Oberlandesgericht Oldenburg
Urt. v. 28.02.2003, Az.: 6 U 231/01
Schadensersatz bei Verkehrsunfall; Umfang des Schmerzensgelds bei langwierigen Verletzungen; Bewertung des ärztlichen Gutachtens im Rahmen der Ersatzzahlungen
Bibliographie
- Gericht
- OLG Oldenburg
- Datum
- 28.02.2003
- Aktenzeichen
- 6 U 231/01
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2003, 30295
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGOL:2003:0228.6U231.01.0A
Verfahrensgang
- nachfolgend
- LG Oldenburg - 28.02.2003 - AZ: 8 O 3707/00
Rechtsgrundlagen
- § 823 BGB
- § 247 BGB
Fundstellen
- RdW 2004, 145-147 (Volltext)
- VersR 2004, 64-65 (Volltext mit amtl. LS)
- zfs 2003, 590-591 (Volltext mit amtl. LS)
Prozessführer
S.B.,B.,P.,
Rechtsanwältin L.P., O.
Prozessgegner
G.L.V.-AG,
vertreten durch den Aufsichtsrat Dr. D. K., S., M.
Rechtsanwälte H.O.
In dem Rechtsstreit
hat der 6. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Oldenburg
auf die mündliche Verhandlung vom 31. Januar 2003
durch
die Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht ...,
den Richter am Oberlandesgericht ... und
die Richterin am Landgericht ...
für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Berufung des Klägers wird das am 30. Oktober 2001 verkündete Urteil des Einzelrichters der 8. Zivilkammer des Landgerichts Oldenburg geändert und die Beklagte verurteilt, an den Kläger 25.000,- EUR nebst 4 % Zinsen seit dem 09. Mai 2001 zu zahlen.
Die Kosten des Rechtsstreits haben der Kläger zu 20 % und die Beklagte zu 80 % zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Beide Parteien können die Vollstreckung der Gegenseite durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Gegenseite vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger (35 Jahre) begehrt Schmerzensgeld sowie die Feststellung der Ersatzpflicht für materielle und immaterielle Schäden aus einem Verkehrsunfall vom 01. März 1997, bei dem der Kläger als Fahrradfahrer schwer verletzt worden war. Die volle Einsatzpflicht der Beklagten für den durch ihren Versicherungsnehmer verschuldeten Verkehrsunfall ist außer Streit.
Bei dem Unfall erlitt der Kläger u.a. einen Oberschenkelhalsbruch rechts, einen offenen Nasenbruch sowie ein Schädelhirntrauma ersten Grades. Am 02. März 1997 wurde der Kläger am rechten Oberschenkel operiert.
Im Jahre 1999 kam es zwischen den Parteien zu außergerichtlichen Verhandlungen über eine abschließende Schadensregulierung. Grundlage der Verhandlungen war ein fachchirurgisches Gutachten, welches das Evangelische Krankenhaus Oldenburg im Auftrage der Beklagten am 16. März 1999 erstellt hatte. Darin heißt es u.a., dass nach wie vor eine Schmerzsymptomatik im Bereich des rechten Hüftgelenks bestehe, dessen Beweglichkeit gegenüber links verringert sei. Die Fraktur am Oberschenkel scheine nicht voll durchbaut zu sein. Am rechten Bein liege eine diskrete Beinverkürzung von 1 cm vor. Nach der Entfernung der Schrauben wurde eine Röntgenschichtaufnahme-Serie des Bruchbereichs der rechten Hüfte empfohlen. Anschließend müsse über eine erneute Operation dieses Bereichs entschieden werden. Das Ergebnis der durchzuführenden Maßnahme bleibe abzuwarten. Eine dauerhafte Schädigung im Bereich der Beweglichkeit und Belastungsfähigkeit des rechten Hüftgelenks werde "vermutlich" verbleiben. Ein Endzustand der (medizinischen) Behandlung sei noch nicht erreicht. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Ablichtung des Gutachtens (Bl. 17 ff d.A.) verwiesen. Der damalige Bevollmächtigte des Klägers bezifferte mit Schreiben vom 20. Mai 1999 (Bl. 72 ff d.A.) die klägerischen Schmerzensgeldansprüche auf 20.000,- DM. Darüber hinaus begehrte er die Feststellung der Ersatzpflicht für alle weiteren immateriellen und materiellen Schäden. Zur Begründung der Feststellungsverpflichtung führte er aus, dass die Auswirkungen der Schädigungen auf das Hüftgelenk noch nicht überschaubar seien und sich der Kläger als Folgeschaden "möglicherweise eine künstliche Hüfte" werde einsetzen lassen müssen. Unter dem 13. Juli 1999 unterzeichneten die Parteien eine Vergleichs- und Abfindungserklärung, wonach der Kläger insgesamt 20.690,- DM erhalten sollte. Gleichzeitig erkannte die Beklagte in einem Vorbehalt zur o.g. Erklärung u.a. an, dass der Kläger "einen Anspruch auf zukünftigen Ersatz des immateriellen Schadens unter Zugrundelegung der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Versicherungsrecht 80, 975) besitzt."
