Verwaltungsgericht Oldenburg
Urt. v. 28.05.2014, Az.: 6 A 5393/12

Erholungsurlaub; Resturlaub; Ruhestand; Verfall

Bibliographie

Gericht
VG Oldenburg
Datum
28.05.2014
Aktenzeichen
6 A 5393/12
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2014, 42636
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Zum Verfall des Anspruchs auf Erholungsurlaub nach Aufhebung der Versetzung in den Ruhestand

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens; insoweit ist das Urteil vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Gewährung von Erholungsurlaub für die Jahre 2003 bis 2010 in Höhe von insgesamt 212 Tagen.

Der Kläger steht als Erster Kriminalhauptkommissar im Polizeidienst des Landes Niedersachsen. Am 5. März 2004 wurde durch die Bezirksregierung Lüneburg die Überprüfung seiner Dienstfähigkeit angeordnet. Im Laufe des Verfahrens der Überprüfung der Dienstfähigkeit kam es zu vielfältigen gerichtlichen Auseinandersetzungen (Entziehung der Dienstwaffe, Feststellung der Dienstfähigkeit, Verbot der Amtsführung und Anordnung einer psychiatrischen Untersuchung). Ab März 2004 war der Kläger nicht mehr im aktiven Dienst. Mit Bescheid vom 16. Dezember 2005 stellte die Beklagte seine Dienstunfähigkeit fest und versetzte ihn unter Anordnung der sofortigen Vollziehung mit Ablauf des 31. Dezember 2005 in den Ruhestand. Seine dagegen erhobene Klage hatte vor dem Verwaltungsgericht Stade Erfolg (Urteil vom 30. November 2006 - 3 A 61/06 -). Auf die Berufung der Beklagten änderte das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht (Urteil vom 23. Februar 2010 - 5 LB 20/09 -) dieses Urteil ab und wies die Klage ab. Auf die Revision des Klägers stellte das Bundesverwaltungsgericht mit Urteil vom 26. April 2012 (- 2 C 17.10 -) das erstinstanzliche Urteil wieder her. Damit stand fest, dass die Versetzung des Klägers in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit rechtswidrig gewesen ist. Er war rückwirkend so zu stellen, als sei er nicht in den Ruhestand versetzt worden, sondern durchgehend als aktiver Beamter im Dienst gewesen. Wegen der somit erforderlichen Klärung der Ansprüche des Klägers kam es am 10. Mai 2012 zu einem Personalgespräch zwischen ihm und Vertretern der Beklagten.

Mit Schreiben vom 21. Juni 2012 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Bestätigung seiner Urlaubsansprüche. Er erklärte, er habe in den Jahren 2003 und 2004 seinen Dienst versehen. Daher stehe ihm der Urlaub aus diesen Jahren (zwei Tage Resturlaub aus 2003 und 30 Tage Urlaub aus 2004) zu. Das Gleiche gelte für die Jahre 2005 bis 2012. In diesen Jahren habe er seine Arbeitskraft in vollem Umfang zur Verfügung gestellt. Dieses Angebot habe die Beklagte jedoch nicht in Anspruch genommen bzw. abgelehnt. Sie habe ihn vom Dienst ferngehalten und in den Ruhestand versetzt. Somit mache er insgesamt 272 Urlaubstage geltend.

Mit Bescheid vom 29. Juni 2012 erklärte die Beklagte, dass dem Kläger für die Jahre 2011 und 2012 jeweils 30 Tage Erholungsurlaub gemäß § 4 Niedersächsische Erholungsurlaubsverordnung - NEUrlVO - zustünden. Für die Zeit vom 11. Mai 2012 bis zum 17. Juni 2012 (24 Arbeitstage) sei vereinbart worden, dass er Resturlaub in Anspruch nehme. Dieser Urlaub sei ihm genehmigt worden. Somit bestehe für das Jahr 2011 noch ein Restanspruch von sechs Arbeitstagen. Die in den Jahren 2005 bis 2010 angefallenen Urlaubsansprüche seien gemäß § 8 NEUrlVO verfallen.

