Oberlandesgericht Oldenburg
Urt. v. 25.02.2003, Az.: 2 U 232/02

Vorbehaltsurteil bei konnexen Gegenforderungen nach § 302 Zivilprozessordnung (ZPO); Zahlungsansprüche aus "Bauleitervertrag"; Abgrenzung von Verrechnung und Aufrechnung ; Schadensersatzverlangen des Bestellers für einzelne Mängel ; Zurückweisung der Architektenleistung als Ganze

Bibliographie

Gericht
OLG Oldenburg
Datum
25.02.2003
Aktenzeichen
2 U 232/02
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2003, 24671
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGOL:2003:0225.2U232.02.0A

Verfahrensgang

vorgehend
LG Oldenburg 9 O 921/00 vom 11.10.2002

Fundstellen

  • BTR 2003, 196-197
  • BauR 2003, 1079-1080 (Volltext mit amtl. LS)
  • BauR 2003, 1266 (amtl. Leitsatz)
  • BauRB 2003, 171-172 (Volltext mit amtl. LS)
  • BrBp 2003, 83
  • IBR 2003, 515
  • NJW-RR 2003, 879-880 (Volltext mit amtl. LS)
  • NZBau 2003, 439 (Volltext mit amtl. LS)
  • OLGReport Gerichtsort 2003, 286-287
  • ZfBR 2003, 463 (amtl. Leitsatz)

Amtlicher Leitsatz

  1. 1.

    Es liegt auch dann eine Verrechnung und keine Aufrechnung vor, wenn der Besteller nur Schadensersatz für einzelne Mängel verlangt, die Architektenleistung somit nicht insgesamt zurückweist.

  2. 2.

    In diesem Fall ist trotz der Neufassung des § 302 ZPO ein Vorbehaltsurteil nicht zulässig, wenn der Besteller seine Schadensersatzansprüche der Honorarforderung des Architekten entgegenhält.

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 11. 10. 2002 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 9. Zivilkammer des Landgerichts Oldenburg aufgehoben. Die Sache wird an das Landgericht zurückverwiesen, das auch über die außergerichtlichen Kosten des 2. Rechtszuges zu entscheiden hat.

Gerichtskosten für das Berufungsverfahren werden nicht erhoben.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Streitwert für die 2. Instanz beträgt 18. 588, 67 EUR

Gründe

1

I.

Die Parteien streiten um restliche Zahlungsansprüche aus einem "Bauleitervertrag". Das Landgericht hat der Zahlungsklage unter dem Vorbehalt der Entscheidung über einen zur Aufrechnung gestellten Schadensersatzanspruch aufgrund einer angeblich fehlerhaften Anweisung des Klägers stattgegeben.

2

Auf die Feststellungen des angefochtenen Urteils vom 11. 10. 2002 wird verwiesen (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO). Gegen dieses Urteil wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung.

3

Die Beklagte beantragt,

4

das angefochtene Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen, hilfsweise die Angelegenheit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das erstinstanzliche Gericht zurückzuverweisen.

5

Der Kläger beantragt,

6

die Berufung zurückzuweisen, hilfsweise die Angelegenheit an das erstinstanzliche Gericht zurückzuverweisen.

7

II.

Die zulässige Berufung der Beklagten führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und Zurückverweisung der Sache an das Landgericht.

8

Die Voraussetzungen für eine Zurückverweisung liegen vor, da das Landgericht ein unzulässiges Teilurteil erlassen hat (§ 538 Abs. 2 Nr. 7 ZPO).

