Verwaltungsgericht Hannover
Beschl. v. 16.01.2004, Az.: 5 B 7389/03

Gemeinschaftslizenz; Gewerbeuntersagung; Güterkraftverkehr; Insolvenzverfahren; Zuverlässigkeit

Bibliographie

Gericht
VG Hannover
Datum
16.01.2004
Aktenzeichen
5 B 7389/03
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2004, 50465
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

1. Die Voraussetzungen für die Erteilung einer EU-Gemeinschaftslizenz für den grenzüberschreitenden Güterkraftverkehr nach Art. 3 der VO (EWG) Nr. 881/92 ergeben sich auf der Ebene des nationalen Rechts aus § 3 Abs. 2 GüKG. Die Anwendbarkeit dieser Bestimmung folgt aus der auf Grund der §§ 17 und 23 Abs. 3 und 5 GüKG erlassenen Verordnung über den grenzüberschreitenden Güterkraftverkehr und den Kabotageverkehr (BGBl. I 1998, S. 3976).

2. Zur Zuverlässigkeit der für die Führung der Güterkraftverkehrsgeschäfte bestellten Person bei vorangegangener Gewerbeuntersagungsverfügung nach § 35 GewO.

3. Anwendbarkeit des § 12 GewO im Rahmen des GüKG als gewerberechtlichem Nebengesetz (hier offen gelassen).

Tenor:

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 10.000,- EUR festgesetzt.

Gründe

1

I. Die Antragstellerin begehrt eine Verpflichtung der Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zur Erteilung einer (vorläufigen) Gemeinschaftslizenz für den grenzüberschreitenden gewerblichen Güterkraftverkehr.

2

Die Antragstellerin betreibt gewerblichen Güterkraftverkehr. Dem Unternehmen der Antragstellerin war eine unternehmerische Tätigkeit ihrer Tochter B. C. vorausgegangen. Dieser war von der Bezirksregierung Hannover unter dem 03.11.1998 eine Lizenz für den grenzüberschreitenden gewerblichen Güterkraftverkehr mit Geltungsdauer vom 02.11.1998 bis zum 01.11.2003 erteilt worden. Die Tochter der Antragstellerin stellte aufgrund von Zahlungsunfähigkeit ihre unternehmerische Tätigkeit zum 08.07.2001 ein. Das Personal wurde von der Antragstellerin zum 09.07.2001 übernommen, welche seit dem 01.06.2001 lediglich erlaubnisfreien und freigestellten Straßengüterverkehr als Gewerbe angemeldet hatte. Die Antragstellerin, ihre Tochter und der im Unternehmen tätige Herr E. C. waren davon ausgegangen, dass die der Tochter der Antragstellerin erteilte Gemeinschaftslizenz für das Unternehmen weiterhin Gültigkeit besitze.

3

Nachdem die Landeshauptstadt Hannover aufgrund einer am 13.09.2001 durchgeführten Kontrolle auf das Fehlen einer Lizenz nach dem Güterkraftverkehrsgesetz - GüKG - bzw. einer Gemeinschaftslizenz aufmerksam geworden war, wies sie die Antragstellerin mit Schreiben vom 08.11.2001 auf die Erlaubnisbedürftigkeit hin. Ein entsprechender Antrag wurde der Landeshauptstadt Hannover zunächst nicht vorgelegt, so dass die Antragstellerin mit Schreiben vom 17.12.2001 zu einer beabsichtigten Untersagungsverfügung angehört wurde. Daraufhin stellte die Antragstellerin am 07.01.2001 einen Antrag auf Erteilung einer Gemeinschaftslizenz, welcher aufgrund fehlender Unterlagen mit Bescheid vom 08.03.2002 abgelehnt wurde. Auf einen weiteren Antrag vom 06.06.2002 erteilte die Landeshauptstadt Hannover der Antragstellerin mit Bescheid vom 13.09.2002 eine bis zum 31.12.2003 befristete Gemeinschaftslizenz für den grenzüberschreitenden gewerblichen Güterkraftverkehr mit zunächst sechs (zum 30.09.2002 acht) Erlaubnisausfertigungen. Ausweislich der erteilten Lizenz wurde Frau B. C. für die Führung der Güterkraftverkehrsgeschäfte bestellt. Zur Begründung der Befristung wurde ausgeführt: Durch die bestehenden Rückstände bei der Berufsgenossenschaft sowie beim Träger der Sozial- und Rentenversicherung seien die Berufszugangsvoraussetzungen nicht komplett erfüllt. Eine Neuerteilung nach Ablauf der Befristung könne nur erfolgen, wenn die bestehenden Rückstände weitgehend abgebaut und keine neuen Rückstände hinzugekommen seien.

