Verwaltungsgericht Göttingen
Urt. v. 25.09.2007, Az.: 3 A 209/06

Beamte; Behandlung; Beihilfebemessung; Beihilfeberechtigung; Beihilfeprogramm; Bemessungssatz; Dienstherr; Fürsorgepflicht; Gesetzgebungskompetenz; Honorar; Implantat; Komplettprothese; Laborkosten; Materialkosten; Notwendigkeit; Obergrenze; Oberkiefer; Ruhestand; Zahnarzt; zahntechnische Leistung

Bibliographie

Gericht
VG Göttingen
Datum
25.09.2007
Aktenzeichen
3 A 209/06
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2007, 71827
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

1. Zum Begriff der Behandlung im Beihilferecht.
2. Die Festlegung, in welchem Umfang und in welcher Höhe die Material- und Laborkosten bei der Versorgung mit Zahnersatz beihilfefähig sind, ist als Element des Beihilfeprogramms dem Gesetzgeber vorbehalten.

Tatbestand:

1

Die Beteiligten streiten um die Beihilfefähigkeit der Laborkosten einer Oberkiefer- Komplettprothese. Der Kläger ist als Ruhestandsbeamter des Bundes beihilfeberechtigt. Nachdem ein vom Kläger vorgelegter Heil- und Kostenplan durch Bescheid der Wehrbereichsverwaltung G. - WBV - als grundsätzlich beihilfefähig anerkannt worden war, wurden dem Kläger am 14.03.2003 unter Vollnarkose insgesamt 6 Implantate in den Oberkiefer eingesetzt, an denen - nach ihrem festen Einwachsen - die Prothese befestigt werden sollte. Eines der Implantate musste später wieder entfernt werden. Im November und Dezember 2005 wurde die Oberkieferprothese gefertigt und eingesetzt. Die mit Liquidation des behandelnden Zahnarztes vom 27.12.2005 berechneten Kosten beliefen sich auf 7.587,05 Euro, wovon die zahntechnischen Leistungen insgesamt 5.123,31 Euro ausmachten. Mit Beihilfefestsetzungsbescheid vom 31.01.2006 setzte die WBV die zu zahlende Beihilfe auf 2.899,69 Euro fest. Neben Honorarleistungen über 2.204,86 Euro erkannte sie zahntechnische Leistungen in Höhe von 4.817,74 Euro dem Grunde nach als beihilfefähig an, wobei sie zunächst die Materialkosten für 2 Implantate mit einem Umfang von 305,57 Euro vom Gesamtbetrag der zahntechnischen Leistungen abzog und die Höhe auf 40 % begrenzte (40 % von 4.817,74 = 1.927,09 + 2.204,86 € + 10,46 € sonstiger Materialkosten = 4.142,43 €, davon 70 % = 2.899,69 €). Den hiergegen mit der Begründung eingelegten Widerspruch des Klägers, auch die Kosten für ein viertes Implantat seien zu erstatten und der Bemessungssatz für zahntechnische Leistungen müsse 60 statt 40 Prozent betragen, wies die WBV mit Widerspruchsbescheid vom 23.03.2006 zurück.

2

Am 11.04.2006 hat der Kläger Klage erhoben, mit der er sein Begehren weiter verfolgt. Durch Änderungsbescheid vom 19.09.2006 hat der Kläger Beihilfe auch zum vierten Implantat in Höhe von 126,92 Euro erhalten (40 % der Material- und Laborkosten von 142,79 € = 57,12 € + 124,20 € Honorar = 181,32 €, davon 70 % = 126,92 €). Die Beteiligten haben den Rechtsstreit hinsichtlich der Kosten des vierten Implantats übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt.