Am 14. März 2000 stellte der Orthopäde Dr. M. fest, dass bei dem Kläger eine "Arthrose und Hüftkopfnekrose" besteht. Am 12. Oktober 2000 kam auch eine amtsärztliche Untersuchung zu dem Ergebnis, dass sich bei dem Kläger eine Hüftkopfnekrose (Absterben des Knochens des Hüftkopfes) entwickelt hatte. Dadurch sei die Gehbeweglichkeit des Klägers erheblich eingeschränkt. Er benötige Gehstützen, weil das rechte Bein nicht belastet werden könne und dürfe. Für den 30. April 2001 sei eine Operation zur Implantation eines künstlichen Hüftgelenks vereinbart. Danach sei nur noch eine Arbeitsfähigkeit des Klägers für leichte Arbeit ohne Tragen, Bücken, Hocken und Knien erzielbar. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das amtsärztliche Attest vom 12. Oktober 2000 (Bl. 42 d.A.) verwiesen.
Der Kläger ist der Auffassung, dass die Hüftkopfnekrose und die dadurch notwendige Implantation eines künstlichen Hüftgelenks von dem auf Grund der Abfindungsvereinbarung der Parteien gezahlten Schmerzensgeldbetrages von 20.000,- DM nicht erfasst sei.
Er hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn ein weiteres Schmerzensgeld in Höhe von 40.0000,- DM nebst 4 % Zinsen seit Rechtshängigkeit (08. Mai 2001) zu zahlen;
festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger sämtliche immateriellen und materiellen Schäden aus dem Unfall vom 01. März 1997 auf der Stedinger Straße in Delmenhorst zu ersetzen, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergehen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie ist der Auffassung, dass dem Kläger nach der getroffenen Abfindungsvereinbarung ein weiteres Schmerzensgeld nicht zustehe.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die vom Kläger vorgetragenen Beschwerden bereits Gegenstand der Begutachtung durch das Evangelische Krankenhaus gewesen und damit Grundlage der Abfindungsvereinbarung geworden seien. Zudem ergebe sich aus dem Schreiben der Bevollmächtigten des Klägers vom 20. Mai 1999, dass bereits zum damaligen Zeitpunkt der Einsatz einer künstlichen Hüfte als Folgeschaden für möglich gehalten worden sei.
Gegen dieses Urteil wendet sich der Kläger mit seiner fristgerecht eingelegten und rechtzeitig begründeten Berufung. Er hält an seiner Auffassung fest, dass die Hüftkopfnekrose und deren Folgen von dem damaligen Abfindungsvergleich nicht erfasst sei, weil diese Verletzungsfolge noch nicht absehbar gewesen sei.