4

Mit Bescheid vom 17.10.2002 wurde Frau B. C. gemäß § 35 Abs. 1 Gewerbeordnung - GewO - die selbstständige Ausübung des Gewerbes "Kleintransporte, Güterbeförderung“ wegen persönlicher Unzuverlässigkeit untersagt, wobei die Untersagung für alle Gewerbe gelten sollte, die dem Anwendungsbereich des § 35 GewO unterliegen. Frau B. C. sei mit Steuer- und Beitragszahlungen in Höhe von 65.075,56 EUR in Rückstand geraten. Die Nichtabführung der treuhändisch für den Staat vereinnahmten Lohn- und Umsatzsteuerbeträge stelle ein besonders schwerwiegendes Fehlverhalten dar. Die ungenügende Erfüllung der öffentlich-rechtlichen Pflichten lasse nicht den Schluss zu, dass in Zukunft eine ordnungsgemäße Gewerbeausübung zu erwarten sei. Sie sei wirtschaftlich leistungsunfähig und infolge des Fehlens der erforderlichen Geldmittel zu einer ordnungsgemäßen Betriebsführung im Allgemeinen und zur Erfüllung der öffentlich-rechtlichen Zahlungsverpflichtungen im Besonderen nicht in der Lage. Die Untersagungsverfügung wurde bestandskräftig.

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Am 12.11.2002 wurde gegen Frau B. C. das Insolvenzverfahren eröffnet.

6

Am 01.08.2003 beantragte die Antragstellerin aufgrund des Auslaufens der erteilten Lizenz zum 31.12.2003 die erneute Erteilung einer Gemeinschaftslizenz. Als Personen, die zur Führung der Güterkraftverkehrsgeschäfte bestellt sind, wurden zunächst Frau B. C. und Frau G. C. genannt. Ebenfalls zum 01.08.2003 meldete die Antragstellerin nach einer Betriebssitzverlagerung bei der Stadt Barsinghausen als Gewerbe "erlaubnisfreien und freigestellten Straßengüterverkehr, grenzüberschreitenden gewerblichen Güterkraftverkehr“ an. Die Anträge auf Erteilung einer EU-Gemeinschaftslizenz wurden mit Schreiben vom 09.12.2003 und vom 21.12.2003 erneut gestellt. Nachdem G. C. die Prüfung zum Nachweis der fachlichen Eignung zur Führung eines Güterkraftverkehrsunternehmens im innerstaatlichen und grenzüberschreitenden Verkehr wiederholt nicht bestanden hatte, wurde am 29.12.2003 der Antrag hinsichtlich der Geschäftsführung von Frau G. C. zurückgezogen.

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Mit Bescheid vom 29.12.2003 lehnte die Antragsgegnerin den Antrag auf Erteilung einer Gemeinschaftslizenz ab. Die Antragstellerin als Unternehmerin sei sowohl zuverlässig als auch finanziell leistungsfähig. Sie verfüge allerdings nicht über die erforderliche fachliche Eignung. Die fachliche Eignung der zur Geschäftsführerin bestellten B. C. liege zwar vor; diese sei allerdings nicht zuverlässig. Die Unzuverlässigkeit ergebe sich aus der Gewerbeuntersagung vom 17.10.2002. Darauf sei Herr E. C. vor Erlass des Ablehnungsbescheides mehrfach hingewiesen worden. Er sei wiederholt auf die Möglichkeit hingewiesen worden, eine andere Person, die die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 Nr. 1 und 3 GüKG erfülle, als die zur Geschäftsführung bestellte Person zu benennen. Davon sei allerdings kein Gebrauch gemacht worden. Das Antragsverfahren habe im Wesentlichen deshalb so lange gedauert, um der Antragstellerin Gelegenheit zu geben, die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Erlaubniserteilung noch zu erfüllen.

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Widerspruch gegen den Ablehnungsbescheid wurde nach Aktenlage bislang nicht eingelegt.

