Landgericht Lüneburg
Beschl. v. 01.03.1999, Az.: 3 T 6/99
Voraussetzungen für die Eröffnung eines Konkursantragsverfahrens; Anforderungen an die Vorrangigkeit oder Vorgreiflichkeit des Insolvenzeröffnungsverfahrens
Bibliographie
- Gericht
- LG Lüneburg
- Datum
- 01.03.1999
- Aktenzeichen
- 3 T 6/99
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 1999, 30006
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LGLUENE:1999:0301.3T6.99.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- AG Soltau - AZ: 5 N 68/98
Rechtsgrundlagen
- Art. 103 EGInsO
- Art. 104 EGInsO
- § 71 Abs. 2 KO
- § 106 KO
- § 261 Abs. 3 ZPO
Fundstellen
- DZWIR 1999, 116
- ZInsO 1999, 231-232 (Volltext mit red. LS)
Entscheidungsgründe
Das Konkursantragsverfahren ist nicht auszusetzen, weil keine Vorrangigkeit oder Vorgreiflichkeit des Insolvenzeröffnungsverfahrens besteht.
Im Gegensatz zu der von Schmahl (Rpfl. 1998, 493 ff.) und Vallender und Rey (NZI 1999) vertretenen Meinung, dem sich das AG Soltau in der angefochtenen Entscheidung anschließt, ergibt sich aus Art. 103 EGInsO, daß noch vor dem 01.01.1999 eingeleiteten Konkursverfahren Priorität gegenüber den danach gestellten Anträgen auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens einzuräumen ist.
Art. 103 EGInsO lautet:
"Auf Konkurs-, Vergleichs- und Gesamtvollstreckungsverfahren, die vor dem 01.01.1999 beantragt worden sind, und deren Wirkung sind weiter die bisherigen gesetzlichen Vorschriften anzuwenden. ..."
Daraus geht zum einen eindeutig hervor, daß es für die Frage der Anwendung von Konkursrecht oder Insolvenzrecht auf den Zeitpunkt der Antragstellung ankommt. Desweiteren werden damit bei Antragstellung vor dem 01.01.1999 uneingeschränkt die bisherigen Vorschriften der KO, VerglO und GesO in ihrer zuletzt geltenden Fassung für anwendbar erklärt. Die KO umfaßt aber nicht nur Vorschriften für den Zeitpunkt nach Eröffnung des Konkursverfahrens, sondern ist auch maßgebend für das Konkurseröffnungsverfahren (§§ 102 ff. KO), weshalb das AG Soltau hiermit Beschluß v. 21.12.1998 einstweilige Anordnung nach § 106 KO getroffen hat.
Es liegt deshalb keine Regelungslücke für die Fälle vor, in denen im Zeitpunkt des In-Kraft-Tretens der InsO ein Konkursverfahren bereits beantragt, aber noch nicht eröffnet war; auch hier bleibt das bisherige Recht maßgebend. In der Begründung des Regierungsentwurfs zum EGInsO (abgedr. bei Balz/Landfermann, Die neuen Insolvenzgesetze, S. 688) steht dies ausdrücklich geschrieben.
Unerheblich ist, ob die Insolvenzmasse nach neuem Recht in jedem Fall identisch ist mit der Konkursmasse nach altem Recht. - Stellt man auf den Zeitpunkt der Antragstellung ab, wird dies im übrigen im Regelfall zu bejahen sein (Ausnahme: § 88 InsO), denn eine Einbeziehung des Vermögens, das der Schuldner während des Verfahrens erlangt (§ 35 InsO), kommt dann logischerweise noch nicht in Betracht. - Denn Parallelverfahren nach neuem und altem Recht sollen nach dem Sinn und Zweck der Bestimmungen des EGInsO vermieden werden. Art. 103 EGInsO stellt nicht nur eine Ausgestaltung des Prioritätsprinzips dar, das sich in vielen gesetzlichen Bestimmungen findet - § 261 Abs. 3 ZPO (Rechtshängigkeit), § 71 Abs. 2 KO (Zuständigkeit des Konkursgerichts) -, sondern in der Abgrenzung zu Art. 104 EGInsO (Anwendung des neuen Rechts) i.V.m. Art. 2 EGInsO (Aufhebung von Gesetzen) geht auch hervor, daß eine gleichzeitige Anwendbarkeit von neuem und altem Recht hinsichtlich desselben Schuldnervermögens ausgeschlossen ist. Die strikte Trennung der Verfahren ist ein Gebot der Rechtssicherheit und der Praktikabilität (verschiedene Zuständigkeiten, Widersprüche und Doppelmaßnahmen).
Auch von der Gegenmeinung wird nicht geltend gemacht, daß neben dem - eröffneten - Konkursverfahren ein Insolvenz(Eröffnungs-)Verfahren, dasselbe Schuldnervermögen betreffend, anhängig gemacht werden kann, obwohl ihre Argumentation - keine Identität des Streitgegenstandes, weil die Insolvenzmasse nicht mit der Konkursmasse identisch sein muß - nicht nur auf Konkurseröffnungsverfahren, sondern auch auf bereits eröffnete Konkursverfahren zutreffen würde. In diesen Fällen wird aber von dieser Meinung ebenfalls aus Art. 103 EGInsO eindeutig der Vorrang der KO bei vor dem 01.01.1999 gestellten, zulässigen Anträgen entnommen. Da, wie bereits ausgeführt, auch das Konkurseröffnungsverfahren Teil des Konkursverfahrens i.S.d. Vorschrift ist, kann hierfür nichts anderes gelten.
Der am 08.01.1999 gestellte Eigenantrag der Schuldnerin auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens war also unzulässig, weshalb das AG Celle auch Sicherungsmaßnahmen nach §§ 21, 22 InsO nicht hätte anordnen dürfen. Die im Hinblick auf das Insolvenzeröffnungsverfahren vom AG Soltau beschlossene Aussetzung des Konkursantragsverfahrens ist, abgesehen von dem Problem, ob eine Aussetzung in einem grundsätzlich eilbedürftigen Konkurseröffnungsverfahren überhaupt in Betracht kommt, aufzuheben.