Verwaltungsgericht Hannover
Urt. v. 08.04.2004, Az.: 7 A 2040/03

Einrichtung; Form; Formvorschrift; Hilfsmaßnahme; Krankenbehandlung; Leistungsvereinbarung; Schiedsstelle; Schriftform; Treu und Glauben; Verpflichtung; Vertrag; Vertragsabschlussermessen; Vertragsannahme; Vertragsschluss; Wirksamkeit; öffentlich-rechtlicher Vertrag

Bibliographie

Gericht
VG Hannover
Datum
08.04.2004
Aktenzeichen
7 A 2040/03
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2004, 50959
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Tenor:

Die Klagen werden abgewiesen.

Der Kläger trägt jeweils die Kosten des Verfahrens.

Die jeweilige Entscheidung über die Kosten ist vorläufig vollstreckbar. Der Vollstreckungsschuldner kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der Vollstreckungsgläubiger zuvor Sicherheit in entsprechender Höhe leistet.

Die Berufung wird in beiden Verfahren zugelassen.

Tatbestand:

1

Der Kläger begehrt mit dem Hauptantrag die Feststellung, dass eine Leistungsvereinbarung zwischen ihm und dem beklagten Land für seine Einrichtung „Krankenstation E.“ besteht, hilfsweise die Verpflichtung des beklagten Landes, eine solche abzuschließen (7 A 2040/03) bzw. dass eine vorsorglich ausgesprochene Kündigung der Leistungsvereinbarung durch den Beklagten unwirksam ist (7 A 920/04).

2

Der Kläger betreibt in Gifhorn die F. als Einrichtung für Personen iSd § 72 BSHG, bei denen besondere Lebensverhältnisse mit sozialen Schwierigkeiten verbunden sind.

3

Daneben betreibt der Kläger in Gifhorn die „Krankenstation E.“ als gesonderte Einrichtung.

4

Zu dieser Krankenstation führt der Kläger in seiner Klageschrift unstreitig selbst weiter aus: Untergebracht und betreut werden in dieser Einrichtung Bewohner der BSHG- und SGB-XI-Einrichtungen des Klägers in E., wenn

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sie erkrankt sind, ohne bettlägerig zu sein, eine nichtärztliche medizinische Behandlungspflege im Sinne des Heimgesetzes, des BSHG und des SGB XI aber nicht ausreicht,

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sie bettlägerig erkrankt sind, eine ärztliche Behandlung notwendig ist, nicht aber auch eine stationäre Krankenhausbehandlung,

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durch die Aufnahme und die Behandlung in der Krankenstation eine stationäre Krankenhausbehandlung vermieden werden soll und kann.

8

Soweit bei den in der Einrichtung Krankenstation untergebrachten Menschen ärztliche Leistungen notwendig werden, werden diese durch die behandelnden Ärzte im Rahmen der ihnen erteilten Ermächtigung als ambulante vertragsärztliche Leistungen mit der zuständigen krankenärztlichen Vereinigung oder den einzelnen Krankenkassen abgerechnet. Soweit eine ärztliche Behandlung notwendig ist, die die Möglichkeiten der Einrichtung Krankenstation übersteigt bzw. die nicht im Rahmen der erteilten Ermächtigungen erbracht werden können, erfolgt eine Einweisung in ein Krankenhaus oder aber die Inanspruchnahme niedergelassener Vertragsärzte. Für diese Leistungen wurde ein Stellenplan mit einem Facharzt für Allgemeinmedizin (0,3), Krankenschwestern (2,5) und Pflegehelfern (2) entwickelt.