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Die Antragstellerin hat am 30.12.2003 um vorläufigen Rechtsschutz nachgesucht. Die Antragsgegnerin habe mündlich die Erteilung der beantragten Gemeinschaftslizenz zum 18.12.2003 zugesagt. Am Nachmittag dieses Tages habe die Sachbearbeiterin der Antragsgegnerin telefonisch mitgeteilt, dass ihr Vorgesetzter die Unterschrift verweigere. Eine Gewerbeuntersagung gegen Frau B. C. habe aufgrund eines laufenden Insolvenzverfahrens gar nicht erfolgen dürfen. Folgen dieser Gewerbeuntersagung seien seinerzeit nicht bedacht worden. B. C. betreibe zudem keine Gewerbe, sondern stelle ihre unumstrittene fachliche Eignung zur Verfügung. Bis zum 18.12.2003 sei die Antragstellerin nicht darauf hingewiesen worden, dass Frau B. C. nicht als zur Führung der Geschäfte bestellte Person in Betracht komme. Es sei aufgrund einer unkomplizierten Bearbeitung empfohlen worden, eine Person mit den erforderlichen Voraussetzungen zu beschaffen. Allein aus diesem Grund sei G. C. als die zur Führung der Geschäfte bestellte Person eingetragen worden. Der Antragsgegnerin sei seit dem 20.08.2003 bekannt gewesen, dass G. C. am 19.08.2003 ihre letzte Prüfung nicht bestanden habe und vor der Geburt ihres Kindes Ende September 2003 keine weiteren Prüfungen ablegen würde. Spätestens zu diesem Zeitpunkt und nach Kenntnisnahme der Gewerbeuntersagung hätte die Antragsgegnerin die Antragstellerin darauf aufmerksam machen müssen, dass eine andere für die Führung der Geschäfte bestellte Person beschafft werden müsste. Durch die Ablehnung sei die Antragstellerin gezwungen, 17 Angestellte zu entlassen und für 10 Lkw und 6 Anhänger Kündigungsmieten weiter zu zahlen.

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Die Antragstellerin beantragt sinngemäß,

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die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, der Antragstellerin eine (vorläufige) Gemeinschaftslizenz für den grenzüberschreitenden gewerblichen Güterkraftverkehr zu erteilen.

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Die Antragsgegnerin beantragt,

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den Antrag abzulehnen.

14

Der Antragstellerin seien bereits seit dem 09.07.2001 die Voraussetzungen für eine Erlaubniserteilung bekannt gewesen. Nicht umsonst sei versucht worden, in der Person von Frau G. C. eine zur Führung der Güterkraftverkehrsgeschäfte bestellte Person zu gewinnen, die sowohl zuverlässig als auch fachlich geeignet sei. Während des seit August 2003 laufenden Antragsverfahrens sei stets darauf hingewiesen worden, dass eine Erlaubniserteilung mit Frau B. C. als zur Führung der Güterkraftverkehrsgeschäfte bestellten Person nicht in Betracht komme. Die Antragstellerin habe sich seit längerer Zeit darauf verlassen, dass der Weiterbetrieb des Unternehmens mit der Antragstellerin als Unternehmerin und Frau B. C. als zur Führung der Güterkraftverkehrsgeschäfte bestellten Person solange aufrecht erhalten werden könne, bis entweder durch Herrn E. C. oder Frau G. C. die Voraussetzungen für eine Erlaubniserteilung erfüllt werden könnten. Soweit geltend gemacht werde, dass eine Lizenz mündlich zugesagt worden sei, müsse es sich um ein Missverständnis auf Seiten der Antragstellerin handeln. Die beantragte vorläufige Lizenz sei gesetzlich nicht vorgesehen.

15

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird im Übrigen auf die Gerichtsakte sowie auf den beigezogenen Verwaltungsvorgang der Antragsgegnerin verwiesen.

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II. Der Antrag, über den der Einzelrichter entscheidet, nachdem der Rechtsstreit gemäß § 6 Abs. 1 VwGO durch Beschluss der Kammer vom 16.01.2004 zur Entscheidung auf den Berichterstatter als Einzelrichter übertragen worden ist, hat keinen Erfolg.

17

Gemäß § 123 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung -VwGO - kann das Gericht auf Antrag auch schon vor Klageerhebung eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Gemäß den §§ 123 Abs. 3 VwGO, 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung -ZPO - hat der Antragsteller sowohl die Eilbedürftigkeit der begehrten gerichtlichen Regelung (Anordnungsgrund) als auch seine materielle Anspruchsberechtigung (Anordnungsanspruch) glaubhaft darzulegen.

