Oberlandesgericht Oldenburg
Urt. v. 17.02.2003, Az.: 13 U 72/02

Anspruch auf Wiederherstellung der Funktionstauglichkeit eines Mietobjektes; Recht auf Mietminderung; Pflicht zur Instandsetzung des Daches; Unangemessene Benachteiligung des Mieters; Verwendung einer Vertragsklausel von Seiten des Mieters; Kenntnis vom Kostenrisiko; Erzielung eines günstigen Mietzinses

Bibliographie

Gericht
OLG Oldenburg
Datum
17.02.2003
Aktenzeichen
13 U 72/02
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2003, 24666
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGOL:2003:0217.13U72.02.0A

Verfahrensgang

vorgehend
LG Osnabrück - 24.05.2002 - AZ: 12 O 2898/01

Fundstelle

  • NZM 2003, 439 (Volltext mit red. LS)
Zusammenfassung

Das Gericht hatte darüber zu entscheiden, ob eine Klausel in einem Mietvertrag, der einen gewerblichen Mieter dazu verpflichtet, das Mietobjekt und insbesondere dessen Dach instand zu halten, den Mieter unangemessen benachteiligt und daher unwirksam ist. Da sich im Fall jedoch herausstellte, dass die fragliche Klausel von der Vermieterseite in den Vertrag eingeführt worden war, mit dem Zweck, einen günstigeren Mietzins zu erzielen, fehlte es bereits am Tatbestandsmerkmal des verwendens durch den Vermieter. Dem Anspruch auf Wiederherstellung der Funktionstauglichkeit des Mietobjekts weist das Gericht daher ebenso wie den Anspruch auf Minderung des Mietzinses ab.

In dem Rechtsstreitverfahren
hat der 13. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Oldenburg
auf die mündliche Verhandlung vom 27. Januar 2003
durch
den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ... und
die Richter am Oberlandesgericht ... und ...
für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Osnabrück vom 24. Mai 2002 geändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Gründe

1

I.

Die Klägerin begehrt mit ihrer Klage von der Beklagten die Wiederherstellung der Funktionstauglichkeit eines Mietobjektes, dass ihre Rechtsvorgängerin durch Vertrag vom 22. Dezember 1987 von der Beklagten gemietet hatte; darüber hinaus begehrt sie die Feststellung, dass die Klägerin zur Mietminderung berechtigt ist. Bei dem Mietobjekt handelt es sich um gewerbliche Räume, die die Klägerin zum Betrieb eines Einzelhandelsgeschäftes an die Streitverkündete weitervermietet hat. In § 9 des von der Rechtsvorgängerin geschlossenen Mietvertrages, in den die Klägerin eingetreten ist, ist vereinbart, dass der Mieter "auf seine Kosten das gesamte Mietobjekt an Dach und Fach, einschließlich tragender Wände und Fundament, laufend instandzusetzen" hat. Da das Flachdach des Mietobjektes Undichtigkeiten aufweist, die zu Wassereinbrüchen führt, hat die Klägerin die Beklagte zur Beseitigung der Mängel aufgefordert. Die Beklagte ist der Auffassung, dass die Mangelbeseitigung in den Verantwortungsbereich der Klägerin falle.

