesen.
Gegen diese ihnen am 29. Mai 1989 zugestellte Entscheidung richtet sich die vom Verwaltungsgericht zugelassene, am 27. Juni 1989 eingegangene Berufung der Kläger, mit der sie geltend machen, daß sie einer Verfolgungsgefahr in Jugoslawien ausgesetzt seien. Insoweit habe das Verwaltungsgericht zu Unrecht Beweisangebote der Kläger außer acht gelassen. Darüber hinaus hätte der Beklagte zu 2) Abschiebungshindernisse in der Person der Kläger prüfen müssen.
Die Kläger beantragen,
das Urteil des Verwaltungsgerichts Oldenburg - 5. Kammer Osnabrück - vom 20. März 1989 zu ändern, nach ihrem Klageantrag zu erkennen und die Beklagte zu 1) zu verpflichten, festzustellen, daß im Falle der Kläger die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG vorliegen.
Die Beklagten zu 1) und 2) und der Beteiligte stellen keine Anträge.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten sowie auf die Verwaltungsvorgänge der Beklagten zu 1) und 2) Bezug genommen.
Der Senat hat das folgende Erkenntnismaterial zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht und bei der Urteilsfindung berücksichtigt:
1) 21. 01. 1991 Auswärtiges Amt, Lagebericht Jugoslawien
2) 20. 05. 1991 Auswärtiges Amt, Lagebericht Jugoslawien
3) 19. 12. 1991 Auswärtiges Amt, Lagebericht Jugoslawien
4) 31. 03. 1992 Auswärtiges Amt, Lagebericht Jugoslawien
5) 28. 07. 1992 Auswärtiges Amt, Lagebericht Serbien/Montenegro
6) 18. 12. 1992 Auswärtiges Amt, Lagebericht Serbien/Montenegro
7) 08. 06. 1993 Auswärtiges Amt, Lagebericht Serbien/Montenegro
8) 01. 04. 1993 Auswärtiges Amt, Lagebericht Kroatien
8a) 27. 08. 1993 Auswärtiges Amt, Lagebericht Kroatien
9) 16. 07. 1992 Auswärtiges Amt, Lagebericht Bosnien und Herzegowina
10) 26. 05. 1993 Auswärtiges Amt, Lagebericht Bosnien und Herzegowina
11) 14. 07. 1992 Auswärtiges Amt, Lagebericht Slowenien
12) 18. 12. 1992 Auswärtiges Amt, Lagebericht Slowenien
12a) 04. 08. 1993 Auswärtiges Amt, Lagebericht Slowenien
13) 16. 07. 1992 Auswärtiges Amt, Lagebericht Mazedonien
14) 01. 04. 1993 Auswärtiges Amt, Lagebericht Mazedonien
15) 21. 07. 1993 Auswärtiges Amt, Lagebericht Mazedonien
16) 01. 10. 1992 Auswärtiges Amt, Lagebericht Albanien
17) 01. 04. 1993 Auswärtiges Amt, Lagebericht Albanien
17a) 09. 08. 1993 Auswärtiges Amt, Lagebericht Albanien
18) 17. 01. 1991 Auswärtiges Amt, an VG Hannover
19) 02. 05. 1991 Auswärtiges Amt, an VG Köln
20) 04. 06. 1991 Auswärtiges Amt, an VG Köln
21) 16. 07. 1991 Auswärtiges Amt, an VG Köln
22) 17. 07. 1991 Auswärtiges Amt, an VG Köln
23) 22. 07. 1991 Auswärtiges Amt, an VG Köln
24) 19. 09. 1991 Auswärtiges Amt, an VG Braunschweig
25) 15. 11. 1991 Auswärtiges Amt, an Nds. Ministerium des Innern
26) 03. 04. 1992 Auswärtiges Amt, an VG Köln
27) 01. 06. 1992 Auswärtiges Amt, an VG Stuttgart
28) 02. 06. 1992 Auswärtiges Amt, an VG Ansbach
29) 15. 06. 1992 Auswärtiges Amt, an VG Köln
30) 17. 06. 1992 Auswärtiges Amt, an VG Köln
31) 17. 06. 1992 Auswärtiges Amt, an VG Köln
32) 25. 08. 1992 Auswärtiges Amt, an VG Köln
33) 01. 09. 1992 Auswärtiges Amt, an VG Ansbach
34) 03. 09. 1992 Auswärtiges Amt, an VG Stade
35) 06. 10. 1992 Auswärtiges Amt, an VG Berlin
36) 12. 10. 1992 Auswärtiges Amt, an VG Stade
37) 09. 02. 1993 Auswärtiges Amt, an VG Wiesbaden
38) 15. 02. 1993 Auswärtiges Amt, an VG Köln
39) 25. 02. 1993 Auswärtiges Amt, an VG Hannover
40) 25. 02. 1993 Auswärtiges Amt, an VG Köln
41) 25. 02. 1993 Auswärtiges Amt, an VG Köln
42) 27. 04. 1993 Auswärtiges Amt, an VG Sigmarinen
43) 27. 04. 1993 Auswärtiges Amt, an VG Köln
44) 03. 06. 1993 Auswärtiges Amt, an VG Sigmaringen
45) 03. 06. 1993 Auswärtiges Amt, an VG Ansbach
46) 29. 06. 1993 Auswärtiges Amt, an VG Ansbach
47) 05. 07. 1993 Auswärtiges Amt, an VG Stuttgart
48) 05. 07. 1993 Auswärtiges Amt, an VGH Mannheim
49) 09. 07. 1993 Auswärtiges Amt, an VG Köln
50) 15. 06. 1992 UNHCR an RP Karlsruhe
51) 17. 06. 1992 UNHCR an BMI
52) 24. 07. 1992 UNHCR an VG Ansbach
53) 09. 12. 1992 UNHCR an VG Ansbach
54) 09. 12. 1992 UNHCR an Rechtsanwältin Groos
55) 17. 12. 1992 UNHCR an alle Oberverwaltungsgerichte
56) 21. 04. 1993 UNHCR an alle Oberverwaltungsgerichte ("Mazowiecki-Bericht")
57) 03. 05. 1993 UNHCR an VG Köln
58) 06. 05. 1993 UNHCR an VG Ansbach
59) 12. 05. 1993 UNHCR an VG Ansbach
60) 20. 06. 1991 amnesty international an VG Stuttgart
61) 20. 06. 1991 a.i. an RP Stuttgart
62) 22. 05. 1991 a.i., Bericht betr. Polizeiübergriffe
63) 04. 07. 1991 a.i. an VG Köln
64) 05. 07. 1991 a.i. an VG Ansbach
65) 23. 03. 1992 a.i. an VG Köln
66) 23. 03. 1992 a.i. an VG Stuttgart
67) 23. 03. 1992 a.i. an VG Stuttgart
68) 23. 03. 1992 a.i. an VG Köln
69) 23. 03. 1992 a.i. an VG Ansbach
70) 23. 03. 1992 a.i. an VG Stuttgart
71) 23. 03. 1992 a.i. an VGH München
72) Juni 1992 a.i., Bericht betr. Folteropfer
73) 07. 08. 1992 a.i. an VG Ansbach
74) 20. 08. 1992 a.i. an VG Ansbach
75) 20. 08. 1992 a.i. an VG Köln
76) 20. 08. 1992 a.i. VG Ansbach
77) 20. 08. 1992 a.i. an VG Aasbach
78) 20. 08. 1992 a.i. an VG Ansbach
79) 24. 11. 1992 a.i. an VG Schleswig
80) 25. 11. 1992 a.i. an VG Ansbach
80a) 02. 02. 1993 a.i. Kosovo Province (Bericht)
81) 03. 02. 1993 a.i. an VG Ansbach
82) 05. 05. 1993 a.i. an VG Ansbach
83) 23. 06. 1993 a.i. VG Hannover
84) 15. 04. 1991 Osteuropa - Institut Berlin, Gutachten
84a) 06. 03. 1992 Osteuropa - Institut Berlin, Gutachten
85) 21. 10. 1991 Institut für Ostrecht München, Gutachten
86) 26. 06. 1992 Institut für Ostrecht München, Gutachten
87) 01. 12. 1992 Institut für Ostrecht München, Gutachten
88) Archiv der Gegenwart vom 14. 07. 1992
89) Archiv der Gegenwart vom 03. 03. 1993
90) Archiv der Gegenwart von 08. 04. 1993
91) amnesty international Jahresbericht 1992
92) amnesty international Jahresbericht 1993
93) Weltgeschehen IV/1992 (Jugoslawien)
94) "Ethnische Säuberung" - Völkermord für "Großserbien", Dokumentation der Gesellschaft für bedrohte Völker, 1993
94a) Bericht der Französischen Kommission "Justiz und Gerechtigkeit Kosovo" vom 30. 1. 1993
95) Süddeutsche Zeitung vom 27. 06. 1991
96) Die ZEIT vom 05. 07. 1991
97) Süddeutsche Zeitung vom 25. 07. 1991
98) Die ZEIT vom 04. 09. 1992
99) Süddeutsche Zeitung vom 08. 09. 1992
100) Der SPIEGEL vom 05. 10. 1992
101) Frankfurter Rundschau vom 16. 10. 1992
102) Nürnberger Nachrichten vom 23. 10. 1992
103) Süddeutsche Zeitung vom 27. 10. 1992
104) Die ZEIT vom 30. 10. 1992
105) Frankfurter Rundschau vom 31. 10. 1992
106) Neue Zürcher Zeitung vom 05. 11. 1992
107) Süddeutsche Zeitung vom 12. 11. 1992
108) Frankfurter Rundschau vom 12. 11. 1992
109) Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 16. 11. 1992
110) Die ZEIT vom 20. 11. 1992
111) tageszeitung vom 22. 12. 1992
112) Süddeutsche Zeitung vom 19. 01. 1993
113) Neue Zeit vom 16. 02. 1993
113a) Frankfurter Rundschau vom 16. 2. 1993
114) Süddeutsche Zeitung vom 02. 03. 1993
115) tageszeitung vom 07. 04. 1993
116) Neue Zürcher Zeitung vom 17. 4. 1993
117) Neue Zürcher Zeitung vom 19. 5. 1993
118) Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 28. 05. 1993
119) Frankfurter Rundschau vom 15. 06. 1993
120) Neue Zürcher Zeitung vom 24. 06. 1993
121) Das Parlament vom 25.06./02. 07. 1993
122) Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 05. 08. 1993
123) Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 18. 08. 1993
124) Süddeutsche Zeitung vom 26. 08. 1993
125) Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 9. 9. 1993
126) Kosova Information Center Kosova Daily Report vom 22. 9. 1193
II.
1. Die Berufung der Kläger ist zulässig und im Hinblick auf den Bescheid der Beklagten zu 1) vom 22. Juli 1988 begründet. Die Kläger sind als Asylberechtigte anzuerkennen; gleichzeitig ist festzustellen, daß in ihrem Fall die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG erfüllt sind. Hingegen bleibt die Berufung erfolglos, soweit das Verwaltungsgericht die Klage gegen den Beklagten zu 2) abgewiesen hat. Dessen Bescheid vom 18. Oktober 1988 ist rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten.
2. Gemäß Art. 16 Abs. 2 Satz 2 GG a.F. (= Art. 16 a Abs. 1 GG i.d.F. des Änderungsgesetzes vom 28. 6. 1993 - BGBl I S. 1002 -) genießen politisch Verfolgte Asylrecht. Dieses Individualgrundrecht kann in Anspruch nehmen, wer selbst - in seiner Person - politische Verfolgung erlitten hat, weil ihm in Anknüpfung an asylerhebliche Merkmale - wie die politische Überzeugung, die religiöse Grundentscheidung, die Volkszugehörigkeit oder andere unverfügbare Merkmale, die sein Anderssein prägen - in seinem Heimatstaat gezielt intensive und ihn aus der übergreifenden Friedensordnung des Staates ausgrenzende Rechtsverletzungen zugefügt worden sind oder unmittelbar gedroht haben (BVerfG, Beschl. v. 23. 1. 1991, BVerfGE 83, 216, 230 f; BVerfG, Beschl. v. 10. 7. 1989, BVerfGE 80, 315, 334 f). Dabei beschränkt sich der asylrechtliche Schutz nicht auf die Rechtsgüter Leib und Leben, sondern erfaßt auch Einschränkungen der persönlichen Freiheit; die hierin eingeschlossenen Rechte der ungehinderten beruflichen und wirtschaftlichen Betätigung lösen einen Asylanspruch freilich nur aus, wenn deren Beeinträchtigung nach ihrer Intensität und Schwere unter Mißachtung des Existenzminimums zugleich die Menschenwürde verletzen und über das hinausgehen, was die Bewohner des Herkunftsstaates allgemein hinzunehmen haben (BVerfG, Beschl. v. 24. 6. 1992 - 2 BvR 176/92 u.a. -; BVerfG, Beschl. v. 20. 5. 1992, NVwZ 1992, 1081; BVerwG, Urt. v. 18. 2. 1986, BVerwGE 74, 41, 47) [BVerwG 18.02.1986 - 9 C 104/85]. Ob eine asylerhebliche politische Verfolgung vorliegt, ob also die Verfolgung wegen eines Asylmerkmals im oben genannten Sinne erfolgt, ist anhand ihres inhaltlichen Charakters nach der erkennbaren Gerichtetheit der beeinträchtigenden Maßnahmen selbst zu beurteilen (BVerfG, Beschl. v. 10. 7. 1989, aaO, 335).
