Verwaltungsgericht Braunschweig
Urt. v. 20.05.2008, Az.: 6 A 404/07
Nichtbestehen der Diplomvorprüfung wegen Täuschung; Anhörung; Einvernehmen; Heilung; Täuschung; Täuschungsversuch
Bibliographie
- Gericht
- VG Braunschweig
- Datum
- 20.05.2008
- Aktenzeichen
- 6 A 404/07
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2008, 45048
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:VGBRAUN:2008:0520.6A404.07.0A
Rechtsgrundlagen
- § 2 NVwVfG
- § 28 VwVfG
- § 45 VwVfG
- § 46 VwVfG
Amtlicher Leitsatz
- 1.
Hat der Prüfer aufgrund der Diplomprüfungsordnung nach Anhörung des Prüflings eine Entscheidung über das Vorliegen einer Täuschung zu treffen, muss der Prüfling ausdrücklich unter Mitteilung der festgestellten Tatsachen und der daraus folgenden Konsequenzen zu einer Stellungnahme aufgefordert werden.
- 2.
Die positive Feststellung eines Einvernehmens zwischen Prüfer und Prüfling hinsichtlich des Vorliegens einer Täuschung setzt eine ausdrückliche Erklärung des Prüflings voraus.
- 3.
Eine fehlende Anhörung kann über § 2 Abs. 3 Nr. 2 NVwVfG i.V.m. § 45 VwVfG geheilt werden. Fehler bei der Feststellung des Einvernehmens können gemäß § 46 VwVfG unbeachtlich sein, wenn der Verfahrensfehler die Entscheidung in der Sache offensichtlich nicht beeinflusst hat.
Tatbestand
Der Kläger wendet sich gegen die Bewertung seiner Prüfungsleistung im Fach "Projektmanagement" und die Feststellung des endgültigen Nichtbestehens der Diplomvorprüfung. Er begehrt die erneute Zulassung zur Prüfung.
Seit dem 01.09.2004 studierte er bei der Beklagten am Standort Salzgitter, der Karl-Scharfenberg-Fakultät, im Diplomstudiengang Wirtschaftsingenieurwesen mit Studienrichtung Verkehrsmanagement. Am 03.07.2007 wurde im Fach Projektmanagement von 11.00 bis 12.00 Uhr unter Aufsicht des Zeugen E. eine Klausur geschrieben. Für den Kläger handelte es sich um den zweiten Wiederholungsversuch in diesem Fach. Nach einem Vermerk auf der Klausur wurde um 11.31 Uhr ein Täuschungsversuch festgestellt und die Klausur um 11.43 Uhr abgegeben. Die Klausurlösung ist unvollständig. Eine förmliche Bewertung erfolgte nicht. Im gleichen Raum wurde eine Klausur im Fach Rechnungswesen unter Aufsicht der Zeugin F. geschrieben. Im "Protokoll Täuschungsversuch A." vom 03.07.2007, welches von den Zeugen E. und F. unterschrieben ist, wird Folgendes ausgeführt:
"Frau F. machte mich im Verlauf der Klausur wiederholt auf ein verdächtiges Verhalten eines Studierenden aufmerksam, der in der letzten Reihe ganz außen am Fenster saß. Nach nur kurzer Beobachtung des Studierenden A. (Matrikelnummer G.) war auch für mich eindeutig erkennbar, dass dieser immer wieder in seine linke Hand schaute, wenn er sich unbeobachtet fühlte.
Ich habe Herrn A. darauf angesprochen (Uhrzeit 11.31 Uhr) und sehr widerwillig hat er mir seine linke Hand gezeigt, wodurch sich die Täuschung als eindeutig herausstellte. Die linke Handinnenfläche war relativ eng in ca. 6-8 Zeilen mit einem blauen Stift beschriftet.
Der Bezug zur Klausur war gegeben, z.B. war groß und eindeutig die Abkürzung VKN zu lesen, was für VorgangsKnotenNetz steht (eine Netzplanmethode im Projektmanagement) sowie weitere Ausführungen zu diesem Thema ("kritischer Pfad").
Ich habe ihm gesagt, dass er zwar weiter schreiben könne, dies aber eindeutig ein Fall für den Prüfungsausschuss sein wird, da dies ein Täuschungsversuch sei. Frau F. hat sich auf meinen Wunsch hin ebenfalls sofort seine linke Hand angeschaut und kann den Täuschungsversuch bestätigen. Um 11.43 Uhr hat er seine Arbeit abgegeben."
Mit Schreiben an den Prüfungsausschuss der Karl-Scharfenberg-Fakultät Salzgitter (im Folgenden Prüfungsausschuss) vom 03.07.2007 "widersprach" der Kläger "dem Ergebnis" der Klausur im Fach Projektmanagement, die Prüfungsleistung im letzten Versuch aufgrund eines Täuschungsversuches als endgültig nicht bestanden zu bewerten. Ein Täuschungsversuch von seiner Seite habe nicht vorgelegen. Ohne berechtigte Beweise sei seine Klausur gegen 11.40 Uhr, also ca. 25 Minuten vor dem offiziellen Ende der verfügbaren Zeit durch den Zeugen E. abgebrochen worden. Deshalb beantrage er die Möglichkeit eines neuen Versuchs im Wintersemester 2007/2008. Am 04.07.2007 veröffentlichte der Zeuge E., dass der Kläger die Klausur nicht bestanden habe. Nach Aufforderung durch den Vorsitzenden des Prüfungsausschusses legte der Kläger unter dem 17.07.2007 dar, der Zeuge E. habe ihn gegen 11.30 Uhr aufgefordert, ihm seine Hand zu zeigen. Dieser habe lediglich einen sekundenlangen Blick in seine Hand geworfen und geantwortet "Aha, ein Fall für den Prüfungsausschuss. Schreiben Sie die Klausur weiter!" Ohne der Frage nachgegangen zu sein, was inhaltlich in seiner Hand gestanden habe, ohne sich Notizen gemacht zu haben und ohne ihm die Möglichkeit eingeräumt zu haben, von seiner Seite aus Hinweise und Argumente einzubringen, die den Verdacht auf Täuschung beseitigt hätten, habe dieser den Raum verlassen. Nach ca. 10 Minuten sei er zurückgekommen und habe gesagt: "Sie brauchen gar nicht mehr weiter schreiben, das bringt Ihnen nun gar nichts mehr." Der Prüfer habe die Zeugin F. aufgefordert, sich seine Hand anzusehen. Diese habe gefragt: "Was ist da?" Nachdem sie ca. eine Sekunde aus mindestens 2 m Entfernung auf seine Hand geschaut habe, habe sie gesagt: "Aha." Nachdem der Zeuge E. noch einmal wiederholt habe, dass seine Klausur beendet sei, sei er der Aufforderung nachgekommen und habe abgegeben. Was in seiner Hand gestanden haben soll, sei nicht weiter verfolgt worden. Er könne sich den Verdacht auf Täuschung nicht erklären, da in seiner Hand keinerlei Hinweise im Zusammenhang mit der Prüfungsleistung gestanden hätten. Beide Aufsichtsführenden hätten nicht geprüft, was in seiner Hand gestanden habe, und dazu nichts schriftlich festgehalten. Die Zeugin F. habe aus der Entfernung gar nicht sehen können, was in seiner Hand gestanden habe. Der Zeuge E. sei nicht entsprechend der Prüfungsordnung verfahren. Zwischen diesem und ihm habe kein Einvernehmen über den Täuschungsversuch bestanden. Daher hätte ihm nach § 16 Abs. 3 Satz 6 der geltenden Diplomprüfungsordnung (im Folgenden DPO) eine Fortsetzung der Prüfung ermöglicht werden müssen. Der Aufsichtsführende habe als Unbefugter unzulässig entschieden, sodass nunmehr die Möglichkeit eines neuen Versuches in Betracht komme. Auch falle der Vorwurf des Täuschungsversuches zusammen, da keine Anhörung nach § 16 Abs. 3 Satz 3 DPO stattgefunden habe.