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Das Landgericht hat sich demgegenüber in dem angefochtenen Urteil auf den Standpunkt gestellt, dass die Instandsetzung gemäß § 536 BGB a. F. bzw. § 535 Satz 2 BGB n. F. von der Beklagten als Vermieterin geschuldet werde. Die Vertragsklausel in § 9 des Mietvertrages sei als Allgemeine Geschäftsbedingung zu werten, die gemäß § 9 Abs. 1 AGBG a. F. unwirksam sei, weil sie die Klägerin unangemessen benachteilige und die Pflichten der Beklagten als Vermieterin so weit aushöhle, dass der Vertragszweck gefährdet sei. Ein Ausgleich der nachteiligen Klausel durch anderweitige Vorteile sei nicht ersichtlich. Weder sei wegen der Abwälzung der Instandhaltungspflichten ein Mietnachlass vereinbart worden, noch sei die Beklagte dem Vortrag der Klägerin entgegengetreten, der Mietzins habe dem marktüblichen Preis entsprochen. Es sei auch keine Beschränkung auf einen bestimmten Höchstbetrag oder auf solche Schäden vorgenommen worden, die lediglich durch den Gebrauch des Mietobjektes verursacht worden seien. An dieser Bewertung ändere auch die Entstehungsgeschichte des Vertrages nichts. Auch wenn der Ankauf des Mietobjektes durch die Beklagte und die Vermietung an die Klägerin bzw. deren Rechtsvorgängerin als Immobilienleasinggeschäft gewertet werde, sei von einer Unwirksamkeit der Klausel auszugehen, da auch solche Verträge nach Mietrecht zu beurteilen seien. Unerheblich sei auch, dass die Klausel des § 9 des Vertrages ursprünglich möglicherweise von der Mieterseite entworfen worden sei. Denn die Beklagte habe der Klägerin als andere Vertragspartei diesen Vertragstext jedenfalls in dem hier zu beurteilenden Fall auch als Verwender gestellt. Der Vertragstext aus dem im Jahre 1985 abgeschlossenen Geschäft sei von der Beklagten offenbar unbesehen auch für den Mietvertrag über das hier streitige Objekt übernommen worden.

3

Das Landgericht hat antragsgemäß wie folgt entschieden:

4

1.

Die Beklagte wird verurteilt, die Funktionsfähigkeit des Daches des an die Klägerin vermieteten Mietobjektes ...straße , ..., wiederherzustellen, insbesondere folgende Instandsetzungsmaßnahmen durchzuführen:

  1. a)

    fachgerechte Abdichtung der Übergänge der Lichtkuppeln zu den Aufsatzkränzen auf dem Dach,

  2. b)

    Sanierung derjenigen Dachteile, welche bei Regen permanent unter Wasser stehen, es handelt sich hierbei um eine Fläche von 150 qm, insbesondere um einen Bereich, der in etwa 15 Meter Abstand parallel zur Eingangsfront verläuft,

  3. c)

    Installation eines Überlaufes durch die Attika an der Wandseite, der eine Entwässerung der an den Kehlenden des Daches bei Regen entstehenden Pfützen gewährleistet,

  4. d)

    Abdichtung und Neueinfassung der auf dem Dach befindlichen Lüfter,

  5. e)

    Abdichtung der Doppelstegplatten.

5

2.

Es wird festgestellt, dass die Klägerin berechtigt ist, die Bruttokaltmiete für das Mietobjekt ...straße ..., ..., für den Monat Juni 2001 um 20 %, für den Monat Juli 2001 um 50 % und ab dem 01.08.2001 um 20 % zu kürzen.

6

Gegen dieses Urteil wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung. Sie ist der Ansicht, das Landgericht habe die Entstehungsgeschichte des Mietvertrages und dessen wirtschaftlichen Hintergrund nicht hinreichend gewürdigt. Die Rechtsvorgängerin der Klägerin habe sich das Objekt ausgesucht, um es langfristig wie ein Eigentümer zu nutzen, ohne selbst Eigentümer zu werden. Um dieses wirtschaftliche Ergebnis zu erreichen, habe sie die Immobilie zum Kauf mit Rückmietung auf der Grundlage des Mietvertrages angeboten. Der Mietvertrag sei von der Mieterseite konzipiert worden. Im Rahmen der Immobilienfinanzierung sei das gesamte Vertragskonzept von der ... ... AG entwickelt worden, der die Rechtsvorgängerin der Klägerin zugehöre. In dem Kaufvertrag zwischen der Rechtsvorgängerin der Klägerin und der Beklagten sei ein umfassender Gewährleistungsausschluss vereinbart worden; damit korrespondiere die Regelung bzgl. der Instandhaltung und Instandsetzung der Mietsache. Die Klägerin wäre deshalb hinreichend geschützt und deshalb nicht im Sinne des § 9 AGBG unangemessen benachteiligt.

7

Unter Berücksichtigung der Kosten, die die Beklagte für das Mietobjekt aufbringen müsse, ergebe sich eindeutig, dass die Instandhaltungs- und Instandsetzungskosten keinesfalls in der kalkulierten Miete enthalten sein könnten.

