Verwaltungsgericht Braunschweig
Urt. v. 09.10.2012, Az.: 6 A 194/11

Anscheinsbeweis; Beweislast; Hausarbeit; Täuschung; Täuschungsversuch

Bibliographie

Gericht
VG Braunschweig
Datum
09.10.2012
Aktenzeichen
6 A 194/11
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2012, 44477
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

1. Eine Täuschungshandlung liegt bei juristischen Hausarbeiten vor, wenn wesentliche Teile der zur Bewertung gestellten Leistung nicht vom Prüfling selbst, sondern von einer anderen Person stammen und der Prüfling dies nicht kenntlich macht. Ebenso liegt der Fall, wenn Prüflinge wesentliche Teile einer Hausarbeit gemeinsam erarbeiten oder sich hinsichtlich wesentlicher Teile der Leistung untereinander so abstimmen, dass die individuelle Leistung nicht mehr erkennbar wird.

2. Der Beweis des ersten Anscheins für eine Täuschungshandlung dieser Art ist erbracht, wenn Arbeiten eine Vielzahl von Übereinstimmungen in den für die Bewertung wesentlichen Teilen aufweisen.

Tatbestand:

Der Kläger wendet sich gegen die Bewertung einer Hausarbeit mit der Note „nicht ausreichend“ wegen eines Täuschungsversuchs.

Der Kläger studierte bei der Beklagten im Bachelor-Studiengang „Recht, Finanzmanagement und Steuern“ und schloss das Studium im Herbst 2012 mit der Note 1,7 ab. Im Rahmen des Moduls F08 Schuldrecht/Sachenrecht im 4. Semester erstellte er über mehrere Wochen eine Hausarbeit und gab diese am 16.02.2011 bei der Beklagten ab. Prüfer dieser Modulteilprüfungsleistung waren F. und Frau G.. Ein Bekannter des Klägers, Herr H., der Kläger des Parallelverfahrens 6 A 257/12, bearbeitete - wie zahlreiche andere Studenten des Studiengangs - dieselbe Hausarbeit. Unter dem 03.05.2011 teilte F. dem Kläger und Herrn I. per E-Mail mit, dass eine separate Bewertung ihrer Arbeiten ergeben habe, dass die Prüfung bestanden sei. Er beabsichtigte jedoch, wegen eines für ihn erkennbaren Täuschungsversuchs in Abstimmung mit Frau G. ihre Arbeiten mit „nicht bestanden - 5,0 -“ zu bewerten. Er verwies auf eine weitgehende Übereinstimmung der Ausführungen und Zitierweisen sowie die Identität ungewöhnlicher Konstruktionen und fehlerhafter Ausführungen und erläuterte diese. Außerdem gab er Gelegenheit, die Vorwürfe zu entkräften.

Noch am selben Tag wandten sich der Kläger und Herr I. gegen den Vorwurf eines Täuschungsversuchs und vertraten die Ansicht, dass eine periphere, gemeinsame Literaturrecherche und fachliche Diskussion den Bestimmungen der einschlägigen Prüfungsordnung entspreche. Dies sei bei den Studierenden gängige Praxis und werde von einer Großzahl von Lehrenden ausdrücklich empfohlen. Dass dabei gewisse, jedoch geringfügige Gemeinsamkeiten im Rahmen der Hausarbeiten auftreten könnten, ergebe sich zwangsläufig. Es sei nach dem Grundsatz „in dubio pro reo“ zu verfahren. Im Folgenden stellte der Kläger einen Befangenheitsantrag gegen F. und den Vorsitzenden des Prüfungsausschusses der Fakultät Recht, Herrn J.. Am 07.05.2011 wurde die Note „nicht ausreichend“ über die elektronische Prüfungsverwaltung der Beklagten bekanntgegeben. Gegen die Bewertung erhob der Kläger (ebenso wie Herr I.) am 18.05.2011 Widerspruch und trug zur Begründung ergänzend vor, die Bekanntgabe der Note 5 in der elektronischen Prüfungsverwaltung ohne eine Reaktion auf seine Exkulpation vom 03.05.2011 sei offensichtlich rechtswidrig und verstoße gegen die geltende Unschuldsvermutung. Ihm stehe eine vollumfängliche transparente und schriftliche Begründung des Zustandekommens der Note, auch im Hinblick auf den unterbreiteten Täuschungsvorwurf, zu.