Die Gefahr eigener politischer Verfolgung eines Asylbewerbers kann sich nicht nur aus gegen ihn selbst, sondern auch aus gegen Dritte gerichteten Maßnahmen ergeben, wenn diese Dritten wegen eines asylerheblichen Merkmals verfolgt werden, das der Asylbewerber mit ihnen teilt, und wenn er sich in einer nach Ort, Zeit und Wiederholungsträchtigkeit mit ihnen vergleichbaren Lage befindet, so daß seine bisherige Verschonung von ausgrenzenden Rechtsgutverletzungen als eher zufällig anzusehen ist (BVerfG, Beschl. v. 23. 1. 1991, BVerfGE 83, 216, 231).
Sieht der Verfolger von individuellen Merkmalen gänzlich ab, weil seine Verfolgung der durch das gleiche asylerhebliche Merkmal gekennzeichneten und miteinander verbundenen Gruppe als solcher und damit grundsätzlich allen Gruppenmitgliedern gilt, so kann eine solche Gruppengerichtetheit der Verfolgung dazu führen, daß jedes Mitglied der Gruppe im Verfolgerstaat eigener Verfolgung jederzeit gewärtig sein muß. Die Annahme einer alle Gruppenmitglieder erfassenden gruppengerichteten Verfolgung setzt voraus, daß Gruppenmitglieder Rechtsgutsbeeinträchtigungen erfahren, aus deren Intensität und Häufigkeit jedes einzelne Gruppenmitglied die begründete Furcht herleiten kann, selbst alsbald ein Opfer solcher Verfolgungsmaßnahmen zu werden (BVerfG, Beschl. v. 23. 1. 1991, a.a.O., 231 f). Erforderlich ist insoweit, daß jedes im Verfolgungsgebiet lebende Gruppenmitglied nicht nur möglicherweise, latent oder potentiell, sondern wegen der Gruppenzugehörigkeit aktuell gefährdet ist, weil den Gruppenangehörigen insgesamt politische Verfolgung droht (BVerwG, Urt. v. 15. 5. 1990, BVerwGE 85, 139, 142) [BVerwG 15.05.1990 - 9 C 17/89]. Hierfür muß die Gefahr einer so großen Vielzahl von Eingriffshandlungen in asylrechtlich geschützte Rechtsgüter gegeben sein, daß es sich nicht mehr nur um vereinzelt bleibende individuelle Übergriffe oder um eine Vielzahl einzelner Übergriffe handelt; vielmehr müssen die Verfolgungshandlungen im Verfolgungszeitraum und im Verfolgungsgebiet auf alle sich dort aufhaltenden Gruppenmitglieder zielen und sich in quantitativer und qualitativer Hinsicht so ausweiten, wiederholen und um sich greifen, daß daraus für jeden Gruppenangehörigen nicht nur die Möglichkeit, sondern ohne weiteres die aktuelle Gefahr eigener Betroffenheit entsteht, weil auch keine verfolgungsfreien oder deutlich weniger gefährdeten Zonen und Bereiche (inländische Fluchtalternativen) vorhanden sind (BVerwG, Urt. v. 30. 10. 1984, BVerwGE 70, 232, 234) [BVerwG 30.10.1984 - 9 C 24/84].
Die unmittelbare Betroffenheit eines einzelnen durch gerade auf ihn zielende Verfolgungsmaßnahmen ebenso wie die Gruppengerichtetheit der Verfolgung sind allerdings nur Eckpunkte eines durch fließende Übergänge gekennzeichneten Erscheinungsbildes politischer Verfolgung. Die gegenwärtige Gefahr politischer Verfolgung für einen Gruppenangehörigen ist möglicherweise auch dann aus dem Schicksal anderer Gruppenmitglieder herzuleiten, wenn diese Referenzfälle politischer Verfolgung es noch nicht rechtfertigen, vom Typus einer gruppengerichteten Verfolgung auszugehen. Hier wie da ist es von Belang, ob vergleichbares Verfolgungsgeschehen sich in der Vergangenheit schon häufiger ereignet hat, ob die Gruppenangehörigen als Minderheit in einem Klima allgemeiner moralischer, religiöser oder gesellschaftlicher Verachtung leben müssen, welches Verfolgungshandlungen wenn nicht gar in den Augen der Verfolger rechtfertigt, so doch tatsächlich begünstigt, und ob sie ganz allgemein Unterdrückungen und Nachstellungen ausgesetzt sind, mögen diese als solche auch noch nicht von einer Schwere sein, die die Annahme politischer Verfolgung begründet.
Bezogen auf diese fachgerichtlich entwickelten Unterscheidungen hat es das Bundesverfassungsgericht - für Fälle möglicher staatlicher Gruppenverfolgung wie auch für Fälle der Gruppenverfolgung durch Dritte - als naheliegend bezeichnet, den vom Bundesverwaltungsgericht in der Abgrenzung zur Gruppenverfolgung geprägten Begriff der Einzelverfolgung wegen Gruppenzugehörigkeit so zu verstehen und zu verwenden, daß der vielgestaltigen Realität politischer Verfolgung in ihrer jeweiligen Ausprägung Rechnung getragen wird (BVerfG, Beschl. v. 23. 1. 1991, a.a.O., 233 f).
Das heißt jedoch nicht, daß neben die Formen der Einzel- und Gruppenverfolgung eine dritte Kategorie asylerheblicher Verfolgungsbetroffenheit treten soll. Vielmehr weisen die vom Bundesverfassungsgericht hervorgehobenen Gesichtspunkte - im Verständnis des Bundesverwaltungsgerichts - nur darauf hin, daß es Fälle gibt, in denen es dem Asylsuchenden bei verständiger Würdigung der gesamten Umstände seines Falles und bei objektiver Beurteilung der Verfolgungsgefahr nicht zuzumuten ist, in seinem Heimatstaat zu bleiben oder dorthin zurückzukehren. Diese Unzumutbarkeit kann sich grundsätzlich auch aus Referenzfällen stattgefundener oder stattfindender politischer Verfolgung sowie aus einem Klima allgemeiner moralischer, religiöser oder gesellschaftlicher Verachtung ergeben. Die für eine Verfolgung sprechenden Umstände müssen dann nach ihrer Intensität und Häufigkeit allerdings von einem solchen Gewicht sein, daß sich daraus bei objektiver Betrachtung für den Asylbewerber die begründete Furcht ableiten läßt, selbst ein Opfer solcher Verfolgungsmaßnahmen zu werden (BVerwG, Urt. v. 23. 7. 1991, BVerwGE 88, 367, 375, 377) [BVerwG 23.07.1991 - 9 C 154/90].
Asylerhebliche Bedeutung haben in erster Linie unmittelbare Verfolgungsmaßnahmen des Staates. Die Annahme einer unmittelbar staatlichen Gruppenverfolgung setzt voraus, daß mit ihr eigene staatliche Ziele durchgesetzt werden sollen, und daß diese Ziele - offen oder verdeckt - von staatlichen Organen oder durch eigens vom Staat dazu berufene oder doch autorisierte Kräfte durchgesetzt werden (BVerwG, Urt. v. 15. 5. 1990, BVerwGE 85, 139, 143) [BVerwG 15.05.1990 - 9 C 17/89]. Weitere Bedingung für eine vom Staat ausgehende asylerhebliche Verfolgung ist die effektive Gebietsgewalt des Staates im Sinne wirksamer hoheitlicher Überlegenheit (BVerwG, Urt. v. 8. 9. 1992, NVwZ 1993, 191; BVerwG, Urt. v. 20. 11. 1990, MDR 1991, 912).
Schließlich genießt nicht nur derjenige Asylrecht, der seinen Heimatstaat auf der Flucht vor eingetretener oder unmittelbar drohender politischer Verfolgung verlassen hat. Asylberechtigt ist vielmehr auch der Asylsuchende, der seinen Heimatstaat unverfolgt verlassen hat, wenn ihm aufgrund von beachtlichen Nachfluchttatbeständen, z.B. aufgrund von Vorgängen oder Ereignissen in seinem Heimatland, die unabhängig von seiner Person nach seiner Ausreise eingetreten sind (sog. objektive Nachfluchtgründe, vgl. dazu BVerfG, Beschl. v. 26. 11. 1986, BVerfGE 74, 51, 64 ff [BVerfG 26.11.1986 - 2 BvR 1058/85]; BVerwG, Urt. v. 20. 11. 1990, a.a.O., 912), mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit politische Verfolgung im oben definierten Sinne droht (BVerwG, Urt. v. 23. 7. 1991, a.a.O., 369; BVerfG, Beschl. v. 10. 7. 1989, a.a.O.; BVerwG, Urt. v. 30. 10. 1990, BVerwGE 87, 52, 53) [BVerwG 30.10.1990 - 9 C 60/89].
Ob eine Verfolgungsgefahr für die absehbare Zukunft besteht, ist aufgrund einer Prognose zu beurteilen, die - ausgehend von den Verhältnissen im Zeitpunkt der letzten gerichtlichen Tatsachenentscheidung (§ 77 Abs. 1 AsylVfG) - die Wahrscheinlichkeit künftiger Geschehensabläufe bei einer hypothetisch zu unterstellenden Rückkehr des Asylbewerbers in seinen Heimatstaat zum Gegenstand hat. In diesem Zusammenhang ist eine regional begrenzte politische Verfolgung nur beachtlich, wenn sie in dem Teil des Heimatstaates droht, in den der Asylbewerber hypothetisch zurückkehren würde, und wenn dem Asylsuchenden ein Ausweichen vor der drohenden Verfolgung in andere Landesteile nicht zumutbar wäre (vgl. BVerfG, Beschl. v. 10. 7. 1989, a.a.O.).
Gemessen an diesen Grundsätzen steht den Klägern ein Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigte zu.
Allerdings hat der Kläger zu 1) für sich selbst und für seine Familie in der Anhörung vor dem Bundesamt am 11. Januar 1988 eine individuelle politische Verfolgung nicht schlüssig und glaubhaft vorgetragen. Seinen Ausführungen anläßlich dieser Anhörung und seinen Darlegungen im erstinstanzlichen Termin hatte der Kläger zu 1) in der mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Senat nichts hinzuzufügen. Der Senat teilt die Beurteilung des Verwaltungsgerichts, daß es sich bei dem Vortrag der Kläger um ein unglaubwürdiges und gesteigertes Vorbringen handelt. Zu diesem Ergebnis gelangt der Senat insbesondere unter Berücksichtigung der zahlreichen Widersprüche und gegensätzlichen Ausführungen des Klägers zu 1) im Hinblick auf den zeitlichen Ablauf seiner behaupteten politischen Aktivitäten in Jugoslawien.
Die Kläger haben danach Jugoslawien nicht wegen erlittener oder ihnen unmittelbar drohender politischer Verfolgung verlassen. Gleichwohl sind sie als Asylberechtigte anzuerkennen.
Sie sind Angehöriger der Volksgruppe der Albaner und stammen aus dem Kreis Pec bzw. aus dem Kreis Klina in der serbischen Provinz Kosovo. Nach zeitweiligem Aufenthalt in Titograd in Montenegro lebten sie nach Angaben des Klägers zu 1) in der Anhörung beim Bundesamt vor ihrer Ausreise im Kreis Pec in Kosovo. Schon in ihrem Asylantrag vom 18. November 1986 haben sich die Kläger darauf berufen, ethnische Albaner zu sein und als solche vor ihrer Ausreise in der serbischen Provinz Kosovo gelebt zu haben. Es kann offenbleiben, ob die Kläger in Zeitpunkt ihrer Ausreise als ethnische Albaner im Kosovo eine gruppengerichtete politische Verfolgung wegen ihrer Volkszugehörigkeit zu befürchten hatten.
