Verwaltungsgericht Braunschweig
Urt. v. 21.05.2008, Az.: 1 A 211/07
Vorschlag zur Deckung der mit der Ausführung der Entscheidung verbundenen Kosten oder Einnahmeausfälle als Voraussetzung eines Bürgerbegehrens; Die Gleichstellung von Bürgerbegehren und Ratsbeschlüssen als Erfordernis einer Gleichstellung auch der an die Untersuchung der finanziellen Realisierbarkeit zu stellenden Anforderungen; Die einmaligen Herstellungskosten und Investitionskosten sowie die für den Gemeindehaushalt regelmäßig besonders belastenden laufenden Folgekosten als zu beachtende Kosten; Der sich objektiv aus dem Text des Begehrens ergebende Inhalt als Grundlage der Willensbildung des potenziellen Unterzeichners mit der Folge der Unmöglichkeit einer nachträglichen Uminterpretation; Antrag und Begründung sowie Kostendeckungsvorschlag als zur Bestimmung des Inhalts des Begehrens heranzuziehende Elemente
Bibliographie
- Gericht
- VG Braunschweig
- Datum
- 21.05.2008
- Aktenzeichen
- 1 A 211/07
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2008, 16443
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:VGBRAUN:2008:0521.1A211.07.0A
Rechtsgrundlagen
- § 22b Abs. 4 S. 3 NGO
- § 22b Abs. 11 NGO
- § 133 BGB
- § 157 BGB
Fundstellen
- FStNds 2009, 66-71
- NdsVBl 2008, 327-329
Verfahrensgegenstand
Kommunalrecht
hier: Bürgerbegehren "Schwimmbäder in Braunschweig"
Redaktioneller Leitsatz
- 1.
Ein Bürgerbegehren nach der Niedersächsischen Gemeindeordnung muss auch einen Vorschlag zur Deckung der mit der Ausführung der Entscheidung verbundenen Kosten oder Einnahmeausfälle enthalten. Die durch das Begehren entstehenden Kosten und Folgekosten (Ausgaben) sowie die Deckung dieser Kosten (Einnahmen) sind anzugeben. Es genügen in der Größenordnung nachvollziehbare, nicht völlig unplausible Kostenschätzungen.
- 2.
Der Kostendeckungsvorschlag für die Errichtung eines Schwimmbades im Rahmen eines Bäderkonzeptes ist fehlerhaft, wenn er weder den grundsätzlichen Anfall der laufenden Betriebskosten erwähnt noch sich zu deren Deckung verhält.
In der Verwaltungsrechtssache
...
hat das Verwaltungsgericht Braunschweig - 1. Kammer -
auf die mündliche Verhandlung vom 21. Mai 2008
durch
den Präsidenten des Verwaltungsgerichts Büschen,
den Richter am Verwaltungsgericht Wagner,
die Richterin Israel sowie
den ehrenamtlichen Richter C. und
die ehrenamtliche Richterin D.
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Die Kläger können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 5.000 EUR festgesetzt.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Zulässigkeit des Bürgerbegehrens "Schwimmbäder in Braunschweig".
Der Rat der Stadt Braunschweig beschloss in seiner Sitzung am 27.02.2007, die Vertreter der Stadt in der Gesellschafterversammlung der städtischen Eigengesellschaft Stadtbad Braunschweig Sport und Freizeit GmbH (im Folgenden: Stadtbad GmbH) anzuweisen, die Errichtung eines Erlebnisbades an der Hamburger Straße, den Erwerb der dafür nötigen Grundstücke sowie die Schließung der Bäder Gliesmarode, Wenden, Waggum und des Nordbades zu beschließen. Diesem Beschluss lag die Empfehlung des Aufsichtsrates der Gesellschaft aus seiner Sitzung im Februar 2007 zugrunde, in der sich dieser für die Umsetzung der abgewandelten Variante 4 der Verwaltungsvorlage 11006/07 ausgesprochen hatte. Hiernach sollte die Stadtbad GmbH 24,25 Mio. EUR in den Neubau des Erlebnisbades an der Hamburger Straße inklusive Grundstückskosten investieren, was gegenüber dem Status quo eine Senkung des von der Stadt zu tragenden jährlichen Zuschussbedarfes von 0,2 Mio. EUR zur Folge haben sollte. Die übrigen Varianten der Verwaltungsvorlage 11006/07, für deren Umsetzung man sich nicht entschied, sahen die Sanierung der Altbäder (Variante 1), die Sanierung sowie Attraktivierung der Altbäder bei "unwahrscheinlich" hohen Besucherzahlen (Variante 2) und die Sanierung sowie Attraktivierung der Altbäder bei "realistischen" Besucherzahlen (Variante 3) vor.