Er beantragt,
das angefochtene Urteil zu ändern und die Beklagte zu verurteilen, an ihn ein weiteres Schmerzensgeld in Höhe von mindestens 20.451,68 EUR (= 40.0000,- DM) nebst 4 % Zinsen seit Rechtshängigkeit (08. Mai 2001) zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das angefochtene Urteil.
Der Senat hat auf Grund der Beweisbeschlüsse vom 17. Mai 2002 (Bl. 208 f d.A.) und 15. November 2002 (Bl. 250 d.A.) Beweis erhoben durch Einholung eines Sachverständigengutachtens des Sachverständigen Dr. Berg, das dieser mündlich erläutert hat. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Gutachten vom 06.08.2002 sowie auf die Sitzungsniederschrift vom 31. Januar 2003 (Bl. 253 f d.A.) Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung ist zulässig und - nach Rücknahme des Feststellungsantrages - auch begründet.
I.
Der Kläger kann von der Beklagten ein weiteres Schmerzensgeld von 25.000,- EUR aus § 847 Abs. 1 BGB verlangen.
1)
Allerdings ergibt sich dieser Anspruch nicht aus der in der Abfindungsvereinbarung vom 13. Juli 1999 enthaltenen Vorbehaltsklausel für künftige Schäden. Auf Grund dieser Abfindungsvereinbarung hatte der Kläger von der Beklagten vorprozessual bereits ein Schmerzensgeld in Höhe von 20.000,- DM erhalten. Dieses Schmerzensgeld sollte den Kläger für die zum damaligen Zeitpunkt bestehenden und absehbaren Verletzungen und Verletzungsfolgen "endgültig und vollständig" abfinden. Allerdings sollte der Kläger "unter Zugrundelegung der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Versicherungsrecht 80, 975)" auch künftige immaterielle Schäden beanspruchen können. In jener Entscheidung hat der Bundesgerichtshof ausgeführt, dass weiteres Schmerzensgeld nur für solche Verletzungsfolgen verlangt werden könne, "die bei der ursprünglichen Bemessung des immateriellen Schadens noch nicht eingetreten waren oder mit deren Eintritt nicht oder nicht ernstlich zu rechnen war. Nur wenn es sich um Verletzungsfolgen handelt, an die auch ein mit der Beurteilung des Ausmaßes und der voraussichtlichen weiteren Entwicklung eines unfallursächlichen Körperschadens des Verletzten beauftragter Sachverständiger nicht zu rechnen brauchte, die aber entgegen aller Wahrscheinlichkeit schließlich doch eingetreten sind, darf angenommen werden, dass sie vom Streit- und Entscheidungsgegenstand eines vorausgegangenen Schmerzensgeldprozesses nicht erfasst sind, ihrer Geltendmachung daher die Rechtskraft nicht entgegensteht." (BGH, Urteil vom 08. Juli 1980, VersR 1980, 975 f). An diesen Grundsätzen hat der Bundesgerichtshof auch in späteren Entscheidungen festgehalten und ausdrücklich klar gestellt, dass die Frage, ob und welche Verletzungsfolgen auf Grund des zur Entscheidung gestellten Sachverhalts zu erkennen und damit grundsätzlich einschließlich ihrer nahe liegenden künftigen Auswirkungen bei der Bemessung des Schmerzensgeldes zu berücksichtigen waren, objektiv, d.h. nach den Kenntnissen eines insoweit Sachkundigen, zu beantworten ist (vgl. BGH, NJW 1988, 2300, 2301 [BGH 24.05.1988 - VI ZR 326/87]; r + s 1995, 137, 138). Darauf, ob die Parteien oder das Gericht die Verletzungsfolgen zutreffend gewürdigt haben, kommt es nicht an (BGH, NJW 1988, 2300, 2301) [BGH 24.05.1988 - VI ZR 326/87].