Mit dem hier angefochtenen Bescheid vom 03.08.2007 teilte der Vorsitzende des Prüfungsausschusses dem Kläger mit, die Diplomvorprüfung endgültig nicht bestanden zu haben, da dieser im Fach Projektmanagement eine Täuschung nach § 16 Abs. 3 DPO begangen habe und daher die Prüfungsleistung mit "nicht ausreichend" bewertet worden sei. Eine weitere Wiederholung der Prüfung sei nicht möglich.
Dagegen erhob der Kläger am 23.08.2007 Widerspruch und trug wiederum vor, keine Täuschung begangen zu haben. § 16 Abs. 3 Satz 1 DPO greife nicht. Aus dem angefochtenen Bescheid gehe nicht erkennbar hervor, worin konkret die Täuschung bestehen solle. Außerdem liege ein Formfehler vor, der dazu führe, dass die Prüfungsleistung zu wiederholen sei. Er sei aufgefordert worden, die Arbeit vor Ende der offiziellen Prüfungszeit abzubrechen. Nach § 16 Abs. 3 Satz 4 DPO sei die Prüfungsleistung abzubrechen, wenn Einverständnis über die Täuschung vorliege. Dieses habe nicht vorgelegen.
Der Prüfungsausschuss entschied in seiner Sitzung am 06.09.2007, dem Widerspruch nicht stattzugeben; dem stimmte der Fakultätsrat am 17.10.2007 zu. Mit Bescheid vom 20.11.2007 lehnte die Beklagte den Widerspruch ab. Zur Begründung verwies sie auf den Inhalt des Protokolls vom 03.07.2007. Daraus ergebe sich eindeutig eine unzulässige Beschriftung der Handinnenfläche. Der Zeuge E. habe dem Kläger mitgeteilt, dass er zwar weiterschreiben könne, dies aber eindeutig ein Fall für den Prüfungsausschuss sein werde, da es ein Täuschungsversuch sei. Der Kläger sei nicht aufgefordert worden, die Prüfung vorzeitig zu beenden. Vielmehr bescheinige das Protokoll, dass der Kläger die Klausur zunächst weitergeschrieben habe und sich erst später entschlossen habe, die Prüfung vorzeitig zu beenden. Der Prüfungsausschuss habe keinen Form- oder Verfahrensfehler feststellen können.
Dagegen hat der Kläger am 21.12.2007 Klage erhoben und einen Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gestellt. Das einstweilige Rechtsschutzverfahren wurde mit Beschluss des Gerichts vom 11.01.2008 nach Antragsrücknahme eingestellt (6 B 405/07).
Zur Begründung der Klage trägt der Kläger ergänzend vor, in seiner Hand hätten keine Hinweise gestanden, die im Zusammenhang mit der Prüfung zu sehen seien. Er habe am Tag der Prüfung gegen 9.00 Uhr mit dem Zeugen H. telefoniert, der in D. ein Nebengewerbe für Miniaturmodelle betreibe. Er sei bei diesem Kunde. Zu diesem Zeitpunkt sei er auf dem Rückweg vom Einkaufen gewesen. Der Zeuge H. habe ihm per Handy mitgeteilt, dass ein von ihm bestelltes Sondermodell eingetroffen sei. Er habe beabsichtigt, am Tag nach der Prüfung von Salzgitter zu seinen Eltern nach I. und dabei über D. zu fahren, um bei dem Zeugen H. seine bestellte Ware abzuholen. Er habe geplant, mit der Bahn von Braunschweig über Bielefeld nach Hamm zu fahren. Der Zeuge H. habe ihm deshalb am Telefon mitgeteilt, er könne sich unter www.vku-online.de über Linienbusverbindungen der VKU (Verkehrsbetriebe Unna) vom Bahnhof Hamm nach D. informieren. Unterwegs habe er sich deshalb in die linke Hand groß das Kürzel "VKU" und darunter klein "- online.de" geschrieben. Rechts daneben habe er die Liniennummern "S10" und "R 14" geschrieben. Darüber hinaus hätten im rechten Teil der Hand auf dem Mittelfinger und Ringfinger die Bemerkungen "Ich schaffe das!" und "Ich bin stark!" gestanden. Dies habe ihm sein Psychotherapeut geraten, da er in den ersten Semestern Klausuren nicht bestanden hatte, weil er zuviel Zeit für die Bearbeitung punkteschwacher Aufgaben verloren hatte. Wenn er bei einer Klausur mit der Bearbeitung einer Aufgabe nicht weiterkomme und innerlich unruhig werde, sollte er auf diese Bemerkungen schauen und zügig zu anderen Aufgaben der Klausur übergehen.