Im März 2007 zeigten die Vertretungsberechtigten des Begehrens gegenüber der Stadt die Einleitung eines Bürgerbegehrens gegen diesen Ratsbeschluss zu folgender Sachentscheidung an:
" 'Ich bin dafür, dass die Stadt Braunschweig ein neues Bäderkonzept erarbeitet: ohne ein neues großes Erlebnisbad an der Hamburger Straße, allerdings mit weitgehender Erhaltung und Renovierung der bestehenden Bäder und einem neuen Hallenbad im Westen der Stadt. Das neue Konzept soll im Rahmen der bisher für Bäder geplanten Aufwendungen umgesetzt werden.'
Begründung:
Im Ratsbeschluss vom 27.02.2007 hat der Stadtrat beschlossen, an der Hamburger Straße ein neues Erlebnisbad für 24,25 Mio. EUR zu bauen. Zugleich sollen nach Fertigstellung des neuen Bades die Hallenbäder Gliesmarode, Nordbad und Wenden, sowie das Freibad Waggum geschlossen werden. Außerdem soll die Eishalle auf dem Schützenplatz dem Neubau weichen.
Mit den zur Verfügung stehenden 24,25 Mio. EUR können ebenso die genannten Bäder renoviert werden und ein Neubau eines Hallenbades in verkleinerter Form an einem anderen Ort, im Westen der Stadt errichtet werden. Die Eishalle und die Begegnungsstätte im Gliesmaroder Bad bleiben ebenfalls erhalten.
Kostendeckungsvorschlag:
Die Stadt Braunschweig plant 24,25 Mio. EUR in den Neubau eines Schwimmbades zu investieren. Mit dieser Summe können auch die bestehenden Bäder erhalten werden und ein neues verkleinertes Erlebnisbad gebaut werden:
' Für die zu ersetzenden Bäder fallen Sanierungskosten in Höhe von insgesamt 16,4 Mio. EUR an. Sanierung heißt, dass die Bäder für einen neuen Lebenszyklus von 20 bis 25 Jahren hergerichtet werden... ' (Zitat aus der Ratsvorlage vom 27.02.2007)
Badezentrum Gliesmarode 9,00 Mio. EUR
Hallenbad Wenden 4,50 Mio. EUR
Hallenbad Nord 2,00 Mio. EUR
Sommerbad Waggum 0,90 Mio. EUR; für Waggum gibt es inzwischen eine neue Berechnung, auf der Grundlage eines Naturbades: 0,40 Mio. EUR
Gesamtsanierungskosten: 15,90 Mio. EUR
Ersparnis: 8,35 Mio. EUR
Für die darüber hinaus eingeplanten 8,35 Mio. EUR, zzgl. zusätzlicher Mittel aus dem Städtebauförderprogramm des Bundes (Soziale Stadt) und des Landes (Stadtumbau West) ist es möglich, einen Neubau eines Hallenbades im Westen der Stadt zu realisieren.
Die Eishalle bleibt ohne Mehrkosten für die Stadt Braunschweig erhalten.
Werden die bestehenden Bäder erhalten und renoviert, beträgt der jährliche Zuschuss 1,2 Mio. EUR mehr als bisher. Wird mit den vorgesehen Finanzen ein weiteres Bad im bevölkerungsreichen Westen gebaut, ist davon auszugehen, dass 200.000 Besucher p.a. mehr als bisher die Schwimmbäder aufsuchen werden und dadurch das Defizit ausgeglichen wird. Die höheren Kosten für die Schülerbeförderung, für die Neueinrichtung einer Begegnungsstätte als Ersatz für Gliesmarode und den Neubau einer Eishalle fallen nicht an."
Die Vertretungsberechtigten reichten das Begehren mit 31.297 Unterschriften am 26. Juni 2007 bei der Stadt Braunschweig ein. In seiner Sitzung am 18.09.2007 beschloss der Beklagte, das Bürgerbegehren als unzulässig zurückzuweisen. Die Stadt Braunschweig setzte die Vertretungsberechtigten des Begehrens mit Schreiben vom 02.10.2007 hiervon in Kenntnis.