Entscheidend war im vorliegenden Fall also, ob die Hüftkopfnekrose und die damit verbundene Implantation eines künstlichen Hüftgelenks bei Abschluss des Abfindungsvergleichs objektiv voraussehbar waren, wobei es auf die Sicht eines Sachverständigen ankommt (vgl. BGH, NJW 1988, 2300, 2301 [BGH 24.05.1988 - VI ZR 326/87], r + s 1995, 137, 138). Der Sachverständige Dr. Berg hat hierzu ausgeführt, dass die Hüftkopfnekrose auf den Röntgenbildern von November 1999 bereits eindeutig erkennbar gewesen sei. Zu diesem Zeitpunkt habe bereits eine "schwerstgradige" Hüftkopfnekrose vorgelegen. Der Hüftkopf sei in sich zusammengesunken und deutlich vermehrt sklerosiert gewesen. Es habe sich dort ein großes dreiecksförmiges nekrotisches Areal gezeigt. Dieses fortgeschrittene Krankheitsbild lasse eindeutig darauf schließen, dass die Hüftkopfnekrose auch schon bei Abschluss des Abfindungsvergleichs im März 1999 vorhanden und für einen Sachverständigen im Falle zeitnaher Röntgenaufnahmen erkennbar gewesen sei. Der Senat schließt sich den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen, die dieser in der mündlichen Verhandlungen anschaulich erläutert hat, an.
2)
Handelt es bei der Hüftkopfnekrose also nicht um einen "künftigen" Schaden im Sinne der in dem Abfindungsvergleich vereinbarten Vorbehaltsklausel, kann der Kläger weiteres Schmerzensgeld nach ständiger Rechtsrechung nur dann verlangen, wenn ihm ein Festhalten an der Abfindungsvereinbarung nach Treu und Glauben ( § 242 BGB) nicht zuzumuten ist, weil sich auf Grund von den Parteien nicht vorhergesehener Spätfolgen zwischen Schaden und der Vergleichssumme ein so krasses Missverhältnis ergibt, dass es für den Kläger eine außergewöhnliche und unzumutbare Härte bedeuten würde, wenn ihm Nachforderungsansprüche versagt blieben (vgl. BGH, VersR 1966, 243, 244; NJW 1984, 115 f [BGH 12.07.1983 - VI ZR 176/81]; NJW 1991, 1535; OLG Celle, ZfS 1997, 332; OLG Schleswig, VersR 2001, 983, 984) [OLG Schleswig 30.08.2000 - 4 U 158/98]. Diese Voraussetzungen sind nach Auffassung des Senats im vorliegenden Fall gegeben. Die nunmehr beim Kläger eingetretenen und von den Parteien damals nicht vorhergesehenen Verletzungsfolgen sind so schwerwiegend, dass dem Kläger ein Festhalten an dem Vergleich nicht zuzumuten ist. Nach den Feststellungen des Sachverständigen Dr. Berg war der Röntgenuntersuchung am 04. November 1999 zu entnehmen, dass der Kläger an einer schwerstgradigen Hüftkopfnekrose leidet. Der Hüftkopf war in sich zusammengesunken und vermehrt sklerosiert. Solche Hüftkopfnekrosen stellen einen Dauerschaden dar und bereiten in aller Regel eine enorme Schmerzsympthomatik. Auf Grund dieser sich beim Kläger sehr rasch entwickelnden Hüftkopfnekrose wurde im Jahre 2001 die Implantation einer rechtsseitigen Hüfttotalendoprothese notwendig. Daran schloss sich vom 29. Mai 2001 bis 19. Juni 2001 eine Rehabilitationsbehandlung in der Fachklinik für Rheuma und Reha in Bad Zwischenahn an. Es wurde insbesondere eine intensive Krankengymnastik zur Förderung der Kraft des rechten Beines und der Beweglichkeit des rechten Hüftgelenks durchgeführt. Durch das Einsetzen der Totalendoprothese stellte sich rechts eine relative Beinverlängerung mit nachfolgendem Beckentiefstand links und funktioneller Skoliose (seitliche Verkrümmung der Wirbelsäule) ein. Diese funktionelle Skoliose hat über eine muskuläre Dysbalance zu den vom Kläger vorgebrachten Lumbalgien geführt. Der Kläger ist auf Grund seiner Verletzung im Bereich der rechten Hüfte ganz erheblich in seiner Beweglichkeit beschränkt. Seine Erwerbsfähigkeit ist dauerhaft wenigstens zu 30 % gemindert, wobei mit einer Verschlechterung dieses Zustandes und mit einer Lockerung der Hüftprothese zu rechnen ist, was zwangsläufig weitere Hüfttotalendoprothesen-Revisionsoperationen nach sich ziehen wird. Der Kläger hat im Bereich des rechten Beckenbereichs erhebliche chronische Schmerzen. Hinzu kommt ein schmerzhaftes "Schnappphänomen" im Bereich der rechten Hüfte. Die schmerzfreie Sitzzeit beträgt nur etwa eine Stunde, die maximale Sitzzeit etwa zwei Stunden. Gleiches gilt für die schmerzfreie Stehzeit. Der Kläger ist nicht in der Lage, mehr als ein paar Hundert Meter schmerzfrei zu gehen. Er benutzt regelmäßig Gehhilfen. Nachts wacht er gelegentlich vor Kreuzschmerzen auf.