Per E-Mail vom 3. August 2012 wandte sich der Kläger an die Beklagte und machte geltend, sein Antrag auf Festsetzung der Urlaubsansprüche sei mit Bescheid vom 29. Juni 2012 nur unvollständig beschieden worden. Es sei keine Entscheidung für die Jahre 2003 und 2004 ergangen.

Mit Bescheid vom 7. August 2012 ergänzte die Beklagte ihren Bescheid vom 29. Juni 2012 und teilte dem Kläger mit, dass der Resturlaub aus den Jahren 2003 und 2004 ebenfalls gemäß § 8 NEUrlVO verfallen sei.

Der Kläger hat am 10. August 2012 Klage erhoben. Zur Begründung trägt er im Wesentlichen vor: Gemäß § 4 Abs. 1 Nr. 3 NEUrlVO stünden ihm pro Jahr 30 Urlaubstage zu. Die Entstehung des Urlaubsanspruchs werde nicht dadurch gehindert, dass er durch Bescheid vom 16. Dezember 2005 in den Ruhestand versetzt worden sei. Denn das Bundesverwaltungsgericht habe durch Urteil vom 26. April 2012 entschieden, dass die Versetzung in den Ruhestand rechtswidrig gewesen sei. Er sei somit so zu stellen, wie er stünde, wäre er nicht in den Ruhestand versetzt worden. Der Urlaubsanspruch sei auch nicht verfallen. Gemäß § 8 Abs. 1 Satz 2 NEUrlVO verfalle der Urlaub grundsätzlich dann, wenn er nicht in den ersten neun Monaten des folgenden Jahres angetreten werde. Allerdings bestimme § 8 Abs. 1 Satz 3 NEUrlVO, dass der Beamte den Resturlaub, den er aufgrund einer krankheitsbedingten Dienstunfähigkeit nicht habe antreten können, im Jahr der Wiederaufnahme des Dienstes oder im nächsten Urlaubsjahr abwickeln könne. Diese Vorschrift sei anzuwenden. Zwar sei er in den streitgegenständlichen Jahren nicht dienstunfähig krank gewesen und habe seine Arbeitsleistung tatsächlich angeboten. Allerdings sei die Beklagte davon ausgegangen, dass er dienstunfähig erkrankt sei und habe ihn deshalb seit März 2004 rechtswidrig von der Arbeit ferngehalten. Gegen dieses „Arbeitsverbot“ sei er vehement vorgegangen. Dennoch sei ihm seit dem Jahr 2003 kein rechtmäßiges Verfahren zur Überprüfung seiner Dienstfähigkeit zuteil geworden. Festzuhalten bleibe, dass er aus Sicht seiner Vorgesetzten aufgrund einer krankheitsbedingten Dienstunfähigkeit vom Dienst ferngehalten worden sei. Hätte die Beklagte ihn nicht zu Unrecht für dienstunfähig krank gehalten und ihn daher von der Arbeit ferngehalten, hätte er den ihm zustehenden Erholungsurlaub nehmen können. Da er nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 26. April 2012 so gestellt werden müsse, wie er stünde, wäre er nie in den Ruhestand versetzt worden, ergebe sich allein daraus der begehrte Urlaubsanspruch. Darüber hinaus sei die vorliegende Situation mit dem Fall, dass ein Arbeitnehmer dienstunfähig erkrankt sei und deshalb den Urlaub nicht im Kalenderjahr und auch nicht im Übertragungszeitraum habe nehmen können, gleichzusetzen. Somit sei der Urlaub auch nach analoger Anwendung des § 8 Abs. 1 Satz 3 NEUrlVO nicht verfallen. Das gelte umso mehr, als diese Vorschrift auf eine EU-Richtlinie und diesbezügliche EuGH-Rechtsprechung zurückzuführen sei. Die Beklagte verhalte sich zudem treuwidrig. Denn bis zum Ergehen des Urteils des Bundesverwaltungsgerichts am 26. April 2012 sei sie davon ausgegangen, dass er dienstunfähig krank sei. Nur deswegen sei er überhaupt in den Ruhestand versetzt worden. Nachdem das Bundesverwaltungsgericht diese rechtswidrige Entscheidung aufgehoben habe, stelle sie sich nunmehr auf den Standpunkt, er sei überhaupt nicht dienstunfähig erkrankt gewesen. Dies sei in der Sache zwar richtig, jedoch sei zu berücksichtigen, dass ihm nur deshalb acht Jahre lang kein Erholungsurlaub gewährt worden sei, weil der Dienstherr ihn wegen der Annahme seiner Dienstunfähigkeit rechtswidrig vom Dienst ferngehalten habe. Er sei nunmehr in den Dienst zurückgekehrt und es sei ihm somit möglich, den Erholungsurlaub der letzten Jahre tatsächlich noch anzutreten. Auch sei die Beklagte im vorliegenden Fall nicht schutzwürdig, denn sie hätte das Ansammeln der Urlaubstage vermeiden können, indem sie ihn zum Dienst zugelassen und seine angebotene Arbeitsleistung angenommen hätte. Eine Ansammlung von 212 Urlaubstagen hätte es in diesem Fall nicht gegeben. Somit verfehle der eingeklagte Urlaubsanspruch nicht seinen Zweck.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte zu verpflichten, seinen Urlaubsanspruch für die Jahre 2003 bis 2010 auf 212 Urlaubstage festzusetzen und den Bescheid der Beklagten vom 29. Juni 2012 und den Ergänzungsbescheid der Beklagten vom 7. August 2012 aufzuheben, soweit sie dem entgegenstehen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie tritt den Ausführungen des Klägers entgegen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge ergänzend Bezug genommen. Sie sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Entscheidungsgründe