Nicht richtig bzw. unvollständig sei die Darstellung, dass er in der Prüfung seine Hand nur widerwillig gezeigt habe. Der Prüfer sei handgreiflich geworden und es sei zu einem kurzen Handgezerre gekommen. Nur dagegen habe er rechtmäßig Widerstand geleistet. Der Aufsichtführende habe die Hand nur seitlich versetzt gesehen und in einem lediglich sekundenlangen Blick nichts Inhaltliches erkennen können, zumal diesen Inhaltliches nicht interessiert habe. Auch die zweite Prüferin habe keine inhaltlichen Punkte erkennen können. Die Klausur sei eindeutig durch den Zeugen E. abgebrochen worden. Dieser habe ihn zunächst, bevor er den Raum verlassen habe, weiterschreiben lassen. Für den Abbruch der Klausur sprächen jedoch eindeutig die Äußerungen des Prüfers nach Rückkehr in den Prüfungsraum, in dem mehrfach in für alle Prüflinge störender Art und Weise gesagt worden sei: "Es bringt Ihnen nichts mehr, weiter zu schreiben !" oder "Das bringt Ihnen nun gar nichts mehr. Hören Sie besser gleich auf, weiter zu schreiben." Diese Bemerkungen hätten für ihn eindeutig den Abbruch der Klausur beinhaltet. Gemäß § 16 Abs. 3 Satz 4 DPO sei die Prüfungsleistung abzubrechen, wenn Einverständnis über die Täuschung vorliege. Dieses habe nicht vorgelegen. Selbst wenn man von einem Täuschungsversuch ausginge, sei die Sanktion des Nichtbestehens der Prüfung unverhältnismäßig, da keine brauchbaren Hinweise in der linken Hand gestanden hätten. Bei einem solchen leichten Verstoß hätte es im Rahmen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes gereicht, ihm die Wiederholung der Prüfung aufzuerlegen.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid des Prüfungsausschusses vom 03.08.2007 i.d.G. des Widerspruchsbescheides der Beklagten vom 20.11.2007 aufzuheben und ihn erneut zur Prüfung im Fach Projektmanagement zuzulassen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung verweist sie auf das Protokoll des Täuschungsversuchs vom 03.07.2007. Aufgrund der dortigen Feststellungen sei die Behauptung, es habe in der Hand nicht groß VKN, sondern VKU gestanden, als Schutzbehauptung zu werten. Nach Angaben des Zeugen E. sei es auch nicht zu einem Handgezerre gekommen, wobei dieser handgreiflich geworden sei. Dieser habe den Kläger lediglich leicht angefasst, um die Notizen eindeutig entziffern zu können. Der Kläger sei weder aufgefordert worden, die Klausur abzubrechen, noch sei ihm die Klausur entzogen worden. Als der Kläger die Klausur um 11.43 Uhr abgeben habe, sei der Prüfer davon ausgegangen, dass der Kläger damit die Täuschung wegen der eindeutigen Beweislage eingeräumt habe. Aus diesem Grund habe der Prüfer die Mitteilung über das Nichtbestehen der Prüfung am nächsten Tag veröffentlicht. Da keine unmittelbare Anweisung zum Beenden der Klausur erfolgt sei, sondern der Prüfer dem Kläger lediglich seine Sichtweise der Situation erklärt habe, komme eine andere Interpretation als die Anerkennung des Täuschungsversuchs durch den Kläger nicht in Betracht. Es mangele an einer eindeutigen Erklärungshaltung des Klägers während der Klausur, weshalb kein formaler Mangel vorliege. Auch die Zeugin F. habe sich von den Notizen in der Handfläche überzeugt, zumal gerade ihr das Verhalten des Klägers zuerst aufgefallen sei. Die Rechtsfolge des Täuschungsversuchs sei auch nicht unverhältnismäßig, da die DPO keine Unterscheidung zwischen kleineren und größeren Täuschungsversuchen vorsehe. Jede Täuschung bzw. jeder Täuschungsversuch sei unlauter und habe das Nichtbestehen der Prüfung zur Folge. Dabei sei es auch unerheblich, ob die Täuschung im ersten oder letzten Prüfungsversuch festgestellt worden sei.
Das Gericht hat Beweis durch Vernehmung der Zeugen E., F. und H. erhoben. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 20.05.2008 verwiesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes wird auf die Gerichtsakte und den Verwaltungsvorgang der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Verpflichtungsklage hat keinen Erfolg. Der Bescheid des Vorsitzenden des Prüfungsausschusses der Karl-Scharfenberg-Fakultät-Salzgitter vom 03.08.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides der Beklagten vom 20.11.2007 begegnet keinen rechtlichen Bedenken. Die Bewertung der Prüfungsleistung im Fach Projektmanagement mit "nicht ausreichend" und die Feststellung, dass die Diplomvorprüfung damit endgültig nicht bestanden ist, sind rechtmäßig (I.). Verfahrensfehler sind wirksam geheilt worden bzw. rechtfertigen keine andere Entscheidung in der Sache (II.). Dementsprechend steht dem Kläger kein Anspruch auf erneute Zulassung zur Prüfung im Fach Projektmanagement zu.
I. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme hat der Kläger im Sinne der für ihn geltenden Diplomprüfungsordnung für die Studiengänge Wirtschaftsingenieurwesen mit der Studienrichtung Verkehrsmanagement, Logistik- und Informationsmanagement sowie Transport- und Logistikmanangement an der Fachhochschule Braunschweig/Wolfenbüttel, Fachbereich Transport und Verkehrswesen (in der Fassung des Beschlusses des Präsidiums der Fachhochschule vom 14.05.2003 - im Folgenden DPO -) getäuscht. Gemäß § 16 Abs. 3 Satz 1 DPO gilt die betreffende Prüfungsleistung als mit "nicht ausreichend" bewertet, wenn "die oder der zu Prüfende versucht, das Ergebnis einer Prüfungsleistung durch Benutzung nicht zugelassener Hilfsmittel zu beeinflussen (Täuschung)".
Dieser Regelung liegt zugrunde, dass eine Täuschung sowohl dem Prüfungszweck, das wahre Leistungsvermögen der Prüfungsteilnehmer festzustellen, als auch dem prüfungsrechtlichen Gebot der Chancengleichheit zuwiderläuft. Somit setzt eine Täuschung in objektiver Hinsicht die Verletzung einer Regel voraus, die von dem Prüfungsteilnehmer zu beachten ist. In subjektiver Hinsicht bedarf es zum einen der Kenntnis der tatsächlichen Umstände, aus denen sich die Regelverletzung ergibt. Zum anderen muss die Regelverletzung mit dem Vorsatz begangen werden, sich einen unberechtigten Vorteil zu verschaffen. Es ist unerheblich, ob die Täuschung wirklich gelungen oder nur versucht worden ist. Ebenfalls kommt es nicht darauf an, ob das regelwidrige Vorgehen für die Lösung der konkreten Aufgabe förderlich ist; die generelle Geeignetheit reicht insofern aus.