Die Auswertung des zur Verfügung stehenden Erkenntnismaterials führt für den erkennenden Senat zu dem Ergebnis, daß den Klägern bei einer Rückkehr in die Provinz Kosovo der serbischen "Bundesrepublik Jugoslawien" aufgrund eines asylrechtlich erheblichen Nachfluchttatbestandes jedenfalls gegenwärtig mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit politische Verfolgung droht. Die aus der serbischen Provinz Kosovo stammenden Angehörigen der albanischen Volksgruppe sind gegenwärtig im Kosovo, wo die Kläger vor ihrer Ausreise gelebt haben und wohin sie zurückkehren würden, einer unmittelbaren staatlichen Gruppenverfolgung wegen ihrer Volkszugehörigkeit ausgesetzt (2 a bis e). Den ethnischen Albanern aus dem Kosovo ist ein Ausweichen in andere Landesteile des ehemaligen Jugoslawien nicht zumutbar, so daß sie in ihrem Heimatland in eine ausweglose Lage geraten sind oder bei Rückkehr geraten würden (2 f). Anhaltspunkte dafür, daß sich diese Situation in absehbarer Zukunft entscheidungserheblich zugunsten der albanischen Volkszugehörigen im Kosovo ändern wird, bestehen nicht.
a) Die Vorgehensweise der serbischen Seite gegenüber ethnischen Albanern in der Provinz Kosovo läßt sich nur unter Berücksichtigung der historischen Entwicklung angemessen beurteilen. Maßgeblich für die Bedeutung des Kosovo im nationalen Bewußtsein der Serben ist die Schlacht auf dem Amselfeld (Kosovo Polje) am 28. Juni 1389, in der die christlichen Serben vernichtend von den Türken geschlagen wurden. Diese Schlacht beendete die politische und militärische Macht des etwa seit 1160 sich entwickelnden und in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts in voller Blüte stehenden mittelalterlichen Serbenreiches und letztlich sein Bestehen. Die anschließende Jahrhunderte dauernde osmanisch-türkische (Ober-)Herrschaft wurde von den Serben als Sklaverei empfunden, der sie vornehmlich im Hinblick auf das Kosovo unversöhnlich gegenüberstanden. Im Kosovo lag das weltliche Zentrum wie auch - sichtbar in zahlreichen berühmten Kirchen und Klöstern mit herausragenden Zeugnissen der serbisch-orthodoxen Kunst - der religiöse Mittelpunkt des wesentlich von dem Selbstverständnis als byzantinisch-ostkirchliche "Grenz- und Schutzmacht" geprägten und durch eine enge Verflechtung von Herrscherfamilie und orthodoxer Kirche gekennzeichneten Serbenreiches, das "serbische Jerusalem" (vgl. Das Parlament v. 25.6./2. 7. 1993; Jugoslawien (Kümmerly und Frey, Bern), 1987, 34, 40 f). Im Gefolge des Eindringens der Türken in das Kosovo als "Oberherren" und der Abwanderung der Serben aus dieser Region ließen sich albanische Bergstämme als wirtschaftende Bevölkerung in der fruchtbaren Ebene des Kosovo nieder. Die seit dem 17. Jahrhundert immer mehr zunehmende Besiedlung ihres "Heiligen Bodens" im Kosovo durch ethnische Albaner haben die - nach verschiedenen Migrationen dorthin zurückstrebenden - Serben seit je her nicht akzeptiert. War die Konflikthaltung gegenüber den moslemischen Türken überwiegend religiös geprägt, so trat im Verhältnis zu den Albanern der ethnische Aspekt in den Vordergrund: "Im Kosovo haben damals keine Albaner gelebt" (vgl. Die ZEIT vom 30. 10. 1992; v. Kohl/Libal, Kosovo: Gordischer Knoten des Balkan, 1992, 20 f, 22 ff).
Im Jahre 1878 riefen die Albaner in Prizren/Kosovo die "Liga für die Verteidigung der Rechte des albanischen Volkes" ins Leben, die sich gegen Expansionsbemühungen der Serben, Montenegriner, Bulgaren und Griechen richtete. Zum ersten Mal wurde durch eine Vertretung des albanischen Volkes die Forderung nach einem Zusammenschluß aller Albaner in einem Verwaltungsgebiet gestellt. In der Folgezeit ließ sich allerdings die groß-albanische Idee - ein Albanien unter Einschluß des Kosovo - trotz der Staatsgründung in Albanien im Jahr 1912 nicht verwirklichen. In den Balkankriegen 1912/1913 kämpften die Serben gegen die Albaner (Die ZEIT vom 20. 11. 1992; Jugoslawien, a.a.O., 34; v. Kohl/Libal, a.a.O., 28 ff). Nach dem Ersten Weltkrieg war das Amselfeld ein Bestandteil des "Königreichs der Serben, Kroaten und Slowenen", in dem die starke Minderheit der Albaner unter der serbischen Dominanz zu leiden hatte ("Ethnische Säuberung"..., Dokumentation der Gesellschaft für bedrohte Völker, 1993, 13 f). Nach dem Zweiten Weltkrieg gab es Bestrebungen des späteren jugoslawischen Staatspräsidenten Tito, das Spannungsverhältnis zwischen Serben und Albanern im Kosovo zu entschärfen ("Ethnische Säuberung"..., a.a.O., 153); v. Kohl/Libal, a.a.O., 57 ff). 1963 wurde Kosovo als autonome Provinz der Sozialistischen Republik Serbien anerkannt und in der Bundesverfassung der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien von 1974 mit erweiterten Selbstverwaltungsrechten (eigene Verfassung, Gesetzgebungskompetenz des Kosovo-Parlaments, eigenes oberstes Gericht) sowie mit einem direkten Mitspracherecht auf Bundesebene (vor allem durch Entsendung eigener Vertreter ins Staatspräsidium) ausgestattet (Süddeutsche Zeitung v. 27. 6. 1991; "Ethnische Säuberung"..., a.a.O., 154; Die ZEIT v. 5. 7. 1991; a.i., Bericht vom Juni 1992). Diese staatsrechtliche Sonderstellung der autonomen Provinz Kosovo, die sie der übrigen Teilrepublik Serbien faktisch gleichordnete, stieß auf die Opposition der Serben, welche wiederum zunehmenden Demonstrationen der Albaner begegnete, die - erstmals 1981 in Pristina - für die Provinz Kosovo einen verfassungsrechtlich garantierten Republikstatus forderten. Gegenüber den Albanern, die damals etwa 85 % der Bevölkerung des Kosovo bildeten, erhob der spätere serbische Staatspräsident Milosevic 1987 den Vorwurf, sie wollten die Serben aus ihrer angestammten Heimat mit Gewalt vertreiben und strebten einen "Genozid" der Serben an; sein eigenes politisches Ziel dokumentierte Milosevic in dem Satz: "Serbien wird ganz sein, oder es wird nicht sein". (Weltgeschehen IV/1992, 25 f; Der SPIEGEL v. 5. 10. 1992; "Ethnische Säuberung" ..., a.a.O., 152 f).
Nach blutigen Zusammenstößen zwischen demonstrierenden Albanern und serbischen Ordnungs- und Sicherheitskräften im März 1989 sowie am Anfang des Jahres 1990 - ausgelöst durch eine von Serbien angekündigte Aufhebung des Autonomiestatus Kosovos - riefen in Juli 1990 albanische Delegierte des Kosovo-Parlaments die Republik Kosovo aus. Daraufhin verfügte das serbische Parlament die Auflösung des Provinzparlaments und suspendierte die Regierung Kosovos. Am 28. September 1990 trat die neue Verfassung Serbiens in Kraft, die dieser Republik die uneingeschränkte Hoheit über die Provinz Kosovo verschaffte und Kosovo zum Protektorat erklärte, in dem ein serbischer Gouverneur und serbische Funktionäre praktisch die gesamte Administration übernahmen (AA, Lageberichte Jugoslawien v. 21. 1. 1991 u. v. 20. 5. 1991; "Ethnische Säuberung" ..., a.a.O., 154; Weltgeschehen IV/1992, 31 f; a.i. Bericht betreffend Polizeiübergriffe v. 22. 5. 1991). Am 20. März 1991 wurde der einzige Vertreter des Kosovo im kollektiven Staatspräsidium durch eine Entscheidung des serbischen Parlaments von seinen Pflichten entbunden und durch einen serbischen Abgeordneten ersetzt.
Parallel zur Zerschlagung der politischen Strukturen der autonomen Provinz Kosovo versuchte anschließend die serbische Regierung, das kulturelle und wirtschaftliche Leben des Kosovo unter Kontrolle zu bringen. Etliche Unternehmen (angeblich über 250) wurden unter serbische Zwangsverwaltung gestellt. Tausende von albanischen Arbeitnehmern (nach serbischen Angaben: ca. 1.900, nach Angaben der albanischen Opposition: ca. 55.000) wurden entlassen. Willkürliche Übergriffe der Sicherheitsbehörden und eine Vielzahl kurzfristiger, von (serbischen) Schnellrichtern verhängten Freiheitsstrafen bis zu 60 Tagen standen an der Tagesordnung. Albanischsprachige Medien wurden verboten, an den Schulen wurden für albanische Schüler die serbischen Lehrpläne eingeführt, in denen albanische Geschichte und Kultur kaum berücksichtigt waren. An der Universität Pristina versuchte die serbische Administration durch Abänderung des Immatrikulations-Schlüssels zugunsten serbischer Studenten, den Anteil albanischer Studenten zurückzudrängen (AA, Lagebericht v. 20. 5. 1991). Aufgrund der dargestellten politischen und verfassungsrechtlichen Situation bestand bereits 1990/1991 eine allgemeine Repressionsgefahr für ethnische Albaner im Kosovo (Osteuropa-Institut Berlin, Gutachten v. 15. 4. 1991).
b) Vor diesem historischen Hintergrund hat sich die Lage der ethnischen Albaner im Kosovo seit Anfang des Jahres 1992 nachhaltig verschlechtert. Sie stellt sich gegenwärtig als Verfolgung einer Volksgruppe dar, die regelmäßigen Mißhandlungen, Folterungen und Körperverletzungen mit Todesfolge durch die serbische Polizei und die staatlichen serbischen Sicherheitsbehörden ausgesetzt ist. Die ethnischen Albaner im Kosovo werden außerdem bei Bestrafungen durch Schnellrichter der Administration mit erhöhten Strafmaßen belegt.
Im Kosovo kommt es nach dem Lagebericht des Auswärtigen Amtes zu Serbien/Montenegro vom 8. Juni 1993 seitens der serbischen Sicherheitsbehörden gegenüber ethnischen Albanern zu zahlreichen willkürlichen Übergriffen und körperlichen Verletzungen, in der Regel in Form von Schlägen. Von Schnellrichtern der serbischen Administration werden nach dem serbischen Ordnungswidrigkeitengesetz kurzfristige Freiheitsstrafen von bis zu 60 Tagen in großer Menge selbst für marginale Ordnungswidrigkeiten gegen ethnische Albaner verhängt. Ein Überziehen staatlicher Gewalt gegenüber ethnischen Albanern bei polizeilichen Festnahmen, bei Haft und Untersuchungshaft sowie vor Gericht bei der Festsetzung des Strafmaßes, auch wenn es sich um die Ahndung nicht politischer Taten handelt, ist in zahlreichen Fällen festgestellt worden. Diese Aussage weicht von den früheren Lageberichten, vornehmlich von dem Lagebericht zu Serbien/Montenegro vom 28. Juli 1992 ab, in denen Exzesse staatlicher Gewalt gegenüber ethnischen Albanern nur für möglich gehalten wurden. Nach der Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 1. Juni 1992 an das VG Stuttgart ist das Vorgehen der serbischen Behörden gegenüber der albanisch-sprachigen Bevölkerungsmehrheit des Kosovo weitgehend willkürlich; reguläre Strafverfahren sind relativ selten. Die serbischen Behörden versuchen, die albanische Bevölkerung durch Administrativstrafen nachhaltig einzuschüchtern. Nach mit Fotografien untermauerten Angaben von Menschenrechtsorganisationen im Kosovo ist es in Polizeigewahrsam zu gewaltsamen Exzessen gekommen. Durch Mißhandlungen kamen dabei wiederholt Menschen zu Tode. Schon nach dem Lagebericht des Auswärtigen Amtes zu Jugoslawien vom 19. Dezember 1991 sowie nach den Auskünften des Auswärtigen Amtes vom 4. Juni 1991 an das VG Köln und vom 19. September 1991 an das VG Braunschweig war eine extreme Polarisierung zwischen Serben und Albanern im Kosovo mit der Folge zu verzeichnen, daß im selben Maße, in dem serbische Behörden die politischen Forderungen der Kosovo-Albaner bekämpften, die Gefahr staatlicher Willkür gegenüber ethnischen Albanern allein aufgrund ihrer Volkszugehörigkeit wuchs.