18

Durch eine einstweilige Anordnung sind entsprechend ihrem Zweck grundsätzlich nur Maßnahmen zur vorläufigen Regelung eines Rechtsverhältnisses zulässig. Die einstweilige Anordnung darf mithin nicht eine in der Hauptsache zu treffende Entscheidung vorwegnehmen. Aus Gründen der Gewährung effektiven Rechtsschutzes kann es jedoch ausnahmsweise erforderlich sein, durch eine einstweilige Anordnung der Entscheidung in der Hauptsache vorzugreifen (vgl. Kopp/Schenke, Kommentar zur VwGO, 13. Auflage, § 123 Rdn. 14). Eine solche Ausnahme ist gegeben, wenn Rechtsschutz in der Hauptsache wegen der langen Verfahrensdauer nicht rechtzeitig erlangt werden kann und dies zur Gefährdung der sozialen, beruflichen oder wirtschaftlichen Existenzgrundlage des Antragstellers führt (vgl. Finkelnburg/Jank, Vorläufiger Rechtsschutz in Verwaltungsstreitverfahren, 4. Auflage, Rdn. 222, 225). Dabei müssen die für den Antragsteller drohenden Nachteile so erheblich sein, dass der Erlass der einstweiligen Anordnung für den Antragsteller unabdingbar ist, um wirksamen Rechtsschutz zu erlangen (vgl. OVG des Saarlandes, B. v. 16.08.2002 - 9 V 23/00 -, zitiert nach Juris).

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Gemessen an den vorgenannten Maßstäben kommt eine Verpflichtung der Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zur Erteilung einer Gemeinschaftslizenz bzw. vorläufigen Gemeinschaftslizenz nicht in Betracht.

20

Die Erteilung einer vorläufigen Lizenz in dem von der Antragstellerin verstandenen Sinne sieht das Gesetz nicht vor. Die von der Antragstellerin insoweit angesprochene Bestimmung des § 8 Abs. 3 GüKG ist vorliegend ersichtlich nicht einschlägig. Nach dieser Bestimmung darf im Falle der Erwerbs- oder Geschäftsunfähigkeit des Unternehmers oder der zur Führung der Güterkraftverkehrsgeschäfte bestellten Person ein Dritter, bei dem die Voraussetzungen nach § 3 Abs. 2 Nr. 1 und 3 GÜKG noch nicht festgestellt worden sind, die Güterkraftverkehrsgeschäfte bis zu sechs Monate nach Feststellung der Erwerbs- oder Geschäftsunfähigkeit weiterführen. Eine Erwerbs- oder Geschäftsunfähigkeit ist indes weder in Bezug auf die Antragstellerin noch in Bezug auf Frau B. C. ersichtlich. Die Antragstellerin versteht wohl irrig unter dem Tatbestand einer Erwerbs- oder Geschäftsunfähigkeit auch die Situation, in der eine Person im Rahmen des GüKG als unzuverlässig angesehen wird. Diese Rechtsauffassung ist indes unzutreffend.

21

Eine Verpflichtung der Antragsgegnerin zur Erteilung einer Gemeinschaftslizenz als solche würde eine Vorwegnahme der Hauptsache im oben dargestellten Sinne bedeuten. Ob eine solche Vorwegnahme der Hauptsache wegen einer Gefährdung der sozialen, beruflichen oder wirtschaftlichen Existenzgrundlage der Antragstellerin vorliegend ausnahmsweise möglich ist - wogegen spricht, dass es der Antragstellerin unbenommen bleibt, eine zuverlässige und fachlich geeignete Person zur Führung der Güterkraftverkehrsgeschäfte zu bestellen - kann dahinstehen. Die Antragstellerin hat jedenfalls ihre materielle Anspruchsberechtigung und damit einen Anordnungsanspruch bislang nicht glaubhaft gemacht.