In seiner Sitzung am 05.07.2011 lehnte der Prüfungsausschuss die Befangenheitsanträge ab. Außerdem wurde eine erneute Überprüfung der Hausarbeit durch F. und Frau G. befürwortet und die Einholung einer ergänzenden Stellungnahme durch den neutralen Prüfer K. angeregt.

Am 22.08.2011 haben der Kläger und Herr I. gemeinsam Untätigkeitsklage gegen die Beklagte erhoben und eine Entscheidung über die von ihnen eingereichten Widersprüche begehrt (6 A 194/11). In der Folgezeit gaben L. und Frau G. eine gemeinsame Stellungnahme zum Vorwurf des Täuschungsversuchs des Klägers und des Herrn I. ab und erklärten darin, ihnen sei zwar nicht möglich, eine unerlaubte Zusammenarbeit direkt nachzuweisen. Aus den Hausarbeiten ergebe sich aber der nicht durch Zufälligkeiten erklärbare Anschein einer Zusammenarbeit. Zur Verdeutlichung der Übereinstimmungen seien die Texte der Hausarbeiten gegenüber gestellt und inhaltliche Übereinstimmungen, wörtliche Übereinstimmungen und Fehler jeweils farblich markiert worden. Es sei berücksichtigt worden, dass die Falllösung bei korrekter Anwendung der juristischen Methodik bei verschiedenen Bearbeitern zu ähnlichen Ergebnissen und auch gutachtentypische Wendungen zu Gemeinsamkeiten bei den Formulierungen führen könnten. Dennoch seien die Übereinstimmungen der Arbeiten bei einer Gesamtbetrachtung, insbesondere der 30 im Einzelnen dargestellten Auffälligkeiten zu groß, um von Zufälligkeiten ausgehen zu können.

Unter dem 14.09.2011 stellte K. in einer Stellungnahme unter Aufzählung von Einzelheiten fest, dass in beiden Hausarbeiten zahlreiche systematische wie inhaltliche Übereinstimmungen bestünden. U. a. stimmten die Gewichtung und der Umfang der Ausführungen weitestgehend überein. Auch kämen beide Bearbeiter bei den zu entscheidenden Rechtsfragen stets zu identischen Ansätzen bzw. Ergebnissen, wobei sie z. T. beide die Fragestellung verfehlten. Insgesamt sei die Annahme eines Täuschungsversuchs gerechtfertigt.

Auf der Grundlage der Beschlüsse des Prüfungsausschusses vom 21.09.2011 wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheiden vom 24.10.2011 die Widersprüche zurück. Zur Begründung trug sie vor, die Annahme eines Täuschungsversuchs durch die Prüfer sei nicht zu beanstanden. Das Ziel einer Hausarbeit liege darin, dass Prüflinge ein Thema eigenständig, ohne fremde Hilfe bearbeiten, wobei es maßgeblich sei, eine nach wissenschaftlichem Standard vorgenommene Quellenrecherche und deren Verarbeitung ohne Zusammenarbeit mit weiteren Bearbeitern der Hausarbeit vorzunehmen. Der Kläger und Herr I. hätten erklärt, dass eine periphere, gemeinsame Literaturrecherche und eine fachliche Diskussion untereinander stattgefunden hätten. Allein diese Literaturrecherche stehe einer eigenständigen Bearbeitung entgegen und erfülle somit den Tatbestand eines Täuschungsversuchs. Auch der neutrale Fachmann K. habe eine erhebliche Übereinstimmung der Hausarbeiten festgestellt und gehe nicht von einer eigenständigen Bearbeitung aus.