Der weiteren Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Stade vom 3. September 1992 sowie den Lageberichten zu Serbien/Montenegro vom 18. Dezember 1992 und vom 8. Juni 1993 ist zu entnehmen, daß Verfahren gegen folternde serbische Polizisten seit 1989/1990 nicht mehr bekanntgeworden sind. Dem entspricht, daß nach dem Bericht von amnesty international vom Juni 1992 fast täglich Mitteilungen über systematische Folterungen und Mißhandlungen ethnischer Albaner im Kosovo eingehen, die staatlichen Verfolgungsinstanzen aber ersichtlich nicht willens sind, Verfahren gegen die in dieser Weise vorgehenden Polizisten zu eröffnen. Die Opfer polizeilicher Mißhandlungen berichteten nahezu übereinstimmend, sie seien durch Schläge mit Gummiknüppeln und Gewehrkolben, durch Tritte und Faustschläge traktiert worden; die Polizei habe sie im übrigen in rohester Form rassistisch beleidigt; sie seien offenbar einfach nur dafür "bestraft" worden, Albaner zu sein.
Nach den Auskünften von amnesty international an das VG Ansbach vom 3. Februar 1993 sowie an das VG Hannover vom 23. Juni 1993 und vom 20. August 1992 an das VG Ansbach sind Mißhandlungen nicht nur an politisch aktiven, sondern immer öfter an völlig unbeteiligten Albanern im Kosovo an der Tagesordnung. Nach der Auskunft von amnesty international vom 3. Februar 1993 an das VG Ansbach in Verbindung mit dem Bericht vom 17. Februar 1993 ("Sorge um Sicherheit") werden politisch aktive, aber auch völlig unbeteiligte Personen im Kosovo häufig Opfer von Übergriffen der Polizei, werden mißhandelt oder gefoltert. Die Behörden gehen dabei willkürlich vor. Nach dem Bericht von amnesty international vom Juni 1992 über Mißhandlung und Folter gegenüber ethnischen Albanern im Kosovo gab es in zahlreichen Fällen Berichte über Polizeibrutalität gegenüber albanischen Hausbewohnern im Zusammenhang mit sehr häufigen Hausdurchsuchungen nach Waffen, ganz gleich, ob dabei tatsächlich Waffen gefunden wurden oder nicht. Außerdem berichtet amnesty international zahlreiche Vorfälle, in denen die Polizei ethnische Albaner ohne jeden Grund in normalen Alltagssituationen auf der Straße, im Zug oder in Bussen angehalten und in aller Öffentlichkeit mißhandelt und geschlagen hat. Oft wurden die Opfer der Polizeigewalt in Situationen ohne jeden politischen Grund wahllos herausgegriffen, z.B. bei Polizeikontrollen von Autos und der Überprüfung von Führerscheinen oder bei ähnlichen Anlässen. Die französische Kommission "Justiz und Gerechtigkeit Kosovo" führt in ihrem Bericht vom 30. Januar 1993 aus, daß nahezu jeder ethnische Albaner im Kosovo der Verhaftungsgefahr ausgesetzt sei. Zahlreiche Albaner würden in Polizeihauptquartiere gebracht, dort mißhandelt und oft gefoltert und kämen als Folge dieser Folterungen ums Leben. Der Rat für die Verteidigung der Menschenrechte in Pristina verfüge über unzählige Fotografien von Opfern polizeilicher Verhöre.
Nach der Auskunft von amnesty international vom 23. März 1992 an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof sind die häufigen Berichte über die Mißhandlung ethnischer Albaner durch die serbische Polizei im Kosovo, die nicht nur politisch aktive, sondern immer öfter auch völlig unbeteiligte Personen trifft, sehr bedenklich. Die weiteren Berichte von amnesty international vom 22. Mai 1991, vom 14. August 1991 sowie vom Juni 1992 und vom 2. Februar 1993 beschreiben eine Vielzahl umfassend dokumentierter Mißhandlungen an ethnischen Albanern, die ohne jegliche Verhaltensauffälligkeit oder individuellen Anlaß grundlos und willkürlich von serbischen Polizisten und Sicherheitskräften verübt wurden. Neben Mißhandlungen von solchen Albanern, die wegen des geringfügigsten, nur ansatzweise politischen Verhaltens betroffen waren, gibt es nach diesen Berichten eine große Anzahl ethnischer Albaner, die im Rahmen häufig ausgeführter Hausdurchsuchungen, welche unter dem Vorwand der Suche nach Waffen erfolgen, schwerwiegende Mißhandlungen über sich ergehen lassen mußten. Dazu gehörten Schläge mit erheblichen, ärztlicher Behandlung bedürfender Verletzungsfolgen und lebensgefährliche Vorgehensweisen (Werfen eines zusammengeschlagenen Albaners in einen Fluß).
In zahlreichen Fällen sind Personen, die lediglich solchen Opfern helfen wollten, ebenfalls grundlos attackiert worden. Der Bericht von amnesty international vom 22. Mai 1991 enthält für den Zeitraum von April 1991 bis Mai 1991 allein elf Fälle, bei denen ein politischer Anlaß nicht zu erkennen ist. Gleiches ergibt sich aus dem Bericht vom 14. August 1991, der einen Zeitraum von Juni bis Juli 1991 dokumentiert, und aus dem Bericht vom 2. Februar 1993 über die Monate November und Dezember 1992. Vielfach wurden im Zusammenhang mit Hausdurchsuchungen pauschal alle Hausbewohner unabhängig davon, ob Waffen gefunden wurden oder nicht, vor oder nach einer Durchsuchung brutal geschlagen und mißhandelt. In den Jahresberichten 1992 (S. 454 f) und 1993 (S. 275 f) berichtet amnesty international, daß nahezu täglich Meldungen eingegangen seien, denen zufolge ethnische Albaner im Kosovo von der serbischen Polizei geschlagen oder in anderer Weise mißhandelt worden sind.
Bestätigt wird die Verfolgung ethnischer Albaner durch serbische Sicherheitsbehörden und Polizeiangehörige in zahlreichen Presseberichten.
Die Süddeutsche Zeitung vom 8. September 1992 (ähnlich: Frankfurter Rundschau v. 15. 6. 1993) teilt mit, daß bei Kraftfahrzeugkontrollen albanische Autoinsassen von der Polizei verprügelt und zu stundenlangen Verhören auf Polizeiwachen geschleppt und verhaftet werden, daß bei Razzien Albaner getötet worden seien, ohne daß hiergegen rechtliche Schritte möglich waren. Der SPIEGEL vom 5. Oktober 1992 berichtet von willkürlichen Prügeln gegen Albaner und einem täglichen Terror gegen die albanische Zivilbevölkerung. Vorwände für willkürliche Mißhandlung und Folter seien häufig albanische Musik im Auto, falsches Abbiegen mit einem Pferdefuhrwerk, Zigarettenhandel und Haarwasserverkauf. Ab 23.00 Uhr seien Albaner in den Städten Freiwild. Kosovo befinde sich im Ausnahmezustand. Seine albanischen Bewohner seien ohne Arbeit, ohne Rechtsanspruch und vogelfrei. Die ZEIT vom 30. Oktober 1992 teilt mit, daß die serbische Miliz im Kosovo freie Hand bei der Serbisierung habe. Willkürlich verhaftete Menschen würden in der Haft mißhandelt; immer wieder kämen Albaner in Gefängnissen zu Tode. Niemand könne dagegen vor den gleichgeschalteten Gerichten Rechtsschutz erlangen. Die Süddeutsche Zeitung vom 27. Oktober 1992 berichtet detailliert darüber, daß die serbischen Behörden mit einer alle Albaner betreffenden brutalen Repressions- und Terrorpolitik das Ziel verfolgen, die Albaner in Massen in die Emigration zu treiben, und schildert, daß täglich Albaner von serbischen Sicherheitskräften aus beliebigem und völlig willkürlichem Anlaß mißhandelt werden; hierüber habe der Albanische Menschenrechtsverein tausendfach Dokumente, Fotos und Zeugenaussagen gesammelt. Darüber hinaus berichtet das Kosova Information Center in seinen Daily Reports vom 20. und 22. September 1993, daß wiederholt serbische Polizisten ohne Anlaß willkürlich auf Albaner geschossen und sie getötet hätten. Diese Repressalien gegen ethnische Albaner im Kosovo bezeichnet auch das Auswärtige Amt in seinem Lagebericht vom 8. Juni 1993 als Menschenrechtsverletzungen.
Aus dem vorstehend zusammengefaßt dargelegten Inhalt der Erkenntnismittel ergibt sich, daß ethnische Albaner im Kosovo einer nachhaltigen Verfolgung unterliegen (insoweit ebenso: VGH Mannheim, Urt. v. 2. 9. 1993 - A 14 S 482/93 -, Urt.-Abdr. S. 32, 45, 50).
c) Die unter b) festgestellten Verfolgungsmaßnahmen stellen eine unmittelbare Verfolgung des serbischen Staates gegenüber ethnischen Albanern dar. Die Republik Serbien verfügt im Kosovo über die effektive Gebietsgewalt.
Im Anschluß an die Verfassungsänderung vom 28. September 1990, der das Parlament des Kosovo am 23. März 1989 unter dem Druck der serbischen Regierung zugestimmt hatte und mit der der bisherige Autonomiestatus des Kosovo aufgehoben wurde, brachte Serbien Polizei, Behörden, Justiz und die Zivilverteidigung des Kosovo unter seine Kontrolle. Albanische Richter wurden durch abgeordnete serbische Richter ersetzt. Bis April 1990 nahm das größtenteils mit ethnischen Albanern besetzte Sekretariat für innere Angelegenheiten der Provinz Kosovo die Polizeiaufgaben wahr. Ab Mai 1990 wurden albanische Polizeioffiziere mehrheitlich entlassen und im übrigen vom Dienst suspendiert. Gleichzeitig wurden 2.500 serbische Polizisten zum Dienst in das Kosovo versetzt. Im Juni 1990 kündigte das Präsidium der Republik Serbien an, die vollständige Kontrolle über die Polizeiaufgaben im Kosovo zu übernehmen. Die Polizeiaufgaben sind seitdem aufgeteilt auf eine Abteilung, die für die öffentliche Ordnung verantwortlich ist (Miliz), und auf die Staatssicherheitspolizei, die auch mit Zivilinspektoren operiert. Diese Behörden sind zum größten Teil mit Serben aus Serbien und Montenegro besetzt. Der serbische Staatssicherheitsdienst arbeitet mit den örtlichen Polizeikräften sowie mit dem militärischen Sicherheitsdienst zusammen; ihm obliegt in erster Linie das Aufspüren und Ausschalten separatistischer Tätigkeiten (a.i., Bericht vom Juni 1992; Auswärtiges Amt, Lagebericht v. 20. 5. 1991). Obwohl am 24. Mai 1992 Wahlen für ein Kosovo-Parlament stattfanden, bei denen der als gemäßigt geltende "Demokratische Bund Kosovo" fast alle Sitze gewann und dessen Vorsitzender Ibrahim Rugova zum Präsidenten gewählt wurde, verzichtet die albanische Seite - abgesehen vom Schul- und Bildungsbereich - auf den Aufbau eigener Behörden oder Institutionen; demgegenüber verhinderten die serbischen Polizeibehörden am 23. Juni 1992 das Zusammentreten des aus Sicht der serbischen Regierung illegalen neugewählten Parlaments des Kosovo (Auswärtiges Amt, Lagebericht v. 8. 6. 1993).
Die Republik Serbien wird in ihrer Gestalt als "Bundesrepublik Jugoslawien" als Völkerrechtssubjekt behandelt. Seit dem 30. Mai 1992 unterliegt sie Sanktionen des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen. Dessen Resolutionen 757 (1992) und 855 (1992) richten sich an die Republik Serbien (mit Montenegro) (vgl. UNHCR v. 15. 6. 1992 an RP Karlsruhe; UNHCR v. 9. 12. 1992 an Rechtsanwältin Groos; Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 18. 8. 1993). Die unter b) festgestellten Verfolgungsmaßnahmen gehen ausschließlich von den Polizei- und Sicherheitsbehörden sowie von der Administration der Republik Serbien im Kosovo aus.
