Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 05.06.2023, Az.: 5 StS 2/22

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
05.06.2023
Aktenzeichen
5 StS 2/22
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2023, 28889
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Fundstelle

  • StV 2024, 151

Amtlicher Leitsatz

  1. 1.

    Die Beiordnung eines Verteidigers dient neben der Wahrung der Interessen des Beschuldigten auch dem Zweck, im öffentlichen Interesse einen ordnungsgemäßen Verfahrensablauf zu gewährleisten.

  2. 2.

    In Abwägung mit dem durch § 137 Abs. 1 StPO und Art. 6 Abs. 3 lit. c EMRK gesetzlich garantierten und zugleich durch Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip des Grundgesetzes verfassungsrechtlich verbürgten Recht des Angeklagten, sich von einem Verteidigter seiner Wahl verteidigen zu lassen, kann dem Interesse der Allgemeinheit an einer wirksamen und rechtsstaatlich geordneten Rechtspflege der Vorrang einzuräumen sein.

  3. 3.

    Dies ist u.a. dann der Fall, wenn der von dem Angeklagten neu benannte Verteidiger in Absprache mit dem bisherigen Pflichtverteidiger um eine "Umbeiordnung" zu erreichen, gemeinsam mit diesem dessen Entpflichtung erzwingt, nachdem der Vorsitzende seine Einschätzung geäußert hatte, wonach die Voraussetzungen für eine solche nicht mehr vorliegen dürften, sich der neue Verteidiger sodann von dem Angeklagten mandatieren lässt, einen Antrag auf seine Beiordnung als Pflichtverteidiger stellt, im Rahmen des Beiordnungsverfahrens falsch vorträgt und sein Verhalten die Besorgnis begründet, er werde auch im Verlauf des weiteren Verfahrens entsprechende prozessordnungswidrige Verhaltensweisen tätigen.

In der Strafsache
gegen K. C. S.,
alias: "A. S."
alias: "A. S."
geboren ...,
wohnhaft ...,
Verteidiger: Rechtsanwalt T. K., A.,
wegen Verdacht der Unterstützung einer terroristischen Vereinigung u.a.
hier: Beiordnung eines Pflichtverteidigers
hat der 5. Strafsenat des Oberlandesgerichts Celle durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht XXX am 5. Juni 2023 beschlossen:

Tenor:

Die Beiordnung von Rechtsanwalt K., A., wird abgelehnt.

Dem Angeklagten wird Rechtsanwalt Dr. E., B., als Verteidiger beigeordnet.

Gründe

I.

1. Mit Schreiben vom 10. Mai 2023 hat sich Rechtsanwalt K. aus der Kanzlei "K. & T.", A., als Verteidiger des Angeklagten legitimiert, seine ordnungsgemäße Bevollmächtigung versichert und Akteneinsicht beantragt. Weiter hat er mitgeteilt, die "seinerzeit anberaumten Termine" seien (...) "hier jeweils ganztägig geblockt" und hat unter Auflistung eines jeden einzelnen Tages jeden der zwölf Terminstage bestätigt, die der Vorsitzende am 4. Januar 2023 mit der Kanzleiangestellten für Rechtsanwalt T., dem damaligen Pflichtverteidiger des Angeklagten, vereinbart hatte.

Am 11. Mai 2023 hat der Vorsitzende den Angeklagten angeschrieben, diesen über das Schreiben von Rechtsanwalt K. vom 10. Mai 2023 unterrichtet und dem Angeklagten angekündigt, ihm trotz seiner Bevollmächtigung von Rechtsanwalt K. Rechtsanwalt Dr. E. als Pflichtverteidiger beizuordnen.

Zuvor war dem Angeklagten mit Schreiben vom 2. Mai 2023 der Senatsbeschluss vom selben Tage übersandt worden, mit dem die Beiordnung von Rechtsanwalt T. gemäß § 143a Abs. 2 S. 1 Nr. 3 StPO wegen grober Verletzung der Pflichten eines Verteidigers aufgehoben worden war. In diesem Schreiben war der Angeklagte auch aufgefordert worden, dem Senat einen anderen Verteidiger zu benennen, der ihm als Pflichtverteidiger bestellt werden solle. Zugleich war dem Angeklagten mitgeteilt worden, dass ihm für den Fall, dass dieser keinen Verteidiger benennen werde, Rechtsanwalt Dr. E. als Pflichtverteidiger beigeordnet werden würde.

Der Angeklagte hat unter Bezugnahme auf das Schreiben des Vorsitzenden vom 11. Mai 2023 am 16. Mai 2023 den Vorsitzenden angerufen und nachgefragt, weshalb ihm neben Rechtsanwalt K. Rechtsanwalt Dr. E. als Pflichtverteidiger beigeordnet werden solle. Weiter hat der Angeklagte erklärt, dass er kein Geld für einen Verteidiger habe, diesen mithin nicht bezahlen könnte. Der Vorsitzende hat dem Angeklagten unter Bezugnahme auf den Senatsbeschluss vom 2. Mai 2023 kurz die Gründe für die Entpflichtung von Rechtsanwalt T. dargelegt und erklärt, dass Rechtsanwalt K. in Aussicht gestellte Rückmeldungen nicht vorgenommen und auch auf Nachfrage des Gerichts nicht geantwortet habe. Es sei im Hinblick auf einen prozessordnungsgemäßen Verfahrensablauf indes geboten, dass das Gericht gewichtige, den Verfahrensablauf betreffende Fragen verlässlich mit einem Verteidiger des Angeklagten klären und dies durch Rechtsanwalt Dr. E. sichergestellt werden könne. An der Verlässlichkeit von Rechtsanwalt K. hingegen könnten aufgrund der vorgenannten Aspekte sowie aufgrund des bisherigen Verfahrensablaufs Zweifel bestehen.

Einen Tag später, am 17. Mai 2023, hat sich der Angeklagte erneut bei dem Vorsitzenden telefonisch gemeldet und erklärt, nach dem gestrigen Gespräch mit dem Vorsitzenden mit Rechtsanwalt K. gesprochen zu haben. Er wolle nur von Rechtsanwalt K. und nicht von Rechtsanwalt Dr. E. verteidigt werden. Dies sei so zwischen ihm und Rechtsanwalt K. besprochen worden und dieser habe ihm erklärt, einen Antrag zu stellen, wonach er, Rechtsanwalt K., dem Angeklagten beigeordnet werde solle.

Nach dem Telefonat mit dem Angeklagten wurde dem Unterzeichner das Schreiben von Rechtsanwalt K. vom 16. Mai 2023 vorgelegt, in welchem dieser korrespondierend mit den Angaben des Angeklagten ausführt, die Bestellung eines anderen oder weiteren Verteidigers sei von dem Angeklagten nicht gewünscht. Zugleich hat Rechtsanwalt K. beantragt, dem Angeklagten als Pflichtverteidiger beigeordnet zu werden. Zur Begründung dieses Antrages hat Rechtsanwalt K. ausgeführt, der Antrag erfolge nach telefonischer Rücksprache mit seinem Mandanten.

2. Der Entpflichtung von Rechtsanwalt T. sowie den durch den Vorsitzenden gegenüber dem Angeklagten geäußerten Zweifel an der Verlässlichkeit von Rechtsanwalt K. als Pflichtverteidiger liegt folgenden Verfahrensgang zugrunde:

2.1 Mit ihrer vom 25. März 2022 datierenden Anklageschrift hat die Generalstaatsanwaltschaft Celle am 5. April 2023 öffentliche Klage gegen den Angeklagten erhoben. Die Generalstaatsanwaltschaft legt dem Angeklagten zur Last, zwischen Dezember 2015 und dem 25. Juli 2016 in H. durch dieselbe Handlung eine ausländische terroristische Vereinigung ("Islamischer Staat Irak und Großsyrien" [ISIG]) unterstützt zu haben und dem Bereitstellungsverbot der im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlichten unmittelbar geltenden Verordnung der Europäischen Gemeinschaften Nr. 881/2002, die der Durchführung einer vom Rat der Europäischen Union im Bereich der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik beschlossenen wirtschaftlichen Sanktionsmaßnahme dient, zuwidergehandelt zu haben, indem er einer im Anhang dieser Verordnung aufgeführten Organisation Gelder zur Verfügung gestellt habe.