22

Nach Art. 3 Abs. 2 VO (EWG) Nr. 881/92 wird von einem Mitgliedstaat der Europäischen Union gemäß den Artikeln 5 und 7 der Verordnung jedem gewerblichen Güterkraftverkehrsunternehmer die Gemeinschaftslizenz erteilt, der in einem Mitgliedstaat gemäß dessen Rechtsvorschriften niedergelassen ist und der in diesem Mitgliedstaat gemäß den Rechtsvorschriften der Gemeinschaft und dieses Mitgliedstaats über den Zugang zum Beruf des Verkehrsunternehmers zur Durchführung des grenzüberschreitenden Güterkraftverkehrs berechtigt ist. Auf der Ebene des nationalen Rechts sind diesbezüglich in der auf Grund der §§ 17 und 23 Abs. 3 und 5 GüKG erlassenen Verordnung über den grenzüberschreitenden Güterkraftverkehr und den Kabotageverkehr - GükgrenzKabV - vom 22.12.1998 (BGBl. I, 3976) nähere Bestimmungen getroffen worden. Nach § 1 Abs. 2 Nr. 2 GükgrenzKabV gilt § 3 Abs. 5 GüKG (Rücknahme und Wiederruf der Erlaubnis) für die Gemeinschaftslizenz entsprechend. Einen direkten Verweis auf die in § 3 Abs. 2 und 3 GüKG genannten Erlaubnistatbestände enthält die GükgrenzKabV nicht. Indes handelt es sich der Sache nach bei diesen Erlaubnistatbeständen um Rechtsvorschriften der Bundesrepublik Deutschland über den Zugang zum Beruf des Verkehrsunternehmers zur Durchführung des grenzüberschreitenden Güterkraftverkehrs im Sinne des Art. 3 Abs. 2 der VO (EWG) Nr. 881/92. Wenn zudem in § 1 Abs. 2 Nr. 2 GükgrenzKabVO auf die Bestimmungen für Rücknahme und Wiederruf der Gemeinschaftslizenz im GüKG verwiesen wird, wird deutlich, dass auch für die Erlaubniserteilung selbst die Voraussetzungen aus § 3 Abs. 2 und 3 GüKG erfüllt sein müssen.

23

Daher hat die Antragsgegnerin im Ergebnis zutreffend (allein) § 3 Abs. 2 GüKG als Rechtsgrundlage herangezogen. Die Voraussetzungen dieser Bestimmung liegen nicht vor. Insbesondere ist die Antragsgegnerin zu Recht davon ausgegangen, dass die zur Führung der Güterkraftverkehrsgeschäfte bestellte Frau B. C. derzeit als nicht zuverlässig im Sinne von § 3 Abs. 2 Nr. 1 GüKG anzusehen ist. Nach § 3 Abs. 3 Nr. 1 GüKG ist die Zuverlässigkeit gegeben, wenn der Unternehmer und die zur Führung der Güterkraftverkehrsgeschäfte bestellte Person die Gewähr dafür bieten, dass das Unternehmen den gesetzlichen Bestimmungen entsprechend geführt wird und die Allgemeinheit bei dem Betrieb des Unternehmens vor Schäden oder Gefahren bewahrt bleibt. Nach § 3 Abs. 6 Nr. 1 GüKG sind in der Berufszugangsverordnung für den Güterkraftverkehr - GBZugV - vom 21.06.2000 (BGBl. I, 918) insoweit nähere Bestimmungen getroffen worden. Gemäß § 1 Abs. 1 GBZugV gilt unter anderem die zur Führung der Güterkraftverkehrsgeschäfte bestellte Person als zuverlässig im Sinne von § 3 Abs. 2 Nr. 1, 3 Abs. 3 Nr. 1 GüKG, wenn keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass bei der Führung des Unternehmens die für den Güterkraftverkehr geltenden Vorschriften missachtet oder die Allgemeinheit bei dem Betrieb des Unternehmens geschädigt oder gefährdet werden. Nach § 1 Abs. 2 Nr. 2 GBZugV handelt es sich bei schweren Verstößen gegen die abgabenrechtlichen Pflichten, die sich aus unternehmerischer Tätigkeit ergeben, um Anhaltspunkte für die Unzuverlässigkeit.

24

Ein solcher (durchgreifender) Anhaltspunkt für die Unzuverlässigkeit liegt in Bezug auf Frau B. C. vor, da ihr mit Bescheid vom 17.10.2002 aufgrund von Steuer- und Beitragsrückständen in erheblicher Höhe die selbstständige Ausübung des Gewerbes "Kleintransporte, Güterbeförderung“ sowie aller weiteren dem Anwendungsbereich des § 35 GewO unterliegenden Gewerbe wegen persönlicher Unzuverlässigkeit untersagt worden ist. Dieser Bescheid ist bestandskräftig geworden. Die Untersagungsverfügung bezieht sich - ohne dass dies im Rahmen des § 1 Abs. 2 Nr. 2 GBZugV maßgeblich wäre -auf ein Gewerbe, welches dem hier streitgegenständlichen Güterkraftverkehr eng verwandt ist und sich gleichsam sogar als "Minus" zu dem beabsichtigten Güterkraftverkehr darstellt. Die bereits ergangene Untersagungsverfügung ist von solchem Gewicht, dass die Verstöße gegen abgabenrechtliche Pflichten, die sich aus unternehmerischer Tätigkeit ergeben, als so erheblich anzusehen sind, dass nach derzeitigem Sachstand nicht davon ausgegangen werden kann, dass Frau B. C. die für den Güterkraftverkehr geltenden Vorschriften künftig beachten wird. Dass abweichend von der Untersagungsverfügung zum gegenwärtigen Zeitpunkt die Frage der Zuverlässigkeit von Frau B. C. anders zu beurteilen wäre, ist nicht ersichtlich. Es ist von der Antragstellerin weder vorgetragen worden, inwieweit die aufgelaufenen Steuer- und Beitragsrückstände mittlerweile getilgt worden sind, noch welche anderen Umstände für eine nunmehr anzunehmende Zuverlässigkeit von Frau B. C. sprechen könnten.

