Landgericht Lüneburg
Beschl. v. 17.02.1999, Az.: 3 T 11/99
Prozesskostenhilfe (PKH) zur Durchführung eines Insolvenzverfahrens; PKH für das Insolvenzeröffnungsverfahren; PKH für das Restschuldbefreiungsverfahren; PKH für den Verfahrensabschnitt des Schuldenbereinigungsplanverfahrens; Anspruch auf Restschuldbefreiungsverfahren aus dem Sozialstaatsprinzip
Bibliographie
- Gericht
- LG Lüneburg
- Datum
- 17.02.1999
- Aktenzeichen
- 3 T 11/99
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 1999, 30413
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LGLUENE:1999:0217.3T11.99.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- AG Uelzen - 14.01.1999 - AZ: 7 IK 1/99
Rechtsgrundlagen
- § 1 Satz 2 InsO
- § 4 InsO
- § 5 InsO
- § 26 InsO
- § 298 InsO
- § 68 Abs. 3 GKG
Fundstellen
- EWiR 1999, 717
- KTS 1999, 345
- MittRKKöln 1999, 237
- NJW 1999, 2287-2288 (Volltext mit amtl. LS)
- NZI 1999, 203-204
- WM 1999, 1234-1236 (Volltext mit amtl. LS)
- WuB 1999, 1199-1200
- ZIP 1999, 372-373 (Volltext mit red. LS)
- ZInsO 1999, 604 (red. Leitsatz)
- ZInsO 1999, 182 (red. Leitsatz)
In dem Verbraucherinsolvenzverfahren
hat die 3. Zivilkammer des Landgerichts Lüneburg
durch
den Vorsitzenden Richter am Landgericht ...,
die Richterin am Landgericht ...
und den Richter am Landgericht ...
am 17.02.1999
beschlossen:
Tenor:
- 1.
Die Beschwerde des Antragstellers vom 28.01.1999 gegen den die Prozesskostenhilfe versagenden Beschluss des Amtsgerichts Uelzen vom 14.01.1999 wird zurückgewiesen.
- 2.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Gründe
1.
Der Antragsteller hat am 04.01.1999 einen Antrag auf Prozesskostenhilfe zur Durchführung eines Insolvenzverfahrens gem. §§ 304 ff InsO gestellt. Die hierzu erforderlichen Unterlagen hat er eingereicht.
Das Amtsgericht Uelzen hat mit Beschluss vom 14.01.1999 den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung des Rechtsanwalts ... zur Durchführung des Insolvenzverfahrens mit Restschuldbefreiung zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Antragstellers vom 28.01.1999.
2.
Die Beschwerde ist zulässig, aber unbegründet.
Dem Antragsteller konnte Prozesskostenhilfe jedenfalls im gegenwärtigen Verfahrensstand nicht bewilligt werden. Der Antrag ist zum Teil unzulässig, zum Teil unbegründet.
Die Insolvenzordnung selbst enthält keine ausdrückliche Bestimmung darüber, inwieweit auf den Eigenantrag des Schuldners Prozesskostenhilfe gewährt werden kann oder nicht. § 4 InsO bestimmt lediglich, dass für das Insolvenzverfahren die Vorschriften der ZPO entsprechende Anwendung finden, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt.
Der Antragsteller hat Prozesskostenhilfe insgesamt zur Durchführung eines Insolvenzverfahrens beantragt. Bei der Frage, ob und inwieweit hier Prozesskostenhilfe zu gewähren ist, muss indessen zwischen den verschiedenen Verfahrensabschnitten der InsO unterschieden werden (so auch AG Köln, ZIP 1999, 147; AG München, ZIP 1998, 2172 [AG München 07.12.1998 - 152 AR 220/98]). Im hier anhängigen Verbraucherinsolvenzverfahren sind drei Verfahrensabschnitte zu unterscheiden:
Zunächst das Schuldenbereinigungsplanverfahren gemäß § 305 ff InsO. Der Schuldner hat hier zusammen mit dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens einen Schuldenbereinigungsplan vorzulegen. Gem. § 306 InsO ruht das Verfahren über den Eröffnungsantrag bis zur Entscheidung über den Schuldenbereinigungsplan gem. §§ 308, 309 InsO. Soweit der Schuldenbereinigungsplan nicht gemäß § 308 InsO angenommen oder die Zustimmung der Gläubiger gem. § 309 InsO ersetzt wird, ist dann das eigentliche Insolvenzeröffnungsverfahren sowie das eröffnete Verfahren durchzuführen. Hierbei handelt es sich um den zweiten Verfahrensabschnitt. Erst nach der Durchführung dieses Insolvenzverfahrens kommt dann das Verfahren gem. §§ 286 ff InsO auf Restschuldbefreiung in Betracht.
a)
Für das Insolvenzeröffnungsverfahren sowie das eröffnete Verfahren ist der Antrag des Antragstellers unzulässig, da für diesen Verfahrensabschnitt Gewährung von Prozesskostenhilfe nicht in Betracht kommt (so auch AG Köln, a.a.O.; Kübler-Prütten, Kommentar zur Insolvenzordnung, §§ 4 Rdnr. 10, 286 Rdnr. 87; anderer Ansicht: AG München, a.a.O.; Pape, Restschuldbefreiung und Masselosigkeit, Rpfl. 1997, 242; Smied, NJW 1994, 2678).