Im konkreten Anklagevorwurf führt die Generalstaatsanwaltschaft hierzu weiter aus:

"Der Angeschuldigte, alias "A. S.", konvertierte im Jahr 2008 zum Islam. Er radikalisierte sich im Sinne der salafistischen Ideologie und befürwortete die Ziele und Taten des "Islamischen Staats". Er war Gründungsmitglied des inzwischen verbotenen Vereins "D. I. H. e.V." (DIK-H.), dem auch die gesondert Verfolgten Brüder R. und K. O. sowie A. S. lange Jahre in verschiedenen Funktionen angehörten. In dem Verein wurden spätestens seit Anfang 2015 v. a. durch den Prediger A. A. A. (alias "A. W.") zahlreiche Personen zielgerichtet radikalisiert und zur Ausreise in das Kriegsgebiet nach Syrien und in den Irak zum Anschluss an die terroristische Vereinigung "Islamischer Staat" ("IS") motiviert, darunter der beste Freund des Angeschuldigten und weiteres Gründungsmitglied des DIK-H. D. W., alias "M. d. D./A.". Dieser war Ende 2014/Anfang 2015 ausgereist und hatte sich dem "IS" angeschlossen, was der Angeschuldigte, dessen eigener Ausreiseversuch Ende 2015 scheiterte, wusste.

Auch A. S. reiste am 30. April 2015 aus Deutschland aus und gliederte sich in Syrien als Mitglied in den "IS" ein, wo er bis Anfang 2019 in führender Funktion an der Aufrechterhaltung und Förderung der militärischen Präsenz und Aktivität des "IS" in Syrien mitwirkte.

Seine in H. verbliebenen Brüder R. und K. O. standen dabei u. a. über Facebook in ständigem Kontakt mit ihm und leisteten ihm vor allem finanzielle, aber auch logistische und sonstige materielle Hilfe.

A. S., der in Syrien über erhebliche Bargeldmengen verfügte und zudem vom "IS" ein monatliches Gehalt bezog, war bereit und in der Lage, anderen sich im Gebiet des "IS" aufhältigen ehemaligen DIK- bzw. "IS"-Mitgliedern bei Bedarf Geld auszuzahlen. Hierfür hatte er gemeinsam mit seinem Bruder R., den er als seinen Vermögensverwalter eingesetzt hatte, ein am H.-Banking orientiertes Zahlungssystem etabliert. Voraussetzung für die Auszahlung des Geldes in Syrien war danach eine Ausgleichzahlung zu Gunsten des in Deutschland befindlichen Vermögens des A. S. an seinen Bruder R.

Die Dienste der Brüder O./S. nahm auch der Angeschuldigte in Anspruch, um seinem besten Freund D. W. einen Geldbetrag zukommen zu lassen. So ließ er A. S. über R. O. Anfang Dezember 2015 wissen, dass W. von A. S. 500,- oder 1.000,- Euro haben wollte.

Nach Klärung der genauen Modalitäten des Transfers übergab A. S. bis zum 23. Januar 2016 dem W. in Syrien 300,- Euro in Vorleistung der zu erwartenden Ausgleichzahlung des Angeschuldigten.

Dieser übergab wie vereinbart zur Beendigung des H.-Transfers spätestens bis zum 25. Juli 2016 einen Betrag von 400,- Euro an R. O., was wiederum K. O. den gemeinsamen Bruder A. S. wissen ließ.

Das ihm in Syrien übergebene Geld verwendete D. W. für seinen Lebensunterhalt und damit auch für die Erhaltung seiner Kampfkraft zugunsten des "IS", was der Angeschuldigte von Anfang an wusste und mit seiner Zahlung bezweckte. Die von ihm geleistete Zahlung förderte dabei auch die innere Organisation des "IS", dessen Zusammenhalt und wirkte sich positiv auf die Aktionsmöglichkeiten und die Zwecksetzung aus, was der der "IS"-Ideologie anhängende Angeschuldigte zumindest für möglich hielt und auch billigend in Kauf nahm. Des Weiteren hielt es der Angeschuldigte für möglich und nahm billigend in Kauf, dass der Kapitalverkehr mit dem sogenannten "Islamischen Staat" strafbewehrten Sanktionen unterlag.

2.2 Nachdem die Anklageschrift durch den Senat zu Hauptverhandlung zugelassen und das Hauptverfahren eröffnet worden war, hatte der Vorsitzende am 4. Januar 2023 mit der zur Terminabstimmung berechtigten Kanzleimitarbeiterin von Rechtsanwalt T. Termine zur Hauptverhandlung abgestimmt. Rechtsanwalt T. war damals - wie bereits ausgeführt - der Pflichtverteidiger des Angeklagten. Jener war diesem durch Beschluss des Ermittlungsrichters des Oberlandesgerichts Celle vom 11. November 2020 als Pflichtverteidiger gemäß den §§ 140 Abs. 1 Nr. 1 StPO, 141 Abs. 1 Satz 1, 142 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 1, 162, 169 StPO beigeordnet worden. Termine zur Durchführung der Hauptverhandlung waren durch den Vorsitzenden ab dem 12. April 2023 angeboten worden, der Beginn der Hauptverhandlung konnte aufgrund fortdauernder Verhinderungen von Rechtsanwalt T. indes erst für den 9. Oktober 2023 abgestimmt werden. Als weitere Hauptverhandlungstermine waren der 10. und 13. Oktober, der 2., 3., 6., 13., 14., 27. und 28. November sowie der 4. und 5. Dezember 2023 vereinbart sowie nachgefragt worden, ob sich der Angeklagte voraussichtlich zur Sache einlassen werde. Termine zur (vorherigen) Durchführung eines Erörterungstermins hatte die Kanzleimitarbeiterin noch nicht zusagen können.

Am 6. Januar 2023 hatte Rechtsanwalt K. den Vorsitzenden angerufen, auf die für Rechtsanwalt T. erfolgte Terminvereinbarung Bezug genommen und erklärt, es sei zwischen ihm, Rechtsanwalt T. und dem Angeklagten abgestimmt, dass er, Rechtsanwalt K., die Verteidigung "übernehme". Er stünde an sämtlichen der abgesprochenen Termine zur Verfügung. Weiter hatte Rechtsanwalt K. mitgeteilt, er werde mit dem Angeklagten nächste Woche besprechen, ob sich dieser zur Sache einlassen werde und sich sodann nochmals melden. Eine entsprechende Rückmeldung war nicht erfolgt. Eine schriftliche Nachfrage des Vorsitzenden vom 19. Januar 2023 gegenüber Rechtsanwalt K., ob dieser wie mitgeteilt die Verteidigung des Angeklagten übernehme, ob sich der Angeklagte zur Sache einlassen werde und ob mit der Hauptverhandlung nicht "deutlicher früher" begonnen werden könne, weil die vorgesehene späte Terminierung der Verhinderung von Rechtsanwalt T. geschuldet sei und die in Kopie auch diesem zur Kenntnisnahme übersandt worden war, hatte Rechtsanwalt K.l nicht beantwortet. Auch Rechtsanwalt T. hatte sich zu dem lediglich durch Rechtsanwalt K. telefonisch mitgeteilten Verteidigerwechsel nicht erklärt.

Am 7. Februar 2023 hatte der Vorsitzende sodann auf der Grundlage der zuvor abgestimmten Termine die Verfahrensbeteiligten und als solchen auch Rechtsanwalt T. als Pflichtverteidiger zur Hauptverhandlung ab dem 9. Oktober 2023 geladen, dabei insgesamt mehr als zehn Hautverhandlungstage festgesetzt und zugleich auch die Gerichtsbesetzung gemäß § 222a Abs. 1 S. 2 StPO gegen Empfangsbekenntnis mitgeteilt. Zusammen mit dieser Ladung hatte der Vorsitzende Rechtsanwalt T. darüber unterrichtet, dass Rechtsanwalt K. ihn, dem Vorsitzenden, am 6. Januar 2023 telefonisch darüber unterrichtet habe, es sei zwischen den Rechtsanwälten K. und T. sowie dem Angeklagten abgesprochen, dass Rechtsanwalt K. die Verteidigung des Angeklagten übernehme, sich Rechtsanwalt K. anschließend jedoch entgegen seiner Zusage nicht mehr gemeldet und auch eine Nachfrage durch den Vorsitzenden vom 19. Januar 2023 unbeantwortet gelassen habe, weshalb der Vorsitzende davon ausgehe, dass Rechtsanwalt T. auf der Grundlage seiner erfolgten Beiordnung weiterhin den Angeklagten verteidigen werde.