Nach Erlass des Widerspruchsbescheides führt der Kläger das gerichtliche Verfahren fort. Zur Begründung trägt er nunmehr vor, die Klage sei zulässig, da die Mitteilung der für die Hausarbeit vergebenen Note einen Verwaltungsakt darstelle. Der Notenfestsetzungsbescheid sei bereits formell rechtswidrig, da der Vorwurf der Täuschung nicht in einer den Anforderungen des § 39 VwVfG genügenden Art und Weise begründet worden sei. Diese Vorschrift sei trotz der in § 2 Abs. 3 Nr. 2 VwVfG normierten Bereichsausnahme anwendbar, da diese nach richtigem Verständnis nur für die prüfungsspezifischen Teile eines Verwaltungsverfahrens gelte, die hier nicht betroffen seien. Nach § 39 VwVfG seien die wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Gründe anzugeben, die die Behörde zu ihrer Entscheidung bewogen haben; dazu gehöre im Regelfall insbesondere die Angabe der einschlägigen Rechtsgrundlagen, auf die die Behörde ihre Entscheidung stützen wolle. Daran fehle es hier. Nach § 9 Abs. 1 Satz 3 der Prüfungsordnung werde eine Prüfung mit „nicht ausreichend“ bewertet, wenn der Prüfling versuche, das Ergebnis einer Prüfung durch Täuschung oder Benutzung nicht zugelassener Hilfsmittel zu beeinflussen. Gemäß § 7 Abs. 3 Satz 1 der Prüfungsordnung stelle die Prüfungsleistung „Hausarbeit“ eine selbstständige, schriftliche Bearbeitung einer Aufgabenstellung dar. Die tatbestandlichen Voraussetzungen der genannten Vorschriften lägen hier nicht vor, wenn man das Merkmal „selbstständig“ unter der gebotenen Einbeziehung der Lebenswirklichkeit auslege. Es sei zu berücksichtigen, dass dieselben Aufgabenstellungen an alle Studierende dieses Semesters in diesem Studiengang ausgegeben worden seien. Der erforderliche zeitgleiche Zugriff auf die für die sachgemäße Bearbeitung erforderliche Literatur bringe notgedrungen mit sich, dass es zu persönlichen Kontakten der Bearbeiter komme. Dies gelte umso mehr, wenn Studierende, die dieselbe Hausarbeit anfertigen, sich - wie er und Herr I. - bereits vorher gekannt hätten und sogar befreundet seien. Gespräche der Bearbeiter über deren jeweilige Falllösung seien daher der Regelfall, nicht die Ausnahme. Darüber hinaus sei auch gerichtsbekannt, dass sich die Studierenden bei der erforderlichen Literaturrecherche unterstützten. Dies sei bereits deshalb teilweise unvermeidbar, weil einschlägige Literaturquellen in den Bibliotheken oft verschwänden etc. Diese Umstände führten in der Summe dazu, dass im Einzelfall die von den Studierenden vorgelegten Lösungen - teils auch erhebliche - Ähnlichkeiten aufwiesen. Diese Situation dürfe bei der Beurteilung nicht ausgeblendet werden und müsse insbesondere bei der Frage des Vorliegens eines Täuschungsversuchs berücksichtigt werden. Das Merkmal der Selbstständigkeit im Sinne von § 9 Abs. 3 Satz 1 der Prüfungsordnung sei nur dann nicht erfüllt, wenn über die letztlich unvermeidbare Zusammenarbeit in dem vorstehend skizzierten Sinne hinaus die Hausarbeit im bewussten und gewollten Zusammenwirken von den Studierenden angefertigt und insbesondere auch der Text der Hausarbeit mehr oder weniger gemeinsam verfasst werde. Dementsprechend könne eine Täuschung im Sinne von § 7 Abs. 3 Satz 1 der Prüfungsordnung vorliegen, wenn der Studierende mit dem zielgerichteten Willen einer gemeinsamen Erstellung der Arbeit in der eben beschriebenen Art und Weise und dem entsprechenden Vorsatz handele, um gegenüber dem Prüfer den unrichtigen Eindruck zu erwecken, dass die Hausarbeit das Ergebnis einer selbstständigen Bearbeitung der Aufgabenstellung darstelle. Auf dieser Grundlage sei im vorliegenden Verfahren kein Raum für die Annahme einer Täuschung.