9

Durch die Neufassung des § 302 ZPO ist zwar die Möglichkeit eines Vorbehaltsurteils auch bei konnexen Gegenforderungen geschaffen worden. An einer selbständigen Gegenforderung fehlt es jedoch bei einer von vornherein zur Kürzung der Hauptforderung führenden Verrechnung (OLG Koblenz MDR 2002, 715 f. [OLG Koblenz 10.01.2002 - 2 U 825/01] , Zöller-Vollkommer, 23. Auflage, § 302 Rdnr. 4, vom Grundsatz auch OLG Düsseldorf, NJW-RR 2001, S. 882 f. [OLG Düsseldorf 19.12.2000 - 21 U 38/00] ). Nach bisher überwiegender Ansicht lagen die Voraussetzungen einer Verrechnung nur dann vor, wenn der Besteller die mangelhafte Werkleistung zurückgewiesen und Schadensersatz wegen Nichterfüllung des ganzen Vertrages verlangt hat. Behielt er aber die Werkleistung ganz oder teilweise und forderte Schadensersatz wegen einzelner genau bezeichneter Mängel, so wurde eine Aufrechnung angenommen (insoweit auch noch OLG Düsseldorf, a. a. O. ).

10

Demgegenüber hat das OLG Naumburg in einem Rechtsstreit - dessen Gegenstand ebenfalls restliches Architektenhonorar war, wobei diesem Anspruch Schadensersatzansprüche entgegengehalten wurden - entschieden, dass es sich nicht um eine Aufrechnung handele, vielmehr die wechselseitigen Ansprüche lediglich bloße Rechnungsposten seien, somit eine Verrechnung vorliege (OLG Naumburg, Baurecht 2001, 1615 ff. ). Im Beschluss vom 05. 04. 2001 über die Nichtannahme der Revision gegen dieses Urteil (VII ZR 161/00, tw. abgedruckt in Baurecht a. a. O. , S. 1616) hat der BGH ausdrücklich ausgeführt, das Berufungsgericht habe zutreffend angenommen, "das vertragliche Aufrechnungsverbot komme nicht zum Tragen, weil eine Verrechnung vorliegt". Aus dieser Entscheidung ergibt sich, dass die Differenztheorie entgegen der bisherigen vorherrschenden Ansicht auf alle Ansprüche aus § 635 BGB a. F. oder § 13 Nr. 7 VOB/B anzuwenden ist, die mit der geschuldeten Gegenleistung im Zusammenhang stehen (vgl. Werner/Pastor, 10. Auflage, Rdnr. 2577). Es handelt sich somit auch dann um eine Verrechnung, wenn nicht der Fall der Zurückweisung des gesamten Architektenwerkes vorliegt, sondern die Geltendmachung von Schadensersatzforderungen für genau beschriebene Mängel erfolgt (Groß, Anmerkung zur vorgenannten Entscheidung des OLG Naumburg, Baurecht 2001, S. 1618).

11

Da die Beklagte hier einen Schadensersatzanspruch mit der Begründung geltend macht, der Kläger habe seine Leistung mangelhaft erbracht, läge für den Fall, dass ein entsprechender Schadensersatzanspruch bestünde, insoweit nur ein Verrechnungsposten vor. Die Frage, ob ein Schadensersatzanspruch gegeben ist oder nicht, durfte deshalb nicht dem Nachverfahren vorbehalten bleiben.

12

Damit hat das Landgericht ein unzulässiges Teilurteil erlassen. Die Sache war daher an das Landgericht zurückzuverweisen. Unter den Voraussetzungen des § 538 Abs. 2 Nr. 7 ZPO bedarf es hierzu eines - im Übrigen auch gestellten - Antrages nicht (§ 538 Abs. 3 Satz 2 ZPO). Das Landgericht wird bei seiner neu zu treffenden Entscheidung auch das weitere Vorbringen der Beklagten im zweiten Rechtszug zu berücksichtigen haben, ohne dass es darauf ankäme, ob dieses Vorbringen in 2. Instanz präkludiert gewesen wäre oder nicht.

13

Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 8 GKG, 708 Nr. 10, 542, 543 ZPO.

Streitwertbeschluss:

Der Streitwert für die 2. Instanz beträgt 18. 588, 67 EUR