Rechtsanwalt K. war durch den Vorsitzende im Rahmen seiner Ladungsverfügung vom . Februar 2023, durch die Geschäftsstelle ausgeführt und datiert auf den 8. Februar 2023, darüber unterrichtet worden, dass er, der Vorsitzende, davon ausgehe, dass der beabsichtigte Verteidigerwechsel nicht mehr beabsichtigt sei, da er, Rechtsanwalt K., sich nicht mehr gemeldet und auch die Nachfrage des Vorsitzenden bzgl. des in Aussicht gestellten Verteidigerwechsels unbeantwortet gelassen habe.

Das Empfangsbekenntnis betreffend die Besetzungsmitteilung hatte Rechtsanwalt T. nicht zurückgesandt. Mit Schreiben vom 20. Februar 2023 hatte der Vorsitzende insgesamt drei Termine für die Durchführung des Erörterungstermins gemäß § 213 Abs. 2 StPO angefragt. Rechtsanwalt T. hatte diese Anfrage nicht beantwortet. Auch die weitere, unter Bezugnahme auf das Schreiben des Vorsitzenden vom 20. Februar 2023 erfolgte Nachfrage des Vorsitzenden vom 16. März 2023 bzgl. der angefragten Erörterungstermine hatte Rechtsanwalt T. nicht beantwortet.

Mit Schreiben vom 4. April 2023 hatte der Vorsitzende gegen Empfangsbekenntnis Rechtsanwalt T. angeschrieben, auf die Nichtbeantwortung der vorstehend aufgeführten Schreiben bzw. auf die unterbliebene Rücksendung des Empfangsbekenntnisses hingewiesen, angemerkt, dass diese Verhaltensweise der gebotenen sachdienlichen Durchführung des Strafverfahrens entgegenstehe und um Darlegung gebeten, wie künftig durch ihn eine prozessordnungsgemäße Durchführung des Strafverfahrens sichergestellt werden könne. Zugleich hatte der Vorsitzende auf die Möglichkeit der Entpflichtung von Rechtsanwalt T. hingewiesen. Das Empfangsbekenntnis war zurückgesandt, eine Stellungnahme von Rechtsanwalt T. bis zu der ihm gesetzten Frist, dem 18. Februar 2023, 12 Uhr, nicht abgegeben worden.

Dem Angeklagten hatte der Vorsitzende dieses Mahnschreiben an Rechtsanwalt T. am 4. April 2023 zur Kenntnisnahme übersandt. Der Angeklagte hatte sich hierzu nicht geäußert.

2.3 Die Bestellung von Rechtsanwalt T. als Pflichtverteidiger war daraufhin durch den oben erwähnten Senatsbeschluss aufgehoben worden (OLG Celle, Beschluss v. 2. Mai 2023 - 5 StS 2/22). In diesem Beschluss hat der Senat u.a. ausgeführt, dass das Verhalten von Rechtsanwalt T. bei der gebotenen gesamtwürdigenden Betrachtung mit dessen Verpflichtung, als Pflichtverteidiger auch einen ordnungsgemäßen Verfahrensablauf zu gewährleisten, unvereinbar gewesen sei und es der Senat deshalb offenlassen könne, inwieweit Rechtsanwalt T. durch sein Verhalten zugleich in schwerwiegender Weise gegen die Interessen des Angeklagten verstoßen haben könnte, diesem eine effektive und an dessen Interessen ausgerichtete Verteidigung zu gewährleisten.

3. Der Vorsitzende hat Rechtsanwalt K. aufgrund seines Legitimationsschreiben mit Verfügung vom 11. Mai 2023 zunächst Akteneinsicht gewährt. Sodann hat der Vorsitzende Rechtsanwalt K. mit Schreiben vom 19. Mai 2023 angeschrieben und diesem u.a. dargelegt, dass er, Rechtsanwalt K., bereits am 6. Mai 2023 in hiesiger Sache mit dem Vorsitzenden Kontakt aufgenommen, einen beabsichtigen Verteidigerwechsel angezeigt, sich hierzu und zu einem weiteren prozessualen Aspekt indes auch auf die mit Schreiben des Vorsitzenden vom 19. Januar 2023 erfolgte Nachfrage nicht geäußert, der Vorsitzende daraufhin mit Verfügung vom 7. Februar 2023 zum Termin und als damals noch bestellten Pflichtverteidiger Rechtsanwalt T. geladen und diesem sowie Rechtsanwalt K. mitgeteilt habe, dass der beabsichtigte Verteidigerwechsel nicht mehr infrage komme bzw. wohl nicht mehr beabsichtigt sei und dass sich beide Rechtsanwälte hierzu nicht erklärt hätten. Weiter hat der Vorsitzende Rechtsanwalt K. in seinem Schreiben vom 19. Mai 2023 darüber unterrichtet, dass er u.a. aufgrund der Tatsache, dass der Vorsitzende die Termine mit der Kanzleimitarbeiterin von Rechtsanwalt T. am 4. Januar 2023 abgestimmt, sich Rechtsanwalt K. bereits am 6. Januar 2023 gemeldet habe und über den Inhalt der Terminabsprache sowie über weiter thematisierter Aspekte unterrichtet gewesen sei, davon ausgehe, dass sich Rechtsanwalt K. von Rechtsanwalt T. in der Zeit zwischen dem 4. und 6. Januar 2023 über das Verfahren habe unterrichten lassen und sich beide Rechtsanwälte auch hinsichtlich weiterer gewichtiger verfahrensrelevanter Aspekte wie dem beabsichtigen Verteidigerwechsel abgestimmt haben. Weiter hat der Vorsitzende Rechtsanwalt K. dargelegt, dass Rechtsanwalt T. nach der Ladungsverfügung des Vorsitzenden sämtliche Anfragen des Senats auch zu gewichtigen verfahrensrelevanten Fragen unbeantwortet gelassen habe und deshalb durch Beschluss des Senats vom 2. Mai 2023 die Beiordnung von Rechtsanwalt T. aufgehoben worden sei und der Senat in diesem Beschluss u.a. festgestellt habe, dass das ab Februar 2023 gezeigte Verhalten von Rechtsanwalt T. mit dessen Verpflichtung als Verteidiger, einen ordnungsgemäßen Verfahrensablauf zu gewährleisten, nicht vereinbar sei.

Der Vorsitzende hat zudem angemerkt, dass die weiteren, in dem vorgenannten Senatsbeschluss dargelegten äußeren Umständen bei vorläufiger Würdigung der Sach- und Rechtslage die Annahme als möglich, wenn nicht gar als naheliegend erscheinen lassen, dass Rechtsanwalt T. durch sein Verhalten seine Entpflichtung als Verteidiger bewusst herbeiführen wollte.

Abschließend hat der Vorsitzende Rechtsanwalt K. darauf hingewiesen, dass der Senat bzgl. des Beiordnungsantrages von Rechtsanwalt K. in Anbetracht des bisherigen Verfahrensverlaufs auch die Frage zu bedenken habe, ob Rechtsanwalt K. durch Rechtsanwalt T. auch über dessen weiteres Prozessverhalten unterrichtet war und er, Rechtsanwalt K., dies gebilligt bzw. mit Rechtsanwalt T. sogar abgestimmt habe.

Rechtsanwalt K. hat zu dem Schreiben des Vorsitzenden vom 19. Mai 2023 Stellung genommen und sich für den Umstand entschuldigt, dass er sich zum Telefonat vom 6. Januar 2023 nicht gemeldet habe. Dies sei dem Umstand geschuldet gewesen, dass er zunächst nicht in der Lage gewesen sei, "einen aktuellen Bestand beim Kollegen aufzufinden, der mich in die Lage versetzt hätte, die im Gespräch thematisierten Fragen mit dem jetzigen Mandanten vorab zu klären bzw. diese beantworten zu können". Er werde auf die "offen gebliebenen Fragen sicherlich in den nächsten Wochen zurückkommen können. Ein Schreiben vom 19. Januar 2023 könne er in seinem "beA-Eingang nicht (mehr) feststellen", er "erinnere auch nicht, dass es mir vorgelegt wurde und kann es auch in meinen Akten nicht auffinden". Im Gegenteil erinnere er sich, "dass ich unsere Sekretärin auf das Schreiben vom 8. Februar 2023 hin - in welchem mich die Bezugnahme auf ein mir unbekanntes Schreiben vom 19.12.2023 (2022?) irritiert hatte - gebeten hatte, mit RA T. zu klären, inwieweit er als bestellter Pflichtverteidiger mit Herrn S. und dem Senat klären konnte, dass ich die weitere Verteidigung übernehmen sollte bzw. ob er entsprechende Anträge gestellt hätte, zumal die Termine in meinem Kalender notiert wurden. In der Folgezeit habe ich die Angelegenheit aus den Augen verloren und nicht weiterverfolgt. Dass der Kollege mit seiner Untätigkeit den Zweck verfolgt hätte, seine Entpflichtung zu "erzwingen", kann ich nicht glauben, und wäre mit einem solchen Vorgehen auch nicht einverstanden gewesen. Viel einfacher und zielführender wäre es für RA T. auch gewesen, einen entsprechenden Antrag zu stellen und auf Entpflichtung bzw. seine Entpflichtung und meine Beiordnung hinzuwirken. Von der Entpflichtung des Kollegen habe ich erst durch Herrn S. erfahren, bevor ich mich mit Schreiben vom 10. Mai 2023 bestellt habe."

Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, dem Angeklagten Rechtsanwalt Dr. E. beizuordnen.

II.

1. Der Antrag von Rechtsanwalt K., ihm dem Angeklagten als Pflichtverteidiger beizuordnen, war trotz seiner entsprechenden Benennung durch den Angeklagten abzulehnen. Der Bestellung von Rechtsanwalt K. steht das Interesse der Allgemeinheit an einer wirksamen und rechtsstaatlich geordneten Strafrechtspflege entgegen.

Rechtsanwalt K. hat das Verhalten von Rechtsanwalt T. als ehemaligen Pflichtverteidiger, nämlich nach Zugang der Ladungsmitteilung vom 8. Februar 2023 jedwede Kommunikation mit dem Senat einzustellen, wodurch Rechtsanwalt T. in schwerwiegender Weise gegen die Vorschriften zur Regelung eines prozessordnungsgemäßen Verfahrens verstoßen hat, gekannt; er war von Rechtsanwalt T. darüber unterrichtet worden und hat es unterstützt, damit Rechtsanwalt T. entpflichtet wird und er, Rechtsanwalt K. sodann - wie tatsächlich auch geschehen - im Verlauf des Verfahrens den Antrag stellen kann, dem Angeklagten als Pflichtverteidiger beigeordnet zu werden.

Im Wissen darum, dass die gesetzlichen Voraussetzungen für einen Verteidigerwechsel im Rahmen eines ordnungsgemäßen Verfahrensablaufs nach § 143a StPO bzw. durch einen konsensualen Verteidigerwechsel unter Gebührenverzicht nicht bzw. nicht mehr vorlagen, wollten beide Rechtsanwälte einen Verteidigerwechsel prozessordnungswidrig erzwingen. Im Falle der Beiordnung von Rechtsanwalt K. als alleinigen Verteidiger des Angeklagten besteht die durch das bisherige Verhalten begründete konkrete Besorgnis, dass Falle der Verteidigung des Angeklagten allein durch Rechtsanwalt K. ein prozessordnungsgemäßer Verfahrensablauf nicht gewährleistet wäre.

1.1 Soweit der Angeklagte im hiesigen Verfahren den Wunsch um Beiordnung von Rechtsanwalt K. als Pflichtverteidigers ersucht hat, ist aus verfassungsrechtlicher Sicht Folgendes anzumerken:

Das Recht auf Verteidigung gehört zu den wesentlichen Grundsätzen eines rechtsstaatlichen Strafverfahrens. Der Beschuldigte darf entsprechend der zur Interpretation der grundgesetzlichen Menschenwürdegarantie herangezogenen "Objektformel" des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG, Beschluss vom 16. Juli 1969 - 1 BvL 19/63, NJW 1969, 1707) nicht Objekt des Verfahrens sein. Ihm muss vielmehr die Möglichkeit gegeben werden, zur Wahrung seiner Rechte auf den Gang und das Ergebnis des Verfahrens Einfluss zu nehmen (vgl. KK- StPO/Fischer, 9. Aufl., Einleitung, Rn. 204). Seine einfachgesetzliche Ausprägung findet dieser Grundsatz u.a. in § 137 Abs. 1 S. 1 StPO, wonach sich der Beschuldigte in jeder Lage des Verfahrens des Beistands eines Verteidigers bedienen kann. Art. 6 Abs. 3c EMRK sowie das Rechtsstaatsprinzip garantieren einem Beschuldigten auch, dass er sich durch einen Verteidiger seiner Wahl vertreten lassen und unentgeltlich den Beistand eines sogenannten Pflichtverteidigers erhalten kann.

Auch der Anspruch des Beschuldigten auf einen Verteidiger seines Vertrauens ist verfassungsrechtlich abgesichert und ist mithin der entscheidende Maßstab für die Auswahl eines Pflichtverteidigers, dem sich das Auswahlrecht des Gerichtsvorsitzenden, das seine Berechtigung aus einer Vorschrift einfachen Gesetzesrechts herleitet, unterzuordnen hat. Mangelndes Vertrauen gibt grundsätzlich Veranlassung, von der Bestellung eines Verteidigers abzusehen (vgl. BVerfG, Beschluss v. 25. September 200 - 2 BvR 1152/01, NStZ 2002, 99, 100 [BVerfG 25.09.2001 - 2 BvR 1152/01]). Dabei macht es keinen Unterschied, ob es sich um die Bestellung des Erst- oder des Zweitverteidigers handelt (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss v. 16. Mai 1997 - 1 Ws 388/97, NStZ 1988, 55). Denn die Aufgabe des zweiten Verteidigers darf nicht allein auf die Verfahrenssicherung beschränkt werden. Vielmehr muss sie in gleicher Weise die sachgerechte Verteidigung des Beschuldigten gewährleisten. Wie wichtig die Vertrauensbasis auch auf dieser Ebene ist, wird insbesondere dann deutlich, wenn der erste Pflichtverteidiger verhindert ist und die Verteidigung allein von dem zweiten Pflichtverteidiger geführt werden muss (BVerfG a.a.O.)

Im Rahmen der Bestellung eines Pflichtverteidigers hat das Recht des Beschuldigten auf einen Anwalt seines Vertrauens deshalb grundsätzlich Vorrang. Das Recht des Beschuldigten, sich im Strafverfahren von einem Anwalt seiner Wahl und seines Vertrauens verteidigen zu lassen, ist nicht nur durch § 137 Abs. 1 StPO und Art. 6 Abs. 3 lit. c EMRK gesetzlich garantiert, sondern zugleich durch Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip des Grundgesetzes verfassungsrechtlich verbürgt (BVerfG Beschluss vom 28. Juli 2015 - 2 BvR 2558/14, NJW 2015, 2949 ff Rn. 39). Anders verhält es sich nur, wenn der Bestellung des benannten Verteidigers wichtige Gründe entgegenstehen (vgl. BGH, Beschluss vom 25. Oktober 2000 - 5 StR 408/00, NJW 2001, 237, 238 - vor der Neufassung des § 142 Abs. 5 StPO), mithin die Voraussetzungen des § 142 Abs. 5 S. 3 StPO vorliegen.

1.2 Die Voraussetzungen für die Bestellung eines solchen Pflichtverteidigers, die einzelnen Fälle der notwendigen Verteidigung, die konkreten Verfahrenssituationen und der Zeitpunkt, zu dem einem Beschuldigten (im weiteren Sinne des § 157 StPO) bei Vorliegen eines Falles der notwendigen Verteidigung ein Pflichtverteidiger zu stellen ist, die Zuständigkeit für dessen Bestellung, die vorherige Anhörung des Beschuldigten, die Auswahl des zu bestellenden Pflichtverteidigers, die Dauer seiner Bestellung sowie auch die Voraussetzungen für einen Verteidigerwechsel sind einfachgesetzlich in den §§ 140 ff. StPO geregelt.

1.2.1 Ein Fall notwendiger Verteidigung ist vorliegend bereits insoweit gegeben, weil die Hauptverhandlung im ersten Rechtszug vor dem Oberlandesgericht stattfindet und damit die Voraussetzungen des § 140 Abs. 1 Nr. 1 StPO vorliegen. Durch die Beiordnung eines Verteidigers soll der Beschuldigte den gleichen Rechtsschutz erhalten wie ein Beschuldigter, der sich auf eigene Kosten einen Verteidiger gewählt hat. Die Vorschriften der StPO über die notwendige Mitwirkung und die Bestellung eines Verteidigers im Strafverfahren enthalten eine Konkretisierung des Rechtsstaatsprinzips in seiner Ausgestaltung als Gebot fairer Verfahrensführung.

Die Voraussetzungen für die Beiordnung eines zusätzlichen, weiteren und damit zweiten Pflichtverteidigers lagen und liegen hingegen - evident - nicht vor.

