Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Beschl. v. 18.12.2014, Az.: L 8 SO 156/14

Ermittlung des Beschwerdewertes bei einer Untätigkeitsklage; Geldleistungen und geldwerter Vorteil; Kostengrundentscheidungen; Zulässigkeit der Berufung im sozialgerichtlichen Verfahren gegen Kostengrundentscheidungen nach § 63 SGB X; Unbeachtlichkeit der gewählten Klageart

Bibliographie

Gericht
LSG Niedersachsen-Bremen
Datum
18.12.2014
Aktenzeichen
L 8 SO 156/14
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2014, 33703
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LSGNIHB:2014:1218.L8SO156.14.0A

Verfahrensgang

vorgehend
SG Hildesheim - 20.03.2014 - AZ: S 34 SO 73/13

Redaktioneller Leitsatz

1. Bei einer Untätigkeitsklage i.S. des § 88 SGG ist bei der für die Ermittlung des Wertes des Beschwerdegegenstands zum Zeitpunkt der Einlegung des Rechtsmittels auf das mit dem bis Klageerhebung nicht beschiedenen Antrag bzw. Widerspruch verfolgte Ziel abzustellen.

2. Nach dem Wortlaut des § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG muss der umstrittene Verwaltungsakt nicht unmittelbar zu einer Geldleistung oder einem geldwerten Vorteil führen, denn er braucht nur darauf "gerichtet" zu sein.

3. Damit sind nicht nur Bescheide gemeint, die eine Geldleistung bewilligen oder festsetzen, sondern auch Bescheide, die als Grundlage für die Entstehung eines Anspruchs dienen, also auch Kostengrundentscheidungen nach § 63 SGB X, weil allein das wirtschaftliche Interesse des Antragstellers maßgebend ist.

Tenor:

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Hildesheim vom 20. März 2014 wird als unzulässig verworfen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

Der Senat entscheidet über die Berufung durch Beschluss gemäß § 158 SGG, nachdem die Beteiligten vorab Gelegenheit zur Stellungnahme hatten. Die Berufung ist nach der zutreffenden Rechtsmittelbelehrung der angefochtenen Entscheidung nicht statthaft und gemäß § 158 Satz 1 SGG als unzulässig zu verwerfen.

Die Berufung ist nicht zulässig, weil sie vom Sozialgericht (SG) Hildesheim nicht zugelassen worden ist, nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG aber der Zulassung bedurft hätte. Dies ist der Fall, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750,00 EUR nicht übersteigt (§ 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG). Das gilt nicht, wenn die Berufung wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft (§ 144 Abs. 1 Satz 2 SGG). Diese Maßgaben gelten auch bei einer Untätigkeitsklage i.S. des § 88 SGG (vgl. Bundessozialgericht - BSG -, Urteil vom 6. Oktober 2011 - B 9 SB 45/11 B - juris 10 f.), bei der für die Ermittlung des Wertes des Beschwerdegegenstands zum Zeitpunkt der Einlegung des Rechtsmittels (§ 202 SGG i.V.m. § 4 Abs. 1 ZPO) auf das mit dem bis Klageerhebung nicht beschiedenen Antrag bzw. Widerspruch verfolgte Ziel abzustellen ist. Nach dem Wortlaut des § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG muss der umstrittene Verwaltungsakt nicht unmittelbar zu einer Geldleistung oder einem geldwerten Vorteil führen, denn er braucht nur darauf "gerichtet" zu sein. Nach der vom Senat geteilten Rechtsprechung des BSG sind damit nicht nur Bescheide gemeint, die eine Geldleistung bewilligen oder festsetzen, sondern auch Bescheide, die als Grundlage für die Entstehung eines Anspruchs dienen, also auch Kostengrundentscheidungen nach § 63 SGB X, weil allein das wirtschaftliche Interesse des Antragstellers maßgebend ist (BSG, Urteil vom 19. November 1996 - 1 RK 18/95 - juris Rn. 19 unter Bezugnahme auf Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 16. Dezember 1988 - 7 C 93/86 - juris Rn. 11), das nach allgemeinen Regeln zu bestimmen ist (vgl. dazu Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl. 2014, § 144 Rn. 14 ff.).

Nach diesen Maßgaben hat das SG seiner Entscheidung rechtsfehlerfrei zu Grunde gelegt, dass das wirtschaftliche Interesse der Klägerin an einer Bescheidung ihres Widerspruchs gegen den Bescheid vom 12. August 2011, mit dem der Beklagte in Ergänzung des Widerspruchsbescheids vom 3. Juni 2011 eine isolierte Kostengrundentscheidung erlassen hat, in der Übernahme ihrer Kosten des abgeschlossenen Vorverfahrens liegt, die den Rechtsmittelstreitwert von 750,00 EUR nicht überschreiten. Wegen der möglichen Gebührenhöhe wird auf die Ausführungen in der angefochtenen Entscheidung verwiesen (§ 153 Abs. 2 SGG).

Der Einwand des Beklagten, eine auf die Bescheidung eines Widerspruchs gegen eine (ablehnende) Kostengrundentscheidung gerichtete Untätigkeitsklage unterfalle generell nicht der Zulässigkeitsbeschränkung aus § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG, greift nicht durch. Auch eine solche Klage betrifft einen auf eine Geldleistung gerichteten Verwaltungsakt i.S. dieser Norm. Die gewählte Klageart ist für die Anwendung des § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG bedeutungslos (BSG, Urteil vom 6. Oktober 2011 - B 9 SB 45/11 B - juris 11).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Ein Grund für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG liegt nicht vor.