Der Kläger beantragt,

die Bewertung der im Rahmen des Moduls Schuldrecht/Sachenrecht erbrachten Prüfungsleistung (Hausarbeit) mit „nicht ausreichend“ in der Fassung des Widerspruchsbescheides der Beklagten vom 24.10.2011 aufzuheben und die Beklagte zur Neubewertung dieser Prüfungsleistung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu verpflichten.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung trägt sie vor, die Notenvergabe sei in ausreichender Weise jedenfalls im Widerspruchsbescheid vom 24.10.2011 begründet worden. Rechtsgrundlage für die Bewertung der Hausarbeit mit der Note „nicht ausreichend“ sei § 9 Abs. 3 Satz 1 der einschlägigen Prüfungsordnung. Danach sei eine Prüfung mit „nicht ausreichend“ zu bewerten, wenn der Studierende versuche, das Ergebnis einer Prüfung durch Täuschung zu beeinflussen. Grundvoraussetzung einer zutreffenden Leistungsbewertung sei somit, dass der Prüfling die für den Erfolg seiner Prüfung maßgeblichen Leistungen persönlich und ohne fremde Hilfe erbringe. Nur in diesem Fall sei es gerechtfertigt, ihm die erbrachten Leistungen persönlich zuzurechnen und ihn hinsichtlich der daran geknüpften Berechtigungen günstiger zu stellen als andere, weniger erfolgreiche Prüflinge. Bereits die eingeräumte periphere gemeinsame Literaturrecherche erfülle den Tatbestand eines Täuschungsversuchs. Zwar seien Gespräche über die Lösung der Hausarbeit zwischen den Prüflingen nicht vollständig zu unterbinden. Zwangsläufige Folge einer gemeinsamen Literaturrecherche sei jedoch nicht, dass die eingereichten Lösungen in systematischer und inhaltlicher Hinsicht so starke Übereinstimmungen aufwiesen, wie es bei den Arbeiten des Klägers und des Herrn I. der Fall sei. Für die Erfüllung der Tatbestandsvoraussetzungen des § 9 Abs. 3 Satz 1 der Prüfungsordnung sei keine Absicht im Sinne eines bewussten und gewollten Zusammenwirkens der Prüflinge erforderlich. Es reiche in subjektiver Hinsicht aus, wenn die Prüflinge in Kauf nähmen, dass bei den Prüfern durch die Täuschungshandlung der Irrtum erregt werde, die Bearbeiter hätten den Text jeweils selbstständig verfasst. Eine solche Täuschungshandlung liege vor, wenn sich - wie im vorliegenden Fall - zwei Bearbeiter hinsichtlich wesentlicher Teile der Leistung unter einander so abstimmten, dass die individuelle Leistung nicht mehr erkennbar sei, gleichwohl aber die Arbeiten als eigenständige Leistungen eingereicht würden. Durch die teilweise wörtlichen Übereinstimmungen in den Hausarbeiten werde daher bei verständiger Würdigung der Anschein erweckt, dass die Kläger getäuscht hätten. Damit verschiebe sich durch den „Beweis des ersten Anscheins“ die materielle Beweislast zugunsten der Prüfungsbehörde.

Mit Beschluss des Gerichts vom 05.09.2012 ist das Verfahren des Herrn I. abgetrennt worden und wird unter dem Aktenzeichen 6 A 257/12 fortgeführt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes, insbesondere der Stellungnahmen von F., Frau G. und K. wird auf die Gerichtsakte im vorliegenden Verfahren und im Verfahren 6 A 257/12 sowie auf die zu beiden Verfahren eingereichten Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig. Der Kläger kann sein Begehren auf Aufhebung der Bewertung der im Rahmen des Moduls Schuldrecht/Sachenrecht erstellten Hausarbeit mit „nicht ausreichend“ und die Verpflichtung der Beklagten zu deren Neubewertung mit einer Verpflichtungsklage gem. § 42 Abs. 1 VwGO geltend machen. Denn bei dieser Bewertung handelt es sich um einen Verwaltungsakt im Sinne von § 1 Abs. 1 Nds. VwVfG i. V. m. § 35 Satz 1 VwVfG. Jedenfalls nach den Ausführungen in dem Bescheid vom 24.10.2011, mit dem die Beklagte den Widerspruch des Klägers gegen die Bewertung seiner Hausarbeit als unbegründet zurückgewiesen hat, stellt sich diese Bewertung aus der Sicht eines verständigen Adressaten als verbindliche Regelung im Sinne eines Verwaltungsaktes dar (vgl. BVerwG U. v. 19.12.1995 - 10 A 1/94 -, juris; Niehues/Fischer, Prüfungsrecht, 5. Aufl., Rn. 819). Die Kammer braucht daher im vorliegenden Verfahren nicht zu entscheiden, ob Modulteilprüfungsleistungen auf Grund der Besonderheiten bei studienbegleitenden Leistungsnachweisen in Bachelorstudiengängen in der Regel eigene Rechtswirkung zukommt (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, B. v. 04.03.2011 - 14 B 174/11 -, juris; Niehues/Fischer, a. a. O., Rn. 817, 123; dazu allgemein Zimmerling/Brehm, Der Prüfungsprozess, Rn. 214 ff.).