Die Beurteilung, ob eine Täuschung anzunehmen ist, unterliegt in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht der uneingeschränkten verwaltungsgerichtlichen Nachprüfung. Die materielle Beweislast für das Vorliegen einer Täuschung trägt die Prüfungsbehörde bzw. das für die Leitung der Prüfung zuständige Prüfungsorgan. Allerdings können die objektiven und subjektiven Voraussetzungen des Täuschungsversuchs durch den Beweis des ersten Anscheins bewiesen werden, wenn sich aufgrund der feststehenden Tatsachen bei verständiger Würdigung der Schluss aufdrängt, dass der Prüfungsteilnehmer getäuscht hat. Dies ist in der Regel der Fall, wenn ein Prüfling in der Prüfung ein unzulässiges Hilfsmittel mitführt, um sich durch dessen Benutzung bei der Anfertigung der Prüfungsleistung einen unzulässigen Vorteil zu verschaffen. Je nach den Umständen des Einzelfalles kann mit den Mitteln des Anscheinsbeweises sowohl der Nachweis einer Regelverletzung als auch der Nachweis des Täuschungsvorsatzes geführt werden. Spricht der erste Anschein für das Vorliegen einer Regelverletzung und des Täuschungsvorsatzes, so ist es Sache des Prüflings, die Schlussfolgerung, die auf diesen Anschein beruht, zu entkräften. Hierfür reicht es nicht aus, die Denkmöglichkeit eines dem Anschein nicht entsprechenden Ablaufs aufzuzeigen. Vielmehr muss der Prüfling nachvollziehbar und in sich stimmig die Tatsachen schildern und gegebenenfalls beweisen, aus denen sich die ernsthafte Möglichkeit eines vom Regelfall abweichenden Ablaufes ergibt. Gelingt dies, so obliegt der Prüfungsbehörde der sogenannte Vollbeweis (vgl. für alles Vorstehende Niehues, Schul- und Prüfungsrecht Band 2, 4. Aufl., Rn. 453 ff.; VG Göttingen, B.v. 04.02.2004 - 3 B 33/04 -, juris, m.w. N).
Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme war die Handinnenfläche des Klägers mit einem für die Klausur relevanten Text beschrieben. Damit hat er im Sinne von § 16 Abs. 3 Satz 1 DPO ein unerlaubtes Hilfsmittel mit sich geführt, um sich einen unzulässigen Vorteil zu verschaffen. Es ist ihm nicht gelungen, den daraus resultierenden ersten Anschein für das Vorliegen einer Regelverletzung und des Täuschungsvorsatzes zu entkräften. Er vermochte nicht den von ihm behaupteten Geschehensablauf zu beweisen, aus dem sich die ernsthafte Möglichkeit eines vom Regelfall abweichenden Ablaufs hätte ergeben können.
Nach den insgesamt glaubhaften Aussagen der Zeugen E. und F. in der mündlichen Verhandlung ist das Gericht davon überzeugt, dass die Hand des Klägers nicht mit dem von ihm in der mündlichen Verhandlung dargestellten, für die Prüfung irrelevanten Text beschriftet war. Die Zeugen haben übereinstimmend geschildert, dass die gesamte linke Handinnenfläche in mehreren Zeilen eng beschrieben war. Dies entspricht ihren Feststellungen in dem noch am Tag der Prüfung erstellten Protokoll. Entgegen den Behauptungen des Klägers bestehen auch keinerlei Zweifel daran, dass die Zeugen die Hand aus einer geringen Entfernung und ausreichend lange betrachtet haben, um exakte Aussagen über die äußere Form der Beschriftung und hinreichende Angaben zu deren Inhalt machen zu können. Die Zeugin F. hat nachvollziehbar geschildert, zuerst bemerkt zu haben, dass der Kläger öfter in seine Hand blickte und danach weiterschrieb. Sie hat dargelegt, aufgrund dieses ersten Verdachts zunächst ihre Position im hinteren Teil des Prüfungsraumes verändert und daraufhin erkannt zu haben, dass irgendetwas in der linken Hand des Klägers geschrieben stand. Nach entsprechender Information des Zeugen E. habe dieser sie gebeten, sich die Hand ebenfalls anzuschauen. In Anbetracht dieses Ablaufs ist ihre Angabe glaubhaft, zusammen mit dem Zeugen E. maximal 1 m hinter dem Kläger gestanden und sich dessen Hand bewusst angesehen zu haben.
Diese Aussage wird durch die Ausführungen des Zeugen E. unterstützt. Auch dieser hat in sich schlüssig geschildert, den Kläger zunächst zum Zeigen seiner linken Hand aufgefordert und diese dann nach kurzem Anfassen betrachtet zu haben. Der Kläger hat diese Aussage bestätigt. Er hat in dieser Hinsicht ausgeführt, dem Anfassen durch den Zeugen E. zwar Widerstand entgegensetzt, ihm jedoch die Handinnenfläche zur Ansicht hingehalten zu haben. Darüber hinaus haben sowohl der Kläger als auch der Zeuge E. übereinstimmend dargelegt, dass der Kläger bei der Abgabe der Klausur bei dem Zeugen E. nochmals seine Hand gezeigt hat.
Der vom Kläger benannte Zeuge H. hat die Beschriftung der Hand in der von diesem beschriebenen Form nicht bestätigt. Der Zeuge H. hat ausgeführt, sich wegen eines erneuten Anrufs des Klägers zwar daran erinnern zu können, mit diesem am 03.07.2007 telefoniert zu haben. Jedoch stimmten weder der vom Zeugen angegebene Zeitpunkt des Telefonates noch das Gesprächsthema mit den Angaben des Klägers überein. Während der Kläger geschildert hat, unmittelbar vor der Klausur gegen 9.00 Uhr morgens mit dem Zeugen über die Abholung bestellter Ware gesprochen zu haben, erklärte der Zeuge, das Telefonat habe am Abend des 03.07.2007 stattgefunden und schilderte andere Gesprächsthemen im Zusammenhang mit dem gemeinsamen Hobby. Jedenfalls hat der Zeuge nicht bestätigt, in diesem Gespräch mit dem Kläger über die Busverbindungen vom Bahnhof in Hamm zu seinem Wohnort in D. gesprochen und ihm in diesem Zusammenhang die Internetadresse der Verkehrsbetriebe Unna (www.VKU-online.de) gegeben zu haben.