Zunächst ist es unter Geltung der Konkursordnung allgemein anerkannt gewesen, dass auf den Eigenantrag des Gemeinschuldners diesem keine Prozesskostenhilfe bewilligt werden kann (vgl. Kilger/Schmidt, KO, 17.Aufl., § 72 Anm. 4 m.w.N.). Maßgebend war hierfür der Gedanke, dass der Gemeinschuldner nicht am Verfahren beteiligt ist und es bei seinem Eigenantrag an der geforderten "Erfolgsaussicht" fehlt.
Hieran ist für den Eigenantrag des Schuldners auch im neuen Insolvenzrecht für den Verfahrensabschnitt der Insolvenzeröffnung und der Durchführung des eigentlichen Insolvenzverfahrens festzuhalten. Die erforderlichen Ermittlungen hat hier das Gericht gem. § 5 InsO von Amts wegen durchzuführen. Sie können nicht von der Zahlung eines Kostenvorschusses abhängig gemacht werden (§ 68 Abs. 3 GKG). Ein Bedürfnis für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für diesen Verfahrensabschnitt besteht mithin nicht.
Der Gewährung von Prozesskostenhilfe steht auch die Regelung des § 26 InsO entgegen. Hiernach weist das Gericht den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens ab, wenn das Vermögen des Schuldners voraussichtlich nicht ausreichen wird, um die Kosten des Verfahrens zu decken. Die Abweisung unterbleibt gem. § 26 Abs. 1 Satz 2 InsO nur dann, wenn ein ausreichender Geldbetrag vorgeschossen wird. Dies hat beim Eigenantrag seitens des Schuldners zu geschehen. Es ist nicht angängig, diese materielle Voraussetzung für die Eröffnung des Insolvenzverfahrens verfahrensrechtlich durch die Gewährung von Prozesskostenhilfe zu umgehen. Die Gewährung von Prozesskostenhilfe dient nicht dazu, ausreichende Masse i.S.v. § 26 InsO zu schaffen.
Dem steht auch nicht die gesetzliche Zielsetzung in § 1 Satz 2 InsO entgegen, wonach dem redlichen Schuldner Gelegenheit gegeben werden soll, sich von seinen restlichen Verbindlichkeiten zu befreien (so auch AG Köln, a.a.O., 150). § 1 Satz 2 InsO bezieht sich ohnehin nur auf das Restschuldbefreiungsverfahren, lässt die vorgeschalteten Verfahrensabschnitte indessen unberührt. Insoweit setzt allerdings eine im Interesse des Schuldners liegende Restschuldbefreiung zuvor zwingend ein Insolvenzverfahren voraus, das der gemeinschaftlichen Befriedigung der Gläubigerinteressen dient. Erforderlich ist mithin, dass vor dem Restschuldbefreiungsverfahren ein Insolvenzverfahren stattgefunden hat oder zumindest eröffnet und gem. §§ 209, 211 KO eingestellt worden ist (vgl. Kübler-Prütting, § 286 Rdnr. 88).
Der Gewährung von Prozesskostenhilfe steht ferner die Regelung des § 298 InsO entgegen. Hiernach ist die Restschuldbefreiung zu versagen, wenn die an den Treuhänder abgeführten Beträge für das vorangegangene Jahr seiner Tätigkeit die Mindestvergütung nicht decken und der Schuldner den fehlenden Betrag nicht einzahlt. Diese Vergütung des Treuhänders muss der Schuldner aus seinem eigenen Vermögen zahlen. Dies gilt nach dem eindeutigen Willen des Gesetzgebers auch dann, wenn der Schuldner über längere Zeit hindurch nicht über pfändbare Beträge verfügt. Der Schuldner muss in einem solchen Fall die Mindestvergütung des Treuhänders notfalls aus seinem unpfändbaren Vermögen einzahlen (vgl. Text- und Dokumentationsband "Das neue Insolvenzrecht", Verlag für die Rechts- und Anwaltspraxis, Herne-Berlin, S. 694).