1.2.2 Der Vorsitzende hat den Angeklagten gemäß § 142 Abs. 5 S. 1 StPO angehört und dieser hat Rechtsanwalt K. als den ihm zu bestellten Verteidiger benannt. Auch soll nach der Regelung des § 142 Abs. 5 S. 3 StPO der von dem Beschuldigten bezeichnete Verteidiger bestellt werden, wenn dem kein wichtiger Grund entgegensteht.

1.3 Der Bestellung von Rechtsanwalt K. zum Pflichtverteidiger des Angeklagten steht ein solch wichtiger Grund i. S. der restriktiv auszulegenden Vorschrift des § 142 Abs. 5 S. 3 StPO entgegen.

1.3.1 Der Gesetzgeber hat im letzten Halbsatz dieser Vorschrift zwei Fälle beispielhaft benannt, in denen ein solch "wichtiger Grund" gegeben ist. So liegt ein wichtiger Grund vor, "(...) wenn der Verteidiger nicht oder nicht rechtzeitig zur Verfügung steht". Rechtsanwalt K. hat sich in seinem Schriftsatz vom 10. Mai 2023 als Verteidiger des Angeklagten gemeldet und seine "ordnungsgemäße Bevollmächtigung" anwaltlich versichert. Rechtsanwalt K. hat damit erklärt, von dem Angeklagten mit dessen Verteidigung beauftrag worden sei, mithin das entsprechende Mandat angenommen zu haben und als Verteidiger somit zur Verfügung zu stehen. In seinem weiteren Schreiben vom selben Tage hat er ausgeführt, dass er an jedem der "seinerzeit anberaumten Termine" teilnehmen könne, diese seien "jeweils ganztägig geblockt". Rechtsanwalt K. steht mithin auch rechtzeitig zur Verfügung.

1.3.2 Es liegt indes ein - sonstiger - wichtiger Grund vor. Ein solcher ist gegeben, wenn der Verteidiger zu einer sachgemäßen Verteidigung nicht bereit oder in der Lage ist (MüKo-StPO/Kämpfer/Travers, 2. Aufl. § 142 StPO Rn. 29), wenn die Bestellung des durch den Beschuldigten bezeichneten Rechtsanwalts dem Sinn und Zweck der Institution der notwendigen Verteidigung zuwiderliefe (BeckOK-StPO/Kraczyk, 47. Edition, § 142 Rn. 32) bzw. wenn sich der von dem Angeklagten gewünschte Verteidiger als ungeeignet erweist und der ordnungsgemäße Verfahrensablauf ernsthaft gefährdet ist (KG Beschluss vom 9. Februar 2011 - 4 Ws 16/11, BeckRS 2011, 15259). Als Fälle anerkannt sind solche der konkreten Interessenkollision bzw. wenn gegen den Verteidiger ein Begünstigungsverdacht nach § 138a Abs. 1 Nr. 3 StGB besteht (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt-Schmitt, 66. Auf., § 142 Rn. 48 f; KK-StPO/Willnow, 9. Aufl., § 142 Rn. 14).

1.3.2.1 Die Beiordnung eines Verteidigers dient nach einhelliger Auffassung in Rechtsprechung und Literatur dem Zweck, im öffentlichen Interesse dafür zu sorgen, dass der Beschuldigte in rechtskundigen Beistand erhält und der prozessordnungsgemäße Verfahrensablauf gewährleistet ist (vgl. u.a. KK- StPO/Fischer, 9. Aufl., § Rn. 211; BVerfG, Urteil vom 8. April 1975 - 2 BvR 207/75, NJW 1975, 1015, 1016). Die Pflicht zur Gewährleistung eines prozessordnungsgemäßen Verfahrensablaufs gilt für auch für den Pflichtverteidiger. Auch diese ergibt sich unmittelbar aus der Verfassung selbst. Das in Art. 20 Abs. 3 GG normierte Rechtsstaatsprinzip gebietet die Aufrechterhaltung einer funktionstüchtigen Rechtspflege, ohne die Gerechtigkeit nicht verwirklicht werden kann. In diese Pflichtbindung sind auch Verteidiger einbezogen. Als mit eigenen Rechten und Pflichten versehenes selbstständiges Organ der Rechtspflege sind Strafverteidiger nicht Gegner, sondern Teilhaber einer funktionsfähigen Strafrechtspflege (vgl. hierzu Meyer-Goßner/Schmitt/Schmitt, StPO, 66. Aufl., Vor § 137 Rn. 1 ff.)

Als Teilhaber in diesem Sinne kommt einem Verteidiger nicht die Vertretung des Angeklagten, sondern dessen Beistand zu. Folglich liegt der Auftrag eines Verteidigers nicht ausschließlich im Interesse des Beschuldigten, sondern auch in der am Prinzip des Rechtsstaats ausgerichteten Strafrechtspflege (BGH, Urteil vom 7. Juli 1991 - 4 StR 252/91, BGHSt NJW 1992, 1245). Für die hier maßgebliche Frage nach dem Verhalten eines Verteidigers im Strafverfahren ist aus alledem abzuleiten, dass auch er dafür Sorge zu tragen hat, dass das Verfahren sachdienlich und in prozessual geordneten Bahnen durchgeführt werden kann (BGH aaO).

Der Ablauf des Strafverfahrens ist um seines Zieles Willen, der Erforschung der Wahrheit, in den Verfahrensordnungen von StPO und GVG normiert. Grundlegende Prinzipien sind zudem in der EMRK bzw. im GG verankert. In Rahmen dieser Vorgaben soll die Wahrheit gefunden und das materielle Strafrecht verwirklicht werden. Dieses Ziel des Strafverfahrens wird nur erreicht, wenn der Verfahrensverlauf in seinem normativen Gefüge an den materiellen Zielen Wahrheit, Gerechtigkeit und der Durchsetzung des materiellen Strafrechts orientiert bleibt. In diesem Gefüge übt auch der Strafverteidiger seine Tätigkeit aus. Auch nach der aktuellen Rechtsprechung des BVerfG unterliegt die durch den Grundsatz der freien Advokatur gekennzeichnete anwaltliche Berufsausübung unter der Herrschaft des Grundgesetzes der freien und unreglementierten Selbstbestimmung des einzelnen Rechtsanwalts. Der Schutz der anwaltlichen Berufsausübung vor staatlicher Kontrolle und Bevormundung liegt jedoch nicht allein im individuellen Interesse des einzelnen Rechtsanwalts oder des einzelnen Rechtsuchenden. Der Rechtsanwalt ist "Organ der Rechtspflege" und dazu berufen, die Interessen seines Mandanten zu vertreten. Sein berufliches Tätigwerden liegt auch im Interesse der Allgemeinheit an einer wirksamen und rechtsstaatlich geordneten Rechtspflege (so BVerfG Beschluss vom 28. Juli 2015 - 2 BvR 2558/14, a.a.O., Rn. 37).

Teil des prozessordnungsgemäßen Verfahrens sind auch die in Umsetzung der so genannten Pkh-RL (RL [EU] 2016/1919 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.10.2016) in Teilen neu gefassten Regelungen über die notwendige Mitwirkung eines Verteidigers im Strafverfahren neu gefasst (vgl. BGBl. 2019 I 2128). In Umsetzung dieser Richtlinie hat der Gesetzgeber auch die Vorschriften des § 143a StPO bzw. die des § 143 Abs. 5 S. 3 StPO neu geschaffen bzw. neu gefasst.

1.3.2.2 Gemessen an diesen Maßstäben war in Abwägung zwischen dem ausdrücklich erklärten Wunsch des Angeklagten, von Rechtsanwalt K. - und nur diesem - verteidigt zu werden mit dem öffentlichen Interesse an der Gewährleistung eines nunmehr prozessordnungsgemäßen Verfahrensablaufs die Beiordnung von Rechtsanwalt K. als Pflichtverteidiger abzulehnen. Im Falle seiner Beiordnung bestünde die konkrete Besorgnis, dass das Verfahren erneut keinen prozessordnungsgemäßen Verlauf nehmen könnte.

Zur Überzeugung des Senats hat Rechtsanwalt K. im Wissen darum, dass die gesetzlichen Voraussetzungen für einen Verteidigerwechsel im Rahmen eines prozessordnungsgemäßen Verfahrensablaufs nach § 143a StPO bzw. durch einen konsensualen Verteidigerwechsel nicht bzw. nicht mehr vorlagen, zusammen mit seinem Kanzleikollegen Rechtsanwalt T. versucht, einen solchen zu erzwingen.

