Oberlandesgericht Oldenburg
Beschl. v. 12.02.2003, Az.: 4 WF 32/03
Entscheidung über die Gewährung von Prozesskostenhilfe für Rechtsverfolgung nachehelichen Ehegattenunterhalts außerhalb des Ehescheidungsverbundes; Geltendmachung des nachehelichen Ehegattenunterhalts außerhalb des Ehescheidungsverbundes aus Sicht einer wirtschaftlich denkenden, die Prozesskosten aus eigener Tasche zahlenden Partei als Kriterium für das Bestehen des Anspruches auf Prozesskostenhilfe
Bibliographie
- Gericht
- OLG Oldenburg
- Datum
- 12.02.2003
- Aktenzeichen
- 4 WF 32/03
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2003, 29936
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGOL:2003:0212.4WF32.03.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- AG Bersenbrück - 21.01.2003 - AZ: 12 F 525/02 (UE)
Rechtsgrundlagen
- § 54 Nr. 1 GKG
- § 125 Abs. 1 ZPO
- § 126 Abs. 1 ZPO
- § 130 Abs. 1 BRAGO
Fundstelle
- FamRZ 2003, 1757-1758 (red. Leitsatz)
Prozessführer
A.S.S.M.
Rechtsanwälte V.L.S.M.
Prozessgegner
R.S.L.N.
Rechtsanwälte G.K.O.
Der 4. Zivilsenat - 1. Senat für Familiensachen - des Oberlandesgerichts Oldenburg hat
durch
den Richter am Oberlandesgericht ... als Einzelrichter
am 12.02.2003
beschlossen:
Tenor:
Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Bersenbrück vom 21.01.2003 aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung - auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens - an das Amtsgericht - Familiengericht - Bersenbrück zurückverwiesen.
Gründe
Die zulässige Beschwerde der Antragstellerin führt zur Aufhebung des Beschlusses und zur Zurückverweisung. Die beabsichtigte Rechtsverfolgung der Antragstellerin ist nicht mutwillig.
Der Antragstellerin kann nicht vorgeworfen werden, dass sie ihr Unterhaltsbegehren nicht bereits im Rahmen des Ehescheidungsverbundes verfolgt hat. Der Senat gibt nach entsprechender Beratung seine bisherige Rechtsprechung zu dieser Frage auf und schließt sich der Gegenmeinung (Zöller, Zivilprozessordnung, 23. Auflage, Rn. 24, 24 a zu § 623 ZPO, OLG Hamburg, FamRZ 1998, Seite 1178; OLG Naumburg, FamRZ 2001 Seite 1082) an.
Wer zur Verfolgung seiner Rechte Prozesskostenhilfe in Anspruch nehmen will, muss sich ebenso wirtschaftlich verhalten wie eine Partei, die die Kosten des Rechtsstreits aus eigener Tasche zahlen müsste. Es kann jedoch weder allgemein noch in dem vorliegenden Fall festgestellt werden, dass eine wirtschaftlich denkende Partei, die die Kosten aus eigener Tasche zu zahlen hätte, den Anspruch auf nachehelichen Ehegattenunterhalt bereits im Ehescheidungsverbund geltend gemacht hätte. Zwar verursacht die Geltendmachung im Verbund insgesamt geringere Rechtsanwalts- und Gerichtsgebühren, weil sie nach dem zusammengerechneten Wert der Scheidungs- und Folgesachen berechnet werden (§ 19 a Abs. 1 Satz 1 GKG, § 8 Abs. 1 Satz 1 BRAGO).
Die beabsichtigte Rechtsverfolgung außerhalb des Ehescheidungsverbundes wäre danach mutwillig, wenn sich eine wirtschaftlich denkende Partei ausschließlich davon leiten ließe, in welchem Umfang insgesamt Gebühren anfallen werden. Sie wird jedoch auch die Auswirkungen der voraussichtlichen Kostenentscheidung bedenken und überlegen, ob für sie die Kostenentscheidung im Ehescheidungsverbund nach § 93 a ZPO oder die Kostenentscheidung im isolierten Verfahren nach §§ 91 und 92 ZPO günstiger ist. Sie wird nach Möglichkeit versuchen, der Kostentragungspflicht zu entgehen.
Im Ehescheidungsverbund ist das nach § 93 a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und 2 ZPO auch bei Obsiegen in der Folgesache nur in Ausnahmefällen möglich; in der Regel sind die Kosten gegeneinander aufzuheben, so dass die Partei auch im Falle des Obsiegens in der Folgesache ihre eigenen durch die Folgesache verursachten Anwaltskosten insgesamt und die durch die Folgesache verursachten Gerichtskosten zur Hälfte zu tragen hätte.
Wenn der Erfolg der Rechtsverfolgung wahrscheinlich ist, kann eine wirtschaftlich denkende Partei sich mit guten Gründen dafür entscheiden, den Anspruch isoliert geltend zu machen, weil sie gemäß § 91 ZPO der Kostentragungspflicht insgesamt entgehen kann.
Da Prozesskostenhilfe nur bewilligt wird, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg hat, muss für die Prognose, wie die Kostenentscheidung voraussichtlich ausfallen wird, darauf abgestellt werden, dass ein Obsiegen des Prozesskostenhilfeantragstellers wahrscheinlich ist.
Auch für die Landeskasse kann die Entscheidung, den Anspruch ausserhalb des Ehescheidungsverbundes zu verfolgen, von Vorteil sein. Wird dem Antragsteller im Ehescheidungsverbund für die Folgesache Prozesskostenhilfe bewilligt, so kann der Prozessbevollmächtigte des Antragstellers die Erstattung der durch die Folgesache verursachten Anwaltsgebühren von der Landeskasse beanspruchen. Die Landeskasse kann insoweit - auch im Falle des Obsiegens des Prozesskostenhilfeantragstellers - keinen Rückgriff beim Prozessgegner nehmen.
Fällt demgegenüber im isolierten Verfahren die Kostenentscheidung für den Prozesskostenhilfe-Antragsteller günstiger als die gegenseitige Aufhebung gemäß § 93 a Abs. 1 Satz 1 ZPO aus, so kann die Landeskasse die dem Prozessbevollmächtigten des Prozesskostenhilfe-Antragstellers zu erstattenden Gebühren gemäß §§ 54 Nr. 1 GKG, 125 Abs. 1 und 126 Abs. 1 ZPO, 130 Abs. 1 BRAGO bei dem Gegner einziehen.
Mit der Aufhebung und Zurückverweisung wird dem Amtsgericht Gelegenheit gegeben, den Antrag der Antragstellerin auch im Hinblick auf die Erfolgsaussichten der beabsichtigten Rechtsverfolgung erneut zu bescheiden.