Die Klage hat keinen Erfolg. Sie ist zulässig, aber unbegründet. Der Bescheid der Beklagten vom 29. Juni 2012 und deren Ergänzungsbescheid vom 7. August 2012 sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Er hat nicht Anspruch auf die Verpflichtung der Beklagten, seinen Urlaubsanspruch für die Jahre 2003 bis 2010 auf insgesamt 212 Urlaubstage festzusetzen.

Maßgeblich für die Bewertung der Sach- und Rechtslage ist die NEUrlVO in der im jeweiligen Kalenderjahr geltenden Fassung (OVG Lüneburg, Beschluss vom 13. Dezember 2013 - 5 LC 160/13 -, juris; so auch für das hamburgische Landesrecht: OVG Hamburg, Urteil vom 19. April 2013 - 1 Bf 155/11 -, juris und für das nordrhein-westfälische Landesrecht: OVG Münster, Beschluss vom 10. März 2014 - 6 A 2680/12 -, juris). Denn Ansprüche, die zu einem bestimmten Zeitpunkt entstehen bzw. die sich auf einen bestimmten Zeitraum beziehen (sog. zeitgebundene Ansprüche), regeln sich nach dem im jeweiligen Zeitpunkt bzw. Zeitraum geltenden Recht. Um einen solchen Anspruch handelt es sich bei dem hier streitigen Urlaubsanspruch des Klägers. Denn die Gewährung von Erholungsurlaub ist zeitgebunden, da der Verordnungsgeber die Möglichkeit, den auf ein Kalenderjahr entfallenden Urlaub in Anspruch zu nehmen, jeweils mit einer Verfallklausel versehen und damit in zeitlicher Hinsicht begrenzt hat.

Für das Urlaubsjahr 2003, für das der Kläger noch zwei Tage Resturlaub beansprucht, findet die NEUrlVO in der Fassung der Verordnung zur Änderung der NEUrlVO vom 19. Juni 2000 (Nds. GVBl. S. 118) Anwendung. Gemäß § 8 Abs. 1 NEUrlVO in dieser Fassung soll der Urlaub grundsätzlich im Kalenderjahr abgewickelt werden. Resturlaub, der nicht bis zum Ablauf der ersten neun Monate des folgenden Urlaubsjahres angetreten worden ist, verfällt. Somit steht fest, dass der vom Kläger beanspruchte Resturlaub aus dem Kalenderjahr 2003 verfallen ist. Denn diesen Resturlaub trat er nicht bis zum Ablauf der ersten neun Monate des folgenden Urlaubsjahres (30. September 2004) an.