Die Zurückweisung wurde mit einem Verstoß gegen die gesetzlichen Anforderungen an den Kostendeckungsvorschlag des Begehrens begründet, der daraus folge, dass sowohl die anfallenden Kosten als auch die Mittel zu ihrer Deckung nicht hinreichend dargelegt seien. So stünden zunächst für den Bau des Westbades entgegen den Angaben im Bürgerbegehren nicht 8,35 Mio. EUR zur Verfügung, sondern lediglich rund 6,7 Mio. EUR. Der Kostendeckungsvorschlag lasse nämlich die der Stadtbad GmbH bereits entstandenen Planungskosten für das Erlebnisbad an der Hamburger Straße außer Betracht, ebenso die Kosten der für die Sanierung erforderlichen Schließungen der Bäder während der Umbauphase und die Kosten der Umgestaltung des Sommerbades Waggum zu einem Naturbad. Weiter könnten mangels konkreter Benennung und Bezifferung die Einnahmen aus Städtebauförderungsprogrammen nicht berücksichtigt werden. Zudem seien die im Kostendeckungsvorschlag genannten Einsparungsmöglichkeiten gegenüber der Nichtumsetzung des Ratsbeschlusses kaum nennenswert. Selbst wenn auf der Grundlage dieser Überlegung eine für den Neubau des Westbades zur Verfügung stehende Investitionssumme von 6,7 Mio. EUR angenommen würde, ergäben sich bei der Umsetzung des Begehrens im Vergleich zu der vom Rat beschlossenen Variante jährlich ungedeckte Mehrkosten in Höhe von mindestens 1,682 Mio. EUR. Die im Kostendeckungsvorschlag angenommene Erhöhung der Besucherzahlen sei nämlich bereits unrealistisch; selbst bei ihrer Zugrundelegung sei aber die Deckung des jährlichen Defizits nur bei einem nicht zu erzielenden Eintrittspreis möglich. Des Weiteren blieben die durch den Neubau eines Westbades entstehenden Aufwendungen wie Zinsen auf die Grunderwerbskosten, Abschreibungen und Finanzierungskosten sowie die laufenden Betriebskosten dieses Bades unberücksichtigt.
Um die Zulassung des Bürgerbegehrens zu erreichen, haben die Kläger am 05.11.2007 Klage erhoben, zu deren Begründung sie im Wesentlichen vortragen:
Das Begehren sei nicht unzulässig, weil der Kostendeckungsvorschlag den in diesem Einzelfall zu stellenden, geringeren Anforderungen genüge. Das Begehren sei auf die Prüfung und Erarbeitung eines dezentralen Bäderkonzeptes gerichtet, dessen Ausarbeitung Aufgabe der Verwaltung sei und das sich an den im Bürgerbegehren gemachten Vorgaben zu orientieren habe: an der Einhaltung der Investitionssumme von 24,25 Mio. EUR, an der Vermeidung einer Erhöhung der laufenden Kosten, an der weitgehenden Erhaltung der bestehenden Bäder sowie am Neubau eines Westbades. In welchem Umfang diese Vorgaben schließlich konkret umgesetzt werden könnten, sei nach Erarbeitung des Konzeptes vom Rat zu diskutieren; gegebenenfalls kämen auch Abstriche am Sanierungsumfang oder auch die Schließung eines Bades in Betracht. Dies folge bereits aus dem klaren Wortlaut des Antrags des Begehrens, in dessen Lichte sowohl die Begründung als auch der Kostendeckungsvorschlag betrachtet werden müssten. Das Bürgerbegehren formuliere ein Ziel, überlasse aber die Ausgestaltung der Verwaltung; es handele sich daher um ein auf einen so genannten Grundsatzbeschluss gerichtetes Begehren. Die an den Kostendeckungsvorschlag zu stellenden Anforderungen seien im Falle eines auf einen Grundsatzbeschluss gerichteten Begehrens geringer; dabei habe sich das Maß der Konkretisierung an der Offenheit der im Begehren aufgeworfenen Sachfrage zu orientieren. An diesen Grundsätzen gemessen sei der Kostendeckungsvorschlag des streitbefangenen Bürgerbegehrens ausreichend, weil die finanziellen Folgen von noch nicht absehbaren Faktoren abhingen. Die genaue Finanzierung des von der Verwaltung zu entwerfenden Konzeptes sei denn auch in diesem Konzept mit zu erarbeiten. So seien die durch die Bäderschließungen bedingten Kosten, die Umbaukosten für Waggum, die möglicherweise zur Verfügung stehenden Fördermittel und weitere Einsparpotentiale in einem Feinkonzept in Einklang zu bringen mit den dadurch möglichen Umsetzungen der Vorgaben des Bürgerbegehrens. Wesentlich sei jedenfalls, dass durch den Verweis auf die bisherigen Aufwendungen eine Vorgabe des Kostenrahmens vorliege. Die von der Stadt vorgenommene Kritik am Kostendeckungsvorschlag sei unbegründet, da sie ein fertiges Konzept bereits voraussetze.