Die Maßnahmen stellen keine Exzeßtaten bestimmter Amtspersonen dar, die unter Beachtung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (Beschl. v. 10. 7. 1989, a.a.O., 352; Beschl. v. 4. 3. 1993, NVwZ-RR 1993, 511, 512; Beschl. v. 11. 5. 1993, InfAuslR 1993, 310, 312) als vereinzelte Amtswalterexzesse dem serbischen Staat nicht zuzurechnen wären. Die Vorgehensweise der serbischen Polizei wird von serbisch besetzten Behörden und Gerichten vielmehr geduldet und von den serbischen Sicherheitsbehörden aktiv unterstützt. Die von Schnellrichtern der serbischen Verwaltung gegen ethnische Albaner zahlreich verhängten Freiheitsstrafen bis zu 60 Tagen sind als originäre staatliche Maßnahmen zu qualifizieren. Dementsprechend bezeichnet auch der Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 8. Juni 1993 nicht nur die Verurteilungen ethnischer Albaner durch Schnellrichter der Verwaltung, sondern erstmals auch die zahlreichen körperlichen Mißhandlungen ethnischer Albaner durch serbische Sicherheitsbehörden als unmittelbare staatliche Verfolgung. Dem entspricht, daß die serbisch besetzten Gerichte und die serbisch besetzten Behörden im Kosovo - wie oben bereits dargelegt - seit 1989/90 nicht mehr gegen die im Kosovo massenhaft begangenen Rechtsgutsverletzungen an ethnischen Albanern durch die serbische Polizei einschreiten, obwohl hierfür Rechtsgrundlagen bestehen (vgl. AA, Lagebericht vom 8. 6. 1993).
Die serbische Regierung verfolgt mit den Maßnahmen der serbisch besetzten Administration und der Sicherheitsbehörden gegen ethnische Albaner im Kosovo ihr Programm zur Schaffung eines "ethnisch reinen Großserbien" unter Einschluß des Kosovo ("Ethnische Säuberung" ..., a.a.O., 157). Das serbische Ziel ist es, die Albaner aus dem Kosovo zu vertreiben oder einen Konflikt zu provozieren, um die Albaner "auszulöschen". Die serbische Logik bestehe darin, so der frühere KP-Chef von Kosovo, Azem Vlasi, "1.000 Albaner zu töten, um 50.000 zur Flucht zu veranlassen" (Neue Zürcher Zeitung v. 5. 11. 1992; Archiv der Gegenwart v. 14. 7. 1992, 36.978 f). Deshalb wird das Vorgehen der serbischen Behörden im Kosovo auch als "stille ethnische Säuberung" bezeichnet (Archiv der Gegenwart v. 3. 3. 1993, 37.627; Neue Zürcher Zeitung v. 5. 11. 1992; vgl. auch Süddeutsche Zeitung v. 26. 8. 1993). Der serbische Nationalistenführer Vojislav Seselj, dessen radikale Partei bei der serbischen Parlamentswahl 1992 zur zweitstärksten politischen Kraft avancierte, hat erklärt, er wolle 300.000 Albaner aus Kosovo ausweisen (Neue Zeit vom 16. 2. 1993). Einen Beamten des serbischen Informationsministeriums in Pristina/Kosovo zitiert die Frankfurter Allgemeine Zeitung am 16. November 1992 mit dem Satz "This is my territory".
Flankiert wird dieses staatliche Ziel durch eine Reihe von Gesetzen, die der Sonderberichterstatter der UN-Menschenrechtskommission in seinem Bericht vom 10. Februar 1993 (Anlage zu UNHCR v. 21. 4. 1993) mitteilt, die eine Diskriminierung der Albaner zugunsten von Serben und Montenegrinern bewirken sollen. So sehe § 3 des Programms zur Schaffung von Frieden, Freiheit, Gleichheit, Demokratie und Wohlstand in der autonomen Provinz Kosovo (Offizielles Amtsblatt Serbiens 15/90 vom 30. 3. 1990) die Unterstützung von Serben und Montenegrinern vor, die in den Kosovo ziehen wollten. § 9 dieses Programms lasse auf Entlassungen von Albanern aus dem Polizeidienst schließen; diese seien anläßlich der Abschaffung des Sekretariats des Innern von Kosovo am 16. April 1990 erfolgt; die freigewordenen Stellen seien von Serben und Montenegrinern eingenommen worden. Das Gesetz über Polizeieinrichtungen (Offizielles Amtsblatt Serbiens 44/91 v. 25. 7. 1991) habe die rechtlichen Grundlagen geschaffen, um die aus dem Polizeidienst entlassenen Albaner Kosovos durch Polizisten aus dem gesamten ehemaligen Jugoslawien zu ersetzen. Ferner sei ein Gesetz zur Finanzierung der Rückkehr von Serben und Montenegrinern in das Kosovo geschaffen worden (Offizielles Amtsblatt Serbiens 35/90 v. 14. 7. 1990). Nach dem Gesetz über die Bedingungen und das Verfahren für die Verteilung von Ackerland an Bürger, die auf dem Gebiet der autonomen Provinz Kosovo und Metohiha leben und arbeiten möchten, könne an Serben mit Siedlungswünschen im Kosovo ein Kredit zur Verfügung gestellt werden (Offizielles Amtsblatt Serbiens 43/91 v. 20. 7. 1991). Das Gesetz über Arbeitsverhältnisse unter besonderen Umständen (Offizielles Amtsblatt Serbiens 40/90 v. 26. 7. 1990) gebe den Unternehmensleitern das Recht, gegenüber Arbeitern Disziplinarmaßnahmen zu verhängen, die das Gesetz vorsehe; davon seien überwiegend albanische Arbeiter betroffen. Das Gesetz über die öffentlichen Medien (Offizielles Amtsblatt Serbiens 19/91 v. 29. 3. 1991) führe zur Entlassung vieler Journalisten und anderer Mitarbeiter albanischer Volkszugehörigkeit aus Zeitungsverlagen, Radio- und Fernsehstationen in Pristina. Schließlich erwähnt der Sonderberichterstatter auch die Gesetze zur Abschaffung jener Gesetze, die zuvor durch die Legislative der autonomen sozialistischen Provinz Kosovo erlassen worden waren und die die Schul- und Universitätsausbildung betrafen (Offizielles Amtsblatt Serbiens 45/90 v. 7. 8. 1990), sowie das Gesetz über den offiziellen Gebrauch der serbischen Sprache und des Alphabets (Offizielles Amtsblatt Serbiens 45/91 v. 27. 7. 1991), welches in öffentlichen Einrichtungen dem offiziellen Gebrauch der serbischen Sprache den Vorrang einräume.
Diese Gesetze gelten großenteils ausdrücklich nur für das Kosovo und sind seit März 1990 erlassen worden, seit dem in vorwegnehmender Umsetzung der damals bevorstehenden Verfassungsänderung vom 28. September 1990 die Selbstverwaltung Kosovos auch in der Praxis aufgehoben wurde. Da die Bevölkerung des Kosovo inzwischen zu über 90 % aus ethnischen Albanern besteht und nur etwa 200.000 Serben im Kosovo leben, ist an der faktischen diskriminierenden Gerichtetheit dieser Gesetze gegen ethnische Albaner nicht zu zweifeln.
Entgegen der Auffassung des VGH Mannheim in seinem Urteil vom 2. September 1993 (Urt.-Abdr. S. 39) kommt es nicht darauf an, ob diese gesetzgeberischen Maßnahmen der serbischen Regierung selbst bestimmt sind, unmittelbar in asylrechtsrelevante Rechtsgüter eines jeden albanischen Volkszugehörigen einzugreifen. Entscheidend ist vielmehr, ob aus den getroffenen Regelungen entnommen werden kann, daß ein (Vielvölker-)Staat nach seiner Verfassung, seinen Gesetzen oder in der Staatswirklichkeit von der Vorherrschaft einer Volksgruppe über andere ausgeht oder gar die ethnische oder kulturelle Eigenart bestimmter Volksgruppen überhaupt leugnet und diese Volksgruppen an einer ihrer Eigenart entsprechenden Existenzweise hindert. Ist dies der Fall, können die gesetzlichen Regelungen als Indizien einen Rückschluß auf die asylrechtsrelevante (staatliche) Verfolgungsmotivation gestatten (BVerwG, Urt. v. 17. 5. 1983, BVerwGE 67, 195, 199, 201) [BVerwG 17.05.1983 - 9 C 874/82]und zur Bestimmung der staatlichen Ziele bei der Prüfung einer Gruppenverfolgung (vgl. BVerwG, Urt. v. 15. 5. 1990, a.a.O., 143) herangezogen werden. Den dargestellten gesetzlichen Regelungen liegt die offenkundige Intention zugrunde, das Bevölkerungsverhältnis im Kosovo zugunsten der Serben und Montenegriner zu verschieben und ethnische Albaner bei der Bodenbewirtschaftung und auf dem Arbeitsmarkt nachhaltig zu benachteiligen. Insbesondere durch die Diskriminierung der albanischen Sprache und durch die gesetzliche Abschaffung des albanischen Aus- und Fortbildungssytems, die - wie noch darzulegen ist - in der Praxis konsequent durchgeführt wurde, zeigt der serbische Staat, daß er die ethnische und kulturelle Eigenart der Albaner im Kosovo unterdrückt und mißachtet. Insgesamt dokumentieren die zitierten Gesetze, daß der serbische Staat sein politisch vorrangiges Interesse, das Kosovo in ein ethnisch rein serbisches Gebiet zu verwandeln, höher stellt als den in der Verfassung der "Bundesrepublik Jugoslawien" vom 27. April 1992 grundsätzlich proklamierten Minderheitenschutz. Soweit die genannten Gesetze den Gebrauch der albanischen Sprache einschränken und das albanische Bildungssystem auflösen, widersprechen sie im übrigen Art. 15 Satz 2 und Art. 45 Satz 1 iVm Art. 46 der Verfassung (Wortlaut im Lagebericht des Auswärtigen Amtes v. 8. 6. 1993, S. 7).
d) Die unter b) und c) festgestellten Übergriffe gegen ethnische Albaner stellen politische Verfolgungsmaßnahmen dar, weil sie nach dem jüngsten Erkenntnisstand ganz überwiegend nur noch an die Zugehörigkeit der Opfer zur Volksgruppe der Albaner anknüpfen und damit wegen eines asylerheblichen Merkmals erfolgen (zu dieser Voraussetzung vgl. BVerfG, Beschl. v. 10. 7. 1989, BVerfGE 80, 315, 335). Das Erkenntnismaterial belegt, daß ethnische Albaner in der Regel allein wegen ihrer Volkszugehörigkeit Opfer von Angriffen auf ihre körperliche Integrität werden.
Das Auswärtige Amt hat in seinen Lageberichten zu Jugoslawien bzw. Serbien/Montenegro vom 21. Januar 1991 bis zum 8. Juni 1993 stets betont, daß sich zahlreiche Verfolgungsmaßnahmen der serbischen Polizei- und Sicherheitsbehörden gegen politisch aktive Albaner richten und diese als "Separatisten" treffen sollen. Aber schon in den Lageberichten vom 21. Januar 1991 und vom 20. Mai 1991 bekräftigt das Auswärtige Amt, daß aufgrund der serbischen Repressionspolitik im Kosovo die Gefahr wachse, daß Albaner allein aufgrund ihrer Volkszugehörigkeit staatlich verfolgt würden; die politischen Auseinandersetzungen hätten einen überaus starken ethnischen Bezug, so daß die Trennlinie zwischen Verfolgung wegen Zugehörigkeit zu einer bestimmten ethnischen Gruppe und wegen politischer Überzeugung fließend geworden sei. Im Lagebericht vom 19. Dezember 1991 stellt das Auswärtige Amt ausdrücklich eine Verbindung zwischen der starken ethnischen Prägung des politischen Konflikts zwischen Albanern und Serben und dem Überziehen staatlicher Gewalt gegenüber Albanern bei polizeilichen Festnahmen und in Untersuchungshaft her. Aus dem vorliegenden Erkenntnismaterial schließt der erkennende Senat, daß die serbischen Sicherheitsbehörden jedenfalls gegenwärtig ethnische Albaner in erster Linie wegen ihrer Volkszugehörigkeit malträtieren und verfolgen. Dies geschieht lediglich auf den pauschalen vorgeblichen Verdacht hin, daß sich die ethnischen Albaner gegen die serbische Regierung separatistisch betätigen. So berichtet die französische Kommission "Justiz und Gerechtigkeit Kosovo" in ihrem Bericht vom 30. Januar 1993, daß sich die Verfolgungsmaßnahmen der serbischen Sicherheitsbehörden am ehesten gegen Personen richten, die verdächtigt würden, mit der albanischen Sache zu sympathisieren; das sei "in der Tat nahezu jeder Albaner". In seiner Auskunft vom 9. Februar 1993 an das VG Wiesbaden erklärt das Auswärtige Amt, serbische Ordnungsbehörden schritten nicht nur gegen politische Aktivisten ein; vielmehr herrsche ein Klima der Rechtsunsicherheit und Oppression für alle ethnischen Albaner im Kosovo. Am 3. September 1992 legt das Auswärtige Amt gegenüber dem VG Stade dar, daß albanische Volkszugehörige auch auf Verdacht hin als Separatisten verfolgt würden, soweit sie sich politisch betätigten; dabei werde wegen der starken Polarisierung zwischen Albanern und Serben so gut wie jeder Handlung ein politischer Bezug unterstellt.
