Verwaltungsgericht Göttingen
Urt. v. 21.12.2015, Az.: 2 A 995/13
Aserbaidschan; Folter; Glaubhaftigkeit; allgemeine Lage; Perspektivlosigkeit
Bibliographie
- Gericht
- VG Göttingen
- Datum
- 21.12.2015
- Aktenzeichen
- 2 A 995/13
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2015, 45194
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 3 AsylVfG
- § 4 AsylVfG
- § 60 Abs 7 S 1 AufenthG
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
Einzelfall eines unbegründeten Asylbegehrens wegen jugendlicher Perspektivlosigkeit trotz besorgniserregender Rückschritte im Hinblick auf die Menschenrechtslage in Aserbaidschan.
Tatbestand:
Der am xx.xx.xxxx geborene, ledige Kläger ist aserbaidschanischer Staatsangehöriger. Er reiste eigenen Angaben zufolge durch die Hilfe eines Schleppers auf dem Landweg von Russland kommend am 5. November 2011 in das Bundesgebiet ein und beantragte am 13. Dezember 2011 seine Anerkennung als Asylberechtigter, ohne hierfür gegenüber dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt), der Regierung von Mittelfranken (Zentrale Aufnahmeeinrichtung in E.) im Rahmen der Identitätsklärung oder der jetzt zuständigen Ausländerbehörde (Landkreis F.) geeignete Identitätsnachweise vorzulegen. Der Kläger wurde während des Asylverfahrens für die Zeit ab 21. Dezember 2011 in einer Gemeinschaftsunterkunft in G. untergebracht, ehe er aufgrund eines vor dem VG Ansbach - AN 4 K 12.30008 - geführten Rechtsstreits im März 2013 nach H. umverteilt wurde, wo eine Cousine seiner Mutter (I. J., vormals K.) seit 1999 lebt.
Zur Begründung seines Asylbegehrens führte der Kläger gegenüber dem Bundesamt im Wesentlichen an, Polizisten in Zivil hätten ihm anlässlich eines Disco-Besuchs in L. am 5. September 2011 den illegalen Besitz von - vorher von ihnen untergeschobenen - Drogen vorgeworfen und seien ihm gegenüber während einer entsprechenden Vernehmung auf einer Polizeiwache tätlich geworden. Er sei so zu einem Geständnis gezwungen und daraufhin für über einen Monat in Untersuchungshaft in „M.“ genommen worden. In der Untersuchungshaft sei er wiederholt geschlagen worden; man habe zudem versucht, ihm Rauschgift unter das Essen zu mischen. Am 20. Oktober 2011 sei er wegen eines vermeintlichen Verstoßes gegen § 234 des aserbaidschanischen Strafgesetzbuches vor ein Gericht gestellt worden. Am selben Tage - noch vor Erlass eines Urteils - sei er freigelassen worden, weil ein Freund seines Vaters zuvor Schmiergeld gezahlt habe. Er wisse nicht, ob es sich dabei um eine vorläufige oder endgültige Freilassung gehandelt habe. Danach habe er sich überwiegend zu Hause aufgehalten. Am 28. Oktober 2011 habe er L. verlassen und sich in eine unbekannte russische Stadt begeben, weil er befürchtet habe, dass er von der Polizei wieder erwischt und wegen seiner politischen Aktivitäten unter Druck gesetzt werde. Er habe sich nämlich bis zum damaligen Zeitpunkt für die Dauer von etwa einem Jahr für die Jugendorganisation der Partei „Volksfront“ oder AHCP - ohne dieser anzugehören - betätigt, unter anderem für diese Flugblätter verteilt und an mehreren Demonstrationen teilgenommen. Hierbei sei er von aserbaidschanischen Sicherheitskräften fotografiert worden, ohne dass er beim Verteilen der Flugblätter konkrete Probleme mit den aserbaidschanischen Sicherheitsbehörden gehabt habe. Er habe seit seiner Ankunft in Deutschland psychische Probleme und habe sich deswegen in ärztliche Behandlung begeben.