Die Kläger beantragen,
den Beklagten zu verpflichten, das Bürgerbegehren "Schwimmbäder in Braunschweig" mit dem Antrag:
"Ich bin dafür, dass die Stadt Braunschweig ein neues Bäderkonzept erarbeitet: ohne ein neues großes Erlebnisbad an der Hamburger Straße, allerdings mit weitgehender Erhaltung und Renovierung der bestehenden Bäder und einem neuen Hallenbad im Westen der Stadt. Das neue Konzept soll im Rahmen der bisher für Bäder geplanten Aufwendungen umgesetzt werden."
zuzulassen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er trägt ergänzend dazu vor, das Begehren erfülle nur dann die sich aus dem Gesetz ergebenden Bestimmtheitsanforderungen, wenn man den Antrag im Zusammenhang mit der Begründung und dem Kostendeckungsvorschlag betrachte. Dann aber sei das Begehren entgegen der Ansicht der Kläger nicht als auf einen Grundsatzbeschluss gerichtet zu verstehen, sondern habe ein feststehendes Bäderkonzept zum Inhalt. Dabei gehe es nicht nur um die Erarbeitung dieses Konzepts, sondern auch um dessen Umsetzung, da hierfür konkrete Vorgaben gemacht würden. Die in der Klagebegründung erwähnte Möglichkeit der Schließung einzelner Bäder lasse sich dem Begehren nicht entnehmen und sei daher vom Willen der Unterzeichner nicht gedeckt. Selbst wenn man aber mit den Klägern vom Vorliegen eines Grundsatzbeschlusses ausginge, sei ein Kostendeckungsvorschlag weiterhin erforderlich, an den auch keine verminderten Anforderungen zu stellen seien. Hilfsweise trägt der Beklagte vor, tragende Elemente der Begründung und des Kostendeckungsvorschlages des Begehrens seien sachlich unrichtig, weil dadurch der - falsche - Eindruck erweckt werde, die Sanierung der vier genannten Bäder und der Neubau eines verkleinerten Westbades seien ohne Mehrkosten realisierbar.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten, der in seinen wesentlichen Teilen Gegenstand der mündlichen Verhandlung war, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist unbegründet. Die Kläger haben keinen Anspruch auf Zulassung des Bürgerbegehrens "Schwimmbäder in Braunschweig" gegen den Beklagten, weil dieser das Begehren zu Recht als unzulässig zurückgewiesen hat.
