Verwaltungsgericht Lüneburg
Urt. v. 05.04.2017, Az.: 6 A 525/16
Grunderwerb; Königreich Preußen; öffentliche Ämter; Reichsbürger; Sachbescheidungsinteresse
Bibliographie
- Gericht
- VG Lüneburg
- Datum
- 05.04.2017
- Aktenzeichen
- 6 A 525/16
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2017, 54204
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 30 Abs 1 RuStAG
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
Kein Anspruch auf Erteilung eines Staatsangehörigkeitsausweises ohne konkreten Zweck
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Feststellung der deutschen Staatsangehörigkeit und die Ausstellung eines Staatsangehörigkeitsausweises.
Der am C. in D. geborene Kläger, der Inhaber eines bis September 2020 gültigen deutschen Reisepasses ist, stellte am 5.Oktober 2016 unter Verwendung eines dafür vorgesehenen Formulars einen „Antrag auf Feststellung der deutschen Staatsangehörigkeit (Staatsangehörigkeitsausweis)“. Er habe die deutsche Staatsangehörigkeit durch Abstammung von seinem Vater gem. §§ 1, 3 Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetz (RuStAG) Stand 1913 erworben. Daneben besitze er durch Abstammung seit Geburt die Staatsangehörigkeit des Königreiches Preußen.
Mit Anhörungsschreiben vom 2. November 2016 wies der Beklagte darauf hin, dass es sich bei der Ausstellung eines Staatsangehörigkeitsausweises um einen feststellenden Verwaltungsakt handele, für den ein schutzwürdiges Sachbescheidungsinteresse vorliegen müsse. Dies sei jedoch nicht erkennbar, so dass der Antrag abzulehnen sei. Der Kläger werde gebeten mitzuteilen, von welcher öffentlichen Behörde seine deutsche Staatsangehörigkeit bestritten werde.
Der Kläger wies das Schreiben des Beklagten vom 2. November 2016 zurück und bat um Mitteilung der Rechtsgrundlagen für die ihm gestellten Fragen.
Mit Bescheid vom 14. November 2016 lehnte der Beklagte den Antrag unter Hinweis auf das fehlende Feststellungsinteresse ab, da die deutsche Staatsangehörigkeit des Klägers in keiner Weise zweifelhaft und die Notwendigkeit eines Staatsangehörigkeitsausweises nicht dargelegt sei. Eine Feststellung nach dem nicht mehr gültigen Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetz sei zudem nicht mehr möglich.
Daraufhin hat der Kläger fristgerecht Klage erhoben.
Er trägt vor, sein Personalausweis und sein Reisepass seien nicht geeignet, um einen Nachweis der Staatsangehörigkeit zu erbringen. § 30 StAG sehe ausdrücklich vor, dass die Staatsangehörigkeit auf Antrag festzustellen sei. Ein besonderes Sachbescheidungsinteresse sei nicht erforderlich. Art. 33 Abs. 2 GG sehe gesonderte Rechte für den Zugang zu öffentlichen Ämtern vor. Spätestens bei der Bewerbung für ein solches Amt bedürfe es eines Nachweises der deutschen Staatsangehörigkeit. Auch für den Erwerb von Grundeigentum im Ausland sei ein solcher Nachweis erforderlich.
Der Kläger beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, ihm den beantragten Staatsangehörigkeitsausweis zu erteilen,
hilfsweise,
den Beklagten zu verurteilen, seinen Antrag sowohl in sachlicher Hinsicht auf die bestehende Staatsangehörigkeit neu zu bescheiden.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er nimmt Bezug auf sein Vorbringen im Vorverfahren und weist ergänzend darauf hin, dass der Kläger nicht vorgetragen habe, welche Behörde seine deutsche Staatsangehörigkeit bestreite. Der Kläger sei 1954 als Sohn eines deutschen Staatsangehörigen auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland geboren. Seine Staatsangehörigkeit sei nie in Zweifel gezogen worden und auch für einen Laien ganz offensichtlich.
Die Kammer hat den Rechtsstreit dem Berichterstatter als Einzelrichter zur Entscheidung übertragen. Die Beteiligten haben übereinstimmend auf mündliche Verhandlung verzichtet.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und des Verwaltungsvorgangs des Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Über die Klage kann im Einverständnis der Beteiligten gem. § 101 Abs. 2 VwGO ohne mündliche Verhandlung entschieden werden.
Die Klage hat keinen Erfolg.
Die Klage ist als Verpflichtungsklage zulässig. Nach dem Inhalt seiner Schreiben begehrt der Kläger die Feststellung seiner deutschen Staatsangehörigkeit nach § 30 Abs. 1 StAG und in der Folge die Ausstellung eines Staatsangehörigkeitsausweises.. Die Entscheidung des Beklagten darüber stellt einen Verwaltungsakt dar, so dass der Klagantrag nach § 88 VwGO auszulegen ist als Antrag auf Aufhebung des Bescheides vom 14. November 2016 und Verpflichtung des Beklagten zur Feststellung der deutschen Staatsangehörigkeit und Ausstellung eines entsprechenden Ausweises.