Die vornehmlich seit 1992 serienmäßig durchgeführten Hausdurchsuchungen und Polizeiverhöre, bei denen es zu Mißhandlungen und Körperverletzungen kommt, werden nach übereinstimmenden Berichten von amnesty international und verschiedenen Korrespondenten unter dem Vorwand geführt, Waffen bei ethnischen Albanern zu finden oder Geständnisse über angebliche politische Betätigung zu erpressen (a.i. an VG Hannover v. 23. 6. 1993; a.i., Bericht v. 17. 2. 1993 ("Sorge um Sicherheit"); a.i. an VG Ansbach v. 3. 2. 1993; a.i. an VG Ansbach v. 23. 3. 1992; Kosova Information Center, Daily Report v. 21. 9. 1993; Süddeutsche Zeitung v. 27. 10. 1992; Neue Zürcher Zeitung v. 17. 4. 1993; Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 5. 8. 1993). Diese Übergriffe knüpfen in erster Linie an die albanische Volkszugehörigkeit der Betroffenen an. Dies ist auch dem Bericht von amnesty international vom Juni 1992 zu entnehmen, demzufolge polizeiliche Mißhandlungen an ethnischen Albanern mit rohesten Formen rassistischer verbaler Beleidigungen einhergehen. Der Überlagerung praktisch jeder - auch unpolitischen - Handlung eines Albaners durch den ethnischen Aspekt trägt die entgegenstehende Beweiswürdigung des VGH Mannheim in seinem Urteil vom 2. September 1993 (a.a.O., Urteilsabdruck S. 53 ff) nicht genügend Rechnung.
Der erkennende Senat vermag die Auffassung des VGH Mannheim (Urteilsabdruck, S. 48 f) sowie des OVG Münster in dessen Urteil vom 5. Februar 1993 - 13 A 2465/91.A - (Urteilsabdruck S. 13, 14) und in dessen Beschluß vom 9. September 1993 - 13 A 2883/93.A - (Beschlußabdruck S. 4) nicht zu teilen, daß ethnische Albaner im Kosovo nur als Separatisten und nicht wegen ihrer Volkszugehörigkeit verfolgt würden. Selbst wenn in Einzelfällen nicht der unbegründete Verdacht des Separatismus, sondern die Äußerung separatistischer Absichten Anlaß für die Verfolgungsmaßnahmen gegen ethnische Albaner wäre, ließe sich diese Auffassung nicht mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts vereinbaren. Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Beschluß vom 10. Juli 1989 (a.a.O., 337) ausgesprochen, daß auch die betätigte politische Überzeugung im Schutzbereich des Asylgrundrechts liegt. Eine staatliche Verfolgung von Taten, die aus sich heraus eine Umsetzung politischer Überzeugung darstellen - insbesondere separatistische Aktivitäten -, kann danach grundsätzlich politische Verfolgung sein, und zwar auch dann, wenn der Staat hierdurch das Rechtsgut des eigenen Bestandes oder seiner politischen Identität verteidigt. Es bedarf einer besonderen Begründung, die sich an bestimmten Abgrenzungskriterien orientiert, um sie gleichwohl aus dem Bereich politischer Verfolgung herausfallen zu lassen. Ein derartiges Kriterium ist nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts der Rechtsgüterschutz. Politische Verfolgung liegt demnach grundsätzlich nicht vor, wenn der Staat Straftaten - seien sie auch politisch motiviert - verfolgt, die sich gegen Rechtsgüter seiner Bürger richten; die Verfolgung kriminellen Unrechts in diesem Sinne ist keine "politische Verfolgung". Im übrigen stellt sich die Verfolgung von Taten, die sich gegen politische Rechtsgüter richten, gleichwohl nicht als politische Verfolgung dar, wenn Umstände darauf schließen lassen, daß sie nicht der mit dem Delikt betätigten politischen Überzeugung als solcher gilt, sondern einer zusätzlichen kriminellen Komponente, deren Strafwürdigkeit der Staatenpraxis geläufig ist. Das kann der Fall sein, wenn die Äußerung oder Betätigung einer politischen Überzeugung in einer durch terroristische Aktivitäten tiefgreifend verunsicherten Situation demonstrativ erfolgt, so daß sie von der Öffentlichkeit gerade als Unterstützung des Terrorismus verstanden werden muß. Die Äußerung oder Betätigung von kritischen - auch von staatsfeindlichen - politischen Überzeugungen als solche bleibt demgegenüber im Schutzbereich des Asylrechts (BVerfG, a.a.O., 338).
Unter Beachtung dieser Maßstäbe erweist sich die Verfolgung ethnischer Albaner, auch soweit sie an die Äußerung separatistischer Absichten anschließt, als politische Verfolgung im Sinne des Art. 16 a Abs. 1 GG. Dabei ist zu berücksichtigen, daß die politisch aktiven Albaner im Kosovo - anders als in den Jahren 1989 und 1990 - heute unter dem Einfluß des 1992 von ihnen gewählten Präsidenten Rugova ihre Forderungen für einen Autonomiestatus des Kosovo gewaltlos geltend machen. Dementsprechend erklärt das Auswärtige Amt in seinen Lageberichten zu Serbien/Montenegro vom 28. Juli 1992, vom 18. Dezember 1992 und vom 8. Juni 1993, daß es Gewalthandlungen der albanischen Bevölkerung im Kosovo gegen die Serben nicht bzw. kaum gebe. Hieraus folgt zunächst, daß die Äußerungen der Albaner für ein autonomes Kosovo nicht als terroristische Aktivitäten in Erscheinung treten. Für den erkennenden Senat sind auch keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, daß die Verfolgungsmaßnahmen der serbischen Polizei und der Sicherheitsbehörden die Albaner wegen krimineller Eingriffe in Rechtsgüter anderer Bürger treffen sollen. Insoweit ist zu beachten, daß im Kosovo nur 16 Gefangene albanischer Volkszugehörigkeit aus politischen Gründen zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt worden sind (vgl. Auswärtiges Amt, Lagebericht v. 8. 6. 1993; a.i., Bericht vom Juni 1993).
Der Verurteilungsschwerpunkt liegt im Kosovo auf der Verhängung kurzfristiger Freiheitsstrafen von bis zu 60 Tagen nach dem serbischen Ordnungswidrigkeitengesetz. Rechtsgrundlage für das Strafmaß ist Art. 31 Abs. 1 des Ordnungswidrigkeitengesetzes der Sozialistischen Republik Serbien, demzufolge das Höchstmaß einer Freiheitsstrafe für Ordnungswidrigkeiten 30 Tage beträgt. Nach Art. 31 Abs. 2 darf bei schweren Verstößen gegen die öffentliche Ordnung und bei Störung des öffentlichen Friedens (...) oder bei Ordnungswidrigkeiten, durch welche langwierige schwere Folgen eintreten können, das Strafmaß ausnahmsweise bis auf 60 Tage gesteigert werden. Demgegenüber beruht die Verhängung mehrjähriger Freiheitsstrafen auf den politischen Straftatbeständen in Art. 114 ("Angriff auf die verfassungsmäßige Ordnung"), Art. 116 ("Gefährdung der Gebietsgesamtheit"), Art. 133 ("Aufruf zur gewaltsamen Veränderung der Verfassungsordnung"), Art. 134 Abs. 1 ("Anzetteln von National-, Rassen- und Religionshaß") und Art. 136 ("Vereinigung zwecks feindlicher Tätigkeit") des durch Gesetz vom 6. Juli 1990 neu gefaßten Strafgesetzes der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien, welches in der Republik Serbien fortgilt (vgl. Osteuropa-Institut Berlin, Gutachten v. 6. 3. 1992 u. 15. 4. 1991; Auswärtiges Amt, Lageberichte v. 19. 12. 1991 u. v. 8. 6. 1993). Mit diesen Straftatbeständen schützt sich der serbische Staat gegen gewaltsame Angriffe auf seinen Gebietsbestand und seine Grundordnung. Sie verfolgen nach dem Gesetzeswortlaut keine andere Absicht als diejenige, die Allgemeinheit in Serbien vor Angriffen zu bewahren und die öffentliche Sicherheit für die Staatsbürger zu gewährleisten.
Steht allerdings hinter einer behördlichen oder gerichtlichen Maßnahme das staatliche Ziel, den Verfolgten allein oder doch jedenfalls auch wegen persönlicher - asylrechtsrelevanter - Merkmale zu treffen, so sind die Kriterien für eine politische Verfolgung im Sinne des Art. 16 Abs. 2 Satz 2 GG (= Art. 16 a Abs. 1 GG n.F.) erfüllt, selbst wenn die Verfolgung der äußeren Form nach in das Gewand einer polizeilichen oder strafrechtlichen Maßnahme gekleidet ist (BVerwG, Urt. v. 17. 5. 1983, BVerwGE 67, 184, 189) [BVerwG 17.05.1983 - 9 C 36/83]. Das ist hier bei der üblichen Anwendung des gesteigerten Höchststrafrahmens nach Art. 31 Abs. 2 des Ordnungswidrigkeitengesetzes der Fall. Das Auswärtige Amt erklärt in seinem Lagebericht vom 19. Dezember 1991 ausdrücklich, daß die Verhängung kurzfristiger Freiheitsstrafen für - marginale - Ordnungswidrigkeiten Teil der serbischen Repressionspolitik gegen ethnische Albaner sei. Die Anwendung der erhöhten Strafmaßbestimmung trotz Geringfügigkeit der Vergehen (vgl. dazu auch Lagebericht v. 20. 5. 1991) knüpft damit erkennbar an das Merkmal der albanischen Volkszugehörigkeit an. Mit Rücksicht auf diese Sach- und Rechtslage wird die zahlenmäßig häufige Verurteilung ethnischer Albaner zu Haftstrafen nach dem Ordnungswidrigkeitengesetz in erster Linie von dem asylerheblichen Merkmal ihrer Volkszugehörigkeit geprägt. Darüber hinaus belegt folgender weiterer Gesichtspunkt, daß die Verfolgung an das Merkmal der Volkszugehörigkeit der Albaner anknüpft:
Das Bundesverfassungsgericht hat am Beispiel der aktiven volkskulturellen Betätigung der ethnischen Albaner im Kosovo dargelegt, daß schon die Beteiligung an derartigen unpolitischen Aktivitäten als ein im Sinne des Art. 16 Abs. 2 Satz 2 GG politisches Bekenntnis zur eigenen Volksgruppe erscheinen kann (BVerfG, Beschl. v. 31. 1. 1992, NVwZ 1992, 559, 560) [BVerfG 31.01.1992 - 2 BvR 1621/90]. In diesem Sinne knüpfen die von amnesty international in Auskünften an das VG Stuttgart vom 23. März 1992, an das VG Ansbach vom 20. August 1992, an das VG Schleswig vom 24. November 1992 und an das VG Ansbach vom 25. November 1992 geschilderten zahlreichen Mißhandlungen und gerichtlichen Verurteilungen ethnischer Albaner wegen Hörens albanischer Musik, wegen Besitzes albanischer Tonkassetten, albanischer Zeitungen und Bücher an die ethnische Zugehörigkeit dieser Personen an. Nichts anderes kann für die Fälle gelten, in denen ethnische Albaner allein wegen Gebrauchs der albanischen Sprache, wegen ihres Namens oder ihrer traditionellen Kopfbedeckung, also wegen Bekenntnisses zu ihrer eigenen Kultur, polizeilichen Mißhandlungen ausgesetzt sind (a.i. Berichte v. 22. 5. 1991 u. 14. 8. 1991; Süddeutsche Zeitung v. 27. 10. 1992; Neu Zeit v. 23. 10. 1992; Süddeutsche Zeitung v. 19. 1. 1993). Gerade das Bekenntnis der Albaner zur albanischen Sprache und zur albanischen Literatur - Elemente, die die Identität einer Volksgruppe maßgeblich bestimmen - ist nach dem Bericht der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 9. September 1993 und dem Bericht des Kosova Information Center vom 2. September 1993 Anlaß für die serbischen Polizei- und Sicherheitsbehörden gewesen, im September 1993 insgesamt 350.000 albanischen Grund- und Mittelschülern sowie 18.500 albanischen Lehrern gewaltsam den Zugang zu Schulgebäuden im Kosovo zu verweigern und zahlreiche Lehrer festzunehmen und körperlich zu mißhandeln.