Mit Bescheid vom 9. Dezember 2013 entschied das Bundesamt, dass dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft und subsidiärer Schutz nicht zuerkannt sowie sein Asylantrag abgelehnt werde und nationale Abschiebungsverbote hinsichtlich Aserbaidschans in seiner Person nicht vorlägen. Zudem wurde ihm die Abschiebung nach Aserbaidschan angedroht. Zur Begründung führte das Bundesamt im Wesentlichen aus, der Kläger habe eine begründete Furcht vor Verfolgung nicht glaubhaft gemacht. Seinem Vorbringen sei kein substantiierter und detaillierter Tatsachenvortrag zu entnehmen. Er sei in der persönlichen Anhörung vage und oberflächlich geblieben. Ungereimtheiten seien aufgetreten. Das Vorbringen des Klägers sei zusammengefasst als konstruiert und frei erfunden zu bewerten. Wegen der Einzelheiten, die zu dieser Einschätzung des Einzelentscheiders geführt haben, wird auf die Ausführungen auf Seite 4 Absatz 3 des angefochtenen Bescheids Bezug genommen. Für die Zuerkennung eines Abschiebungsverbots sei ebenfalls kein Raum; insbesondere drohe dem Kläger aufgrund seiner geltend gemachten Erkrankungen keine erhebliche und konkrete Gefahr für Leib und Leben. Seine psychische Erkrankung sei in Aserbaidschan behandelbar, die benötigten Medikamente - zumindest als Substitute - erhältlich. Der Kläger verfüge über ausreichende finanzielle Mittel zur Finanzierung seiner Behandlung.
Hiergegen hat der Kläger am 20. Dezember 2013 die vorliegende Klage erhoben, mit der er sein Begehren auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, hilfsweise auf subsidiären Schutz und Feststellung nationaler Abschiebungsverbote weiterverfolgt. Zur Begründung wiederholt und vertieft er im Wesentlichen sein Vorbringen beim Bundesamt und ergänzt, seit er Aserbaidschan verlassen habe, hätten Beamte seine Mutter, die nun bei Bekannten wohne, mehrfach bedroht, um seinen aktuellen Aufenthaltsort zu erfahren. Während der Untersuchungshaft in „M.“ habe er keinen Besuch von seiner Mutter empfangen dürfen; über einen Anwalt, den ein Freund seines verschollenen Vaters organisiert habe, habe er Kontakt nach außen gehalten. In Untersuchungshaft sei er so geschlagen worden, dass man es später nicht nachweisen könne. Er sei an und unter den Knien sowie an seinen Füßen geschlagen sowie mit kleinen Nadeln unter den Nägeln seiner Finger drangsaliert worden. Der Freund seines Vaters habe den Richter mit umgerechnet 3.000 Euro bestochen. Nach seiner Freilassung sei er von dem Inhaber des Restaurants, in dem er gekellnert habe, für einige Tage aufgenommen worden, weil er sich nicht nach Hause getraut habe. Seine Mutter habe ihren Goldschmuck verkauft, um seine Flucht zu finanzieren. Bei einer Rückkehr nach Aserbaidschan müsse er mit erheblichen Repressalien bis hin zu einer weiteren Verhaftung rechnen.
Jedenfalls habe er einen Anspruch auf Feststellung eines nationalen Abschiebungsverbotes, denn er sei psychisch schwer erkrankt. Er leide an einer schweren Depression mit wiederkehrenden Suizidgedanken und einer PTBS. Deswegen habe er sich in Deutschland wiederholt in fachärztlicher ambulanter und stationärer Behandlung befunden. Er sei auf die regelmäßige Einnahme von Medikamenten angewiesen. Wegen der Einzelheiten wird auf die vom Kläger vorgelegten Atteste und Arztbriefe verwiesen. Er sei schon nach den Demonstrationen 2011 sehr nervös gewesen und habe unter Kopfschmerzen gelitten, sodass er einmalig einen - ihm heute namentlich und hinsichtlich seiner genauen Anschrift in L. nicht mehr erinnerlichen - Neurologen aufgesucht habe, um mit diesem über seine Depressionen zu sprechen. Anlässlich dieses selbst finanzierten Besuchs sei ihm wahrscheinlich das Medikament Amitriptylin verordnet worden. Nach seiner Inhaftierung habe er diesen Arzt nicht noch einmal aufsuchen können. Die notwendige medizinische Versorgung sei nach den vorgelegten Erkenntnismitteln in Aserbaidschan nicht gewährleistet; einen kostenlosen Zugang zu medizinischer Behandlung gebe es nur auf dem Papier. Sein Gesundheitszustand würde sich daher im Falle einer Abschiebung alsbald wesentlich verschlechtern; es drohe eine psychische Dekompensation.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 9. Dezember 2013 zu verpflichten, ihm die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen,
hilfsweise
ihm subsidiären Schutz zu gewähren,
hilfsweise
festzustellen, dass in seiner Person ein nationales Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 oder 7 Satz 1 AufenthG in Bezug auf die Republik Aserbaidschan vorliegt.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie bezieht sich zur Begründung auf die angefochtene Entscheidung des Bundesamtes und ergänzt, die strengen Voraussetzungen, die die Rechtsprechung für die Feststellung eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG u.a. bei Geltendmachung einer PTBS aufgestellt habe, seien im Falle des Klägers nicht erfüllt.
Der Einzelrichter hat den Kläger in der mündlichen Verhandlung zu den Gründen seiner Flucht nach Deutschland persönlich gehört; diesbezüglich wird auf die Sitzungsniederschrift (Bl. 140 ff. der Gerichtsakte) Bezug genommen.