9

In einer Veröffentlichung des Klägers (Einblicke und Ausblicke 1996/1997) heißt es dazu u.a.:

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„Unsere Krankenstation - mehr als ein Krankenhaus

11

Auf der Krankenstation waren 1996 besonders viele Schwer- und Schwerstpflegefälle zu umsorgen. Dabei versuchen wir, Pflege und Service zu bieten, wie sie in einem Krankenhaus weder üblich noch möglich sind“

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In Einblicke und Ausblicke 1997/1998 heißt es:

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„Zur Behandlung krankenhausbedürftiger Patienten betreiben die Diakonischen Heime in Kästorf eine Krankenstation. Sie stellt ... eine günstige und ortsnahe Alternative zum Krankenhaus dar. Sie bietet eine Krankenhausbehandlung auf einfachem ärztlichen und gutem pflegerischen Niveau. Sie ist abgestimmt auf die wesentlichen Krankheiten, die bei dem betreuten Personenkreis auftreten. Die Einrichtung dieses Hilfsangebotes war erforderlich, da Patienten aus dem Kreis der alleinstehenden Wohnungslosen öffentliche Krankenhäuser eher meiden.“

14

Mit einem Schreiben von Ende März 2002 übersandte der Kläger dem beklagten Land den Entwurf einer „Leistungsbeschreibung über Inhalt, Umfang und Qualität der Leistungen entsprechend § 93a Abs. 2 BSHG für die Krankenstation in einer stationären Einrichtung gemäss § 72 BSHG“ und forderte das beklagte Land auf, mit ihm eine entsprechende Leistungsvereinbarung im Sinne des § 93 Abs. 2 BSHG abzuschließen.

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In diesem dem beklagten Land übersandten Entwurf einer Leistungsvereinbarung heißt es u.a.:

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„1.2 Die Krankenstation ist eine ärztlich geleitete Einrichtung mit 14 Behandlungsplätzen zur Akutpflege von Personen aus den Bereichen Wohnen und Beraten Kästorf und Altenhilfe Kästorf des G. e.V.. ...

17

2. Betriebsnotwendige Anlage der Einrichtung

...

18

Die Krankenstation verfügt über 14 Behandlungsbetten

...

19

3. Zu betreuender Personenkreis und Einzugsgebiet

20

Auf der Krankenstation werden ausschließlich Bewohner des G. e.V. aufgenommen.

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4. Art und Ziel der Leistungen

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4.1  Grundsatz

23

Als Angebot zur Betreuung akut pflegebedürftiger Patienten betreibt der G. e.V. eine Krankenstation.

24

Bei der Krankenstation handelt es sich um eine Pflegeeinheit für Menschen aus sozialen Randgruppen, die in dem G. e.V. leben. Diese Menschen befinden sich sehr häufig in einem körperlich und psychisch schlechten Zustand.

25

Auf der Krankenstation werden chirurgische, internistische und psychiatrische Kranke gepflegt.

...

26

4.4 Spezielle Hilfen

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 Gewährt werden auf der Krankenstation:

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Grundpflege

29

Behandlungspflege

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Sterbebegleitung

31

Ärztliche Besuche auf der Krankenstation

32

ausgelagerte häusliche Akutpflege

33

Begleitung und Förderung

34

Hilfen im sozialen Bereich

35

Krisenintervention

36

Ambulante medizinische Betreuung zu ungünstigen Zeiten

37

Körperliche Entzugsbehandlungen

...

38

Im Lauf des Klageverfahrens änderte der Kläger die Leistungsbeschreibung zu Punkt 4.4 wie folgt ab:

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Gewährt werden auf der Krankenstation:

40

Grundpflege

41

- Behandlungspflege

42

- Sterbebegleitung

43

- ausgelagerte häusliche Akutpflege

44

- Begleitung und Förderung

45

- Hilfen im sozialen Bereich

46

- Krisenintervention

47

- körperliche Entzugsbehandlungen

48

Die Krankenstation gibt die Möglichkeit zu Arztbesuchen und ambulanter medizinischer Betreuung nach Wahl der Bewohner, gewährt aber selbst keine ambulanten oder stationären ärztlichen Leistungen.

49

5.1.2 Qualifikation und Angabe der Berufsbilder

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Krankenschwester

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Altenpflegerin

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Pflegehelfer

...

53

5.2.1 Hilfeplanung und Behandlungsplanung

54

In Zusammenarbeit zwischen Ärzten, Pflegepersonen und Patienten wird ein Hilfe- und Pflegeplan für Diagnostik und Therapie individuell festgelegt, bei den täglich stattfindenden ärztlichen Visiten dem Krankheits-/Heilungsprozess angepasst. Bei einer Verlegung wird ein Verlegungsbericht erstellt.