1.3.2.2.1 Als Rechtsanwalt K. am 6. Januar 2023 den Vorsitzenden darüber unterrichtet hat, es sei zwischen ihm, Rechtsanwalt T. sowie dem Angeklagten abgesprochen, dass er, Rechtsanwalt K., die Verteidigung übernehme, lagen die Voraussetzungen für einen Verteidigerwechsel noch nicht vor. Zum einen waren zum damaligen Zeitpunkt weder die Voraussetzungen des § 143a Abs. 1 StPO noch die des § 143a Abs. 2 S. 1 Nr. 1 bis 3 StPO gegeben.

Nach § 143a Abs. 1 StPO wäre die Beiordnung von Rechtsanwalt T. als damaligen Pflichtverteidiger aufzuheben gewesen, wenn der Angeklagte Rechtsanwalt K. als Verteidiger gewählt und dieser die Wahl angenommen hätte und nicht zu besorgen gewesen wäre, dass der neue (Wahl-)Verteidiger das Mandat demnächst niederlegen und um seine Beiordnung als Pflichtverteidiger antraten würde. Dass Rechtsanwalt K. zum Zeitpunkt seines vorgenannten Anrufes im Rahmen eines Geschäftsbesorgungsvertrages bereits mit der Verteidigung des Angeklagten beauftragt worden war bzw. es auf dieser Art werden würde, hat Rechtsanwalt K. zu keinem Zeitpunkt vorgetragen. Zudem hätte Rechtsanwalt K. im Falle der Entpflichtung des damaligen Pflichtverteidigers T. seine Beiordnung als Pflichtverteidiger beantragt. So ist nicht nur aus dem Kontext des Telefonates deutlich geworden, dass die Beiordnung von Rechtsanwalt K. als neuer Pflichtverteidiger beabsichtigt war, wenngleich er dies nicht ausdrücklich erwähnt hatte. Hierfür sprechen weiter die Tatsachen, dass Rechtsanwalt T. im Jahre 2020 bereits in seinem Legitimationsschreiben um seine Beiordnung angetragen hatte und antragsgemäß am 11. November 2020 als Pflichtverteidiger beigeordnet worden war. Auch hat der Angeklagte im Rahmen seines Telefonats mit dem Vorsitzenden am 16. Mai 2023 erklärt, er habe kein Geld, um einen Verteidiger bezahlen zu können.

Auch die Voraussetzungen des § 143a Abs. 2 S. 1 Nr. 1 bis 3 StPO lagen am zum Zeitpunkt des Anrufs des Vorsitzenden am 6. Januar 2023 nicht vor, insbesondere waren und sind keinerlei Umstände erkennbar, wonach gemäß § 143a Abs. 2 S. 1 Nr. 3 StPO das Vertrauensverhältnis zwischen Rechtsanwalt T. als damaligen Pflichtverteidiger und dem Angeklagten endgültig zerstört oder aus sonstigen Gründen keine angemessene Verteidigung des Angeklagten gewährleistet gewesen wäre.

Zum anderen lagen auch die Voraussetzungen für einen konsensualen Verteidigerwechsel nicht vor. So hatte Rechtsanwalt K. keine Erklärung des Inhalts abgegeben, dass er im Falle seiner Beiordnung auf diejenigen Gebühren verzichten würde, die bislang durch die Tätigkeit von Rechtsanwalt T. angefallen waren und die ansonsten durch seine Beiordnung doppelt angefallen wären. Eine entsprechende Verzichtserklärung wurde auch nicht durch Rechtsanwalt T. abgegeben.

Soweit Rechtsanwalt K. in seiner Stellungnahme vom 29. Mai 2023 ausgeführt hat, er könne nicht glauben, dass der Kollege mit seiner Untätigkeit den Zweck verfolgt hätte, seine Entpflichtung zu erzwingen, dieser hätte viel einfacher und zielführender einen Antrag auf "Umpflichtung bzw. seine Entpflichtung" stellen können, lagen - wie vorstehend dargelegt, die Voraussetzungen für eine "Umpflichtung" bzw. eine Entpflichtung von Rechtsanwalt T. am 6. Januar 2023 - noch - nicht vor.

1.3.2.2.2 Seine Überzeugung, dass Rechtsanwalt K. durch Rechtsanwalt T. über dessen Verhalten als ehemaliger Pflichtverteidiger, nach Zugang der Ladungsverfügung vom 8. Februar 2023 jedwede Kommunikation mit dem Senat einzustellen, unterrichtet worden war und dieses Verhalten unterstützt hat, hat Rechtsanwalt T. entpflichtet wird und Rechtsanwalt K. sodann seinerseits einen Antrag auf Beiordnung als Pflichtverteidigter stellen kann, stützt der Senat u.a. auf folgende Erwägungen:

1.3.2.2.2.1 Der Senat ist zunächst davon überzeugt, dass Rechtsanwalt K. durch Rechtsanwalt T. im Rahmen mündlicher Besprechungen über das Verfahren unterrichtet worden war und beide das Verfahren auch gemeinsam erörtert hatten. Obwohl dieses kommunikative Element die Grundlage für die Besorgnis des Senats war, Gegenstand derartiger Erörterungen könnte (auch) das prozessordnungswidrige Verhalten von Rechtsanwalt T. gewesen und dies Rechtsanwalt K. im Rahmen des Anhörungsschreibens vom 19. Mai 2023 mitgeteilt worden war, geht Rechtsanwalt K. in seiner Stellungnahme vom 29. Mai 2023 hierauf nicht ein. Er beschreibt seine Handlungen betreffend dieses Verfahren als vollständig kontaktfrei zu Rechtsanwalt T. So führt Rechtsanwalt K. aus, auf das hiesige Schreiben vom 8. Februar 2023 die Sekretärin gebeten zu haben, mit Rechtsanwalt T. zu klären, ob dieser mit Herr S. und dem Senat die Frage der weiteren Verteidigung kläre.

Dem steht entgegen, dass Rechtsanwalt K. selbst den Vorsitzenden am 6. Januar 2023 darüber unterrichtet hatte, dass es zwischen ihm und Rechtsanwalt T., die im Übrigen beide als einzige Rechtsanwälte im Briefkopf der Rechtsanwaltskanzlei "K. & T." aufgeführt sind, "besprochen" worden sei, dass er, Rechtsanwalt K., die Verteidigung des Angeklagten übernehme. Zugleich hatte Rechtsanwalt K. erklärt, er stünde an sämtlichen Terminen zur Verfügung und werde sich zur Frage einer Einlassung des Angeklagten melden.

Rechtsanwalt K. hat in diesem Gespräch das Verb "besprochen" verwendet, was nach seinem semantischen Sinngehalt eine gemeinsame mündliche Besprechung bedeutet. Dass eine solche mündliche Besprechung zwischen beiden Anwälten stattgefunden hat, wurde für den Vorsitzenden auch aus dem Gesprächskontext deutlich.

Für eine solche mündliche Besprechung spricht weiter, dass der Vorsitzende sowohl die Termine als auch die Frage nach einer möglichen Einlassung des Angeklagten erst zwei Tage zuvor, mithin am 4. Januar 2023, mit der für Rechtsanwalt T. zuständigen Kanzleimitarbeiterin erörtert hatte. In Anbetracht dessen dürfte das Gespräch zwischen den Rechtsanwälten T. und K. zwischen dem 4. und 6. Januar 2023 stattgefunden haben.

Für eine entsprechende, ausführliche mündliche Besprechung zwischen den beiden Anwälten spricht weiter die Tatsache, dass von den in der Kanzlei tätigen und Kenntnis von diesem Verfahren habenden Mitarbeitern allein Rechtsanwalt T. in der Lage gewesen sein dürfte, Rechtsanwalt K. den Fall in all den Details zu schildern, die Rechtsanwalt K. zu der von diesem zum Zeitpunkt des Telefonats mit dem Vorsitzenden am 6. Januar 2023 bereits getroffenen Entscheidung benötigt hatte, ob er die Verteidigung des Angeklagten übernehme oder nicht.