Die beschriebenen Verletzungsfolgen ergeben sich aus dem Gutachten des Sachverständigen Dr. Berg vom 06. August 2002, welches dieser in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat anschaulich und überzeugend erläutert hat. Der Sachverständige hat den Kläger ambulant untersucht und aktuelle Röntgenaufnahmen gefertigt. Die vom Kläger beschriebenen Einschränkungen, die dieser auch vor dem Senat erläutert hat, hält der Sachverständige für glaubhaft, sie stimmen auch mit dem Untersuchungsbefund überein.
Auf Grund der dargestellten Verletzungsfolgen hält der Senat ein weiteres Schmerzensgeld von 25.000,- EUR für angemessen. Wären diese erst später festgestellten Verletzungsfolgen auch schon bei Abschluss des Abfindungsvergleich bekannt gewesen, hätte dies ein erheblich höheres Schmerzensgeld als die vereinbarten 20.000,- DM (= 10.225,84 EUR) gerechtfertigt. Es liegt ein so krasses Missverhältnis vor, dass es für den Kläger unter den gegebenen Umständen nicht mehr hinnehmbar ist. Bei der Beurteilung der Frage, ob dem Geschädigten nach Treu und Glauben ein Festhalten an dem Abfindungsvertrag zuzumuten ist, sind die Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen. Nach Auffassung des Senats können insoweit nicht unabhängig von Art und Schwere der Verletzung starre Regeln oder feste Quoten zwischen dem vereinbarten Betrag und dem unter Berücksichtigung des späteren Verlaufs angemessen erscheinenden Schmerzensgeld (hier immerhin das 3,5-fache des vereinbarten Betrages) zu Grunde gelegt werden. Vielmehr kann auch von erheblicher Bedeutung sein, von welchem Gewicht die gesundheitlichen Schäden letztlich sind. Vorliegend ist der Kläger in seiner gesamten Lebensführung - sowohl beruflich wie auch privat - schwer beeinträchtigt. Er ist in seinen Entfaltungsmöglichkeiten schon jetzt ganz erheblich eingeschränkt und hat darüber hinaus chronische Schmerzen zu ertragen. Es kommt hinzu, dass der noch relativ junge Kläger im Hinblick auf die Zukunft mit einer ungewissen Prognose leben muss. Der Senat ist deshalb unter Berücksichtigung der gesamten Umstände der Auffassung, dass der Kläger sich trotz der Abfindungsklausel nicht an dem auf einer ganz anderen Grundlage vereinbarten Betrag von 20.000,- DM festhalten lassen muss (§ 242 BGB).
III.
Der Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 288 Abs. 1, 291 BGB a.F.. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 1, 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO, die übrigen Nebenentscheidungen auf §§ 708 Nr. 10, 711, 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO in Verbindung mit § 26 Nr. 8 EGZPO.