55

5.2.2 Dokumentation der Hilfe

56

Die Dokumentation der Leistungen erfolgt täglich in einer Patientendokumentationsakte. Verlauf und Besonderheiten während der Behandlung werden dokumentiert. ...

57

5.3.3 Fortbildung

58

Externe und interne Weiterbildungsangebote werden wahrgenommen werden (ärztliche, pflegerische Weiterbildung ...) ...

59

...“

60

Mit Schreiben vom 23.07.2002 lehnte das beklagte Land den Abschluss der angebotenen Leistungsvereinbarung ab. Zur Begründung wurde ausgeführt, bei den angebotenen Leistungen handele es sich um Krankenhilfe iSd § 37 BSHG bzw. um Krankenbehandlungen nach § 27 SGB V. Mit Schreiben vom 25.11.2002 kündigte das beklagte Land hinsichtlich der Krankenstation bestehende Vereinbarungen, nachdem bereits die Schiedsstelle mit Bescheid vom 26.09.2002 eine Vergütung festgesetzt hatte.

61

Da die Schiedsstelle nach § 94 BSHG in einem Streit um die Höhe der Vergütung vom Bestehen einer Leistungsvereinbarung bzw. einer faktischen Leistungsvereinbarung ausging, kündigte das beklagte Land mit Schreiben vom 25.11.2002 sowohl eine Vergütungsvereinbarung als auch „rein vorsorglich auch die von der Schiedsstelle in ihrer Entscheidung vom 27.08.2002 unterstellte, wenn auch von mir (d.h., dem NLZSA) bestrittene und auch nicht schriftlich geschlossene Leistungsvereinbarung zum 31.12.2002“.

62

Der Kläger hat in der Sache 7 A 2040/03 bereits am 23.07.2002 und in der Sache 7 A 920/04 am 29.11.2002 Klage erhoben.

63

Er trägt vor: Die in den Diakonischen Heimen betreuten Personen hätten Probleme, die sich auch auf ihre Fähigkeit auswirke, auf „normalen Wegen“ diagnostische und therapeutische Leistungen niedergelassener Ärzte und des Krankenhauses in Anspruch zu nehmen. Um trotzdem die Obliegenheit zur umfassenden gesundheitlichen Betreuung dieser Menschen zu gewährleisten, habe er, der Kläger, die Einrichtung „Krankenstation“ konzipiert. Die dort von ihm erbrachten Leistungen ermöglichten eine umfassende gesundheitliche Betreuung der im gesunden Zustand von anderen klägerischen Einrichtungen betreuten Menschen.

64

Zwischen 1980 und 2001 habe zwischen ihm, dem Kläger, als Mitglied des Diakonischen Werkes des Ev.-Luth. Landeskirche der Landesrahmenvertrag mit den Ergänzungsvereinbarungen und der Übergangsfassung zum Rahmenvertrag gegolten. Auf dieser Grundlage habe zwischen den Beteiligten dieses Rechtsstreites Einigkeit über Inhalt, Umfang und Qualität der in der Einrichtung „Krankenstation“ erbrachten Leistungen bestanden. Auch die Schiedsstelle nach § 94 BSHG für das Land Niedersachsen sei in ihrem Bescheid vom 26.09.2002 davon ausgegangen, dass sich die Beteiligten über die zu erbringende Leistung, mithin das Leistungsangebot, einig seien. Das beklagte Land gehe im Übrigen selbst von einer bestehenden Leistungsvereinbarung aus, wenn es diese mit Schreiben vom 25.11.2002 kündige. Zwar sei die Form des § 56 SGB X nicht eingehalten worden, das beklagte Land könne sich hierauf aber nicht berufen. Dies sei arglistig. Er, der Kläger, habe aber auch einen Rechtsanspruch darauf, dass die bestehende Leistungsvereinbarung in einer der Form des Gesetzes genügenden Weise dokumentiert werde. Es bestehe, wie auch Schellhorn (BSHG, 16. Aufl., § 93 Rdnr. 26) schreibe, ein Anspruch des Einrichtungsträgers auf Abschluss einer Vereinbarung, wenn denn das Angebot den gesetzlichen Vorschriften entspricht.