Nach den insgesamt schlüssigen Aussagen der Zeugen E. und F. zu den Vorgängen im Prüfungsraum und der die Angaben des Klägers nicht zweifelsfrei unterstützenden Aussage des Zeugen H. hat die Kammer nicht die Überzeugung gewinnen können, dass die Darstellungen des Klägers der Wahrheit entsprechen. In dieser Hinsicht ist zu berücksichtigen, dass das Verhalten des Klägers vor und während der Prüfung unter Berücksichtigung des Gesamtsachverhaltes und insbesondere seiner persönlichen Situation in keiner Weise nachvollziehbar wäre, wenn seine Angaben zum Inhalt der Beschriftung zuträfen. So hat er in der mündlichen Verhandlung dargelegt, sich durchaus bewusst gewesen zu sein, dass es sich bei der Klausur im Fach Projektmanagement um den für ihn letzten Versuch handelte und dass eine "nicht ausreichende" Prüfungsleistung zu einem endgültigen Nichtbestehen der Diplomvorprüfung, das heißt zum erzwungenen Abbruch seines Studiums führen würde. Er hat dazu ausgeführt, sich deshalb vor der Klausur nochmals vergewissert zu haben, dass sein Handy entsprechend den Prüfungsbedingungen ausgestellt war. In Anbetracht dessen ist nicht erklärlich, dass sich der Kläger mit einer unverfänglichen Beschriftung seiner Handinnenfläche in die Prüfungssituation begibt, ohne dem Prüfer sicherheitshalber vor Beginn der Prüfung die behauptete fehlende Relevanz der Beschriftung für die Prüfung mitzuteilen. Der Kläger hat auch nicht behauptet, die Beschriftung in seiner Hand vergessen und erst während der Prüfung bemerkt zu haben. Nach seinen Ausführungen in der mündlichen Verhandlung hat er die nach seinen Angaben auf Anraten seines Therapeuten auf den Fingern angebrachten Sätze "Ich bin stark!" und "Ich schaffe das!" erst nach dem Telefonat mit dem Zeugen H. und damit erst kurz vor Beginn der Klausur hinzugefügt.
Diese Einschätzung wird auch durch das Verhalten des Klägers in der Prüfung selbst unterstützt. Wenn die Hand tatsächlich in unverfänglicher Weise beschriftet gewesen wäre, ist nicht erklärlich, warum er nach seinen eigenen, vom Zeugen E. bestätigten Angaben zu keinem Zeitpunkt der Prüfung versucht hat, sich gegenüber dem Vorwurf der Täuschung zu rechtfertigen. Selbst wenn der Zeuge E. den Kläger unmittelbar nach Feststellung der Täuschung nicht zu einer Äußerung aufgefordert hat (siehe unten), wäre es leicht gewesen, dies spätestens bei Abgabe der Klausur und nochmaligem Vorzeigen der Hand aufzuklären. Dies gilt vor allem auch, zumal der Kläger nunmehr ca. 15 Minuten Zeit hatte, sich über die Vorkommnisse und deren mögliche Folgen Gedanken zu machen. Unter Berücksichtigung aller Umstände kann das völlige Schweigen des Klägers nur dahingehend gewertet werden, dass tatsächlich eine Täuschung vorlag.
Da sowohl der Zeuge E. als auch die Zeugin F. nach ihren glaubhaften Angaben in der Handinnenfläche das Kürzel VKN für den im Fach Projektmanagement relevanten Begriff "VorgangsKnotenNetz" erkannt haben und die vom Kläger behauptete nicht prüfungsrelevante Beschriftung nicht bewiesen wurde, ist von einer Beschriftung auszugehen, die generell zu Täuschungszwecken geeignet war. Dies wird auch durch die weiteren Aussagen der Zeugin F. bestätigt. Diese hat in Bezug auf die Beschriftung dargelegt, dass neben dem in Druckbuchstaben geschriebenen Kürzel VKN alle anderen Beschriftungen in Schreibschrift erfolgt und keinerlei Zahlen (wie für die Benennung von Buslinien) oder eine Internetadresse vorhanden waren. Mit dem Nachweis der Regelverletzung ist damit auch der Nachweis des Täuschungsvorsatzes beim Kläger erbracht worden.
Damit liegt eine Täuschung im Sinne von § 16 Abs. 3 Satz 1 DPO vor. In diesem Fall gilt die betreffende Prüfungsleistung als mit "nicht ausreichend" bewertet. Diese Entscheidung entspricht auch dem verfassungsrechtlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Selbst wenn die geltende Prüfungsordnung nach ihrem Wortlaut als Sanktion im Fall einer Täuschung nur die Bewertung der Prüfungsleistung mit "nicht ausreichend" nennt, schließt dies nicht aus, bei der tatsächlichen Bewertung unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu weiteren Differenzierungen zu gelangen, die hinter diesem schweren Eingriff zurückbleiben. Maßstäbe sind dabei der Grad der Verletzung der "Spielregeln des Wettbewerbs" und das Maß der Beeinträchtigung der Chancengleichheit (vgl. Niehues, a.a.O., Rn. 457). Eine weniger einschneidende Sanktion kommt danach allerdings nur in Betracht, wenn es sich um einen Täuschungsversuch leichterer Art handelt. Dies ist hier nicht der Fall.
Da im vorliegenden Fall nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ein unerlaubtes Hilfsmittel von erheblichem Umfang vorsätzlich und vorab geplant nicht nur mitgeführt, sondern auch tatsächlich verwendet wurde, handelt es sich innerhalb der Skala möglicher Täuschungen um einen schwereren Fall. Damit war die Bewertung der Prüfungsleistung mit "nicht ausreichend" die hier verhältnismäßige Sanktion. Auf dieser Grundlage hat der Vorsitzende des Prüfungsausschusses der Karl-Scharfenberg-Fakultät-Salzgitter in dem angefochtenen Bescheid auch gemäß § 27 Abs. 3 DPO zu Recht festgestellt, dass damit die Diplomvorprüfung des Klägers endgültig nicht bestanden ist. Denn dies ist der Fall, wenn eine zugehörige Prüfungsleistung mit "nicht ausreichend" bewertet wurde oder als "nicht ausreichend" bewertet gilt und eine Wiederholungsmöglichkeit nicht mehr besteht. Nach den vom Kläger nicht mehr bestrittenen Feststellungen der Beklagten handelte es sich bei der Prüfung im Fach Projektmanagement am 03.07.2007 jedoch um die zweite und damit gemäß § 28 DPO letzte Wiederholungsmöglichkeit.