1.3.2.2.2.2 Soweit Rechtsanwalt K. zu diesem Telefonat in seiner Stellungnahme vom 19. Mai 2023 angemerkt hat, er habe sich deshalb nicht zurückgemeldet, weil er nicht in der Lage gewesen sei "die im Gespräch thematisierten Fragen mit dem jetzigen Mandanten vorab zu klären bzw. diese beantworten zu können", gibt Rechtsanwalt K. den Inhalt des Telefonates insoweit unzutreffend wieder und suggeriert tatsächlich nicht gesprächsgegenständliche, von ihm noch abzuklärende prozessuale Fragestellungen. So gab es keine im Gespräch thematisierten "Fragen" (Plural), die offengeblieben wären. Offen blieb einzig die - eine - und in diesem Telefonat initiativ von Rechtsanwalt K. angesprochene Frage einer möglichen Einlassung des Angeklagten zur Sache.

1.3.2.2.2.3 Zur Überzeugung des Senats unzutreffend ist die Erklärung von Rechtsanwalt K., dieser sei nicht in der Lage gewesen, "einen aktuellen Aktenbestand beim Kollegen aufzufinden, der mich in die Lage versetzt hätte, die im Gespräch thematisierten Fragen mit dem jetzigen Mandanten vorab zu klären bzw. diese beantworten zu können".

Insoweit ist bereits nicht ersichtlich, auf welcher (datenschutz)rechtlich zulässigen Grundlage Rechtsanwalt K. in diesen "aktuellen Aktenbestand" von Rechtsanwalt T. im Falle seines Auffindens hätte Einsicht nehmen dürfen. Dafür, dass Rechtsanwalt K. von dem Angeklagten zu diesem Zeitpunkt bereits mit dessen Verteidigung bevollmächtigt worden war, liegen keine Anhaltspunkte vor. Vielmehr hat sich Rechtsanwalt K. erstmals mit Schreiben vom 10. Mai 2023 für den Angeklagten legitimiert und seine ordnungsgemäße Bevollmächtigung versichert.

Auch dafür, dass Rechtsanwalt T. seinen Kollegen Rechtsanwalt K. gemäß § 53 BRAO zu seinem Vertreter bestellt - und - nach dem Telefonat vom 6. Januar 2023 ein Vertretungsfall eingetreten wäre, liegen keine Anhaltspunkte vor.

Nicht nachvollziehbar ist der Vortrag von Rechtsanwalt K., es sei ihm nicht möglich gewesen, einen "(...) aktuellen Aktenbestand beim Kollegen aufzufinden". Es liegt auf der Hand, dass ihm jedenfalls der Ort, wo auch immer sich der "aktuelle Aktenbestand" damals befand, von einer Kanzleimitarbeiterin oder aber von Rechtsanwalt T. selbst nach der "besprochenen" Übernahme des Mandats jedenfalls gezeigt worden wäre. Sehr viel näherliegender wäre es gewesen, Rechtsanwalt T. oder die Sekretärin danach zu fragen.

1.3.2.2.2.4 Soweit Rechtsanwalt K. in seiner Stellungnahme vom 19. Mai 2023 ausführt hat, er habe das Schreiben des Senatsvorsitzenden vom 19. Januar 2023 in seinem "beA.- Eingang nicht (mehr) feststellen" können, impliziert der in Klammern gesetzte Zusatz "mehr", dass Rechtsanwalt K. dessen Eingang selbst nicht ausschließen kann bzw. möchte. Bezüglich des Versands dieses Schreibens haben die E-Mail Server des OLG keine sonst übliche Fehlermeldung generiert, sodass davon auszugehen ist, dass das Schreiben auf die Sever des beA übertragen wurde und zur Überzeugung des Senats Rechtsanwalt K. (was dieser selbst nicht ausschließt) auch zugegangen ist.

Rechtsanwalt K. hat zu diesem Schreiben weiter ausführt, "(...) ich erinnere auch nicht, dass es mir vorgelegt wurde und kann es auch in meinen Akten nicht auffinden (...)" und bringt damit zum Ausdruck, an das Schreiben keinerlei Erinnerung zu haben. Insoweit ist nicht nachvollziehbar, dass sich Rechtsanwalt K. zwar noch daran erinnert, dass in dem hiesigen Schreiben vom 8. Februar 2023 ein ihm unbekanntes Schreiben vom "19.12.2023" zitiert wurde, sich Rechtsanwalt K. an das im Schreiben vom 8. Februar ebenfalls zitierte Schreiben vom 19. Januar 2023, auf welches im Schreiben vom 8. Februar 2023 wie folgt Bezug genommen worden war: "(...) dass der von Ihnen in Aussicht gestellte Verteidigerwechsel nicht mehr beabsichtigt ist, nachdem Sie das hiesige Schreiben vom 19. Januar 2023 unbeantwortet gelassen haben." noch nicht einmal insoweit erinnert.

1.3.2.2.2.5 Erst ab dem Zeitpunkt, ab dem der Vorsitzende mit seiner Ladungsverfügung vom 7. Februar 2023, von der Geschäftsstelle ausgeführt am und datiert auf den 8. Februar 2023, Rechtsanwalt T. darüber unterrichtet hatte, dass der von Rechtsanwalt K. am 6. Januar 2023 mitgeteilte Verteidigerwechsel nicht mehr in Betracht kommen dürfte, hat sich Rechtsanwalt T. als ehemaliger Pflichtverteidiger - und in der Folge durchgängig - vorwerfbar prozessordnungswidrig verhalten. Er hat als Pflichtverteidiger jedwede Kommunikation mit dem Senat als dem sachlich zuständigen Gericht verweigert und im Rahmen dessen wie vorstehend unter I. 2.2 dargelegt weder auf Schreiben zur Abstimmung eines Erörterungstermins nach § 213 Abs. 2 StPO noch auf ein entsprechendes Mahnschreiben mit der Inaussichtsstellung seiner Entpflichtung geantwortet und auch ein Empfangsbekenntnis nicht zurückgesandt bzw. ein weiteres Empfangsbekenntnis zur festen Überzeugung des Senats nur deshalb zurückgesandt, weil er zuvor auf einen möglichen Verstoß gegen § 14 BORA hingewiesen worden war.

Ebenfalls in seiner Ladungsverfügung und damit mit Schreiben vom selben Tage hat der Vorsitzende auch Rechtsanwalt K. darauf hingewiesen, dass ein Verteidigerwechsel nicht mehr infrage kommen dürfte und er, der Vorsitzende, davon ausgehe, dass ein solcher aufgrund des Schweigens von Rechtsanwalt K. auf das hiesige Schreiben vom 19. Januar 2023 nicht mehr beabsichtigt sein dürfte.

Das Schreiben des Vorsitzenden an Rechtsanwalt T. vom 8. Februar 2023 und das Schreiben an Rechtsanwalt K. vom selben Tage sind jeweils jedem der Anwälte über deren beA zugesandt worden.

Der Senat ist aufgrund der Tatsache, dass beide Schreiben am selben Tage versandt worden waren und deshalb zeitgleich bei Rechtsanwalt K. und Rechtsanwalt T. eingegangen sein dürften, die Schreiben dasselbe und zwischen beiden Rechtsanwälten zuvor bereits "besprochene" Verfahren gegen den Angeklagten betraf und die Schreiben gleichsam augenblicklich und unmittelbaren Einfluss auf die berufliche Tätigkeit beider Verteidiger hatten, der sicheren Überzeugung, dass Rechtsanwalt K. und Rechtsanwalt T. abermals hierüber gesprochen und die weitere Verfahrensweise miteinander abgesprochen haben.

Zu diesem Schluss drängt den Senat u.a. die Tatsache, dass der Vorsitzende mit seiner Ladungsverfügung die zuvor mit der Kanzlei für Rechtsanwalt T. datumsmäßig abgestimmten zwölf Hauptverhandlungstage anberaumt und darüber hinaus als weitere Sitzungstage ab dem 4. Januar 2024 jeden darauffolgenden übernächsten Donnerstag anberaumt hatte und dass die Ladung von Rechtsanwalt T. als Pflichtverteidiger verbunden mit der an diesen gerichteten Mitteilung, dass eine Umbeiordnung auf Rechtsanwalt K. nicht mehr in Frage komme, für Rechtsanwalt T. bedeutete, seine berufliche Tätigkeit auf die damit verbundene weitere Arbeitsbelastung sowie die festgelegten Termine auszurichten.

Für Rechtsanwalt K. hingegen bedeutete das an ihn gerichtete Schreiben das Gegenteil, insbesondere auch, dass dieser sich nicht mehr die im Gespräch mit dem Vorsitzenden rund einen Monat zuvor, nämlich am 6. Januar 2023 noch bestätigten zahlreichen Termine weiterhin freihalten musste.

Weiterhin wurde beiden Rechtsanwälten mit diesem Schreiben erstmals mitgeteilt, dass der zwischen ihnen besprochene Verteidigerwechsel aus Sicht des zuständigen Senatsvorsitzenden nicht in Frage komme.