Das Rechtsschutzbedürfnis des Klägers ist auch nicht dadurch entfallen, dass er eine weitere Hausarbeit im Modul Schuldrecht/Sachenrecht geschrieben hat, diese mit 2,7 Punkten (befriedigend) bewertet worden ist und er den Bachelorstudiengang im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung bereits erfolgreich abgeschlossen hat. Denn bei einem Erfolg der Klage müsste die hier umstrittene Hausarbeit neu bewertet werden. Von dieser Bewertung wäre dann abhängig, ob sich die Note für das Modul Schuldrecht/Sachenrecht, welche auf dem Bachelorzeugnis vermerkt wird, und in der Folge ggf. die Gesamtnote der Bachelorprüfung ändern.

Die Klage ist jedoch unbegründet. Die Bewertung der Hausarbeit des Klägers im Modul Schuldrecht/Sachenrecht in der Gestalt des Widerspruchsbescheides der Beklagten vom 24.10.2011 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Die Hausarbeit wurde rechtsfehlerfrei wegen eines Täuschungsversuchs mit „nicht ausreichend“ bewertet. Dementsprechend steht dem Kläger kein Anspruch auf eine Neubewertung zu (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 Satz 2 VwGO).

Rechtsgrundlage für die Bewertung der Hausarbeit ist § 9 Abs. 3 Satz 1 der Prüfungsordnung für die Bachelorstudiengänge „Wirtschaftsrecht“, „Recht, Personalmanagement und -psychologie“ sowie „Recht, Finanzmanagement und Steuern“ an der Fachhochschule Braunschweig/Wolfenbüttel, Fachbereich Recht (Brunswick European Law School) vom 07.05.2009 (im Folgenden: PO). Danach wird eine Prüfung mit „nicht ausreichend“ bewertet, wenn der Studierende versucht, das Ergebnis einer Prüfung durch Täuschung oder Benutzung nicht zugelassener Hilfsmittel zu beeinflussen.

Die Bewertungsentscheidung der Beklagten in der Gestalt ihres Widerspruchsbescheides vom 24.10.2011 ist nicht bereits aufgrund formeller Mängel rechtswidrig. Es kann dahinstehen, ob sich in einem Prüfungsverfahren trotz der Regelung in § 2 Abs. 3 Nr. 2 Nds. VwVfG aus § 39 VwVfG eine Pflicht zur Begründung der Annahme eines Täuschungsversuches ergibt oder ob ein Prüfling aufgrund seines Informationsrechtes aus Art. 12 Abs. 1 GG und Art. 19 Abs. 4 GG die Begründung einer solchen Annahme verlangen kann (vgl. BayVGH, U. v. 18.03.1998 - 7 B 97.2673 -, juris). Denn im vorliegenden Fall ist ein Begründungsmangel jedenfalls über § 45 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 VwVfG i. V. m. § 2 Abs. 3 Nr. 2 bzw. § 1 Abs. 1 Nds. VwVfG mit der Begründung des Widerspruchsbescheides und den Ausführungen im Klageverfahren geheilt worden. Dort hat die Beklagte die wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Gründe mitgeteilt, aus denen sie auf einen Täuschungsversuch geschlossen hat, und die einschlägigen Rechtsgrundlagen genannt. Anhaltspunkte für weitere formelle Fehler liegen nicht vor.

Auch in materieller Hinsicht begegnet die Bewertungsentscheidung der Beklagten keinen rechtlichen Bedenken. Die Hausarbeit des Klägers ist rechtsfehlerfrei mit der Note „nicht ausreichend“ bewertet worden. Die Annahme eines Täuschungsversuchs i. S. v. § 9 Abs. 3 Satz 1 PO seitens der Beklagten ist nicht zu beanstanden.

