Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 31.05.2023, Az.: 1 Ws 125/23 (StrVollz)

Kein Antrag auf Rückbuchung bei JVA vor Antrag auf gerichtliche Entscheidung gegen die Einbehaltung des Eigenanteils an Hausgeld; Abzüglicher Eigenanteil für Brille vom Hausgeld des Strafgefangenen; Unschädlichkeit der falschen Bezeichnung eines Antrags

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
31.05.2023
Aktenzeichen
1 Ws 125/23 (StrVollz)
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2023, 29254
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
LG Osnabrück - AZ: 15 StVK 174/23

Amtlicher Leitsatz

Wendet sich ein Strafgefangener gegen die Einbehaltung eines Eigenanteils von seinem Hausgeld durch die Justizvollzugsanstalt, bedarf es vor Anrufung des Gerichts nicht eines bei dieser gestellten Antrages auf Rückbuchung.

In der Strafvollzugssache
des J. R.,
geb. am ...,
zurzeit in der JVA L.
- Antragstellers und Beschwerdeführers -,
gegen die Justizvollzugsanstalt L.,
vertreten durch den Anstaltsleiter,
- Antragsgegner und Beschwerdegegnerin -,
wegen Abbuchung vom Hausgeldkonto
hat der 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts Celle auf die Rechtsbeschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Osnabrück mit Sitz in Lingen (Ems) vom 12. April 2023 nach Beteiligung des Zentralen juristischen Dienstes für den niedersächsischen Justizvollzug durch den Vorsitzenden
Richter am Oberlandesgericht XXX, den Richter am Oberlandesgericht XXX und den Richter am Oberlandesgericht XXX am 31. Mai 2023 einstimmig beschlossen:

Tenor:

Der angefochtene Beschluss wird mit den getroffenen Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an die Strafvollstreckungskammer zurückverwiesen.

Der Streitwert wird für beide Instanzen auf bis zu 500 € festgesetzt

Gründe

I.

Mit Antrag auf gerichtliche Entscheidung wendete sich der Antragsteller dagegen, dass die Antragsgegnerin ihm 19,- € Eigenanteil von seinem Hausgeld für die Aushändigung einer Brille abgezogen hat und begehrt "in Gestalt eines Verpflichtungsantrages" die Rückzahlung des Betrages. Die Kammer hat mit dem angefochtenen Beschluss den Antrag als unzulässig verworfen, weil es der Antragsteller unterlassen habe, bei der Antragsgegnerin einen Antrag auf Rückzahlung zu stellen.

Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des Antragstellers, der die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt.

II.

Die Rechtsbeschwerde ist zulässig, da es geboten ist, die Nachprüfung zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zu ermöglichen (§ 116 Abs. 1 StVollzG). Es gilt, den im folgenden dargestellten Rechtsmangel zukünftig zu vermeiden.

III.

Die Rechtsbeschwerde ist auch begründet. Denn die Begründung der Kammer, vor einem gerichtlichen Verpflichtungsantrag hätte der Antragsteller einen Antrag auf Rückzahlung bei der Antragsgegnerin stellen müssen, ist rechtsfehlerhaft. Die Entscheidung der Antragsgegnerin, vom Hausgeldkonto des Antragstellers einen Eigenanteil abzubuchen, stellt eine Maßnahme im Sinne des § 109 StVollzG dar, die mit dem Anfechtungsantrag angegriffen werden kann. Wird diese Maßnahme erfolgreich angegriffen, besteht ein Folgenbeseitigungsanspruch auf Rückgängigmachung der Buchung nach § 115 Abs. 2 Satz 2 StVollzG, ohne dass es hierfür eines Verpflichtungsantrages bzw. eines vorher gestellten Antrages des Antragstellers gegen die Antragsgegnerin bedarf (vgl. Burhoff/Kotz-Schmidt-Clarner, Handbuch der strafrechtlichen Nachsorge, Rn. 256 f.). Darauf, dass der Antragsteller die Rückzahlung "in Gestalt eines Verpflichtungsantrages" gestellt hat, kommt es für die Beurteilung nicht an. In Anwendung von § 120 Abs. 1 Satz 2 StVollzG i.V.m. § 300 StPO ist die fehlerhafte Bezeichnung in einem Antrag unschädlich und durch Auslegung zu ermitteln, welches Rechtsschutzbegehren der Antragsteller verfolgen will.

III.

Die Streitwertentscheidung beruht auf §§ 1 Abs. 1 Nr. 8, 52 Abs. 1, 60, 63 Abs. 3 Nr. 2, 65 GKG.