Wegen des weiteren Vortrags der Beteiligten und des Sachverhalts im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, der beigezogenen Verwaltungsakte des Bundesamtes (Beiakte 001), der beigezogenen Ausländerakten (Beiakten 002 und 005) und Sozialleistungsakten (Beiakten 004 und 006) des Landkreises F. sowie der beigezogenen Gerichtsakte des VG Ansbach - AN 4 K 12.30008 - (Beiakte 003) verwiesen, die vorgelegen haben und Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen sind.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist unbegründet, denn der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, des subsidiären Schutzstatus oder auf Feststellung von nationalen Abschiebungsverboten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Aserbaidschan. Der angefochtene Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) vom 9. Dezember 2013 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO. Der im vorliegenden Verfahren maßgebliche Zeitpunkt für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides ist der Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung, vgl. § 77 Abs. 1 Satz 1 Asylgesetz (AsylG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 2. September 2008 (BGBl. I S. 1798), zuletzt geändert durch Artikel 12 des Gesetzes zur Bereinigung des Rechts der Lebenspartner (LPartRBerG) vom 20. November 2015 (BGBl. I S. 2010).
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß §§ 3 ff. AsylG in der hier anzuwendenden Fassung des Art. 1 des Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie 2011/95/EU vom 28. August 2013 (BGBl. I S. 3474).
Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG ist ein Ausländer Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn er sich (1.) aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe (2.) außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet (a) dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will. Nach Absatz 4 dieser Vorschrift wird einem Ausländer, der Flüchtling nach Absatz 1 ist, die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, es sei denn, er erfüllt die Voraussetzungen des § 60 Abs. 8 Satz 1 AufenthG.
Gemäß § 3a Abs. 1 AsylG gelten als Verfolgung im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG Handlungen, die (1.) auf Grund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen nach Art. 15 Abs. 2 der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685, 953) keine Abweichung zulässig ist, oder (2.) in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, die einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte, bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher wie der in Nummer 1 beschriebenen Weise betroffen ist. Nach Absatz 2 dieser Vorschrift können als Verfolgung im Sinne des Absatzes 1 unter anderem die folgenden Handlungen gelten: (1.) die Anwendung physischer oder psychischer Gewalt, einschließlich sexueller Gewalt und (2.) gesetzliche, administrative, polizeiliche oder justizielle Maßnahmen, die als solche diskriminierend sind oder in diskriminierender Weise angewandt werden.
Gemäß § 3a Abs. 3 AsylG muss zwischen den in § 3 Absatz 1 Nummer 1 i.V.m. den in § 3b AsylG genannten Verfolgungsgründen und den in den Absätzen 1 und 2 als Verfolgung eingestuften Handlungen oder dem Fehlen von Schutz vor solchen Handlungen eine Verknüpfung bestehen.
Nach § 3b Abs. 1 Nr. 5 AsylG ist unter dem Begriff der politischen Überzeugung insbesondere zu verstehen, dass der Ausländer in einer Angelegenheit, die die in § 3c AsylG genannten potenziellen Verfolger sowie deren Politiken oder Verfahren betrifft, eine Meinung, Grundhaltung oder Überzeugung vertritt, wobei es unerheblich ist, ob er auf Grund dieser Meinung, Grundhaltung oder Überzeugung tätig geworden ist. Absatz 2 dieser Vorschrift bestimmt, dass bei der Bewertung der Frage, ob die Furcht eines Ausländers vor Verfolgung begründet ist, es unerheblich ist, ob er tatsächlich die Merkmale der Rasse oder die religiösen, nationalen, sozialen oder politischen Merkmale aufweist, die zur Verfolgung führen, sofern ihm diese Merkmale von seinem Verfolger zugeschrieben werden.
Gemäß § 3c AsylG kann die Verfolgung ausgehen von (1.) dem Staat, (2.) Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen, oder (3.) nichtstaatlichen Akteuren, sofern die in den Nummern 1 und 2 genannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, im Sinne des § 3d Schutz vor Verfolgung zu bieten, und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht.
Für die Zuerkennung subsidiären Schutzes bestimmt § 4 AsylG, dass ein Ausländer nur dann subsidiär Schutzberechtigter ist, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt: (1.) die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe, (2.) Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung oder (3.) eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts. Nach Absatz 3 dieser Vorschrift gelten die §§ 3c bis 3e AsylG entsprechend. An die Stelle der Verfolgung, des Schutzes vor Verfolgung beziehungsweise der begründeten Furcht vor Verfolgung treten die Gefahr eines ernsthaften Schadens, der Schutz vor einem ernsthaften Schaden beziehungsweise die tatsächliche Gefahr eines ernsthaften Schadens; an die Stelle der Flüchtlingseigenschaft tritt der subsidiäre Schutz.