Der genannten Regelung zur Bewertung eines Täuschungsversuchs liegt zugrunde, dass eine Täuschung sowohl dem Prüfungszweck, das wahre Leistungsvermögen der Prüflinge festzustellen, als auch dem prüfungsrechtlichen Gebot der Chancengleichheit aus Art. 3 Abs. 1 GG zuwider läuft. Dementsprechend ist eine geforderte Prüfungsleistung grundsätzlich von dem Prüfling persönlich zu erbringen. Maßgebliche Ausgangsüberlegung ist daher, vorgetäuschte oder sonst wie erschlichene Leistungen als Basis zur Rechtfertigung eines Prüfungserfolges wirksam auszuschließen. Der Grundsatz der Chancengleichheit verbietet es, dass sich ein Prüfling gegenüber anderen Prüflingen nicht leistungsbedingte Vorteile verschafft. Somit setzt eine Täuschung oder ein Täuschungsversuch in objektiver Hinsicht die Verletzung einer Regel voraus, die von den Prüflingen zu beachten ist. In subjektiver Hinsicht bedarf es zum einen der Kenntnis der tatsächlichen Umstände, aus denen sich die Regelverletzung ergibt. Zum anderen muss die Regelverletzung mit dem Vorsatz begangen werden, sich einen unberechtigten Vorteil zu verschaffen. Es ist unerheblich, ob die Täuschung wirklich gelungen oder nur versucht worden ist. Die Beurteilung, ob eine Täuschung oder ein Täuschungsversuch anzunehmen ist, unterliegt in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht der uneingeschränkten verwaltungsgerichtlichen Nachprüfung. Die materielle Beweislast für das Vorliegen eines Täuschungsversuchs trägt die Prüfungsbehörde bzw. das für die Leitung der Prüfung zuständige Prüfungsorgan. Allerdings können die tatbestandlichen Voraussetzungen des Täuschungsversuchs durch den sog. Beweis des ersten Anscheins bewiesen werden, wenn sich auf Grund feststehender Tatsachen bei verständiger Würdigung der Schluss aufdrängt, dass der Prüfungsteilnehmer getäuscht hat. Je nach den Umständen des Einzelfalles kann mit den Mitteln des Anscheinsbeweises sowohl der Nachweis einer Regelverletzung als auch der Nachweis des Täuschungsvorsatzes geführt werden. Spricht der erste Anschein für das Vorliegen einer Regelverletzung und des Täuschungsvorsatzes, so ist es Sache des Prüflings, die Schlussfolgerung, die auf diesem Anschein beruht, zu entkräften. Hierfür reicht es nicht aus, die Denkmöglichkeit eines dem Anschein nicht entsprechenden Ablaufs aufzuzeigen. Vielmehr muss der Prüfling nachvollziehbar und in sich stimmig die Tatsachen schildern und ggf. beweisen, aus denen sich die ernsthafte Möglichkeit eines vom Regelfall abweichenden Ablaufes ergibt. Gelingt dies, so obliegt der Prüfungsbehörde der sog. Vollbeweis (vgl. für alles Vorstehende Sächs.OVG, B. v. 30.04.2003 - 4 BF 40/03 -, juris; VG Braunschweig, U. v. 20.05.2008 - 6 A 404/07 -, www.rechtsprechung.niedersachsen.de; Niehues/Fischer, a. a. O., Rn. 228 ff.).

Im vorliegenden Verfahren hat der Kläger nach dem Beweis des ersten Anscheins mit der Abgabe seiner Hausarbeit eine Regelverletzung mit Täuschungsvorsatz begangen. Gemäß § 7 Abs. 3 Satz 1 PO ist eine Hausarbeit eine selbstständige schriftliche Bearbeitung einer fachspezifischen oder fächerübergreifenden Aufgabenstellung. Grundvoraussetzung für eine schriftliche Hausarbeit ist damit, dass der Prüfling die für den Erfolg maßgeblichen Leistungen persönlich ohne fremde Hilfe und unverfälscht erbringt (vgl. Nds. OVG, B. v. 18.05.2009 - 2 ME 96/09 -, juris). Nur dann ist es im Hinblick auf die Chancengleichheit aller Prüflinge gerechtfertigt, ihm diesen Erfolg zuzurechnen. Bei Hausarbeiten, in denen - wie hier - Fragestellungen zu einem praktischen juristischen Fall zu beantworten sind, bezieht sich das Erfordernis einer selbstständigen Bearbeitung in der Regel vor allem auf die Analyse des entscheidungserheblichen Sachverhaltes, das Erstellen einer den Fragestellungen entsprechenden Gliederung unter gleichzeitiger Schwerpunktbildung sowie die Darstellung und Erörterung der sich ergebenden Probleme anhand einer Auswertung der einschlägigen Rechtsprechung und Literatur. Bei lebensnaher Betrachtung der Umstände bei der Anfertigung einer Hausarbeit, die von einer Vielzahl von Prüflingen gleichzeitig und unter Nutzung vielfach derselben Einrichtungen und Recherchemöglichkeiten erstellt wird, ist nicht jeder Austausch einzelner Literaturhinweise als Regelverstoß und damit als Täuschungsversuch zu bewerten. Auch Gespräche zwischen Prüflingen über einzelne Fragestellungen der Hausarbeit überschreiten - unabhängig von ihrer Nachweisbarkeit - die Schwelle zur unselbstständigen Bearbeitung regelmäßig nicht. Allerdings liegt eine Täuschungshandlung im Sinne der Prüfungsordnung jedenfalls dann vor, wenn wesentliche Teile der zur Bewertung gestellten Leistung nicht vom Prüfling selbst, sondern von einer anderen Person stammen und der Prüfling dies nicht kenntlich macht. Ebenso liegt der Fall, wenn Prüflinge wesentliche Teile einer Hausarbeit gemeinsam erarbeiten oder sich hinsichtlich wesentlicher Teile der Leistung untereinander so abstimmen, dass die individuelle Leistung nicht mehr erkennbar wird (vgl. BayVGH, U. v. 04.06.1997 - 7 B 96.3733 - und - 7 B 96.3803 - n. v.; Zimmerling/Brehm, Prüfungsrecht, 3. Auflage, Rn. 389). Der Beweis des ersten Anscheins für eine Täuschungshandlung dieser Art ist erbracht, wenn Arbeiten eine Vielzahl von Übereinstimmungen in den für die Bewertung maßgeblichen Teilen aufweisen.