65

Es handele sich bei seinem Angebot nicht um Krankenhilfe. Die Krankenstation sei kein eigenständiges Hilfeangebot, sondern ein spezielles Hilfeangebot im Rahmen der Hilfe nach § 72 BSHG. Dies habe der Beklagte in einem Schreiben vom 07.12.1992 selbst eingeräumt. Die Krankenstation stelle vielmehr lediglich „Betten zur Verfügung“. Diese Betten würden aus den anderen stationären Einrichtungen ausgelagert, um hier in der Krankenstation dem gesteigerten Betreuungsbedarf Rechnung tragen zu können. Die Tätigkeit des eingesetzten Arztes beschränke sich auf die Leitung der Krankenstation und die Anleitung des in der Krankenstation tätigen Betreuungs- und Pflegepersonals sowie dessen Weiterbildung und die Führung der Patientendokumentation. Die medizinische Behandlung der Patienten werde zwar in der Krankenstation, aber nicht von der Krankenstation erbracht. Es handele sich um ambulante ärztliche Leistungen, die entweder von niedergelassenen Ärzten oder im Rahmen der kassenärztlichen Zulassung und Ermächtigung von angestellten Ärzten der Klägerin erbracht werden. Ärztliche und medizinische Leistungen würden von außen erbracht.

66

Durch die ausgesprochene Kündigung einer Leistungsvereinbarung habe das beklagte Land zudem selbst anerkannt, dass eine Leistungsvereinbarung existiere. Die Kündigung sei jedoch nicht rechtmäßig. Weder liege ein Kündigungsgrund nach § 93c BSHG noch nach § 59 SGB X vor. Ein etwaiges Kündigungsrecht sei überdies verwirkt, weil die vom Beklagten angenommene Änderung der Geschäftsgrundlage schon viele Jahre zurückliege.

67

Der Kläger beantragt in der Sache 7 A 2040/03,

68

festzustellen, dass zwischen den Beteiligten über die Einrichtung „Krankenstation E.“ eine Leistungsvereinbarung gemäß § 93 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BSHG nach Maßgabe der Anlage K 1 (in der Fassung des Änderungsschriftsatzes vom 19.02.2004) zur Klageschrift besteht,

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hilfsweise das beklagte Land zu verurteilen, gegenüber dem Kläger folgende Willenserklärung abzugeben: „Ich nehme das Angebot des Klägers zum Abschluss einer Leistungsvereinbarung für die „Krankenstation E.“ nach Maßgabe der Anlage K 1 (in der Fassung wie oben) zur Klageschrift an.“

70

Der Kläger beantragt in der Sache 7 A 920/04,

71

festzustellen, dass die zwischen den Beteiligten bestehende Leistungsvereinbarung für die Einrichtung „Krankenstation E.“ nicht durch die Kündigung des Beklagten vom 25.11.2002 zum 31.12.2002 beendet wird, sondern fortbesteht.

72

Das beklagte Land beantragt in beiden Verfahren,

73

die jeweilige Klage abzuweisen.

74

Es erwidert: es gebe aus seiner Sicht keinen Zweifel daran, dass es eine schriftliche Vereinbarung zwischen den Parteien über die Leistungen der Krankenstation gegenwärtig nicht gibt. Die Entscheidung der Schiedsstelle sei insoweit nicht nachvollziehbar. Die ausgesprochene Kündigung sei jedoch rechtens.

75

Aus der vom Kläger vorgelegten Leistungsbeschreibung ergebe sich, dass es sich um Leistungen nach § 27 SGB V bzw. § 37 BSHG handelt, nicht um Hilfe zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten iSd § 72 BSHG. Daher sehe man sich außerstande, das Angebot des Klägers anzunehmen. Außerdem verweist es auf verschiedene Veröffentlichungen des Klägers, in denen von der Krankenstation die Rede ist. Seit dem 01.01.2004 gebe es überdies keinen originären Leistungen nach § 37 BSHG für eine Krankenbehandlung mehr.