Gemäß § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG in der Fassung der Bekanntmachung vom 25. Februar 2008 (BGBl. I S. 162), zuletzt geändert durch Art. 2 des Gesetzes vom 28. Oktober 2015 (BGBl. I S. 1802), soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Bei der Frage, ob einem Ausländer wegen einer Erkrankung bei einer Rückkehr in die Heimat eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib oder Leben im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG droht, ist der richtige Gefahrenmaßstab anzuwenden. Nach den in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts entwickelten Grundsätzen ist die Gefahr, dass sich eine Erkrankung des Ausländers aufgrund der Verhältnisse im Abschiebezielstaat verschlimmert, in der Regel als individuelle Gefahr einzustufen, die am Maßstab von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG in direkter Anwendung zu prüfen ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 17. Oktober 2006 - 1 C 18/05 -, BVerwGE 127, S. 33 ff., zit. nach juris Rn. 15). Eine „erhebliche konkrete Gefahr“ im Falle einer zielstaatsbezogenen Verschlimmerung einer Erkrankung ist daher gegeben, wenn sich der Gesundheitszustand alsbald nach der Rückkehr in den Heimatstaat wegen der dortigen Behandlungsmöglichkeiten wesentlich oder gar lebensbedrohlich verschlechtern würde. Gründe hierfür können nicht nur fehlende Behandlungsmöglichkeiten im Zielstaat sein, sondern etwa auch, dass eine an sich vorhandene medizinischen Behandlungsmöglichkeit aus finanziellen oder sonstigen persönlichen Gründen rein tatsächlich nicht erlangt werden kann (vgl. BVerwG, a.a.O., Rn. 20). Dementsprechend kann von einer abschiebungsschutzrelevanten Verschlechterung des Gesundheitszustands nicht schon dann gesprochen werden, wenn "lediglich" eine Heilung eines Krankheitszustandes des Ausländers im Zielstaat nicht zu erwarten ist. Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG soll dem Ausländer nämlich nicht eine Heilung von Krankheit unter Einsatz des sozialen Netzes der Bundesrepublik Deutschland sichern, sondern vor einer gravierenden Beeinträchtigung seiner Rechtsgüter Leib und Leben bewahren. Eine wesentliche Verschlimmerung des Gesundheitszustands ist dementsprechend auch nicht schon bei einer befürchteten ungünstigen Entwicklung des Gesundheitszustands anzunehmen, sondern nur bei außergewöhnlich schweren körperlichen oder psychischen Schäden (vgl. OVG NRW, Beschluss vom 30. Oktober 2006 - 13 A 2820/04.A -, AuAS 2007, S. 20 ff., zit. nach juris Rn. 32 m.w.N.). Konkret ist eine Gefahrenlage im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG, wenn die Verschlechterung des Gesundheitszustands alsbald nach der Einreise des Betroffenen in den Zielstaat eintritt (vgl. BVerwG, Urteil vom 17. Oktober 2006, a.a.O.). Aus dem Wortlaut des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG - "dort" - folgt zudem, dass die ein mögliches Abschiebungshindernis begründenden Umstände an Gegebenheiten im Zielland der Abschiebung anknüpfen müssen (zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse). Abschiebungshindernisse nach dem früher geltenden § 53 AuslG bzw. Abschiebungsverbote nach § 60 AufenthG leiteten/leiten sich der Sache nach aus der Unzumutbarkeit des Aufenthalts im Zielland der Abschiebung für einen ausreisepflichtigen Ausländer her und müssen damit in Gefahren begründet sein, die im Zielstaat der Abschiebung drohen. Das gilt auch dann, wenn die im Abschiebungszielstaat zu erwartende Rechtsgutbeeinträchtigung in der Verschlimmerung einer Krankheit besteht, unter welcher der Ausländer bereits in Deutschland leidet (vgl. BVerwG, Urteile vom 25. November 1997, - 9 C 58.96 -, DVBl. 1998, S. 284, und vom 11. November 1997 - 9 C 13.96 -, NVwZ 1998, S. 526). Dementsprechend können in Verfahren vor dem Bundesamt nur zielstaatsbezogene Gefahren als Abschiebungshindernis geltend gemacht werden, nicht aber Gegebenheiten und Vorgänge, die im Aufenthaltsland Deutschland begründet sind oder mit der geplanten Rückreise des ausreisepflichtigen Ausländers zusammenhängen. Auch bei einer als Abschiebungshindernis geltend gemachten Gesundheitsverschlechterung muss es sich demnach um eine solche handeln, die durch Gegebenheiten im Zielland der Abschiebung - hier der Republik Aserbaidschan - ausgelöst und verursacht wird. Reiseunfähigkeit stellt kein zielstaatsbezogenes Abschiebungshindernis, sondern ein inlandsbezogenes Vollstreckungshindernis dar, dessen Vorliegen die zuständige Ausländerbehörde selbständig zu prüfen und beim Vollzug aufenthaltsbeendender Maßnahmen zu beachten hat und ggf. einen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gem. § 25 Abs. 5 AufenthG begründen kann (vgl. Nds. OVG, Beschluss vom 29. März 2011 - 8 LB 121/08 -, zit. nach juris Rn. 47 m.w.N), über den im vorliegenden, gegen die Bundesrepublik Deutschland gerichteten Klageverfahren indes nicht zu befinden ist.