8

Die Beklagte beantragt,

das angefochtene Urteil zu ändern und die Klage abzuweisen.

9

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

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Sie rügt zum einem, dass die Berufungsbegründung neuen Tatsachenvortag enthalte, mit dem sie für die Berufungsinstanz ausgeschlossen sei. In der Sache selbst sei der Beklagten zwar darin zuzustimmen, dass es um die Form eines Immobilienfinanzierungsleasings gehe. Verkäuferin des Grundstücks sei aber nicht die Firma ... ... als spätere Mieterin, sondern eine Firma ... ... GmbH & Co. KG gewesen, die dem Unternehmensverbund der Beklagten zuzurechnen sei. Der in dem Kaufvertrag vereinbarte Haftungsausschluss sei somit gerade nicht dem Mieter zugute gekommen, weswegen darin auch kein Äquivalent für die Überbürdung der Instandhaltungs- und Instandsetzungsverpflichtung gesehen werden könne. Die von den Parteien vereinbarte Miete sei ortsüblich gewesen. Das gelte zumindest für den Zeitpunkt, als die Klägerin in den Vertrag eingetreten sei. Dieser Zeitpunkt sei aber maßgeblich. § 9 des Mietvertrages verstoße nicht nur gegen § 9 AGBG a. F., sondern wäre gemäß § 138 BGB auch als sittenwidrig und deshalb nichtig anzusehen, weil er dem Mieter ein kaum zu übersehendes Haftungsrisiko überbürde.

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Demgegenüber verweist die Beklagte darauf, dass sie bereits in der ersten Instanz vorgetragen habe, es sei kein marktüblicher Mietzins, sondern eine so genannte Kostenmiete vereinbart worden. Die Beklagte räumt ein, dass das Grundstück nicht von der Mieterseite zunächst an die Beklagte und dann an die Rechtsvorgängerin der Klägerin vermietet worden sei, sondern dass eine Firma ... ... GmbH & Co. das Grundstück an die Beklagte veräußert habe. Das habe aber dem Willen der Rechtsvorgängerin der Klägerin entsprochen. Die Initiative zum Abschluss der Finanzierungsleasingsvereinbarung sei von der ... ... AG ausgegangen. Den Parteien sei bei dem Erwerb des Grundstücks von Anfang an klar gewesen, dass die Klägerin bzw. deren Rechtsvorgängerin sich in Hinblick auf das Grundstück wie die Eigentümerin suggerieren werde. Der Kontakt der Beklagten zu der ... ... GmbH sei von der ... ... AG hergestellt worden. Die ... ... AG habe den Kaufpreis mit der ... selbst verhandelt und ihn der Beklagten vorgegeben. Für die Feststellung, ob ein reduzierter Mietzins vorgelegen habe, sei nicht auf den Zeitpunkt abzustellen, als die Klägerin im Wege der Rechtsnachfolge in den Mietvertrag eingetreten sei, sondern auf den Zeitpunkt des Mietvertragsabschlusses. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung des Äquivalenzverhältnisses sei der Vertragsabschluss. Ein nachträgliche Änderung der Umstände führe nicht zur Unwirksamkeit einer Vertragsklausel.

12

Die Instandhaltungsklausel unterfalle nicht dem AGBG, da sie nicht von der Beklagten, sondern von der Rechtsvorgängerin der Klägerin in den Vertrag eingeführt worden sei. Die Instandhaltungsklausel sei im Übrigen auch nicht sittenwidrig.

13

II.