Aus dem Unionsrecht bzw. der Rechtsprechung des EuGH (vgl. Urteile vom 20. Januar 2009 - C-350/06 - und vom 22. November 2011 - C-214/10 -, jeweils juris) kann der Kläger nichts für sich herleiten. Das Bundesverwaltungsgericht hat in seinem Urteil vom 31. Januar 2013 (- 2 C 10.12 -, juris) ausgeführt:

„Ein Verfall des Urlaubsanspruchs mit Auswirkungen auf den unionsrechtlichen Urlaubsabgeltungsanspruch tritt zum einen dann ein, wenn nationalstaatlich ein hinreichend langer Übertragungszeitraum geregelt ist und dieser abgelaufen ist. Hinreichend lang ist nach der Rechtsprechung des EuGH ein Übertragungszeitraum, wenn er deutlich länger als das Urlaubsjahr, also deutlich länger als ein Jahr ist; ein Übertragungszeitraum muss den Beschäftigten, die während mehrerer Bezugszeiträume in Folge arbeits- bzw. dienstunfähig sind, ermöglichen, bei Bedarf über Erholungszeiträume zu verfügen, die längerfristig gestaffelt und geplant sowie verfügbar sein können, und er muss die Dauer des Bezugszeitraums, für den er gewährt wird, deutlich überschreiten (EuGH, Urteil vom 22. November 2011 a.a.O. Rn. 41). Einen Übertragungszeitraum von 15 Monaten hat der EuGH gebilligt (Urteil vom 22. November 2011 a.a.O. Rn. 40 ff.).

Gibt es keine ausreichend langen nationalstaatlichen Verfallsregelungen, dann tritt auf der Grundlage der Rechtsprechung des EuGH ein Verfall des Urlaubsanspruches 18 Monate nach dem Ende des Urlaubsjahres ein. Der EuGH leitet aus dem Umstand, dass die RL 2003/88/EG nach ihrem sechsten Erwägungsgrund den Grundsätzen der Internationalen Arbeitsorganisation hinsichtlich der Arbeitszeitgestaltung Rechnung getragen hat, her, dass bei der Berechnung des Übertragungszeitraums der Zweck des Anspruchs auf Jahresurlaub, wie er sich aus Art. 9 Abs. 1 des Übereinkommens Nr. 132 der Internationalen Arbeitsorganisation vom 24. Juni 1970 über den bezahlten Jahresurlaub ergibt, berücksichtigt werden muss. Nach Art. 9 Abs. 1 des Übereinkommens ist der ununterbrochene Teil des bezahlten Jahresurlaubs spätestens ein Jahr und der übrige Teil des bezahlten Jahresurlaubs spätestens 18 Monate nach Ablauf des Jahres, für das der Urlaubsanspruch erworben wurde, zu gewähren und zu nehmen. Diese Vorschrift beruht nach der Rechtsprechung des EuGH auf der Erwägung, dass der Zweck der Urlaubsansprüche bei Ablauf der dort vorgesehenen Fristen nicht mehr vollständig erreicht werden kann (Urteil vom 22. November 2011 a.a.O. Rn. 41 f.). Das rechtfertigt die Annahme, dass der Urlaubsanspruch 18 Monate nach Ende des Urlaubsjahres verfällt."