Diese Voraussetzungen liegen hier zur Überzeugung des Einzelrichters nicht vor. Dem Kläger ist es weder im Rahmen seiner persönlichen Anhörung vor dem Bundesamt, noch im Laufe des gerichtlichen Verfahrens, insbesondere durch seine persönliche Anhörung durch den Einzelrichter in der mündlichen Verhandlung gelungen, glaubhaft ein asylerhebliches Verfolgungsschicksal oder eine hieraus resultierende Gesundheitsgefahr darzulegen, welches bzw. welche die vorstehend wiedergegebenen rechtlichen Kriterien für die Zuerkennung internationalen oder Abschiebungsschutzes erfüllt.
Vorwegzuschicken ist, dass der Einzelrichter in Übereinstimmung mit dem Kläger von besorgniserregenden Rückschritten im Hinblick auf die Menschenrechtslage in Aserbaidschan in den letzten Jahren ausgeht. Dies belegen nicht nur die vom Kläger zur Gerichtsakte gereichten Pressemeldungen und Berichte von internationalen Menschenrechtsorganisationen über Einzelschicksale, etwa die vom Kläger explizit angeführten Verfolgungsschicksale der regierungskritischen Journalistin Khadija Ismayilova oder des studentischen Aktivisten Jabber Savalan. Auch das Auswärtige Amt geht in seinem aktuellen Lagebericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Aserbaidschan vom 29. April 2015 (Stand Januar 2015) u.a. davon aus, dass die Presse-, Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit in Aserbaidschan eingeschränkt ist und regierungskritische Journalisten, Oppositionsvertreter und Zivilgesellschaftsaktivisten damit rechnen müssen, wegen inszenierter Taten (etwa untergeschobene Drogen oder Waffen, Schlägereien) festgenommen und verurteilt zu werden. Zudem existierten gelegentlich Hinweise darauf, dass Sicherheitsbehörden in ihrer Gewalt befindliche Personen misshandelten (zusammenfassend: Lagebericht S. 5; im Einzelnen: Lagebericht S. 8 ff.). An dieser Situation hat sich nach Durchführung der jüngsten Parlamentswahlen am 1. November 2015 trotz des Wahlboykotts der Oppositionsparteien und dem klaren Sieg der Regierungspartei von Präsident Aliyev offenbar nichts geändert. Neben regierungskritischen Journalisten sind weiterhin Menschenrechtsaktivisten und Nichtregierungsorganisationen Ziel politisch motivierter Strafverfolgung (vgl. Länderbericht der Konrad-Adenauer-Stiftung e.V. vom 4. November 2015, S. 3, abrufbar unter: www.kas.de/kaukasus).
Der Einzelrichter vermag aufgrund der Schilderungen des Klägers allerdings nicht zu erkennen, dass dieser aufgrund seines Vorfluchtverhaltens zur Zielgruppe derjenigen gehört, die den vorstehend beschriebenen staatlichen Repressionen ausgesetzt sind.
Der Kläger hat gegenüber dem Bundesamt und in der mündlichen Verhandlung zwar angegeben, er habe am 11. März und 2. April 2011 an regierungskritischen Demonstrationen in L. teilgenommen und im Vorfeld derselben Flugblätter der Organisatoren verteilt; dabei habe es sich um die Jugendorganisation der Oppositionspartei Volksfront oder AHCP gehandelt, der er selbst jedoch nicht angehört habe. Auf Nachfrage hat er gegenüber dem Bundesamt jedoch bestätigt, diesbezüglich keinerlei Probleme mit den anwesenden Sicherheitsbehörden gehabt zu haben bzw. bei Auseinandersetzungen zwischen Demonstranten und den Sicherheitskräften weggelaufen zu sein. Anlass für die von ihm behauptete Festnahme durch 4 Polizisten in Zivil am 5. September 2011 und die hieran anschließende Inhaftierung ist vielmehr eine verbale, später körperliche Auseinandersetzung mit einem der Polizisten in einer Diskothek gewesen. Den Grund hierfür hätten von diesem ausgehende Beleidigungen einer Freundin des Klägers geliefert, für die sich dieser wiederum eingesetzt habe. Bei dieser Sachlage kann - die Glaubhaftigkeit der Angaben des Klägers insoweit unterstellt - die für ein asylrelevantes Verfolgungsschicksal notwendige Kausalität i.S.d. § 3a Abs. 3 AsylG nicht festgestellt werden.