Die zulässige Berufung der Beklagten ist begründet. Die Beklagte ist nicht verpflichtet, die Funktionsfähigkeit des Daches der an die Klägerin vermieteten Halle wiederherzustellen und die Klägerin ist deshalb auch nicht berechtigt, wegen eines Mangels des Mietobjektes die vereinbarte Miete zu mindern. Denn gemäß § 9 des Mietvertrages, den die Beklagte mit der Rechtsvorgängerin der Klägerin abgeschlossen und in den die Klägerin eingetreten ist, obliegt die Instandsetzung des Daches der Klägerin selbst. Entgegen der Auffassung des Landgerichts steht § 9 Abs. 1 AGBG a. F. nicht entgegen, dass die Klägerin abweichend von der gesetzlichen Regelung des § 535 Satz 2 BGB die Instandsetzung des Daches der Klägerin als Mieterin überbürdet hat. Die Beklagte hat nicht entgegen den Geboten von Treu und Glauben die Klägerin unangemessen benachteiligt, indem sie ihr die Instandhaltungspflicht auferlegt hat. Denn die Beklagte ist nicht Verwenderin der Vertragsklausel im Sinne des § 9 AGB Abs. 1 a. F. Auf Grund der bereits erstinstanzlich vorgelegten Korrespondenz der Rechtsvorgängerin der Klägerin mit der Beklagten sowie des von dem Senat erhobenen Zeugenbeweises ist erwiesen, dass vielmehr von der Mieterseite die Klausel entwickelt wurde und dadurch Eingang in den Vertrag der Parteien fand. Die Zeugen ..., ..., ... und ..., sämtlich frühere Mitarbeiter der ... ... AG, haben bei ihrer Vernehmung durch den Senat überzeugend das Vorbringen des Beklagten bestätigt, wie es zum Abschluss des Mietvertrages kam. Danach sind die Mietverträge im Hause der Firma ... ... entwickelt worden, deren abhängige Tochter die Rechtsvorgängerin der Beklagten war. Die Verträge sind bewusst so ausgestaltet worden, dass die Instandhaltungskosten von dem Mieter zu tragen war. Wie der Zeuge ..., der zum Zeitpunkt des Abschlusses des Mietvertrages die Rechtsabteilung der ... ... AG leitete, anschaulich dargelegt hat, war seinerzeit allgemein bekannt, welches Kostenrisiko sich aus der Instandhaltung von Flachdächern ergibt, da diese sehr anfällig seien, bei Regen undicht zu werden. Nach der Bekundung des Zeugen ..., der zu der fraglichen Zeit in der Finanzabteilung der ... ... AG tätig war, wurde von der Mieterseite die Verpflichtung zur Instandhaltung übernommen, um zum einen einen günstigeren Mietzins zu erzielen und zum anderen über die Zentralverwaltung günstigere Bedingungen für die Handwerksleistungen zu erzielen. Dass die Beklagte nicht mit den Kosten der Instandhaltung belastet werden sollte und dies auch im Bewusstsein der Rechtsvorgängerin der Klägerin war, ergibt sich im Übrigen aus einem Schreiben des Geschäftsführers der Beklagten vom 03.12.1987 an die Rechtsvorgängerin der Klägerin in dem der Geschäftsführer ausdrücklich betont, dass er mit dem Erwerb der Objekte und der Weitervermietung auf der Basis einverstanden sei, dass mit Ausnahme der Grunderwerbsnebenkosten er von den übrigen Kosten sowohl beim Erwerb der Objekte wie auch bei deren Weitervermietung freigestellt werde. Dadurch, durch das Schreiben der ... Handelsgesellschaft mbH vom 17.12.1987 und durch die Aussage des Zeugen ... ist auch das Vorbringen der Beklagten bestätigt worden, dass die Beklagte das Mietobjekt neben anderen von einer Firma ... auf Veranlassung der ... ... AG erworben hat, um es unmittelbar deren Tochter, der Rechtsvorgängerin der Klägerin weiterzuvermieten.

14

Der Grundgedanke des AGB-Gesetzes, den Vertragspartner eines Verwenders davor zu schützen, mit unangemessenen Vertragsklauseln überfahren zu werden, passt also nicht für den Vertrag der Parteien dieses Rechtsstreits.

15

Da eine Verlagerung der Instandhaltungskosten auf den Mieter nicht unüblich ist und die Klägerin selbst ein größeres Unternehmen ist, das mit diesen Avancen vertraut ist, gibt es auch keine Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte unter Missbrauch ihrer wirtschaftlichen Stellung eine schwächere Position der Rechtsvorgängerin der Klägerin und auch der Klägerin selbst habe ausnutzen können.

16

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Streitwertbeschluss:

Der Wert der Beschwer übersteigt 20.000,00 EUR.

Der Streitwert für die Berufungsinstanz wird auf 170.362,45 EUR festgesetzt.