76

Wegen des weiteren Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Die zulässigen Klagen sind unbegründet.

78

Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Feststellung, dass zwischen den Beteiligten eine Leistungsvereinbarung gemäß § 93 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BSHG besteht. Denn eine derartige Vereinbarung liegt mangels eines schriftlich abgeschlossenen Vertrages nicht vor.

79

Es mag zwar sein, dass die Beteiligten dieses Rechtsstreites sich in der Vergangenheit über die zu erbringenden Leistungen in der Krankenstation einig waren und möglicherweise deshalb anfangs den Abschluss eines schriftlichen Vertrages nicht für notwendig gefunden haben. Es mag weiterhin sein, dass die Schiedsstelle für das Land Niedersachsen in Hinblick auf die Rechtsprechung des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichtes (vgl. Urteil vom 14.03.2002 - 4 L 2155/00) dies als ausreichend angesehen hat, um die Leistungen, für die es eine Vergütung festzusetzen hatte, als hinreichend feststehend anzusehen. Durch die Einschätzung der Schiedsstelle allein entsteht jedoch noch kein Vertrag zwischen den Beteiligten, ebenso wenig durch den Umstand, dass sich das beklagte Land - offenbar vorsorglich in Folge der Schiedsstellenentscheidung - veranlasst sah, eine „quasi-vertragliche Leistungsvereinbarung“ mit dem Kläger zu kündigen. Ob ein Vertrag besteht oder nicht hängt nicht von der rechtlichen Einschätzung der Lage durch die Beteiligten oder durch die Schiedsstelle ab, sondern davon, ob die tatbestandlichen Voraussetzungen der einschlägigen Vorschriften des SGB X vorliegen.

80

Bei einer Leistungsvereinbarung im Sinn des § 93 Abs. 2 Nr. 1 BSHG handelt es sich indes um einen öffentlich-rechtlichen Vertrag. Ein derartiger Vertrag muss, um wirksam zu sein, die vom Gesetz vorgesehenen Formvorschriften einhalten. Nach § 56 SGB X bedürfen öffentlich-rechtliche Verträge im Geltungsbereich des Sozialgesetzbuches aber der Schriftform. Unstreitig wurde ein derartiger Vertrag bis heute nicht abgeschlossen. Ein Vertrag, der den Erfordernissen der Schriftform nicht genügt, ist indes nichtig (Schroeder-Printzen/ Engelmann/ Schmalz/ Wiesner/ von Wulffen, SGB X, 3. Aufl. 1996, § 56 Rdnr. 7).

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Zwar kann unter bestimmten, engen Voraussetzungen die Formnichtigkeit eines Vertrages dann für unbeachtlich gehalten werden, wenn die Berufung auf die Ungültigkeit einen schweren Verstoß gegen Treu und Glauben bedeuten würde. In diesen Fällen werden die Vertragsparteien so behandelt, als hätten sie einen formgültigen Vertrag geschlossen (Kopp/Ramsauer VwVfG, 7. Aufl. 2000, zu der insoweit vergleichbaren Vorschrift des § 57 VwVfG, Rdnr. 15), wenn, m.a.W. ein Scheitern des Vertrages als „schlechthin untragbar“ anzusehen wäre (OVG Lüneburg, Urt. v. 13.08.1991 - 9 L 362/89 - NJW 1992, 1404, 1406).