Mit der Abgabe der Hausarbeit unter seinem Namen hat der Kläger konkludent versichert, die Gliederung und Gesamtkonzeption der Fallbearbeitung sowie die Darstellung eigenständig entwickelt zu haben. Im vorliegenden Fall drängt sich jedoch bei verständiger Würdigung aufgrund feststehender Tatsachen der Verdacht auf, dass der Kläger und Herr I. sich hinsichtlich wesentlicher Teile der Hausarbeit untereinander so abgestimmt haben, dass die jeweils individuelle Leistung nicht mehr erkennbar ist. Denn die Arbeiten stimmen weitgehend überein. Damit ist der Beweis des ersten Anscheins für eine Regelverletzung erbracht. Dies ergibt sich anhand einer vergleichenden Analyse der beiden Hausarbeiten, die nicht nur zahlreiche Übereinstimmungen bei der Darstellung, sondern auch bei der Fallgliederung und der allgemeinen Schwerpunktsetzung aufzeigt. Wie bereits K. in seiner überzeugenden Stellungnahme vom 14.09.2011 ausführt, ist die Gliederung zu allen drei Fragestellungen zwar nicht wörtlich, jedoch inhaltlich identisch, und die Ausführungen zu den einzelnen Gliederungspunkten sind jeweils ähnlich lang. Damit hat eine weitgehend identische Schwerpunktbildung in den Arbeiten beider Prüflinge stattgefunden. Darüber hinaus kommen beide Bearbeiter - auch nach den Feststellungen von K. - bei den zu entscheidenden Rechtsfragen immer zu identischen Ansätzen bzw. Ergebnissen. Unter Zuhilfenahme der von F. und Frau G. erstellten Synopse der beiden Hausarbeiten ergeben sich zahlreiche weitere inhaltliche und wörtliche Übereinstimmungen sowie gemeinsam gemachte Fehler, die in dreißig Punkten von den Prüfern in ihrer Stellungnahme im Einzelnen nachvollziehbar und überzeugend erläutert werden. So prüfen z. B. beide Bearbeiter eine Fallgestaltung, die sich nach dem vorgegebenen Sachverhalt nicht aufdrängt (s. Ziffer 6 der Stellungnahme von F. und Frau G.). Ebenso fallen übereinstimmende Eigentümlichkeiten in der Wortwahl und der Zitierung auf (vgl. Ziffern 5, 7, 8 und 13). Darüber hinaus enthalten beide Bearbeitungen identische Fehler (vgl. Ziffern 3, 12, 22 und 30), die auf eine gemeinsame Erarbeitung schließen lassen. Selbst wenn einzelne der insgesamt dargestellten Auffälligkeiten auf die grundsätzliche juristische Methodik oder den juristischen Sprachgebrauch zurückgeführt werden könnten (vgl. Nds. OVG, B. v. 31.03.2011 - 2 LA 343/10 -), liegt hier eine so große Vielzahl von Übereinstimmungen im Hinblick auf unterschiedliche Anforderungen der Fallbearbeitung vor, dass nicht von zufälligen Übereinstimmungen ausgegangen werden kann. Ob die vom Kläger bereits im Verwaltungsverfahren eingeräumte „periphere gemeinsame Literaturrecherche“ und fachliche Diskussion mit Herrn I. als zum Täuschungsversuch führende Regelverletzungen zu qualifizieren sind, muss hier nicht entschieden werden. Auf Nachfrage in der mündlichen Verhandlung hat der Kläger dazu erläutert, dass sie bzgl. des ersten und zweiten Teils der Hausarbeit die ermittelte Literatur jeweils gegenseitig an den anderen weitergegeben hätten. Außerdem hätten sie über die BGH-Entscheidung zum „dual use“ und weitere Kleinigkeiten gesprochen und sich dazu Notizen gemacht. Jedenfalls wären diese Verhaltensweisen allein nicht geeignet, zu der oben dargestellten Vielzahl von Übereinstimmungen in wesentlichen Teilen der Hausarbeiten zu führen. Damit drängt sich aufgrund feststehender Tatsachen auf, dass der Kläger keine selbstständige Bearbeitung der Hausarbeit abgegeben hat. Vielmehr sprechen diese dafür, dass über unschädliche Kontakte zu anderen Prüflingen hinaus (s. o.) eine weitgehende gemeinsame Bearbeitung der Hausarbeit zusammen mit Herrn I. stattgefunden hat, die es unmöglich macht, den Bearbeitern die jeweilige Arbeit als individuelle Leistung zuzuordnen. Damit ist von einer Täuschungshandlung auszugehen.