Aufgrund dessen ist der Inhalt der Stellungnahme von Rechtsanwalt K., er habe auf das Schreiben des Vorsitzenden vom 8. Februar 2023 "(...) unsere Sekretärin auf das Schreiben vom 08.02.2023 hin (...) gebeten (...) mit RA T. zu klären, inwieweit er als bestellter Pflichtverteidiger mit Herr S. und dem Senat klären konnte, dass ich die weitere Verteidigung übernehmen sollte bzw. ob er die entsprechenden Anträge gestellt hätte, zumal die Termine in meinem Kalender notiert wurden." nicht stimmig, ungereimt und abwegig. Aus Sicht eines verständigen Dritten muss vielmehr davon ausgegangen werden, dass sich beide Rechtsanwälte vielmehr selbst und gerade nicht über Vermittlung der Sekretärin und zügig erneut über die sich aus den Schreiben vom 8. Februar 2023 für beide Rechtsanwälte ergebenden Konsequenzen "besprochen" haben. Insbesondere drängt sich die Annahme auf, dass beide Rechtsanwälte persönlich miteinander besprochen haben dürften, ob sie die Bewertung des Vorsitzenden, wonach eine um Beiordnung nicht mehr infrage kommen dürfte, akzeptieren sollen oder nicht und wie sie in diesem Fall vorgehen sollten. Es erscheint dem Senat in hohem Maße unstimmig, dass Rechtsanwalt K. tatsächlich wie von ihm vorgetragen die Sekretärin gebeten habe - diese - solle "mit RA T. klären, inwieweit er als bestellter Pflichtverteidiger mit Herr S. und dem Senat klären konnte, dass ich die weitere Verteidigung übernehmen sollte (..)". Dass gerade dies aus Sicht des Senats nicht mehr in Rede stand, war beiden Anwälten unmittelbar zuvor mitgeteilt worden.

Unstimmig und ungereimt ist weiter die Mitteilung von Rechtsanwalt K., dass "die Termine in meinem Kalender notiert wurden". Der Vorsitzende hatte am 4. Januar die Termine mit der Kanzleimitarbeiterin von Rechtsanwalt T. abgestimmt. Wegen in dessen Person, nicht in der von Rechtsanwalt K. begründeter Umstände gestaltete sich die Terminfindung ausgesprochen schwierig. und hatte die die zuständige Kanzleimitarbeiterin dem Vorsitzenden auf dessen konkrete Anfragen nach einzelnen möglichen Termintagen immer wieder mitgeteilt, "(...) ist Rechtsanwalt T. verhindert" bzw. "Da kann Rechtsanwalt T. auch nicht", weshalb sowohl für den Senat als auch für Rechtsanwalt T. noch mögliche freie Sitzungstage erst ab Oktober 2023 vereinbart werden konnten. Dies ergibt sich wie unmittelbar aus dem entsprechenden Vermerk des Vorsitzenden vom 4. Januar 2023.

Soweit Rechtsanwalt K. in seiner Stellungnahme vom 29. Mai 2023 weiter mitteilt, er habe in der Folgezeit "(...) die Angelegenheit aus den Augen verloren und nicht weiterverfolgt" und habe "von der Entpflichtung des Kollegen (...) erst durch Herrn S. erfahren, bevor ich mich mit Schreiben vom 10.05.2023 bestellt habe", erscheint es unter Berücksichtigung der Erfahrungen aus Terminabsprachen mit Strafverteidigern sehr ungewöhnlich, dass Rechtsanwalt K., wie in dessen Schreiben vom 10. Mai 2023 mitgeteilt, an ausnahmslos jedem der 12 am 4. Februar 2023 mit der Kanzlei ursprünglich für Rechtsanwalt T. vereinbarten Termine - und das noch "(...) jeweils ganztägig geblockt" zur Verfügung steht. Tatsächlich ist dieser Umstand zu Überzeugung des Senats darauf zurückzuführen, dass sich Rechtsanwalt K. aufgrund seiner weiteren Besprechung mit Rechtsanwalt T. nach Eingang der Senatsschreiben vom 8. Februar 2023 diese Termine freigehalten hat. In Anbetracht dessen mögen sie auch irgendwann in den Kalender von Rechtsanwalt K. eingetragen worden sein.

Nach alledem ist der Senat davon überzeugt, dass sich beide Rechtsanwälte nach den Schreiben des Senatsvorsitzenden vom 8. Februar 2023 erneut "besprochen" haben und übereingekommen sind, dass sich Rechtsanwalt T. als bestellter Pflichtverteidiger künftig jedwede Kommunikation mit dem Senat verweigert, um auf diese Weise seine Entpflichtung zu erzwingen, damit Rechtsanwalt K. seinerseits einen Beiordnungsantrag stellen kann.

Dass Rechtsanwalt K. diesen Antrag nicht bereits am 10. Mai gestellt hat, steht dem nicht entgegen. Er hat seinen Antrag auf Beiordnung am 16. Mai 2023 gestellt.

1.3.3 In Abwägung mit dem durch § 137 Abs. 1 StPO und Art. 6 Abs. 3 lit. c EMRK gesetzlich garantierten und zugleich durch Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip des Grundgesetzes verfassungsrechtlich verbürgten Recht des Angeklagten, sich in diesem Verfahren durch Rechtsanwalt K. als dem Verteidiger seiner Wahl verteidigen zu lassen und deshalb entsprechend dem Wunsch des Angeklagten, diesem Rechtsanwalt K. als Pflichtverteidiger beizuordnen, überwiegt das diesem Wunsch entgegenstehende Interesse der Allgemeinheit an einer wirksamen und rechtsstaatlich geordneten Rechtspflege. Mit dem öffentlichen Interesse ist es unvereinbar, dem Angeklagten mit Rechtsanwalt K. einen Pflichtverteidiger beizuordnen, der im Bewusstsein darum, dass die gesetzlichen Voraussetzungen für einen Verteidigerwechsel nicht vorliegen, diese dadurch herbeizuführen versucht hat, dass er zur Überzeugung des Senats mit seinem Kanzleikollegen Rechtsanwalt T. vereinbart hatte, dass sich dieser grob prozessordnungswidrig verhält und (erst) durch die dadurch herbeigeführte Entpflichtung von Rechtsanwalt T. die Voraussetzungen dafür geschaffen hat, um, wie am 16. Mai 2023 dann auch tatsächlich geschehen, selbst einen Antrag auf Beiordnung als Pflichtverteidiger stellen zu können.

In dem Verhalten von Rechtsanwalt K. liegt ein seiner Beiordnung entgegenstehender sonstiger wichtiger Grund i.S.d. § 142 Abs. 5 S. 2 StPO.

Das Verhalten von Rechtsanwalt begründet darüber hinaus die konkrete Besorgnis, dass es im hiesigen Verfahren zu weiteren prozessordnungswidrigen Verhaltensweisen von Rechtsanwalt K. kommen könnte. Gestützt wird diese Besorgnis künftigen, weiteren prozessualen Fehlverhaltens auf die Tatsache, dass zur Überzeugung des Senats Rechtsanwalt K. in seiner Stellungnahme vom 29. Mai 2023 wie vorstehend ausgeführt sachlich unzutreffende Ausführungen gemacht hat.

2. Nach alledem liegen die Voraussetzungen des § 144 Abs. 1 StPO vor, dem Angeklagten neben Rechtsanwalt K. als seinem gewählten Verteidiger zusätzlich einen weiteren Verteidiger als Pflichtverteidiger beizuordnen, durch den im Falle eines weiteren prozessualen Fehlverhaltens von Rechtsanwalt K. ein prozessordnungsgemäßer Verfahrensablauf gewährleistet werden könnte.

Einen solchen gewährleistet Rechtsanwalt Dr. E. Dr. E. ist ein in Staatsschutzverfahren versierter und langjährig erfahrener Strafverteidiger, der nicht nur den Interessen seiner Mandanten verpflichtet ist und sein Handeln danach ausrichtet, sondern sich auch den denjenigen Normen verpflichtet fühlt, die verfassungsrechtlich verankert den Strafprozess regeln.

Zudem waren gegen die Person von Rechtsanwalt Dr. E. im Rahmen seiner Anhörung durch den Angeklagten keinerlei Einwände erhoben worden.

III.

Gegen diese Entscheidung ist die sofortige Beschwerde statthaft (§ 304 Abs. 4 S. 2 Nr. 1 StPO).