82

Davon kann hier indes keine Rede sein. Zwar hat das beklagte Land - solange das Verhältnis zu Einrichtungsträgern durch den sogenannten Landesrahmenvertrag einschließlich der Ergänzungs- und Übergangsvereinbarungen gestaltet wurde - davon abgesehen, genau nach den Vorschriften der §§ 93 ff. BSHG zu verfahren. Allein daraus folgt jedoch nicht - auch nicht aus den Grundsätzen von Treu und Glauben - dass, nachdem es zu keinem weiteren Landesrahmenvertrag zwischen den Beteiligten mehr gekommen ist, nunmehr von einem entgegen den Formvorschriften des Gesetzes bestehenden öffentlich-rechtlichen Vertrag auszugehen. So weit geht im Übrigen auch weder die oben zitierte Rechtsprechung noch die Kommentarliteratur. Auch sie besagt nicht, dass dann ein Vertrag tatsächlich entgegen der Formvorschrift doch existiert, sie bindet lediglich die Parteien an die Folgen der nicht wirksam vereinbarten Regelungen. Ob dies letztendlich auch im Verhältnis der Beteiligten dieses Verfahrens zu gelten hat, kann hier aber offen bleiben. Denn Gegenstand des Rechtsstreites ist lediglich die Feststellung des Bestehens eines wirksamen Vertrages, nicht die Ableitung von Ansprüchen aus einem formnichtig abgeschlossenen Vertrag. Deshalb bedarf es an dieser Stelle auch keiner Klärung, ob die Schiedsstelle zu Recht eine Vergütung festgesetzt hat und ob sie das - jedenfalls vom Kläger vorgetragene - bisherige „Einvernehmen“ hinsichtlich der zu erbringenden Leistungen als gleichwertigen Ersatz für eine schriftlich abgeschlossene Leistungsvereinbarung der Vergütungsfestsetzung zu Grunde legen durfte oder nicht.

83

Da nach alledem kein rechtswirksamer öffentlich-rechtlicher Vertrag zwischen den Beteiligten über Inhalt, Umfang und Qualität der Leistungen der Krankenstation vorliegt, kann die Feststellungsklage im Verfahren 7 A 920/04 ebenfalls keinen Erfolg haben. Mangels eines Vertrages geht die vom beklagten Land im Übrigen insoweit nur rein vorsorglich ausgesprochene Kündigung ins Leere. Ein nichtvorhandener Vertrag kann nicht gekündigt werden. Und erst recht kann dann nicht festgestellt werden, wie vom Kläger begehrt, dass dieser Vertrag trotz der Kündigung fortbesteht.

84

Das beklagte Land ist weiterhin nicht verpflichtet, den vom Kläger hilfsweise im Verfahren 7 A 2040/03 gewünschten Vertrag mit dem Kläger abzuschließen.

85

Die Kammer lässt offen, ob grundsätzlich bei Vorliegen der Voraussetzungen ein Anspruch des Einrichtungsträgers auf Abschluss einer Vereinbarung nach § 93 Abs. 2 BSHG (so Schellhorn/Jirasek/Seipp, BSHG, 16. Aufl. 2002, § 93 Rdnr. 26) oder ob „nur“ ein Anspruch auf eine ermessensfehlerfreie Entscheidung des Sozialhilfeträgers zum Abschluss derartiger Vereinbarungen (so BVerwG, Urteil v. 30.09.1993 - 5 C 41/91 -, BVerwGE 94, 202) besteht. Denn darauf kommt es im vorliegenden Fall nicht an.

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Ein Anspruch - sei es auf ermessensfehlerfreie Ausübung eines Vertragsabschlussermessens, sei auf Annahme des Vertragsangebotes - scheitert bereits daran, dass das beklagte Land zur Gewährung der angebotenen Leistungen an die Hilfeempfänger nicht zuständig ist. Der hier geltend gemachte Anspruch gegen das beklagte Land kann im Fall des Klägers nur bestehen, wenn es sich entweder bei den angebotenen Leistungen um stationäre oder teilstationäre Leistungen im Sinne des § 72 BSHG oder um Hilfen iSd. § 100 Abs. 2 BSHG handelt. Nur dann ist nach § 100 Abs. 1 Nr. 5 bzw. Abs. 2 BSHG die Zuständigkeit des beklagten Landes als überörtlicher Träger der Sozialhilfe gegeben.

87

Der Kläger erbringt in seiner Einrichtung „Krankenstation“ jedoch keine Leistungen im Sinn dieser Vorschriften.