25

Der Verweis auf das gegen Frau B. C. eröffnete Insolvenzverfahren rechtfertigt entgegen der Auffassung der Antragstellerin gerade keine davon abweichende Beurteilung, sondern spricht vielmehr ebenfalls für die Annahme der Unzuverlässigkeit. Das Insolvenzverfahren stand nach Aktenlage nicht gemäß § 12 Gewerbeordnung - GewO - dem Erlass der gewerberechtlichen Untersagungsverfügung vom 17.10.2002 entgegen, da es erst nach Erlass der Verfügung eröffnet wurde und nicht ersichtlich ist, dass zuvor Sicherungsmaßnahmen im Sinne dieser Vorschrift angeordnet worden wären. Dahinstehen kann, ob § 12 GewO auf die Rücknahme und den Widerruf einer Erlaubnis nach § 3 Abs. 5 GüKG Anwendung findet (so: Friauf, Kommentar zur GewO, Loseblatt, Stand: November 2003, § 12 GewO Rdn. 5). Vorliegend geht es nicht um eine Rücknahme oder einen Widerruf einer Lizenz, sondern um eine Neuerteilung (den Tatbestand einer "Lizenzverlängerung" gibt es - wie die Antragstellerin meint - nicht). Bei der Lizenzneuerteilung spricht ein Insolvenzverfahren indessen ungeachtet des § 12 GewO gegen die Annahme der Zuverlässigkeit.

26

Auch die von der Antragstellerin vertretene Auffassung, die Antragsgegnerin hätte den Antrag vom 01.08.2003 früher bescheiden müssen, vermag nicht zur Annahme eines Anordnungsanspruchs zu führen. Selbst wenn das Antragsverfahren zögerlich bearbeitet worden wäre - wofür allerdings nach Auffassung des Gerichts keine durchgreifenden Anhaltspunkte erkennbar sind - würde dies nicht zur Bejahung der Zuverlässigkeit der zur Führung der Güterkraftverkehrsgeschäfte bestellten Frau B. C. führen können.

27

Entsprechendes gilt hinsichtlich der Darstellung der Antragstellerin, ihr sei die Aushändigung einer Gemeinschaftslizenz zum 18.12.2003 mündlich zugesagt worden. Zum einen kann darin keine wirksame Zusage, einen bestimmten Verwaltungsakt später zu erlassen, gesehen werden, da eine solche Zusicherung nach § 38 Verwaltungsverfahrensgesetz - VwVfG - der schriftlichen Form bedarf. Zum anderen vermag eine mündliche Zusage nicht zur Bejahung der gesetzlichen Voraussetzungen eines Verwaltungsakts zu führen. Im Übrigen muss sich die Antragstellerin vor Augen halten, dass sie nicht darauf hätte vertrauen dürfen, dass eine Lizenzerteilung mit Frau B. C. als zur Führung der Güterkraftverkehrsgeschäfte bestellten Person letztlich erfolgen würde. Die Antragstellerin ist nämlich offenbar über längere Zeit selbst von deren Unzuverlässigkeit ausgegangen. Ansonsten hätte kein Anlass bestanden, im Lizenzerteilungsantrag auch Frau G. C. in Ansehung ihrer bevorstehenden Prüfung als zur Führung der Güterkraftverkehrsgeschäfte bestellte Person zu benennen. Dass die Antragstellerin keine weitere Vorsorge getroffen hat, geht nunmehr zu ihren Lasten.

28

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

29

Die Festsetzung des Wertes des Streitgegenstandes beruht auf §§ 20 Abs. 3, 13 Abs. 1 Satz 1 Gerichtskostengesetz - GKG -. Dabei lehnt sich das Gericht an den Streitwertkatalog für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (NVwZ 1996, I. 7., 46. 1) an.