Der Senat stellt nicht in Frage, daß das Vorgehen der serbischen Sicherheitskräfte in Einzelfällen auch von sicherheitsbedingten Motiven geleitet sein kann. Die schwerwiegenden Repressalien gegenüber ethnischen Albanern knüpfen aber - wie dargelegt - vor allem und mittlerweile ganz überwiegend allein oder vorrangig an ihre Volkszugehörigkeit an; bei dieser Sachlage liegt trotz möglicher Nebenmotive der Verfolger eine Verfolgung "wegen" eines asylerheblichen Merkmals vor (BVerfG, Beschl. v. 4. 3. 1993, NVwZ-RR 1993, 511, 512).
Der Senat hat keinen Zweifel, daß die staatlichen Verfolgungsmaßnahmen gegen ethnische Albaner asylerhebliche Intensität aufweisen. Rücksichtslose Razzien und Hausdurchsuchungen, bei denen die Betroffenen geschlagen und gequält werden und in sich mehrenden Fällen zu Tode kommen, haben ausgrenzenden Charakter im eingangs dargelegten Sinn. Dies gilt auch für willkürliche Schläge, Festnahmen, Folterungen in Polizeigewahrsam und für die Verhängung von Freiheitsstrafen, deren Höhe - ohne Adäquanz zur vorgeworfenen Ordnungswidrigkeit - nur durch die Zugehörigkeit zu einer Volksgruppe bestimmt ist.
e) Das Erkenntnismaterial belegt, daß die unmittelbare staatliche Verfolgung der ethnischen Albaner im Kosovo jedenfalls gegenwärtig die eine Gruppenverfolgung kennzeichnende Intensität aufweist. Die Verfolgungsmaßnahmen der serbischen Sicherheitsbehörden in Verbindung mit den Maßnahmen der Schnellgerichte wiederholen und erweitern sich in ihrer Hartnäckigkeit und Vielfalt so stark, daß für jeden Albaner im Kosovo die aktuelle Gefahr eigener Betroffenheit entsteht.
Das Auswärtige Amt betont in seiner Auskunft vom 9. Februar 1993 an das VG Wiesbaden, daß im Kosovo für alle ethnischen Albaner ein Klima der Oppression herrsche. Amnesty international beschreibt schon in einer Auskunft an den Bayerischen VGH vom 23. März 1992 den starken Vertreibungsdruck gegen alle Kosovo-Albaner. Seit Mitte 1992 berichten amnesty international und Zeitungskorrespondenten übereinstimmend, daß Mißhandlungen mit Körperverletzungen an unbeteiligten und politisch nicht aktiven Albanern im Kosovo an der Tagesordnung seien, nahezu täglich mitgeteilt und systematisch von der serbischen Polizei durchgeführt werden (a.i., Bericht vom Juni 1992; a.i. vom 23. 3. 1992 an VG Ansbach; a.i. vom 24. 11. 1992 an VG Schleswig; a.i. vom 3. 2. 1993 an VG Ansbach; a.i. vom 23. 6. 1993 an VG Hannover; Neue Zürcher Zeitung vom 17. 4. 1993; Frankfurter Rundschau vom 16. 2. 1993 und vom 15. 6. 1993). Es kommt zu Serien von Hausdurchsuchungen und nächtlichen Razzien mit Gewalttätigkeiten, Prügeln und stundenlangen Verhören von Albanern durch die Polizei (Neue Zürcher Zeitung vom 17. 4. 1993; Süddeutsche Zeitung vom 8. 9. 1992), um die "Harke der Serbisierungspolitik" (Süddeutsche Zeitung vom 25. 7. 1991) mit Nachdruck einzusetzen. Die französische Kommission "Justiz und Gerechtigkeit Kosovo" betont in ihrem Bericht, daß nahezu jeder Albaner der Verhaftungsgefahr unterliege und dann Mißhandlungen und Folterungen in Polizeigewahrsam zu erwarten habe. Nach dem Bericht des Kosova Information Center vom 16. September 1993 sind ethnische Albaner zu Hunderttausenden von der serbischen Polizei malträtiert worden. Das Auswärtige Amt hebt in seinem Lagebericht vom 8. Juni 1993 hervor, daß ein Überziehen staatlicher Gewalt gegenüber ethnischen Albanern u.a. bei der Festsetzung des Strafmaßes auch für unpolitische Taten in zahlreichen Fällen festgestellt worden ist. Insbesondere in jüngster Zeit haben nach dem Bericht der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 5. August 1993 in sich steigerndem Maße Hausdurchsuchungen und Übergriffe serbischer Polizeieinheiten gegen Albaner stattgefunden, wobei letztere zu Hunderten verletzt worden seien. Im Anschluß an ungeklärte Vorfälle in den Städten Prizren und Prodojewa würden nunmehr systematisch ganze Stadtviertel durchsucht und zahlreiche Personen verhaftet, über deren Schicksal die serbischen Behörden keine Auskunft gäben. Berichtet wird von serbischen Überfallaktionen auf Märkte und kulturelle Gedenkveranstaltungen, bei denen Dutzende Albaner brutal verprügelt und zum Teil schwer verletzt worden seien (Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 18. 8. 1993).
Bei Auswertung des Erkenntnismaterials bestehen keine durchgreifenden Zweifel, daß es sich bei den ethnisch motivierten, asylerheblichen Übergriffen gegen Albaner nicht um Einzelfälle handelt. Dagegen spricht schon die Zahl der glaubhaft geschilderten, von unabhängigen Informationsquellen häufig - annähernd zeitgleich - übereinstimmend mitgeteilten Vorkommnisse. Überdies ist zu berücksichtigen, daß die Übergriffe auf Albaner in den Erkenntnismitteln oft nur beispielhaft dargestellt und nicht vollständig aufgeführt werden; deshalb ist angesichts der allgemeinen Repressionshaltung der serbischen Sicherheitsbehörden anzunehmen, daß die Zahl der in qualitativer Hinsicht asylrelevanten übergriffe noch höher ist als die Anzahl der bekanntgewordenen Vorfälle. Der Senat ist davon überzeugt, daß die unter b), c) und d) festgestellten Verfolgungsmaßnahmen - entsprechend dem oben dargestellten "Serbisierungs-Programm" der serbischen Regierung für das Kosovo - im Grundsatz auf alle ethnischen Albaner im Kosovo zielen. Aus diesen Gründen ergibt sich, daß den Klägern bei einer Rückkehr in ihre Heimat Kosovo gegenwärtig und auf absehbare Zeit mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine regionale gruppengerichtete Verfolgung wegen ihrer albanischen Volkszugehörigkeit droht. Umstände, die die Regelvermutung eigener Verfolgung (vgl. dazu BVerwG, Urt. v. 15. 5. 1990, a.a.O. 142) widerlegen könnten, sind nicht ersichtlich. Ebensowenig läßt irgendeines der vorliegenden Erkenntnismittel erkennen, daß sich die Bedrohungssituation für ethnische Albaner im Kosovo in absehbarer Zeit entscheidungserheblich ändern könnte.
f) Das Erkenntnismaterial belegt weiter, daß ethnischen Albanern heute und in absehbarer Zukunft ein Ausweichen vor politischer Verfolgung in andere Teile der Republik Serbien nicht möglich oder nicht zumutbar ist, so daß sie keine inländische Fluchtalternative besitzen und daher in ihrem Heimatstaat landesweit in eine aussichtslose Lage geraten sind.
Eine - wie hier - nur regional drohende (bzw. erlittene) politische Verfolgung führt nur dann zur Anerkennung als Asylberechtigter, wenn keine inländische Fluchtalternative besteht, weil derjenige keines Schutzes vor von seinem Heimatstaat zu verantwortender politischer Verfolgung im Ausland bedarf, der den gebotenen Schutz auch im eigenen Land finden kann (BVerfG, Beschl. v. 10. 7. 1989, a.a.O., 342; BVerwG, Urt. v. 2. 8. 1983, BVerwGE 67, 314, 315) [BVerwG 02.08.1983 - 9 C 599/81]. Von einer inländischen Fluchtalternative kann aber nur dann ausgegangen werden, wenn der Asylsuchende in dem dafür in Betracht kommenden Gebiet vor politischer Verfolgung hinreichend sicher ist und ihm dort keine anderen Nachteile und Gefahren drohen, die ihrer Intensität und Schwere nach einer asylerheblichen Rechtsgutbeeinträchtigung aus politischen Gründen gleichkommen (BVerfG, Beschl. v. 10. 7. 1989, a.a.O., 343 f; BVerwG, Urt. v. 23. 7. 1991, a.a.O.).
Entgegen der vom VGH Mannheim noch im Beschluß vom 11. März 1991 (NVwZ-RR 1991, 445, 447) [VGH Baden-Württemberg 11.03.1991 - 13 S 2937/90] geäußerten Auffassung, daß für jugoslawische Staatsangehörige aus dem Kosovo in den nördlichen Teilrepubliken Slowenien und Kroatien als verfolgungsfreien Teilgebieten Jugoslawiens interne Zufluchtsmöglichkeiten bestehen, können ethnische Albaner aus dem Kosovo heute nicht mehr auf Fluchtalternativen in Slowenien, Kroatien, Bosnien und Herzegowina sowie in Mazedonien verwiesen werden. Slowenien ist seit dem 25. Juni 1991 ein unabhängiger Staat und verfügt über ein eigenes Asylrechtsgesetz (Auswärtiges Amt an VG Ansbach vom 29. 6. 1993; Auswärtiges Amt, Lageberichte Slowenien vom 14. 7. 1992 und vom 18. 12. 1992). Auch Kroatien ist sei dem 25. Juni 1991 unabhängig, verfügt seit dem 22. Dezember 1990 über eine eigene Verfassung und hat damit eine eigene Staatlichkeit erlangt (Auswärtiges Amt, Lagebericht Kroatien vom 1. 4. 1993 sowie Lagebericht Jugoslawien vom 21. 1. 1991). Bosnien und Herzegowina ist als unabhängiger Staat inzwischen Mitglied der KSZE sowie der Vereinten Nationen und wurde am 7. April 1992 als souveräner Staat durch die Europäische Gemeinschaft und durch die USA anerkannt (Auswärtiges Amt, Lageberichte vom 16. 7. 1992 und vom 26. 5. 1993). Mazedonien schließlich ist ebenfalls ein unabhängiger Staat, der am 8. April 1993 von der UN-Generalversammlung als 181. Mitglied in die Vereinten Nationen aufgenommen wurde (Auswärtiges Amt, Lagebericht Mazedonien vom 1. 4. 1993; Archiv der Gegenwart vom 8. 4. 1993, 37736).
Vor diesem Hintergrund kommt als inländische Fluchtalternative für Albaner aus dem Kosovo nur die Republik Serbien selbst (mit Montenegro) in Betracht. Im Hinblick auf diese Lage führt das Auswärtige Amt in mehreren Lageberichten, u.a. im Bericht vom 28. Juli 1992, bündig aus, daß keine innerstaatlichen Fluchtalternativen bestünden. Diese Auffassung trifft zu. Es läßt sich nach dem vorhandenen Erkenntnismaterial nicht feststellen, daß ethnische Albaner aus dem Kosovo außerhalb des Kosovo in anderen Landesteilen Serbiens und Montenegros vor staatlichen Verfolgungsmaßnahmen hinreichend sicher wären. Es wird in den Lageberichten des Auswärtigen Amtes vom 28. Juli und vom 18. Dezember 1992 sowie auch im neuesten Lagebericht vom 8. Juni 1993 für Kreise mit starkem albanischen Bevölkerungsanteil außerhalb des Kosovo ebenfalls über Diskriminierungen der Albaner berichtet, auch wenn die Verhältnisse dort mit den Menschenrechtsverletzungen im Kosovo nicht vergleichbar seien. Ein Verfolgungsdruck von lediglich geringerer Intensität reicht zwar für die Annahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative nicht aus. Aus den oben dargestellten staatlichen Zielen der serbischen Regierung ergibt sich aber mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit, daß jedenfalls Albaner aus dem Kosovo auch in den übrigen Gebieten der serbischen Republik einschließlich Montenegro vor Verfolgung nicht sicher sein können. In diesen Gegenden würden sich nach Auffassung des Senats die Verhältnisse alsbald verschärfen, wenn Albaner mit dem politischen Makel einer Herkunft aus dem Kosovo in großer Anzahl dorthin abwanderten (ebenso: VG Braunschweig - 1. Kammer Göttingen -, Urt. v. 21. 5. 1993 - 1 A 1060/92 -; VG Stuttgart, Urt. v. 8. 10. 1992 - A 17 K 13386/91 -). Bereits jetzt referiert das Auswärtige Amt in den letzten drei Lageberichten zu Serbien/Montenegro gleichbleibend, daß aus Kreisen mit starkem albanischen Bevölkerungsanteil außerhalb des Kosovo wie Presevo, Bujanovatsch und Metwetja in Südserbien sowie Ulkench in Montenegro Meldungen über eine relative politische und wirtschaftliche Schlechterstellung, über allgemeine Benachteiligungen, Einschüchterungen und über Wahlmanipulationen zuungunsten der Albaner vorliegen. Diese würden sich mit hoher Wahrscheinlichkeit potenzieren, wenn Albaner aus dem Kosovo in großer Zahl in die vorgenannten Gebiete überwechselten.