II. Der Vergabe der Note "nicht ausreichend" und der Feststellung des endgültigen Nichtbestehens der Diplomvorprüfung steht nicht entgegen, dass das für den Fall einer Täuschung in der DPO vorgesehene Verfahren nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht eingehalten wurde. Die festzustellenden Verfahrensfehler sind wirksam geheilt worden bzw. haben die Entscheidung in der Sache offensichtlich nicht beeinflusst.
Der Kläger ist im Rahmen der Feststellung der Täuschung nach Ansicht des Gerichts nicht ordnungsgemäß angehört worden. In dieser Hinsicht bestimmt § 16 Abs. 3 Satz 3 DPO, dass der Erstprüfende nach Anhörung des zu Prüfenden eine Entscheidung über das Vorliegen einer Täuschung trifft. Damit trägt die DPO dem allgemeinen verwaltungsverfahrensrechtlichen Grundsatz Rechnung, dass dem von einer abschließenden negativen Entscheidung Betroffenen zuvor Gelegenheit zu einer Äußerung zu geben ist (vgl. § 28 Abs. 1 Verwaltungsverfahrensgesetz -VwVfG-). Zwar nimmt § 2 Abs. 3 Nr. 2 des Niedersächsischen Verwaltungsverfahrensgesetzes (NVwVfG) gerade die Geltung von § 28 VwVfG für Landesbehörden bzw. Körperschaften des öffentlichen Rechts bei Leistungs-, Eignungs- und ähnlichen Prüfungen von Personen aus. Dieser Ausschluss bezieht sich jedoch lediglich auf die Bewertung von Leistungen und Eignungen durch eine tatsächliche Fehlerkontrolle und damit den engeren Wertungsbereich.
Hintergrund der Ausnahme vom grundsätzlichen vorherigen Anhörungsgebot sind die Besonderheiten des Ablaufs einer Prüfung. In der Regel ist es ausgeschlossen, dass ein Prüfling während der Prüfung seine Standpunkte wirksam vertritt, da dieser erst nach Bekanntgabe des Prüfungsergebnisses in ausreichendem Umfang erfährt, welche Erwägungen für den Prüfer bei der Bewertung der Prüfungsleistung maßgeblich gewesen sind. Dementsprechend ist eine Auseinandersetzung mit dem Prüfling in diesem Stadium im Wege einer Anhörung nicht sachdienlich. Umso mehr muss eine nachträgliche Fehlerkontrolle eröffnet sein. Dementsprechend steht dem Prüfling unmittelbar aus Art. 12 Abs. 1 Grundgesetz (GG) ein Anspruch auf effektiven Schutz seines Grundrechts der Berufsfreiheit durch eine entsprechende Ausgestaltung des Prüfungsverfahrens nach Abschluss der Prüfung zu. Er muss zu diesem Zeitpunkt Einwände sowohl gegen rechtliche Mängel des Prüfungsverfahrens als auch gegen die Bewertungen seiner Prüfungsleistungen bei der Prüfungsbehörde rechtzeitig und wirkungsvoll vorbringen können. Auf dieser Grundlage ist ein eigenständiges (nachträgliches) verwaltungsinternes Kontrollverfahren durchzuführen (vgl. Niehues, a.a.O., Rn. 251, 759 ff. unter Berufung auf das BVerfG). Soweit es jedoch nicht um die Bewertung einer Prüfungsleistung, sondern lediglich um die tatsächliche und rechtliche Würdigung eines sonstigen Verhaltens des Prüflings im äußeren Ablauf des Prüfungsverfahrens geht, gelten die besonderen Gründe für die Zweckmäßigkeit einer erst nachträglichen "Anhörung" nicht. Zu diesen Fällen gehört auch die Feststellung eines tatsächlichen Verhaltens bei einem Täuschungsversuch. Das Anhörungsgebot des § 28 Abs. 1 VwVfG gilt in diesem Fall unbeschränkt (vgl. Niehues, a.a.O., Rn. 253; OVG Nordrhein-Westfalen, U.v. 25.11.1992 - 22 A 2595/92 -, DVBl. 1993, 509 ff.).
Eine in diesem Sinne ordnungsgemäße Anhörung hat im vorliegenden Verfahren nicht stattgefunden. Bereits der Wortlaut des § 28 Abs. 1 VwVfG, dem § 16 Abs. 3 Satz 3 DPO Rechnung trägt, setzt voraus, dass dem Betroffenen Gelegenheit gegeben wird, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern. Durch das Anhörungsrecht sollen Fehler bei der Tatsachenermittlung im Vorhinein vermieden werden. Der Beteiligte soll nicht nur den Sachverhalt aus seiner Sicht ergänzen oder korrigieren, sondern auch seine Sachargumente gegen die beabsichtigte Entscheidung vorbringen können. Dies setzt voraus, dass für ihn hinreichend erkennbar ist, weshalb und wozu er sich äußern kann und mit welcher Entscheidung er zu rechnen hat (vgl. für alles Vorstehende Bonk/Kallerhoff in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 6. Aufl., § 28 Rn. 16).