Aus dieser Rechtsprechung, der sich das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht bereits angeschlossen hat (Beschlüsse vom 13. Dezember 2013 - 5 LC 160/13 - und vom 8. November 2013 - 5 LA 41/13 -, jeweils juris) und der sich die Kammer ebenfalls anschließt, ergibt sich für das Urlaubsjahr 2003 Folgendes:

Die in § 8 Abs. 1 Satz 2 NEUrlVO geregelte Verfallsfrist von neun Monaten ist nach Maßgabe der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des EuGH nicht ausreichend lang. Daher tritt an die Stelle der geregelten Frist eine Verfallsfrist von 18 Monaten. Daher war der Resturlaubsanspruch des Klägers des Jahres 2003 unter Berücksichtigung des Unionsrechts und der höchstrichterlichen Rechtsprechung mit Ablauf des 30. Juni 2005 verfallen. Dabei kommt es nicht darauf an, aus welchem Grund der Kläger seinen Urlaub nicht antrat. Das Bundesverwaltungsgericht hat wiederholt entschieden und die Kammer schließt sich dem an, dass Urlaubsansprüche von Beamten nach dem zeitgebundenen Sinn und Zweck der jährlichen Gewährung von Erholungsurlaub mit dem Ablauf des Zeitraums, bis zu dem dieser äußerstenfalls übertragen werden kann, ausnahmslos verfallen, ohne Rücksicht auf die Gründe, aus denen der Urlaub nicht rechtzeitig angetreten werden konnte (BVerwG, Urteil vom 25. Februar 1988 - 2 C 3.86 -, juris).

In diesem Zusammenhang weist die Beklagte zutreffend darauf hin, dass der mit der Gewährung des Erholungsurlaubs verfolgte Zweck nach Ablauf einer ausreichend langen Verfallsfrist nicht mehr erreicht werden kann. Denn nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (Urteil vom 22. November 2011 - C-214/10 -, juris) steht fest, dass mit dem Erholungsurlaub ein doppelter Zweck verfolgt wird, der darin besteht, es dem Arbeitnehmer bzw. Beamten zu ermöglichen, sich zum einen von der Ausübung der ihm nach seinem Arbeitsvertrag bzw. den für ihn geltenden dienstrechtlichen Vorschriften obliegenden Aufgaben zu erholen und zum anderen über einen Zeitraum für Entspannung und Freizeit zu verfügen. Weiter stellt der EuGH fest, dass der Anspruch eines während mehrerer Bezugszeiträume in Folge arbeitsunfähigen Arbeitnehmers bzw. dienstunfähigen Beamten auf bezahlten Jahresurlaub den genannten Zweckbestimmungen nur insoweit entsprechen kann, als der Übertrag eine gewisse zeitliche Grenze nicht überschreitet. Über eine solche Grenze hinaus fehlt dem Jahresurlaub nämlich seine positive Wirkung für den Arbeitnehmer bzw. Beamten als Erholungszeit. Erhalten bliebe ihm lediglich seine Eigenschaft als Zeitraum für Entspannung und Freizeit. In Anbetracht des Zwecks des jedem Arbeitnehmer bzw. Beamten unmittelbar durch das Unionsrecht gewährten Anspruchs auf bezahlten Jahresurlaub kann infolge dessen ein während mehrerer Jahre in Folge arbeitsunfähiger Arbeitnehmer bzw. Beamter, der seinen bezahlten Jahresurlaub nach dem nationalen Recht nicht während dieses Zeitraums nehmen kann, nicht berechtigt sein, in diesem Zeitraum erworbene Ansprüche auf bezahlten Jahresurlaub unbegrenzt anzusammeln.

In Anbetracht dieser Ausführungen folgt die Kammer der vom Kläger vertretenen Auffassung, sein Anspruch ergebe sich aus dem Unionsrecht bzw. der Rechtsprechung des EuGH, nicht.