Darüber hinaus ist der Senat davon überzeugt, daß ethnische Albaner aus dem Kosovo in anderen Teilen Serbiens und Montenegros - abgesehen von ihnen dort drohender Verfolgung durch die serbischen Sicherheitsbehörden - bei generalisierender Betrachtung auf unabsehbare Zeit ein Leben unter dem Existenzminimum zu erwarten hätten; eine derartige Situation steht der Annahme einer zumutbaren inländischen Fluchtalternative entgegen (BVerwG, Urt. v. 15. 1. 1991 - 9 C 85.89 -; BVerfG, Beschl. v. 10. 7. 1989, a.a.O., 344, 345). Insofern stellt der Senat folgende Ausgangslage im Kosovo in Rechnung:
Im Kosovo ist es zu massenhaften Entlassungen von Albanern aus ihren Beschäftigungsverhältnissen sowohl in der planwirtschaftlich strukturierten Wirtschaft als auch im Staatsapparat, vorrangig bei den Justiz- und Sicherheitsbehörden, gekommen, die den Entlassenen die wirtschaftliche Existenzgrundlage entziehen, denn sie erhalten keine staatliche Unterstützung oder Fürsorgeleistung. Aufgrund der planwirtschaftlichen Strukturen sind nicht nur Arbeitnehmer im öffentlichen Dienst, sondern auch Arbeiter und Angestellte in der verstaatlichten Industrie und im staatlichen Handel betroffen (UNHCR an Rechtsanwältin Groos vom 9. 12. 1992). Nach den Lageberichten des Auswärtigen Amtes vom 28. Juli und vom 18. Dezember 1992 sind so gut wie alle albanischen Angestellten und Arbeiter aus den staatlich gelenkten Betrieben entlassen worden, darunter auch alle Ärzte und Lehrer. Nach Presseberichten haben seit 1990 über 100.000 Albaner ihre Arbeit verloren; die Leitung der Fabriken würde durch Serben übernommen (Die ZEIT vom 30. 10. 1992; Neue Zürcher Zeitung vom 5. 11. 1992). Da die Erwerbstätigen zumeist eine große Familie versorgen, ist nach den Feststellungen der Gesellschaft für bedrohte Völker von den Entlassungen effektiv über eine halbe Million Menschen betroffen ("Ethnische Säuberung"..., a.a.O., 158). Nach einem Bericht der Süddeutschen Zeitung vom 27. Oktober 1992 beträgt die Arbeitslosenquote unter den Albanern im Kosovo 80 %.
Zur existentiellen Gesundheitsversorgung führt das Auswärtige Amt in seinen Lageberichten vom 28. Juli und vom 18. Dezember 1992 aus, daß der albanischsprachigen Bevölkerungsgruppe im Kosovo nach der Entlassung des albanischen medizinischen Personals aus den Einrichtungen des staatlichen Gesundheitssystems mittlerweile nur noch höchst unzureichend ausgestattete, auf Selbsthilfebasis funktionierende Krankenstationen zur Verfügung stehen. Nach dem Lagebericht vom 8. Juni 1993 ist eine zureichende medizinische Versorgung nicht mehr gewährleistet. Die ZEIT vom 30. Oktober 1992 berichtet, daß serbische Behörden versuchten, auch auf die Geburtenzahlen in der albanischen Bevölkerung Einfluß zu nehmen. Albanische Mütter müßten ihre Kinder ohne Arzt und Hebamme zu Hause zur Welt bringen; die Sterblichkeitsrate bei den Kindern sei entsprechend hoch.
Zur Schul- und Ausbildungssituation führt das Auswärtige Amt in seinen Lageberichten vom 28. Juli und 18. Dezember 1992 sowie vom 8. Juni 1993 aus, derzeit seien alle albanischen Professoren, Angestellten und Studenten von der Universität Pristina verwiesen. Betroffen sind insgesamt 274.000 Schüler, darunter 64.000 Schüler an der Oberschule und 19.500 Studenten, ferner 14.500 Grundschullehrer sowie 4.200 Lehrer an den weiterführenden Schulen und 880 Professoren (Kosova Information Center, Bericht v. 16. 9. 1993). Albanische Kinder dürfen nicht mehr in weiterführende staatliche Schulen gehen. Die albanische Seite hat daher ein staatlich nicht anerkanntes paralleles Bildungssystem aufgebaut.
Vor diesem Hintergrund haben in den letzten drei Jahren bereits rd. 300.000 Personen albanischer Volkszugehörigkeit die Provinz Kosovo verlassen (Süddeutsche Zeitung vom 26. 8. 1993). Sie haben versucht, u.a. in Serbien Arbeit zu finden und Geld für den Unterhalt ihrer Familie zu verdienen (v. Kohl/Libal, a.a.O., 137). Teilweise sind sie ins Kosovo zurückgekehrt, weil die Arbeitssuche vergeblich war (Süddeutsche Zeitung vom 26. 8. 1993). Nach mehreren Rundfunkberichten halten sich seit Beginn des Jahres 1993 in Serbien rd. 800.000 Flüchtlinge aus der Krajina und aus Bosnien auf, die dort ebenfalls verzweifelt nach Arbeit suchen. Verschärfend wirkt der Umstand, daß im ehemaligen Jugoslawien die Wohnung an die Innehabung einer Arbeitsstelle geknüpft war (v. Kohl/Libal, 136 f). Das Auswärtige Amt beziffert in seinem Lagebericht vom 8. Juni 1993 die Zahl der Flüchtlinge aus Kroatien und Bosnien/Herzegowina auf 735.000 Personen in Serbien und 70.000 Personen in Montenegro. In Serbien und Montenegro kommen täglich 1.000 Flüchtlinge hinzu, die jetzt nicht mehr in Privatquartieren, sondern in Flüchtlingslagern untergebracht werden.
Angesichts dessen besteht nach Auffassung des Senats die an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit, daß ethnische Albaner aus dem Kosovo, gegen die sich das auch arbeitsplatzbezogene "Serbisierungsprogramm" des serbischen Staates richtet, in Serbien oder Montenegro keine Beschäftigung finden, die ihr Existenzminimum und eine Unterkunft sichern kann.
3. Nach § 51 Abs. 1 AuslG i.d.F. des Art. 1 des Gesetzes zur Neuregelung des Ausländerrechts vom 9. Juli 1990 (BGBl I S. 1354), insoweit zuletzt geändert durch Gesetz vom 26. Juni 1992 (BGBl I S. 1126), darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Über das Vorliegen dieser Voraussetzungen für die Gewährung von Abschiebungsschutz ist im Rahmen des vorliegenden Verfahrens gegen die Beklagte zu 1) mitzuentscheiden, obwohl § 51 Abs. 1 AuslG gemäß Art. 15 Abs. 2 des Gesetzes zur Neuregelung des Ausländerrechts vom 9. Juli 1990 erst am 1. Januar 1991 und damit nach Erlaß des angefochtenen Bescheides des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 22. Juli 1988 in Kraft getreten ist. Zum selben Zeitpunkt ist nämlich auch die Neufassung des § 7 Abs. 1 des Asylverfahrensgesetzes vom 16. Juli 1982 (BGBl I S. 946, insoweit zuletzt geändert durch Art. 7 des Gesetzes vom 12. 9. 1990 (BGBl I S. 2002)), in Kraft getreten, der in Satz 2 bestimmt, daß mit jedem Asylantrag sowohl die Feststellung, daß die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG vorliegen, als auch, wenn der Ausländer dies nicht ausdrücklich ablehnt, die Anerkennung als Asylberechtigter beantragt wird. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts im Urteil vom 18. Februar 1991 (DVBl 1992, 843[BVerwG 18.02.1992 - 9 C 59/91]), der der Senat folgt, ist mit der Neubestimmung des Asylantragsbegriffes der Streitgegenstand in einem vom Bundesamt vor dem 31. Dezember 1990 entschiedenen Asylverfahren, das - wie im vorliegenden Fall - am 1. Januar 1991 noch bei Gericht anhängig war, von Gesetzes wegen auf die Prüfung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG erweitert worden.
Da die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG gemäß § 51 Abs. 2 Nr. 1 AuslG bei Asylberechtigten stets vorliegen und die Kläger in der mündlichen Verhandlung ihren Antrag insofern erweitert haben, ist die Beklagte zu 1) zu einer entsprechenden Feststellung zu verpflichten.
4. Der Anerkennung der Kläger zu 1) und 3) als Asylberechtigte steht § 27 AsylVfG in der Neufassung des Asylverfahrensgesetzes vom 27. Juli 1993 (BGBl I S. 1361) nicht entgegen. Nach § 27 Abs. 1 AsylVfG n.F. wird ein Ausländer, der bereits in einem sonstigen Drittstaat vor politischer Verfolgung sicher war, nicht als Asylberechtigter anerkannt. § 27 AsylVfG n.F. greift wortidentisch § 2 AsylVfG a.F. wieder auf, der auf die anderweitige Sicherheit des Ausländers in einem anderen Staat abstellte. Zu der Norm alter Fassung bestand in Literatur und Rechtsprechung Einigkeit, daß die Durchreise des Ausländers durch einen Nachbarstaat von § 2 AsylVfG a.F. nicht erfaßt wird (Kanein/Renner, AuslR, 5. Aufl., § 2 AsylVfG, Rz 21, 23, 39). § 26 a AsylVfG n.F. ist auf den vorliegenden Fall noch nicht anwendbar (§ 87 a Abs. 1 AsylVfG n.F.).
5. Die Klage gegen den Beklagten zu 2) hat keinen Erfolg. Der Bescheid vom 18. Oktober 1988 findet seine Rechtsgrundlage in § 11 AsylVfG 1982. Nach dieser Vorschrift fordert die Ausländerbehörde den Ausländer unverzüglich zur Ausreise auf, setzt ihm eine Ausreisefrist und droht ihm für den Fall der nicht fristgerechten Ausreise die Abschiebung an, sobald das Bundesamt den Asylantrag als offensichtlich unbegründet abgelehnt hat und dem Asylbewerber keine Aufenthaltsrechte im Sinne des § 11 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG 1982 zustehen. Anhaltspunkte dafür, daß den Klägern nach Maßgabe der Erkenntnisse zum Zeitpunkt der Behördenentscheidung ein derartiges Bleiberecht hätte zugebilligt werden müssen, sind nicht ersichtlich. Auch die Ausreisefrist ist angemessen. Auf die Sachlage im Zeitpunkt der Entscheidung des Senats kommt es nicht an. Bei der gerichtlichen Kontrolle nach § 11 AsylVfG 1982 bzw. nach § 28 AsylVfG 1991 ergangener Ausreiseaufforderungen und Abschiebungsandrohungen ist auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der behördlichen Entscheidung abzustellen (Nds. OVG, Beschl. v. 11. 2. 1993 - 11 L 5640/92 -; VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 7. 12. 1992, VBl BW 1993, 191; BVerwG, Urt. v. 8. 3. 1993, AoAS 1993, 179). In dem danach maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses des Bescheides vom 18. Oktober 1988 hatte der Beklagte keinen Anlaß, das Vorliegen von asylunabhängigen Abschiebungshindernissen zu prüfen, denn solche hatten die Kläger seinerzeit noch nicht geltend gemacht. Dem Beklagten zu 2) mußten sich auch nicht sonstige Gründe für die Ermöglichung eines weiteren Aufenthalts der Kläger im Bundesgebiet aufdrängen. Nach alledem ist dieser Bescheid rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten.
6. Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 VwGO und aus § 83 b Abs. 1 iVm § 87 a Abs. 1, 3 AsylVfG n.F. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
7. Die Revision ist nicht zuzulassen. Zulassungsgründe im Sinne des § 132 Abs. 2 VwGO sind nicht erkennbar. Es besteht kein Anlaß, die Revision nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO mit Rücksicht auf die entgegenstehenden Urteile des VGH Mannheim vom 2. September 1993 und des OVG Münster vom 5. Februar 1993 zuzulassen. Die Divergenzrevision bei einander widersprechenden Entscheidungen der Verwaltungsgerichtshöfe/Oberverwaltungsgerichte als Unterfall der Grundsatzrevision kommt nur dann in Betracht, wenn die Divergenz der Obergerichte sich auf Rechtsfragen bezieht. Hier beruht die Divergenz demgegenüber allein auf einer unterschiedlichen Beweiswürdigung des vorhandenen Erkenntnismaterials.
Schinkel
Groepper
Frentz