Der Versagung von Prozesskostenhilfe für diesen Verfahrensabschnitt steht auch das Sozialstaatsprinzip nicht entgegen. Dies würde darauf hinauslaufen, dass jedem mittellosen Schuldner ohne weiteres ein verfassungsrechtlicher Anspruch auf Restschuldbefreiung zustünde (so auch zutreffend AG Köln, a.a.O.). Dies ist indessen nicht der Fall. Aus dem Sozialstaatsgesichtspunkt kann allenfalls hergeleitet werden, dass der Gesetzgeber überhaupt ein Verfahren anzubieten hat, in dem die Möglichkeit einer Restschuldbefreiung vorgesehen ist. Die Ausgestaltung im Einzelnen bleibt dann indessen dem Gesetzgeber vorbehalten. Auch im Hinblick auf die Interessen der Gläubiger, deren Forderungen über Artikel 14 GG ebenfalls Verfassungsrang genießen, hat sich der Gesetzgeber dafür entschieden, Restschuldbefreiung von der Durchführung eines Insolvenzverfahrens abhängig zu machen. Dies setzt indessen voraus, dass die hierfür erforderlichen Kosten gem. § 54 InsO vorhanden sind, da der Antrag anderenfalls gem. § 26 InsO mangels Masse abzuweisen wäre.
b)
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für den Verfahrensabschnitt des Schuldenbereinigungsplanverfahrens gem. § 305 ff InsO ist zulässig, aber unbegründet.
Für das Schuldenbereinigungsplanverfahren kommt grundsätzlich die Bewilligung von Prozesskostenhilfe in Betracht (so auch AG Köln, a.a.O., 151). In diesem Verfahrensabschnitt hat der Schuldner selbst die erforderlichen Erklärungen und Unterlagen einzureichen sowie einen Schuldenbereinigungsplan aufzustellen. Der Amtsermittlungsgrund des § 5 InsO gilt hier nicht. Auch sieht § 305 Abs. 1 Nr. 4 InsO nicht vor, dass der Schuldenbereinigungsplan eine bestimmte Mindestsumme enthalten muss, die den Gläubigern anzubieten ist. Die Regelung des § 26 InsO findet insoweit keine Anwendung.
Der Antrag ist jedoch unbegründet, da er keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. Ausweislich der Unterlagen des Schuldners hat dieser Verbindlichkeiten bei vier verschiedenen Gläubigern i.H.v. 135.318,40 DM. Er will an diese vier Gläubiger im Laufe der nächsten 7 Jahre insgesamt, verteilt nach der Forderungshöhe, monatlich 150,00 DM zahlen. Nach seiner eigenen Berechnung bedeutet dies, dass die Gläubiger nur ca. 8 % ihrer Forderung innerhalb der nächsten 7 Jahre bezahlt erhalten werden. Dieser Plan hat keine Aussicht, von den Gläubigern gem. § 308 InsO angenommen zu werden. Es ist unwahrscheinlich, dass die Gläubiger sich auf eine derart geringfügige Befriedigungsquote einlassen und dem Plan zustimmen werden. Entsprechend hat auch der Caritasverband mit Schreiben vom 31.12.1998 erklärt, ein außergerichtlicher Einigungsversuch sei von allen Gläubigern abgelehnt worden. Bei dieser Sachlage kann nicht davon ausgegangen werden, dass zumindestens mehr als die Hälfte der Gläubiger i.S.v. § 309 InsO dem Schuldenbereinigungsplan zustimmen und damit nach Ablauf von 7 Jahren auf 92 % ihrer Forderung verzichten werden.
c)
Soweit der Antragsteller schließlich Prozesskostenhilfe für das Restschuldbefreiungsverfahren gem. §§ 286 ff InsO gestellt hat, ist sein Antrag unzulässig. Es braucht an dieser Stelle nicht entschieden zu werden, ob für das Verfahren auf Restschuldbefreiung überhaupt die Gewährung von Prozesskostenhilfe in Betracht kommt oder nicht. Jedenfalls beim derzeitigen Verfahrensstand ist dieser Antrag unzulässig. Der Antragsteller begehrt hier nämlich Prozesskostenhilfe für einen Verfahrensabschnitt, dessen Eintritt derzeit ungewiss ist (vgl. hierzu insoweit auch AG Köln, a.a.O., 149; AG München, a.a.O., 2174). Zum jetzigen Zeitpunkt, in dem noch nicht einmal das Schuldenbereinigungsplanverfahren durchgeführt worden ist, kann nicht mit hinreichender Sicherheit festgestellt werden, ob es überhaupt ein eröffnetes Insolvenzverfahren geben wird und sich hieran ein Restschuldbefreiungsverfahren anschließen wird. Es fehlen deshalb hinreichende tatsächliche Grundlagen, um bereits jetzt über den Antrag auf Prozesskostenhilfe für das Restschuldbefreiungsverfahren entscheiden zu können.
Die Beschwerde war daher insgesamt mit der Kostenfolge des § 97 ZPO zurückzuweisen.