Dem Kläger ist es auch nicht gelungen, diesen Anscheinsbeweis zu entkräften. Die von ihm dazu in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Unterlagen sind nicht geeignet,

die ernsthafte Möglichkeit eines vom oben dargestellten Regelfall abweichenden Ablaufes zu beweisen. Denn dabei handelt es sich um handschriftliche und ausgedruckte Aufzeichnungen, die der Kläger nach seinen Angaben während der Bearbeitung der Hausarbeit gemacht hat, Ausdrucke von zum Thema passenden Übungsklausuren und juristischen Ausarbeitungen sowie Belege zum Kauf von juristischer Fachliteratur. Inwiefern diese Unterlagen die Annahme eines Täuschungsversuchs aufgrund der dargelegten zahlreichen Übereinstimmungen in den beiden Hausarbeiten widerlegen sollen, ist nicht ersichtlich. Darüber hinaus hat der Kläger keine Ausführungen gemacht, die die festgestellten Übereinstimmungen ohne die Annahme eines Täuschungsversuches plausibel machen könnten.

Neben einer Regelverletzung ist auch ein Täuschungsvorsatz des Klägers anzunehmen. Entgegen der Ansicht des Klägers setzt dies nicht den zielgerichteten Willen voraus, gegenüber dem Prüfer den unrichtigen Eindruck zu erwecken, dass die Hausarbeit das Ergebnis einer selbstständigen Bearbeitung der Aufgabenstellung darstellt. Vielmehr reicht ein bedingter Vorsatz; d. h. genügt, wenn billigend in Kauf genommen wurde, dass die Prüfer über die selbstständige Bearbeitung der Hausarbeit getäuscht werden und die Leistung als eine selbstständige anerkannt und bewertet wird (vgl. Nds. OVG, B. v. 18.05.2009, a. a. O.). Drängt sich aufgrund der tatsächlichen Umstände auf, dass aufgrund einer der geltenden Prüfungsordnung widersprechenden Abstimmung zwischen dem Kläger und Herrn I. eine in weiten Teilen gleiche Bearbeitung des Falles mit einer Vielzahl von Übereinstimmungen erfolgt ist, spricht gleichzeitig der Beweis des ersten Anscheins für den (bedingten) Vorsatz, die Prüfer im Hinblick auf die Selbstständigkeit der Bearbeitung zu täuschen. Auch insoweit hat der Kläger den Beweis des ersten Anscheins nicht entkräftet. Er kann sich hier auch nicht auf den lediglich für die strafrechtliche Verfolgung geltenden Grundsatz „in dubio pro reo“ (im Zweifel für den Angeklagten) berufen.