88

Die Hilfe zur Überwindung der sozialen Schwierigkeiten umfasst nach § 72 Abs. 2 BSHG zwar alle Maßnahmen, die notwendig sind, um die Schwierigkeiten abzuwenden, zu beseitigen, zu mildern oder ihre Verschlimmerung zu verhüten. Dazu gehört vor allem die Beratung und die persönliche Betreuung für den Hilfesuchenden und seine Angehörige, aber auch Hilfen zur Ausbildung und zur Erlangung und Sicherung eines Arbeitsplatzes. Art und Umfang der Maßnahmen richten sich dabei nach dem Ziel, die Hilfesuchenden zur Selbsthilfe zu befähigen, ihnen die Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft zu ermöglichen und die Führung eines menschenwürdigen Lebens zu sichern (§ 2 Abs. 1 Satz 1 DVO zu § 72 BSHG). Schwerpunkt der Hilfemaßnahmen sollen dabei nach § 72 Abs. 2 BSHG die persönliche Hilfe durch Beratung und Betreuung sein, jedoch können daneben Geld- und Sachleistungen gewährt werden (vgl. amtl. Begründung, BT-Drs. 7/308; Schellhorn/Jirasek/Seipp, a.a.O., § 72 Rdnr. 29, 32, 35), außerdem sind Maßnahmen der Gewöhnung an Arbeit und Weckung der Arbeitsbereitschaft möglich (a.a.O., Rdnr. 36, § 5 DVO zu § 72) sowie Maßnahmen zur Erhaltung und Beschaffung von Wohnraum und Hilfen zum Aufbau und zur Aufrechterhaltung sozialer Beziehungen und zur Gestaltung des Alltags (§ 4 und 6 DVO zu § 72). Die Gewährung von Krankenhilfe gehört nicht dazu.

89

Die Leistungen, die der Kläger in der Krankenstation den dort befindlichen Hilfeempfängern gegenüber erbringt, sind jedoch der Krankenbehandlung nach § 27 SGB V zuzuordnen. Es handelt sich nicht um Leistungen im Rahmen des § 72 BSHG.

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Die Maßnahmen in der Krankenstation dienen nicht dazu, besondere soziale Schwierigkeiten abzuwenden, zu beseitigen oder zu mildern und die dortigen Personen zu befähigen, am Leben der Gemeinschaft teilzunehmen. Dafür bietet der Kläger andere Einrichtungen an. Die Nutzer der Krankenstation kommen aus diesen anderen Einrichtungen in die Krankenstation, um hier wegen ihrer Krankheit gepflegt und betreut zu werden. Dies hat der Kläger selbst in seinem Entwurf einer Leistungsvereinbarung zum Ausdruck gebracht, wenn er unter der Nummer 1.2 schreibt, die Krankenstation sei eine ärztlich geleitete Einrichtung mit Behandlungsplätzen zur Akutpflege. Auch die unter den Nummern 4.1 und insbesondere die ursprünglich unter Nr. 4.4 dargestellten Hilfen belegen eindrucksvoll, dass hier krankenpflegerische Leistungen erbracht werden. Eine Verbindung zu § 72 BSHG besteht nur insoweit, als dass die Hilfen in der Krankenstation nur Personen gegenüber erbracht werden, die auch unter besonderen sozialen Schwierigkeiten leiden und deshalb die Diakonischen Heime in E. bewohnen. Dadurch sind die Behandlungspflege und die jedenfalls im ursprünglichen Vertragsentwurf vorgesehene ambulante medizinische Betreuung sowie die weiteren dort genannten Leistungen aber noch nicht den Hilfen zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten zuzurechnen.

91

Die Herausnahme der Punkte „ärztliche Besuche“ und „ambulante medizinische Betreuung“ aus dem Leistungsspektrum der Ziff. 4.4. im Laufe des Rechtsstreites führt nicht dazu, dass die verbleibenden Punkte nun zu Hilfen zur Überwindung sozialer Schwierigkeiten werden. Sie bleiben vielmehr Hilfen zur „Überwindung krankheitsbedingter Schwierigkeiten“, m.a.W., es handelt sich um Krankenhilfe.