Für die Urlaubsjahre 2004, 2005, 2006, 2007 und 2008 gilt dasselbe. Denn in diesen Kalenderjahren hatten § 8 Abs. 1 Sätze 1 und 2 NEUrlVO dieselbe Fassung. Somit ist auch der Resturlaub aus diesen Kalenderjahren verfallen (Der Erholungsurlaub des Jahres 2008 beispielsweise verfiel unter Berücksichtigung der unionsrechtlich gebotenen Verfallsfrist von 18 Monaten mit Ablauf des 30. Juni 2010). Die Verordnung zur Änderung der NEUrlVO vom 16. August 2004 (Nds. GVBl. S. 312) ändert daran nichts. Denn mit dieser Änderungsverordnung wurde zwar § 8 Abs. 1 NEUrlVO um einen dritten Satz ergänzt. Diese Ergänzung trifft jedoch lediglich hier nicht relevante Regelungen für Beamtinnen vor Beginn der Beschäftigungsverbote nach der Mutterschutzverordnung.

Auch für das Kalenderjahr 2009 hat der Kläger keinen Anspruch auf die Gewährung von Resturlaub. Er hat seinen Erholungsurlaub für das Jahr 2009 bisher nicht angetreten. Daher verfiel der Resturlaub gemäß § 8 Abs. 1 Satz 2 NEUrlVO (hier nach wie vor in der Fassung der Verordnung zur Änderung der NEUrlVO vom 19. Juni 2000, da es insoweit keine Änderungen gegeben hatte) nach Ablauf der ersten neun Monate des jeweils folgenden Kalenderjahres. Selbst wenn dieser Verfallszeitraum aufgrund unionsrechtlicher Vorgaben auf 18 Monate verlängert wird (vgl. BVerwG, Urteil vom 31. Januar 2013 - 2 C 10.12 -, juris), ändert sich nichts. Denn danach ist der Urlaub aus diesem Kalenderjahr mit Ablauf des 30. Juni 2011 verfallen.

Mit der Verordnung zur Änderung der NEUrlVO vom 29. April 2011 (Nds. GVBl. S. 122) wurde § 8 Abs. 1 NEUrlVO ergänzt. Der danach geltende § 8 Abs. 1 Satz 3 NEUrlVO erhielt folgende Fassung: „Hat eine Beamtin oder ein Beamter aufgrund einer durch Krankheit bedingten Dienstunfähigkeit den Resturlaub nicht rechtzeitig angetreten, so kann dieser im Jahr der Wiederaufnahme des Dienstes oder im nächsten Urlaubsjahr abgewickelt werden.“ Diese Regelung findet auf das Kalenderjahr 2009 Anwendung, da die genannte Änderungsverordnung mit Wirkung vom 1. Januar 2009 in Kraft trat (Art. 2 der Verordnung zur Änderung der NEUrlVO vom 29. April 2011).

Die dort genannten Voraussetzungen lagen im Kalenderjahr 2009 nicht vor. Denn der Kläger hat nicht aufgrund einer durch Krankheit bedingten Dienstunfähigkeit den Resturlaub nicht rechtzeitig angetreten. Diesen Umstand räumt er ein, indem er erklärt, er sei in der gesamten Zeit zwischen 2006 und 2012, in der er wegen der Ruhestandsverfügung nicht zum Dienst habe erscheinen müssen und dürfen, nicht dienstunfähig gewesen.

Der Kläger meint jedoch, die Regelung sei entsprechend bzw. analog auf seinen Fall anzuwenden, da er tatsächlich zwar nicht dienstunfähig gewesen sei, die Beklagte ihn aber als dienstunfähig behandelt und ihn vorzeitig in den Ruhestand versetzt habe. Er habe seine Arbeitsleistung angeboten, jedoch habe die Beklagte dieses Angebot nicht angenommen und ihn rechtswidrig vom Dienst ferngehalten.