Im Rahmen der Beweisaufnahme hat der Zeuge E. auf die Frage nach einer Anhörung des Klägers in Bezug auf die von ihm festgestellte Täuschung erklärt, er habe erwartet, dass der Kläger sich äußert. Damit hat er deutlich gemacht und dies auch im weiteren Verlauf der Zeugenvernehmung bestätigt, den Kläger nicht ausdrücklich aufgefordert zu haben, sich zu seinen Feststellungen zu äußern. Unabhängig davon, wie viel Zeit dem Kläger zur Verfügung stand, sich aus eigener Veranlassung zu äußern, bevor der Zeuge E. den Raum verließ, ist damit nach Ansicht des Gerichts keine ordnungsgemäße Anhörung erfolgt. Dabei ist insbesondere die typische Situation eines Prüflings während einer Prüfungssituation zu berücksichtigen, die in der Regel durch eine allgemeine prüfungsbedingte Nervosität gekennzeichnet ist. Im besonderen Fall der Feststellung einer vermeintlichen Täuschung handelt es sich um eine hinzutretende zusätzliche Stresssituation, der auch im Rahmen einer Anhörung Rechnung zu tragen ist. Vor diesem Hintergrund wird den Anforderungen an eine ordnungsgemäße Anhörung nur dann genügt, wenn dem Betroffenen die aus Sicht des Prüfers festgestellten Tatsachen mitgeteilt und ihm die daraus resultierenden Konsequenzen dargestellt werden. Auf dieser Grundlage muss der Prüfer ihn ausdrücklich zu einer Stellungnahme auffordern und ihm ausreichend Zeit für eine mögliche Antwort geben. In diesem Fall erfüllt die Anhörung den mit ihr (auch) beabsichtigten Zweck, ggfls. notwendige Feststellungen für die gemäß § 16 Abs. 3 Satz 4 DPO im weiteren zu treffende Entscheidung über das Vorliegen oder Nichtvorliegen eines Einvernehmens über die Täuschung zu liefern. Ein Abwarten des Prüfers auf eine von sich aus erfolgende Stellungnahme des Betroffenen - wie im vorliegenden Fall - reicht insoweit für eine ordnungsgemäße Anhörung nicht aus.
Der Verfahrensfehler einer nicht § 16 Abs. 3 Satz 3 DPO entsprechenden Anhörung ist jedoch wirksam geheilt worden. Auch wenn die DPO keine entsprechende Heilungsvorschrift enthält, ist in Anbetracht der aus § 28 Abs. 1 VwVfG resultierenden allgemeinen Grundsätze (s.o.) und der Tatsache, dass § 2 Abs. 3 Nr. 2 NVwVfG die Regelung in § 45 VwVfG nicht von der Anwendung ausnimmt, auf diese Heilungsvorschrift abzustellen. Gemäß § 45 Abs. 1 Nr. 3 i.V.m. Abs. 2 VwVfG ist eine Verletzung von Verfahrensvorschriften, die den Verwaltungsakt - wie im vorliegenden Fall - nicht nach § 44 VwVfG nichtig macht, unbeachtlich, wenn die erforderliche Anhörung bis zum Abschluss eines verwaltungsgerichtlichen Verfahrens nachgeholt wird. Der Kläger hat vor Erlass des angefochtenen Bescheides am 03.08.2007 zweimal schriftlich zum Vorwurf der Täuschung Stellung genommen, gegen diesen Bescheid Widerspruch und nach Erlass des ablehnenden Widerspruchsbescheides Klage erhoben. Er hat damit vor Abschluss des gerichtlichen Verfahrens wiederholt Gelegenheit gehabt, aus seiner Sicht zu der Täuschung Stellung zu nehmen, und diese Gelegenheiten auch wahrgenommen.
Auch im weiteren Verlauf der Vorgänge um die Feststellung der Täuschung sind die Verfahrensvorschriften der DPO nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht vollständig eingehalten worden. Gemäß § 16 Abs. 3 Satz 4 ist die Prüfungsleistung (nach Feststellung der Täuschung unter Beteiligung des Betroffenen gemäß § 16 Abs. 3 Satz 3) abzubrechen, wenn Einvernehmen über die Täuschung besteht. Bei fehlendem Einvernehmen liegt die Entscheidung beim Prüfungsausschuss. Bis zur Entscheidung des Prüfungsausschusses kann der zu Prüfende die Prüfung fortsetzen, es sei denn, dass nach der Entscheidung des Erstprüfenden ein vorläufiger Ausschluss des zu Prüfenden zur ordnungsgemäßen Weiterführung der Prüfung unerlässlich ist. Im vorliegenden Verfahren sind keinerlei Feststellungen darüber getroffen worden, ob zwischen dem Kläger als Prüfling und dem Zeugen E. als Erstprüfenden ein Einvernehmen über die Täuschung vorlag. Insbesondere kann ein solches Einvernehmen - entgegen der Annahme des Zeugen E. und der Beklagten in der Klageerwiderung - nicht in der vorzeitigen Abgabe der Klausur durch den Kläger gesehen werden.
Nach dem Wortlaut der entsprechenden Regelung in der DPO entscheidet die Feststellung des Einvernehmens bzw. die Feststellung des fehlenden Einvernehmens über den weiteren Fortgang des Verfahrens. Besteht Einvernehmen, ist die Prüfungsleistung zwingend abzubrechen; bei fehlendem Einvernehmen oder Verweigerung einer Erklärung dazu ist die endgültige Entscheidung des Prüfungsausschusses herbeizuführen und die Prüfung bis dahin fortzusetzen. In Anbetracht dieser wichtigen Weichenstellung ist sowohl im Interesse des Prüflings daran, die Prüfungsleistung ggfls. bis zum Ende der normalen Prüfungszeit in einer bewertungsfähigen Form zu erbringen, als auch im Interesse des Prüfers an einer zweifelsfreien Festlegung des weiteren Verfahrensfortganges für eine positive Feststellung eines Einvernehmens eine ausdrückliche Erklärung des Prüflings zu verlangen. Allein aus der vorzeitigen Abgabe der Klausur konnte nicht geschlossen werden, dass der Kläger die Täuschung zugab und dementsprechend ein Einvernehmen über die Täuschung vorlag. Die vorzeitige Abgabe einer Klausur kann auf vielerlei Gründen beruhen. Im vorliegenden Verfahren ist nicht ausgeschlossen, dass diese Entscheidung - wie vom Kläger behauptet - erfolgte, weil er sich aufgrund der mehrfachen Äußerungen des Zeugen E., dass es keinen Zweck mehr habe weiterzuschreiben, nicht mehr konzentrieren konnte und er eine Fortsetzung der Klausurbearbeitung daher für nicht mehr sinnvoll hielt.
Dieser Verfahrensfehler ist jedoch im Sinne von § 46 VwVfG, der von § 2 Abs. 3 Nr. 2 NVwVfG ebenfalls in seiner Geltung nicht ausgenommen ist, unbeachtlich. Denn es ist offensichtlich, dass die Verletzung der Verfahrensvorschrift des § 16 Abs. 3 Satz 4 DPO die mit den angefochtenen Bescheiden getroffenen Entscheidungen in der Sache nicht beeinflusst hat.