Zugunsten des Klägers kann auch unterstellt werden, dass es aufgrund dieses Konflikts zu der behaupteten sofortigen Festnahme durch die 4 Polizisten in Zivil, einem anschließenden Verhör auf der Polizeiwache wegen des - aus Sicht des Klägers unberechtigten - Vorwurfs illegalen Drogenbesitzes und einer ggf. mehrwöchigen Inhaftierung (gleichsam einer Untersuchungshaft nach deutschem Strafprozessrecht) gekommen ist, die mit einer Freilassung des Klägers am 20. Oktober 2011 aus Mangel an Beweisen geendet hat. Denn durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist geklärt, dass politische Verfolgung grundsätzlich dann nicht vorliegt, wenn der Staat Straftaten - seien sie auch politisch motiviert - verfolgt, die sich gegen Rechtsgüter seiner Bürger richten: Die Verfolgung kriminellen Unrechts in diesem Sinne ist keine "politische" Verfolgung (vgl. Beschluss vom 10. Juli 1989 - 2 BvR 502/86 u.a. -, BVerfGE 80, 315, zit. nach juris Rn. 51). Dies gilt auch für den Fall, dass der Herkunftsstaat mit den legalen Mitteln seines Straf- und Strafprozessrechts dem Verdacht der Begehung einer Straftat nachgeht und sich hierzu der Beschuldigte strafprozessualen Zwangsmaßnahmen wie etwa einer Festnahme und anschließenden vorläufigen Inhaftierung bzw. Untersuchungshaft ausgesetzt sieht.
Nicht glaubhaft sind in diesem Zusammenhang jedoch sämtliche Angaben des Klägers, er sei während der Festnahme und anschließenden Inhaftierung mit seinen vermeintlichen regierungskritischen Aktivitäten aus dem Frühjahr 2011 konfrontiert und deswegen misshandelt worden. Die diesbezüglichen Schilderungen des Klägers sind auch in der mündlichen Verhandlung nur oberflächlich und vage geblieben; zudem sind sie in Details erheblichen Widersprüchen ausgesetzt. Zu den vermeintlichen Befragungen von Justizvollzugs- oder Polizeikräften im Gefängnis „N.“ wusste der Klägern nichts Genaues zu berichten; man habe ihn bzw. seine Mutter beleidigt und gefragt, warum er gegen den Staat sei. Vor welchem Hintergrund diese Vollzugskräfte jedoch derartige Vorhaltungen gemacht haben, welche Erkenntnisse sie woher über den Kläger vor Haftantritt gewonnen hatten und welches Ziel sie mit ihren vermeintlichen Befragungen verfolgten, bleibt weiterhin gänzlich im Unklaren.
Zudem sind die Angaben des Klägers zu den von ihm in Haft erlittenen tätlichen Übergriffen im Detail widersprüchlich und zudem lebensfern. Einerseits hat er in der mündlichen Verhandlung betont, er sei mit speziellen Schlagstöcken im Bereich Bauch bis Knie so geschlagen worden, dass keinerlei Verletzungen zurückgeblieben seien. In seiner Klagebegründung vom 13. Januar 2014 führte er dagegen aus, er sei an und unter den Knien sowie an seinen Füßen geschlagen worden; er sei so geschlagen worden, dass man es später nicht nachweisen könne. Demgegenüber berichtete er in der mündlichen Verhandlung - sein vermeintliches Folterschicksal steigernd - von mehrfachen - nicht näher beschriebenen - Misshandlungen bis hin zur Bewusstlosigkeit. Derart massive Gewalteinwirkungen auf den menschlichen Körper gehen zur Überzeugung des Einzelrichters immer mit zumindest erheblichen Prellungen und Hautverletzungen/-veränderungen einher, die sich auch noch Wochen nach Durchleben einer solchen Tortur ärztlich feststellen lassen. Dies gilt insbesondere für die vom Kläger als Erlitten behauptete, in der rechtsmedizinischen Forschung bereits untersuchte Foltermethode „Nail torture“, bei der den Opfern spitze Gegenstände etwa in Form von Nadeln unter die Finger- und/oder Fußnägel geschoben werden, um das schmerzempfindliche Nagelbett zu treffen. In den ersten sechs Monaten erkennt man die „bezeichnenden Stichkanäle“ und später meist hyperpigmentierte Streifen unter den nachgewachsenen Nägeln. Bei einigen Folteropfern konnte zudem im Röntgenbild der Finger metalldichte Verschattungen