Das überzeugt nicht. Richtig ist, dass die vorzeitige Versetzung des Klägers in den Ruhestand mit Bescheid vom 16. Dezember 2005 rechtswidrig gewesen ist. Das stellte das Verwaltungsgericht Stade im Urteil vom 30. November 2006 (- 3 A 61/06 -) fest. Die dagegen von der Beklagten eingelegte Berufung hatte zwar Erfolg (OVG Lüneburg, Urteil vom 23. Februar 2010 - 5 LB 20/09 -), jedoch stellte das Bundesverwaltungsgericht (Urteil vom 26. April 2012 - 2 C 17.10 -) das erstinstanzliche Urteil wieder her. Es stellte fest, dass sich der Nachweis der Polizeidienstunfähigkeit des Klägers nicht aus den ärztlichen Gutachten und Stellungnahmen zu seinem Gesundheitszustand ergäben. Die Polizeiärzte hätten die entscheidungserhebliche Frage, ob er an einer psychischen Erkrankung leide, uneinheitlich beantwortet. Der Nachweis könne auch nicht als erbracht gelten, weil sich der Kläger der angeordneten weiteren psychiatrischen Untersuchung verweigert habe. Denn diese Untersuchungsanordnung sei rechtswidrig gewesen.

Die Kammer geht mit der Beklagten davon aus, dass die in § 8 Abs. 1 Satz 3 NEUrlVO i.d.F. der Verordnung zur Änderung der NEUrlVO vom 19. April 2011 genannten Voraussetzungen nicht vorliegen, da der Kläger seinen Erholungsurlaub des Jahres 2009 nicht „aufgrund einer durch Krankheit bedingten Dienstunfähigkeit“ nicht rechtzeitig angetreten hat. Sie führt in diesem Zusammenhang zutreffend aus, dass der Kläger den Erholungsurlaub nicht aufgrund einer vorübergehenden Dienstunfähigkeit, sondern aufgrund seiner vorzeitigen Versetzung in den Ruhestand nicht angetreten hat. Dass die Versetzung in den Ruhestand und nicht die Dienstunfähigkeit kausal für die fehlende Gewährung von Erholungsurlaub war, wird auch daran deutlich, dass der Kläger erklärt, in der gesamten Zeit seiner vorzeitigen Versetzung in den Ruhestand dienstfähig gewesen zu sein. Trotz seiner Dienstfähigkeit konnte der Kläger aufgrund der im Jahr 2009 noch wirksamen vorzeitigen Versetzung in den Ruhestand mit Bescheid vom 16. Dezember 2005 keinen Erholungsurlaub beantragen, da dieser nur dem aktiven Beamten, nicht aber dem Ruhestandsbeamten zusteht. Denn für Ruhestandsbeamte fehlt es an einer Dienstleistungspflicht, von deren Erfüllung er zum Zwecke des Urlaubs befreit werden könnte.

Vor diesem Hintergrund verbietet sich auch die vom Kläger befürwortete erweiternde Auslegung bzw. analoge Anwendung von § 8 Abs. 1 Satz 3 NEUrlVO i.d.F. der Verordnung zur Änderung der NEUrlVO vom 29. April 2011 (so auch OVG Hamburg, Beschluss vom 31. Juli 2013 - 1 Bs 187/13 -, juris) dahingehend, dass eine vorübergehende Dienstunfähigkeit im Sinne dieser Regelung auch dann gegeben sei, wenn der Beamte wegen Dienstunfähigkeit in den vorzeitigen Ruhestand versetzt worden sei, die Versetzung in den Ruhestand jedoch später rückwirkend aufgehoben werde.

Ohne Erfolg wendet der Kläger hiergegen ein, dass diese Auslegung seine Rechte verkürze und die Beklagte insoweit gegen den Grundsatz von Treu und Glauben verstoße. Denn ein Anspruch auf Gewährung von Erholungsurlaub ist nur nach Maßgabe der gesetzlichen Regelungen eingeräumt. Zudem steht fest, dass der Kläger im Kalenderjahr 2009 aufgrund der Versetzung in den Ruhestand ohne Einschränkungen und unabhängig vom Nachweis der Dienstunfähigkeit von seiner Dienstpflicht befreit gewesen ist. Einer Befreiung von seinen Dienstpflichten zum Zwecke der Erholung durch die Gewährung von Erholungsurlaub bedurfte es daher darüber hinaus nicht.