Das Begehren genügt nicht den Anforderungen des § 22 b Abs. 4 Satz 3 der Niedersächsischen Gemeindeordnung in der Fassung vom 28.10.2006 (NGO). Nach dieser Vorschrift muss das Bürgerbegehren unter anderem einen nach den gesetzlichen Bestimmungen durchführbaren Vorschlag zur Deckung der mit der Ausführung der Entscheidung verbundenen Kosten oder Einnahmeausfälle enthalten. Der Zweck eines solchen Kostendeckungsvorschlages ist es, den Bürgern eine informierte Entscheidung über die Folgen des Projektes, insbesondere auch in finanzieller Hinsicht, zu ermöglichen (OVG NRW, U. v. 28.01.2003 - 15 A 203/02 -, [...]; Waechter, NordÖR 2005, S. 89, 90). Denn das Instrument des Bürgerbegehrens ermöglicht eine größere Einflussnahme der Bürger auf die politische Willensbildung in der Gemeinde, aus der notwendig eine größere demokratische Mitverantwortung folgt (Wefelmeier in: KVR-NGO, § 22b, Rn. 31). Ein durch ein erfolgreiches Bürgerbegehren herbeigeführter Bürgerentscheid hat nämlich nach § 22 b Abs. 11 NGO die Wirkung eines Ratsbeschlusses und kann vor Ablauf von zwei Jahren nur durch einen neuen Bürgerentscheid geändert werden. Diese Gleichstellung von Bürgerbegehren und Ratsbeschlüssen auf der Folgenseite erfordert auch eine Gleichstellung bei den Anforderungen, die an die Untersuchung der finanziellen Realisierbarkeit gestellt werden. Wegen der direkten Auswirkungen auf den oft angespannten Gemeindehaushalt darf das Begehren nicht nur Forderungen stellen, sondern muss sich auch mit der finanziellen Umsetzung beschäftigen (Nds. OVG, B. v. 11.08.2003 - 10 ME 82/03 -, [...]). So wird verhindert, dass durch den Vollzug eines Bürgerbegehrens unvorhergesehene Kosten auf die Gemeinde zukommen, deren Finanzierung nicht gesichert ist. Die von der Allgemeinheit zu tragenden Kosten sind für mögliche Unterstützer eines Begehrens ein wesentlicher Aspekt und müssen für eine informierte Entscheidung, durch die der einzelne Bürger erhebliche Verantwortung übernimmt, dargelegt werden (Nds. OVG, B. v. 11.08.2003 - 10 ME 82/03 -, [...]).
Erforderliche Informationen sind dabei Angaben über die durch das Begehren entstehenden Kosten, mithin die Ausgaben, sowie Ausführungen zu der Frage der Deckung dieser Kosten, also zu den Einnahmen (OVG Saarland, B. v. 17.01.2005 - 3 Q 34/04 -, [...]). Bei den Kosten sind sowohl die einmaligen Herstellungs- und Investitionskosten zu beachten als auch die für den Gemeindehaushalt regelmäßig besonders belastenden laufenden Folgekosten, die auf der Grundlage einer nachvollziehbaren Prognose angegeben und beziffert werden müssen. Dabei dürfen die Anforderungen an den Kostendeckungsvorschlag nicht überspannt werden; es genügen in der Größenordnung nachvollziehbare, nicht völlig unplausible Kostenschätzungen (Nds. OVG, B. v. 24.03.2000 - 10 M 986/00 -, [...]; OVG Saarland, B. v. 17.01.2005 - 3 Q 34/04 -, [...]).
Ein Verstoß gegen diese in § 22 b Abs. 4 Satz 3 NGO aufgestellten Anforderungen liegt darin, dass der Kostendeckungsvorschlag des Bürgerbegehrens weder den grundsätzlichen Anfall der laufenden Betriebskosten des neu zu bauenden, verkleinerten Westbades erwähnt noch sich zu deren Deckung verhält. Eine Auseinandersetzung damit wäre aber für die Annahme eines den gesetzlichen Anforderungen genügenden Kostendeckungsvorschlags zwingend erforderlich gewesen. Denn diese Tatsache ist wesentlich für die Entscheidung des Bürgers, ob er das Begehren unterstützen möchte, weil er darüber informiert sein muss, mit welchen - einmaligen und laufenden - Kosten die Stadt Braunschweig durch die Entscheidung belastet wird. Denn gerade die hohe Investitionssumme für den geplanten Bau des großen Erlebnisbades an der Hamburger Straße war ein Anlass für das Bürgerbegehren.