bzw. Fremdkörperfragmente nachgewiesen werden, die nach dem Entfernen der Metallteile zurückgeblieben waren. Gegebenenfalls sich anschließende Infektionen des Nagelbetts führen u. U. zum Verlust des betroffenen Nagels (vgl. Bartholl, Probleme der Begutachtung von Folteropfern, med. Diss. 2004, S. 23 m.w.N., abrufbar unter: http://d-nb.info/971651167/34). Angesichts des Umstands, dass sich der Kläger bereits 2 Wochen nach seiner Haftentlassung in Deutschland befunden und sich nach kurzzeitigem Aufenthalt in der Landesaufnahmeeinrichtung in O. in die Obhut des Jugendamtes der Stadt O. begeben hat, ist auszuschließen, dass er derart schwerwiegende Verletzungen erlitten hat, ohne dass die zuständige Aufnahmebehörde etwa im Rahmen der nach § 62 AsylG vorgesehenen Gesundheitsuntersuchung oder aber der für ihn zuständige Amtsvormund des Jugendamtes O. im Zuge der Inobhutnahme und Unterbringung des Klägers in dem Kinder- und Jugendschutzhaus hiervon Notiz genommen hätten. Zudem ergeben sich auch aus den ersten ärztlichen Stellungnahmen der behandelnden Hausärztin Frau Dr. P. von Anfang 2012, die der Kläger im Rahmen seines Umverteilungsverfahrens dem VG Ansbach vorgelegt hat, keinerlei Anhaltspunkte für derlei Misshandlungen. Nimmt man den Umstand hinzu, dass der Kläger erstmals im Zuge des vorliegenden gerichtlichen Verfahrens - in der Klagebegründung vom 13. Januar 2014 ist hiervon noch keine Rede; dieser Aspekt wurde erst mit Vorlage des fachärztlichen Attestes des Q. Klinikums F. vom 10. Juli 2014 in das Verfahren eingeführt - vom Einsatz weiterer Foltermethoden wie dem Übergießen mit kaltem Wasser berichtet hat, liegt nach Auffassung des Einzelrichters auf der Hand, dass der Kläger nicht von einem selbst erlebten Geschehen berichtet, sondern etwa aus Berichten von Menschenrechtsorganisationen angelesene Folterschicksale als durch ihn erlebt bloß behauptet.
Nicht aufgelöst ist der Widerspruch zu der Frage, ob dem Kläger während seiner Inhaftierung eine Blutprobe zum Nachweis des vermeintlichen Drogenkonsums entnommen wurde. Eine dahingehende Aussage im Rahmen der Anhörung beim Bundesamt negiert der Kläger in der mündlichen Verhandlung mit der Begründung, er habe den Anhörer des Bundesamtes seinerzeit wohl falsch verstanden. Für ein solches Missverständnis gibt der in der Niederschrift festgehaltene Kontext dieses Teils der Befragung indes nichts her. Diese Angabe des Klägers ist eine von ihm eigeninitiativ vorgenommene Ergänzung, die er im Anschluss an die Beantwortung einer Nachfrage des Anhörers zum Ausgang des Strafverfahrens wegen illegalen Drogenbesitzes vorgenommen hat.
Soweit schon das Kerngeschehen des geltend gemachten Verfolgungsschicksals aus den vorstehenden Gründen nicht glaubhaft ist, genügt es nach Auffassung des Einzelrichters, auf die weiteren Widersprüche bzw. Ungereimtheiten in den Angaben des Klägers nur noch punktuell hinzuweisen:
In der mündlichen Verhandlung hat sich der Kläger dahingehend eingelassen, in Aserbaidschan einen Personalausweis besessen zu haben. Dieser sei aber bei seiner Mutter geblieben, zu der er seit eineinhalb Jahren keinen Kontakt mehr habe. Gegenüber der Regierung von Mittelfranken hat der Kläger zum Verbleib seines Personalausweises im Rahmen der Befragung zur Identitätsklärung am 5. Dezember 2011 indes angegeben, eine Behörde habe seinen Personalausweis in L. „entnommen“ und er könne keine Dokumente nachreichen. Vor diesem Hintergrund kann nach Auffassung des Einzelrichters schon die Identität des Klägers nicht als gesichert angesehen werden. Auf die Frage des Einzelrichters, welche Bemühungen er bislang zum Nachweis seiner Identität unternommen habe, wusste der Kläger trotz des 4-jährigen Aufenthalts in Deutschland und seiner durchaus anzuerkennenden Bemühungen um eine berufliche Integration nichts Nachvollziehbares zu antworten.