Schließlich kann der Kläger aus § 10 a Abs. 2 NEUrlVO i.d.F. der Verordnung zur Änderung der NEUrlVO vom 19. September 2013 (Nds. GVBl. S. 238), die am 1. Oktober 2013 in Kraft trat, nichts für sich herleiten. Danach ist § 8 Abs. 1 Satz 3 NEUrlVO in der am 30. September 2013 geltenden Fassung weiterhin anzuwenden auf Erholungsurlaub, der vor dem Urlaubsjahr 2012 entstanden ist und der wegen einer durch Krankheit bedingten Dienstunfähigkeit nicht vor Ablauf der Verfallsfrist des § 8 Abs. 1 Satz 3 NEUrlVO in der Fassung, die diese Regelung durch die Verordnung zur Änderung der NEUrlVO vom 19. September 2013 erhalten hat, angetreten worden ist. Nach § 8 Abs. 1 Satz 3 NEUrlVO i.d.F. zur Änderung der NEUrlVO vom 19. September 2013 verfällt der Urlaub, der aufgrund einer durch Krankheit bedingten Dienstunfähigkeit nicht rechtzeitig angetreten worden ist, wenn er nicht bis zum Ablauf der ersten drei Monate des zweiten auf das Urlaubsjahr folgenden Urlaubsjahres angetreten worden ist. Nach § 8 Abs. 1 Satz 3 NEUrlVO in der davor geltenden Fassung konnte der Resturlaub im Jahr der Wiederaufnahme des Dienstes noch abgewickelt werden.

Bei § 10 a Abs. 2 NEUrlVO i.d.F. der Verordnung zur Änderung der NEUrlVO vom 19. September 2013 handelt es sich - wie die Überschrift in dieser Verordnung zeigt - um eine Übergangsvorschrift. Zweck dieser Regelung ist es, die von der Verschärfung des § 8 Abs. 1 Satz 3 NEUrlVO betroffenen Beamten - der Kläger zählt wie oben dargelegt nicht dazu - weiterhin in den Genuss der vorherigen Fassung dieser Regelung kommen zu lassen. Es spricht allerdings nichts dafür, dass mit der Neufassung des § 10 a Abs. 2 NEUrlVO bereits verfallener Urlaub - wie hier - „wieder aufleben“ sollte. Zudem fehlt es - wie dargelegt - daran, dass der Kläger seinen Erholungsurlaub des Jahres 2009 nicht wegen einer durch Krankheit bedingten Dienstunfähigkeit nicht vor Ablauf der Verfallsfrist antrat, sondern aufgrund seiner vorzeitigen Versetzung in den Ruhestand.

Schließlich besteht auch der Urlaubsanspruch für das Jahr 2010 nicht mehr. Als der Kläger im April 2012 in den Dienst zurückkehrte, war sein Urlaubsanspruch dieses Kalenderjahres allerdings entgegen der von der Beklagten im Bescheid vom 29. Juni 2012 vertretenen Auffassung noch nicht verfallen. Gemäß § 8 Abs. 1 Satz 2 NEUrlVO (hier nach wie vor in der Fassung der Verordnung zur Änderung der NEUrlVO vom 19. Juni 2000) verfällt der Erholungsurlaub nach Ablauf der ersten neun Monate des jeweils folgenden Kalenderjahres. Allerdings ist dieser Verfallszeitraum aufgrund unionsrechtlicher Vorgaben auf 18 Monate zu verlängern (BVerwG, Urteil vom 31. Januar 2013 - 2 C 10.12 -, juris). Somit handelte es sich beim vom Kläger in der Zeit vom 11. Mai 2012 bis zum 17. Juni 2012 (24 Arbeitstage) angetretenen Urlaub um Resturlaub des Urlaubsjahres 2010 (vgl. auch die Protokollerklärung der Beklagten im Termin zur mündlichen Verhandlung am 28. Mai 2014). Dadurch erlosch der Urlaubsanspruch in diesem Umfang (24 Arbeitstage). Die verbliebenen sechs Urlaubstage dieses Kalenderjahres sind sodann mit Ablauf des 30. Juni 2012 (18 Monate nach Ablauf des Kalenderjahres 2010) verfallen.