Entgegen der Ansicht der Kläger sind an den Kostendeckungsvorschlag keine erheblich verringerten Anforderungen zu stellen. Anders als bei einem (reinen) Grundsatzbeschluss, der ein Vorhaben zum Gegenstand hat, dessen Folgen im Zeitpunkt des Vorhabens überhaupt noch nicht erkennbar sind (vgl. OVG Brandenburg, B. v. 01.08.2002 - 1 B 22/02 -, [...]), musste der verfahrensgegenständliche Entscheidungsvorschlag zur Kostendeckung mehr ausführen als nur einen Kostenrahmen. Er hat sich tatsächlich nicht darauf beschränkt, ein in diesem Rahmen idealer-, aber nicht notwendigerweise umzusetzendes Vorhaben zu bestimmen, sondern ist darüber hinausgegangen. Der Antrag des Begehrens ist konkret auf den Erhalt aller vier von der Schließung betroffenen Bäder und die zusätzliche Schaffung eines verkleinerten Erlebnisbades im Westen der Stadt bezogen. Damit sind die sich aus dem Begehren ergebenden Folgen, nämlich die Sanierung der Altbäder und der Neubau eines Westbades, festgelegt. Die Auslegung der Kläger, es gehe lediglich um die Erarbeitung eines Konzeptes, bei dem sich die Verwaltung aus den im Begehren dargelegten Vorhaben diejenigen gleichsam aussuchen könne, die eine Einhaltung des vorgegebenen Finanzrahmens von 24,25 Mio. EUR möglich machten, lässt sich mit dem Wortlaut des Begehrens, das nur im Zusammenhang mit der beigefügten Begründung und dem Kostendeckungsvorschlag verstanden werden kann, nicht in Einklang bringen. Die Beurteilung des genauen Inhalts des Begehrens ist nach den Auslegungsregeln der §§ 133, 157 BGB vorzunehmen und hat sich am Maßstab des objektiven Empfängerhorizontes zu orientieren. Nur der Inhalt, der sich objektiv aus dem Text des Begehrens ergibt, kann der Willensbildung des potentiellen Unterzeichners dienen (Hess. VGH, B. v. 05.10.2007 - 8 TG 1562/07 -, [...]); eine nachträgliche Uminterpretation des Begehrens ist nicht möglich. Für den Unterzeichner erschließt sich die Bedeutung des Entscheidungssatzes indessen regelmäßig - wie auch hier - aus der dazu gegebenen Begründung. Den Klägern ist einzuräumen, dass der Antrag ausdrücklich (lediglich) die Erarbeitung eines neuen Bäderkonzeptes von der Stadt fordert und dort von einer " weitgehenden Erhaltung und Renovierung der bestehenden Bäder" die Rede ist. Dieser Antrag steht jedoch nicht allein, sondern ist in der Zusammenschau mit der Begründung und dem Kostendeckungsvorschlag zu betrachten. Diesen beiden Elementen des Begehrens kommt dabei so viel Bedeutung zu, dass sie zur Bestimmung des Inhalts des Begehrens herangezogen werden können und müssen und nicht lediglich im Lichte des Antrags auszulegen sind. Im Gegenteil sind sie für die Gewinnung von Unterstützern von großer Bedeutung. Diese gegenüber dem knapp gefassten Antrag deutlich längeren Textpassagen dienen schließlich dessen Ausführung und Ausschmückung und haben aufgrund der dadurch größeren Überzeugungskraft einen für das Begehren werbenden Charakter, dessen Wirkung auf potenzielle Unterstützer nicht unterschätzt werden darf.
Bei Einbeziehung der Begründung und des Kostendeckungsvorschlages ist aber nur eine Auslegung des Begehrens dahingehend möglich, dass es die Erhaltung der Bäder und den Neubau eines Westbades fordert und feststellt, dies sei mit den zu Verfügung stehenden 24,25 Mio. EUR realisierbar. Anders können die Aussagen in der Begründung und im Kostendeckungsvorschlag, mit den zur Verfügung stehenden Mitteln könnten ebenso die genannten Bäder renoviert und erhalten und ein verkleinertes Westbad neu errichtet werden, nicht verstanden werden. Auf die Möglichkeit der Schließung eines einzelnen Bades, um die Sanierung der übrigen zu realisieren, findet sich im gesamten Text keinerlei Hinweis. Dies wird auch in der aus der Ratsvorlage übernommenen Aufstellung der für die Sanierung anfallenden Kosten deutlich, denn hier nennt das Begehren konkrete Summen und macht sich diese damit zu eigen. Dies gilt umso mehr vor dem Hintergrund, dass im Falle des Sommerbades Waggum von der im Begehren genannten Summe abgewichen und auf eine Neuberechnung verwiesen wird. Damit wird konkludent erklärt, die übrigen Kostenangaben würden jedenfalls im Wesentlichen übernommen. In dieser Aufstellung finden sich jedoch die Sanierungskosten für alle vier der genannte Bäder, was die Möglichkeit der Schließung eines der Bäder nicht beinhaltet, so dass eine nachträgliche Interpretation in diesem Sinne für den objektiven Leser des Begehrens überraschend und vom Wortlaut nicht gedeckt erscheinen muss. Bürger aus einem der vier von der Schließung betroffenen Stadtteile, die regelmäßig das Begehren gerade deshalb unterzeichnet haben werden, um die Schließung des von ihnen vorrangig benutzten Bades in ihrer Nähe zu verhindern, dürften mit der Interpretation des Begehrens im Sinne der Kläger im Nachhinein nicht einverstanden sein, weil dadurch auch die Schließung des von ihnen unterstützten Schwimmbades in Betracht kommt.