Gemäß § 46 VwVfG kann die Aufhebung eines Verwaltungsaktes, der nicht nach § 44 nichtig ist, nicht allein deshalb beansprucht werden, weil dieser unter Verletzung von Vorschriften über das Verfahren, die Form oder die örtliche Zuständigkeit zustande gekommen ist, wenn offensichtlich ist, dass die Verletzung die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hat. Danach ist ein Verfahrensfehler dann unbeachtlich, wenn bei einer hypothetischen Beurteilung des behördlichen Verhaltens für den Fall der fehlerfreien Abwicklung des Verwaltungsverfahrens die fehlende Kausalität des Verfahrensfehlers eindeutig festgestellt werden kann. Offensichtlichkeit im oben genannten Sinne ist gegeben, wenn die fehlende Kausalität zwischen dem Form- und Verfahrensfehler und der Entscheidung in der Sache unschwer und unzweifelhaft erkennbar ist, d.h. wenn sie für einen unvoreingenommenen, mit den in Betracht kommenden Umständen vertrauten, verständigen Beobachter ohne Weiteres ersichtlich ist (vgl. Schäfer in: Obermayer, VwVfG, 3. Aufl., § 46 Rn. 32). Nach der ab dem 01.02.2003 geltenden Neufassung des § 46 VwVfG (BGBl. I S. 102) werden auch die bisher von der Regelung nicht betroffenen Verwaltungsentscheidungen erfasst, die keinen rechtlich alternativlos festgelegten Inhalt haben. Dementsprechend gilt § 46 VwVfG nunmehr auch für Entscheidungen, bei denen die Behörden über Entscheidungsspielräume verfügen, namentlich über Ermessen und Beurteilungsspielräume (vgl. Sachs in: Stelkens/Bonk/Sachs, a.a.O., § 46 Rn. 49, 83, 90).
Im vorliegenden Verfahren lässt sich problemlos feststellen, dass der Prüfungsausschuss auch bei Einhaltung der Verfahrensvorschriften der DPO die Entscheidung getroffen hätte, die Prüfungsleistung mit "nicht ausreichend" zu bewerten. Hätte der Zeuge E. das fehlende Einvernehmen des Klägers mit der Täuschung festgestellt (und dieser die Klausur zu Ende geschrieben), wäre die getroffene Entscheidung nicht anders ergangen. Denn die Bewertung der Klausur mit "nicht ausreichend" war in Anbetracht der oben dargestellten Umstände rechtsfehlerfrei und insbesondere verhältnismäßig (siehe oben). Es handelte sich keinesfalls um eine Täuschung bzw. einen Täuschungsversuch von so geringem Umfang oder so untergeordnetem Charakter, dass eine geringere Sanktion gerechtfertigt gewesen wäre.
Es kann auch dahinstehen, ob die Prüfung ohne Feststellung eines Einvernehmens abgebrochen wurde. Auch dann war die getroffene Entscheidung nicht zu beanstanden und der Verfahrensfehler über § 46 VwVfG unbeachtlich.
Die Verletzung des § 16 Abs. 3 Satz 4 DPO stellt auch keinen absoluten Verfahrensfehler dar, der zu einem absoluten Aufhebungsgrund führt. Dabei muss es sich um derart gewichtige Verfahrensfehler handeln, die selbst dann die Aufhebung einer Entscheidung rechtfertigen, wenn diese aus Rechtsgründen gar nicht anders ausfallen konnte. Aus der Zielrichtung und dem Schutzzweck eines solchen selbstständigen subjektiven Verfahrensrechts muss sich ergeben, dass die Regel nicht allein der Ordnung des Verfahrensablaufs dient, sondern dazu bestimmt ist, dem von dem Verfahrensfehler Betroffenen in spezifischer Weise und unabhängig vom materiellen Recht eine selbstständig durchsetzbare verfahrensrechtliche Rechtsposition zu gewähren, die ausreicht, ohne Rücksicht auf das materielle Ergebnis die Aufhebung einer Entscheidung zu erzwingen (vgl. Sachs in: Stelkens/Bonk/Sachs, a.a.O., § 46 Rn. 31). Bejaht wird ein solches Recht z.B. für die Beteiligung anerkannter Naturschutzverbände in einem Planfeststellungsverfahren aufgrund von § 29 Abs. 1 Nr. 4 BNatSchG (vgl. BVerwG, U.v. 31.10.1990 - 4 C 7/88 -, BVerwGE 87, 62 ff. [BVerwG 31.10.1990 - BVerwG 4 C 7.88] ) und das Einvernehmen der Gemeinde gemäß § 36 Abs. 1 Satz 1 BauGB (vgl. BVerwG, U.v. 07.02.1986 - 4 C 43/83 -, NVwZ 1986, 556 ff. [BVerwG 07.02.1986 - BVerwG 4 C 43.83]).
Es ergeben sich keine Anhaltspunkte für die Qualifizierung eines aus § 16 Abs. 3 Satz 4 DPO resultierenden Verfahrensfehlers als derartigen absoluten Aufhebungsgrund. Dabei ist zu berücksichtigen, dass es hier - anders als in den genannten Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts - nicht um die Beteiligung eines außerhalb des eigentlichen Verfahrens stehenden Dritten geht, der aufgrund seiner speziellen Sachkenntnis oder gesetzlich bestimmten Rolle Einfluss auf die Entscheidung haben soll. Als zu Prüfender war der Kläger vielmehr unmittelbar Beteiligter des Verfahrens. Außerdem konnte die Feststellung des Einvernehmens nicht wie bei § 36 Abs. 1 Satz 1 BauGB die nachfolgende Entscheidung der Behörde direkt beeinflussen, sondern bestimmte lediglich die weitere Gestaltung des Verfahrens. Insgesamt ist aus den Regelungen der DPO nicht ersichtlich, dass dem zu Prüfenden über die Regelung zum Einvernehmen bei einer Täuschung ein über die rein formale Beteiligtenstellung hinausgehendes subjektives Recht auf Mitwirkung am Verfahren zuerkannt werden soll.
Nach alledem ist die Klage mit der für den Kläger negativen Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 Abs. 1 VwGO i.V.m. den §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Gründe, die Berufung gemäß § 124a Abs. 1 Satz 1 VwGO zuzulassen, liegen nicht vor.
Streitwertbeschluss:
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 2 GKG und orientiert sich an dem Streitwertkatalog für die Verwaltungsgerichtsbarkeit ( NVwZ 2004, 1327 ff., Nr. 36.4).