92

Dem steht nicht entgegen, dass - bis auf den ärztlichen Leiter der Einrichtung - die behandelnden Ärzte von außerhalb, etwa aus anderen Einrichtungen des Klägers kommen. Insoweit ist die Einrichtung beispielsweise mit einem Krankenhaus zu vergleichen, in denen die ärztlichen Leistungen durch Belegärzte erbracht werden. Gleichwohl erfolgt in so einem Krankenhaus nach wie vor eine Krankenbehandlung und -pflege.

93

Im Übrigen ergibt sich der Umstand, dass Krankenpflege geleistet wird, auch aus den eigenen Veröffentlichungen des Klägers in „Einblicke und Ausblicke“: Der Prozessbevollmächtigte hat in der mündlichen Verhandlung auf Nachfrage ausdrücklich bestätigt, dass bis heute keine Veränderungen im Leistungsangebot eingetreten und diese auch nicht beabsichtigt sind, mithin das Vertragsangebot den bisherigen tatsächlichen Leistungsumfang beschreibt.

94

Es kann hier offen bleiben, ob nicht gleichwohl in der Vergangenheit in der hier umstrittenen Einrichtung mit der Krankenpflege und -behandlung zumindest für einen Großteil der behandelten und gepflegten Personen eine Leistung erbracht wurde, die in die Zuständigkeit des Beklagten fiel. Denn der Beklagte ist gemäß § 100 Abs. 2 BSHG auch für die Krankenhilfe nach den §§ 37, 38 BSHG für Personen iSd § 72 BSHG, die stationär oder teilstationär betreut werden, zuständig. Zumindest ein Teil der Betreuten in den H., die nicht krankenversichert waren, mussten für eine medizinische Hilfe Leistungen des Trägers der Sozialhilfe nach den Vorschriften der §§ 37 und 38 BSHG erhalten. Es dürfte sich bei einer Einrichtung, in der Krankenhilfe nach §§ 37,38 BSHG erbracht wird, um eine Einrichtung zur Gewährung von Sozialhilfe (eben in der Form der Krankenhilfe) iSd § 93 BSHG handeln. Letztendlich bedarf es aber in diesem Verfahren keiner Klärung mehr, ob der Beklagte gleichwohl einen Vertragsabschluss ablehnen durfte, etwa weil im Vertragsentwurf nicht zwischen der Krankenhilfe nach dem BSHG und der Erbringung von Leistungen nach dem SGB V für krankenversicherte Patienten differenziert wurde, oder nicht. Denn der Hilfsantrag zu 2.) des Klägers zielt auf eine Verpflichtung, das Vertragsangebot zum Zeitpunkt der Entscheidung anzunehmen. Seit dem 01.01.2004 werden in der Krankenstation jedoch nur noch Leistungen nach dem SGB V erbracht, die von den Krankenkassen erbracht werden.

95

Mit dem Gesetz zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung vom 14.11.2003 (BGBl. I S. 2190) - Art. I Nr. 152 Buchst. c) wurde der § 264 SGB V dahingehend geändert, dass seit Beginn des Jahres 2004 die Krankenbehandlung von Empfängern laufender Leistungen zum Lebensunterhalt und von Empfängern von Hilfe in besonderen Lebenslagen, die nicht versichert sind, von einer Krankenkasse übernommen wird. Damit handelt es sich bei der Krankenbehandlung nicht mehr um Leistungen nach den §§ 37, 38 BSHG, sondern um Leistungen nach dem SGB V (vgl. dazu auch Zeitler, NDV 2004, 45), für die der Beklagte nicht zuständig ist.

96

Zu Recht kann er jedenfalls nunmehr den Abschluss des vorgeschlagenen Vertrages - auch in der neugefassten Form - verweigern.

97

Die Berufung war in beiden Verfahren gem. §§ 124a Abs. 1, 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache zuzulassen.

98

Die Kostenentscheidung folgt jeweils aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 11, 711 Satz 1 ZPO.