Die Klage ist jedoch unbegründet. Der angefochtene Bescheid ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Er hat keinen Anspruch auf die Feststellung der deutschen Staatsangehörigkeit und die damit verbundene Ausstellung des Staatsangehörigkeitsausweises. Auch ein Anspruch auf Neubescheidung, wie er mit dem Hilfsantrag geltend gemacht wird, besteht nicht.
Rechtsgrundlage für den geltend gemachten Anspruch ist § 30 StAG. Nach dessen Abs. 1 Satz 1 wird das Bestehen der deutschen Staatsangehörigkeit auf Antrag von der Staatsangehörigkeitsbehörde festgestellt. Wird das Bestehen der deutschen Staatsangehörigkeit festgestellt, stellt die Staatsangehörigkeitsbehörde nach § 30 Abs. 3 StAG einen Staatsangehörigkeitsausweises aus.
Diese Vorschriften setzen - worauf der Kläger richtig hinweist - ihrem Wortlaut nach kein besonderes Interesse an der Feststellung der deutschen Staatsangehörigkeit und der Ausstellung eines Staatsangehörigkeitsausweises voraus. Die Notwendigkeit eines solchen besonderen Interesses ergibt sich jedoch aus allgemeinen verwaltungsverfahrensrechtlichen Grundsätzen. Das Erfordernis eines Sachbescheidungsinteresses gilt vergleichbar mit dem im Prozess erforderlichen allgemeinen Rechtsschutzbedürfnis als Ausdruck allgemeiner Rechtsgrundsätze auch im Verwaltungsverfahren. Wie im gerichtlichen Verfahren ist auch im behördlichen Verfahren ein Antrag nur zulässig, wenn der Antragsteller ein schutzwürdiges Interesse an der von ihm begehrten Amtshandlung hat, weil er sie etwa zur Verwirklichung oder Wahrung eines Rechts benötigt und die Verwaltung nicht für unnütze oder unlautere Zwecke oder sonst missbräuchlich in Anspruch nimmt. In Fällen, in denen ein schutzwürdiges Interesse an der begehrten Amtshandlung nicht ersichtlich ist, ist die Behörde zwar nicht verpflichtet, aber berechtigt, die Amtshandlung allein aus diesem Grunde zu verweigern (BVerwG, U. v. 23.03.1973 - IV C 49.71 - und B. v. 30.06.2004 - 7 B 92.03 - beide juris, sowie Kopp/Ramsauer, VwVfG, 17. Aufl. 2016, § 22 Rn. 77 ff. m.w.N.; zu § 30 StAG VG Potsdam, U. v. 14.03.2016 - VG 8 K 4832/15 - ; VG Magdeburg, U. v. 09.09.2016 - 1 A 88/16 - ; VG Schleswig, Urteil v.11.1.2017 – 9 A227/16 -; VG Hamburg, Urteil v. 10.1.2017 – 2 K 6629/15 - , jeweils in juris, vgl. auch Marx in Gemeinschaftskommentar zum Staatsangehörigkeitsrecht, Stand 21.04.2010, § 30 Rn. 17 ff.).
Hier besteht ein solches Sachbescheidungsinteresse jedoch nicht, denn die begehrte Feststellung der deutschen Staatsangehörigkeit und die Ausstellung eines Staatsangehörigkeitsausweises wären für den Kläger ersichtlich nutzlos. Seine deutsche Staatsangehörigkeit steht nicht in Zweifel. Er ist als Sohn deutscher Eltern auf dem Gebiet der heutigen Bundesrepublik Deutschland geboren, wird im Melderegister als deutscher Staatsangehöriger geführt und ist im Besitz eines deutschen Personalausweises, aufgrund dessen er als deutscher Staatsangehöriger zu behandeln ist (§ 3 Abs. 2 S. 2 StAG). Seine deutsche Staatsangehörigkeit wird von keiner Seite in Frage gestellt. Es ist deshalb nicht ersichtlich, warum er einen Staatsangehörigkeitsausweises zum Nachweis seiner Staatsangehörigkeit benötigt. Er hat dem Beklagten auch keine Behörde benennen können, die seine Staatsangehörigkeit in Zweifel zieht. Tatsächlich kandidiert er weder für ein öffentliches Amt noch hat er konkrete Absichten zum Grunderwerb im Ausland. Seine Handlungsfreiheit wird durch die Versagung des Staatsangehörigkeitsausweises in keiner Weise eingeschränkt. Vielmehr kann er sich, wenn er einen solchen Ausweis für ein von ihm konkret zu benennendes Vorhaben tatsächlich benötigt, jederzeit an den Beklagten wenden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11 ZPO.
Gründe für die Zulassung der Berufung gemäß § 124 a Abs. 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder 4 VwGO durch das Verwaltungsgericht liegen nicht vor.