Nicht nachvollziehbar sind die Angaben des Klägers zu der Frage, ob er am 20. Oktober 2011 in der Gerichtsverhandlung allein gewesen sei oder einen anwaltlichen Beistand hatte. Während der Kläger in der mündlichen Verhandlung das Vorhandensein eines anwaltlichen Beistands verneint hat, verweist die von ihm mit anwaltlicher Beratung vorgenommene Klagebegründung vom 13. Januar 2014 u.a. auf den Umstand, dass der Freund seines Vaters ihm einen Anwalt organisiert habe, über welchen er während der Inhaftierung Kontakt gehalten habe. Warum dieser Anwalt ausgerechnet in der Gerichtsverhandlung nicht zugegen gewesen sein soll, hat der Kläger nicht darzulegen vermocht; diese Angabe muss deshalb als lebensfremd und nicht plausibel eingestuft werden.
Schließlich widerspricht sich der Kläger auch hinsichtlich des Zeitpunkts, wann er sich in Aserbaidschan erstmals in fachärztliche Behandlung wegen seiner Depressionen und Schlafstörungen begeben haben will. Während er diesen Zeitpunkt in der mündlichen Verhandlung auf Mai 2011 - nach den Demonstrationen - bestimmt hat, was mit der vorgelegten hausärztlichen Stellungnahme der Frau Dr. P. vom 15. Dezember 2014 konform geht, hat er in der von ihm vorgenommenen Klagebegründung vom 6. Februar 2012 an das VG Ansbach u.a. ausgeführt, bereits in L. habe er sich nach seiner vorläufigen Inhaftierung durch die Polizei wegen einer schweren Depression in ärztliche Behandlung begeben müssen, weil er keinen Weg aus der Perspektivlosigkeit und Unterdrückung durch die Polizei gesehen habe; er sei auf Medikamente angewiesen gewesen. Dieser Zustand habe bis zu seiner Flucht nach Deutschland angehalten.
In der Gesamtwürdigung der Angaben des Klägers gegenüber den verschiedenen deutschen Stellen, soweit diese aktenkundig sind, gelangt der Einzelrichter zu der Überzeugung, dass eben diese vom Kläger beschriebene Perspektivlosigkeit in seiner Heimat das wahre Motiv für seine Ausreise und seinen gegenwärtigen Aufenthalt im Bundesgebiet ist. Diese Perspektivlosigkeit für erhebliche Teile der aserbaidschanischen Jugend ist bedauerlich und beklagenswert; sie ist jedoch - und darauf kommt es vorliegend entscheidend an - für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft oder subsidiären Schutzes nicht entscheidungserheblich.
Da die Feststellung eines behaupteten traumatisierenden Ereignisses allein der Sachverhaltsfeststellung und -würdigung des erkennenden Gerichtes obliegt und der erkennende Einzelrichter ein solches Trauma auslösendes - asylerhebliches - Ereignis aufgrund der Angaben des Klägers nicht festzustellen vermochte, kann diese für die Zuerkennung eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG entscheidungserhebliche Frage nicht zum Gegenstand eines gerichtlich einzuholenden psychotraumatologischen Sachverständigengutachtens gemacht werden (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 20. Oktober 2006 - A 9 S 1157/06 -, InfAuslR 2007, S. 132, zit. nach juris LS), sodass der entsprechenden Beweisanregung der Prozessbevollmächtigten der Klägerin nicht nachzugehen war.
Der Einzelrichter brauchte schließlich auch der Frage, ob die vom Kläger zuletzt eingenommenen Medikamente in Aserbaidschan verfügbar sind, nicht weiter nachzugehen. Nach eigenen Angaben des Klägers ist die medikamentöse Behandlung seiner psychischen Erkrankung auf Anraten der behandelnden Fachärztin Dr. R. aktuell ausgesetzt; lediglich die Gespächstherapie wird einmal monatlich fortgesetzt. Ein medikamentöser Behandlungsbedarf ist daher gegenwärtig nicht feststellbar; die Recherchen des Einzelrichters haben zudem ergeben, dass sowohl das vom Kläger zuletzt eingenommene Medikament „Venlafaxin“ als auch Gesprächstherapien zur Behandlung psychischer Erkrankungen in Aserbaidschan erhältlich sind (vgl. Auskünfte der IOM Nürnberg vom 20. Januar 2014 - Az.: ZC 7/20.01.14 - und vom 2. Februar 2015 - Az.: ZC 9/02.02.2015 -). Der Kläger hat zudem angegeben, vor seiner Flucht nach Deutschland in L. durch fachärztlich verordnete Medikamente im Hinblick auf seine Schlafstörungen und Kopfschmerzen wirksam behandelt worden zu sein. Es ist nichts dafür ersichtlich, dass der Kläger - im Bedarfsfall - diese ärztliche Hilfe bei seiner Rückkehr nach Aserbaidschan nicht erneut erlangen könnte.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Gerichtskosten werden gem. § 83b AsylG nicht erhoben. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.