Zwar dürfen die Anforderungen an den Kostendeckungsvorschlag auch dann nicht überspannt werden, wenn kein Grundsatzbeschlusses vorliegt. Gerade im Falle der laufenden Betriebskosten eines neu zu bauenden Westbades war dem Begehren eine genaue Bezifferung nicht möglich, weil Umfang und Größe des Bades nicht feststanden. Hier hätte eine an der Höhe der zur Verfügung stehenden Investitionskosten orientierte Schätzung ausgereicht (vgl. OVG Saarland, B. v. 17.01.2005 - 3 Q 34/04 -, [...]). Das Begehren enthält aber überhaupt keine Angaben zu Art und Höhe der zu erwartenden Kosten, erwähnte vielmehr bereits deren generellen Anfall mit keinem Wort und verstößt so gegen das Gebot der Vollständigkeit und Transparenz. Es wird der Eindruck erweckt, der erwähnte jährliche Zuschuss stelle für die Altbäder den einzigen vom Begehren ausgelösten laufenden Kostenfaktor dar. Die Tatsache, dass auch das neue Bad Betriebskosten verursachen würde, wird nicht angesprochen. Auch mit der Deckung dieser Kosten setzt sich das Begehren nicht auseinander. Die durch das neue Westbad zu erwartenden steigenden Einnahmen werden im Kostendeckungsvorschlag nicht zur Deckung der laufenden Kosten des Bades selbst, sondern zur Deckung des durch die Altbäder verursachten Defizits eingeplant. Dadurch entsteht der fehlerhafte Eindruck, das Westbad könne ohne Zuschuss auskommen und selbst die Einnahmen würden für andere Zwecke zur Verfügung stehen.
Die laufenden Kosten des neuen Westbades sowie ihre Deckung sind auch keine Details des Vorhabens, die für einen Durchschnittsbürger so abwegig und fernliegend sind, dass deren Kenntnis nicht erwartet werden kann, ohne dass die Anforderungen an den Kostendeckungsvorschlag zu hoch angesetzt wären. Bei der Abfassung des Begehrens war für die Initiatoren nämlich erkennbar, dass ein Schwimmbad neben einmaligen Herstellungskosten auch jährliche Kosten, über deren Deckung nachzudenken ist, verursacht. Denn der Kostenpunkt der laufenden Betriebskosten wird in der Ratsvorlage 11006/07, auf deren Grundlage das Begehren erstellt wurde, für die Altbäder in der Variante 1 (Seite 5 der Ratsvorlage) erläutert. Darauf nimmt das Begehren mit der Erwähnung des jährlichen Zuschussbedarfs für die Altbäder auch Bezug. Der Schluss, die gleichen Kostenfaktoren, die die Altbäder verursachen, würden auch bei einem neu zu bauenden Schwimmbad anfallen, ist nicht so fernliegend, dass er nicht erwartet werden konnte.
Dahinstehen kann angesichts der fehlenden Angaben zu den Betriebskosten des Westbades und ihrer Deckung, ob die fehlende Berücksichtigung der durch die Bäderschließung während der Umbauphase und der durch die nutzlos werdenden Planungen für das Spaß- und Erlebnisbad an der Hamburger Straße verursachten Kosten sowie der im Falle eines Neubaus des Westbades entstehenden Aufwendungen dazu führt, dass der Kostendeckungsvorschlag des Begehrens den gesetzlichen Vorgaben nicht genügt. Auch auf die Frage, ob die Berechnungen der Kosten für das Sommerbad Waggum sowie der zu erzielenden Einnahmen und die Angabe der Mittel aus Städtebauförderungsprogrammen den Anforderungen genügen, kommt es nicht an.
Als Unterlegene haben die Kläger gemäß § 154 Abs. 1 VwGO die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11 ZPO.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 2 GKG i.V.m. Nr. 22.6 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Fassung 7/2004 (NVwZ 2004, S. 1327, 1330).
Gründe für die Zulassung der Berufung nach § 124 a Abs. 1 VwGO durch das erkennende Gericht liegen nicht vor.
Wagner
Israel