Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Beschl. v. 29.10.2010, Az.: L 8 AY 41/10 B

Bibliographie

Gericht
LSG Niedersachsen-Bremen
Datum
29.10.2010
Aktenzeichen
L 8 AY 41/10 B
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2010, 47925
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
SG - 16.04.2010 - AZ: S 24 AY 56/09

Tenor:

Die Beschwerde der Kläger gegen den Prozesskostenhilfebeschluss des Sozialgerichts Bremen vom 16. April 2010 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe

Die am 6. Mai 2010 gegen den ihren Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) ablehnenden Beschluss des Sozialgerichts Bremen (SG) vom 16. April 2010 eingelegte Beschwerde der Kläger ist zulässig, hat in der Sache jedoch keinen Erfolg.

Das SG hat den PKH-Antrag der Kläger im Ergebnis zu Recht mangels der in § 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 114 ZPO erforderlichen hinreichenden Erfolgsaussicht der am 25. August 2009 erhobenen Klage der Kläger abgelehnt.

Die Kläger begehren mit ihrer Klage die Verurteilung des Beklagten, ihnen unter Aufhebung des ablehnenden Bescheides des Beklagten vom 3. April 2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. April 2009 auf ihren Antrag vom 12. Januar 2009 gemäß § 44 SGB X die ihnen für den Zeitraum vom 1. Januar 2005 bis 30. August 2007 Leistungen gemäß § 3 AsylbLG gewährenden bestandskräftigen Leistungsbescheide zurückzunehmen und ihnen für diesen Zeitraum Leistungen gemäß § 2 AsylbLG zu gewähren.

Die Kläger haben keinen Anspruch darauf, dass ihnen der Beklagte gemäß § 44 Abs 4 SGB X die für den vergangenen Zeitraum vom 1. Januar 2005 bis 30. August 2007 begehrten Leistungen gemäß § 2 AsylbLG (unter Anrechnung der gewährten Leistungen nach § 3 AsylbLG) noch erbringt.

Zwar waren die für den streitigen Zeitraum vom 1. Januar 2005 bis 30. August 2007 bestandskräftig verfügten Leistungsbewilligungen gemäß § 3 AsylbLG wohl rechtswidrig, weil die Kläger für diesen Zeitraum einen Anspruch auf Leistungen nach § 2 AsylbLG gehabt haben dürften. Sie hatten zum 1. Januar 2005 über die damals (bis zum 27. August 2007) ausreichende (Vorbezugs-) Zeit von insgesamt 36 Monaten Leistungen gemäß § 3 AsylbLG erhalten. Ihnen ist voraussichtlich auch nicht vorzuwerfen, ihren Aufenthalt in Deutschland im Sinne von § 2 Abs 1 AsylbLG rechtsmissbräuchlich selbst beeinflusst zu haben. Insoweit hat der zuständige 8. Senat des BSG durch Urteil vom 17. Juni 2008 (B 8/9b AY 1/07 R -) unter Aufgabe der Rechtsprechung des zuvor zuständigen 9b. Senats (Urteil vom 8. Februar 2007 - B 9b AY 1/06 R -) entschieden, dass für den Vorwurf des Rechtsmissbrauchs nicht genügt, dass der Betroffene nicht freiwillig ausgereist ist. Mehr als eben die Tatsache, dass die geduldeten Kläger nicht freiwillig ausgereist sind, wird ihnen jedoch ausgehend vom gegenwärtigen Sach- und Streitstand von dem Beklagten nicht vorgeworfen. Entgegen der Auffassung des Beklagten ist für Beurteilung, ob die Kläger im Sinne von § 2 Abs 1 AsylbLG ihren Aufenthalt rechtsmissbräuchlich selbst beeinflusst haben, nicht unter Zugrundelegung der im streitigen Zeitraum gültigen (alten) Rechtsprechung des 9b. Senats des BSG, sondern nach der (neueren) vorstehend zitierten Rechtsprechung des 8. Senats des BSG - die vom Senat geteilt wird - zu beurteilen (vgl BSG, Urteil vom 17. Juni 2008 - B 8 AY 5/07 R -, juris Rdnr 15; Schütze in: von Wulffen, SGB X, 6. Aufl 2008, § 44 Rdnr 11 mwN).

Entgegen der Auffassung des Beklagten findet § 330 Abs 1 SGB III im Bereich des AsylbLG weder analog noch von seinem Rechtsgedanken her Anwendung. Denn bei dieser Vorschrift handelt es sich um eine ausdrücklich Sonderregelung im Bereich des SGB III, die weder für das AsylbLG direkt gilt, noch - anders als durch § 40 Abs 1 Satz 2 Nr 1 SGB II für das SGB II - für das AsylbLG für entsprechend anwendbar erklärt worden ist. Es bleibt daher - ohne eine notwendige gesetzliche Regelung, nach der in § 330 Abs 1 SGB II auch für das AsylbLG entsprechend Anwendung findet - bei der von § 9 Abs 3 AsylbLG bestimmten (nicht weiter modifizierten) entsprechenden Anwendbarkeit von § 44 SGB X.

Die Kläger haben aber dessen ungeachtet keinen Anspruch gemäß § 44 Abs 1 iVm Abs 4 SGB X gegen den Beklagten auf Erbringung der begehrten Leistungen gemäß § 2 AsylbLG für den vergangenen Zeitraum vom 1. Januar 2005 bis 30. August 2007, weil bei ihnen ein sozialhilferechtlicher Bedarf mangels fortbestehender Bedürftigkeit nicht mehr besteht. Nach der auch von den Beteiligten als einschlägig herangezogenen Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 29. September 2009 - B 8 SO 16/08 R -, juris Rdnrn 19, 21) sind Sozialhilfeleistungen - und um solche handelt es sich der Sache nach auch bei den vorliegenden streitigen sogenannten Analogleistungen gemäß § 2 AsylbLG - im Wege des § 44 Abs 4 SGB X nachträglich in der Regel (nur) zu erbringen, wenn Bedürftigkeit im Sinne des SGB XII oder des SGB II ununterbrochen fortbesteht. Hier waren die Kläger zwischen dem 31. März 2007 (letzter Tag des Leistungsbezugs nach dem AsylbLG) und dem 12. Januar 2009 (Antrag nach § 44 SGB X) überwiegend nicht im Leitungsbezug nach dem AsylbLG, dem SGB II oder dem SGB XII, weil ihr Lebensunterhalt durch Erwerbseinkommen des Klägers zu 1. und Kindergeld (bis zum 30. April 2008) bzw durch Arbeitslosengeld I und Kindergeld (vom 1. Mai 2008 bis zum Beginn des ergänzenden Alg II-Bezugs am 29. September 2008) gesichert war. Jedenfalls bei einer derartigen Fallgestaltung sind rückwirkend keine Sozialleistungen mehr zu erbringen.

Kosten des Beschwerdeverfahrens sind gemäß 127 Abs 4 ZPO nicht zu erstatten.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 177 SGG.