3

Zur Begründung des verbliebenen Klagegegenstandes - Beihilfefähigkeit der Material- und Laborkosten in Höhe von 60 statt 40 Prozent - vertritt der Kläger die Auffassung, dass die zum 01.01.2005 in Kraft getretene Absenkung des Bemessungssatzes nach der Rechtsprechung der Kammer als wesentliche Änderung des Beihilfeprogramms ohne Tätigwerden des Gesetzgebers rechtswidrig sei. Außerdem sei ihm vor dem Beginn der Behandlung die Beihilfefähigkeit seiner Aufwendungen zu den damals geltenden Bedingungen quasi zugesagt worden.

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Der Kläger beantragt,

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die Beklagte zu verpflichten, dem Kläger weitere Beihilfe in Höhe von 735,37 Euro zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu gewähren und den Beihilfebescheid der Wehrbereichsverwaltung G. vom 31.01.2006 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 23.03.2006 und des Teilabhilfebescheides vom 19.09.2006 aufzuheben, soweit er dem entgegensteht.

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Die Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

8

In Verteidigung der angegriffenen Bescheide vertritt sie die Auffassung, dass ihre beihilferechtliche Entscheidung entsprechend den geltenden Beihilfevorschriften getroffen worden sei. Die zahntechnischen Leistungen seien erst Ende 2005 in einem eigenständigen Behandlungsabschnitt erbracht worden; hierfür spreche bereits der lange Zeitraum vom Beginn der Implantatversorgung im Frühjahr 2003 bis zum Abschluss der prothetischen Versorgung Ende 2005, der eine Betrachtung als einheitliche Behandlung im Sinne der Übergangsvorschrift zur 27. allgemeinen VwV zur Änderung der BhV verhindere. Bei der Versorgung des Klägers mit der Komplettprothese habe bereits seit fast einem Jahr der aktuelle Bemessungssatz von 40 % gegolten.

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Der Rechtsstreit ist nach Anhörung der Beteiligten auf den Einzelrichter übertragen worden. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen; diese Unterlagen sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Entscheidungsfindung gewesen.

Entscheidungsgründe

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Soweit die Beteiligten den Rechtsstreit wegen der Kosten des vierten Implantats übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt haben, ist das Verfahren in entsprechender Anwendung des § 92 Abs. 3 VwGO einzustellen. Die im übrigen zulässige Klage ist überwiegend begründet; der Beihilfebescheid der WBV vom 31.01.2006 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 23.03.2006 und des Teilabhilfebescheides vom 19.09. 2006 ist insofern, als ein Bemessungssatz von lediglich 40 % anstatt 60 % für die Material- und Laborkosten angenommen wurde, rechtswidrig und verletzt den Kläger, welchem ein Anspruch auf weitere Beihilfe in Höhe 694,47 Euro nebst Zinsen ab Rechtshängigkeit zusteht, in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 Satz 1 VwGO).

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Rechtsgrundlage für das streitbefangene Verpflichtungsbegehren des Klägers ist § 6 Abs. 1 Nr. 1 (in Verbindung mit Anlage 2 Nr. 1) der zu § 79 Satz 1 Bundesbeamtengesetz - BBG - erlassenen Allgemeinen Verwaltungsvorschrift für Beihilfen in Krankheits-, Pflege- und Geburtsfällen - BhV - in der - grundsätzlich - im maßgeblichen Zeitpunkt des Entstehens der streitbefangenen Aufwendungen (vgl. BVerwG, Urteil vom 24.03.1982 - 6 C 95.75 -, Buchholz 238.4 § 30 Nr. 6, S. 8 ff; VG Göttingen, Urteil vom 29.01.1998 - 3 A 3293/96 -, S. 6; Urteil vom 15.03.2005 - 3 A 176/04 -, S. 4f) geltenden Fassung. Wenn auch die BhV nach der aktuellen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 17.06.2004 - 2 C 50.02 -, BVerwGE 121, 103-115; Urteil vom 25.11.2004 - 2 C 30.03 -, ZBR 2005, 168f; Urteil vom 15.12.2005 - 2 C 35.04 -, ZBR 2006, 195ff) nicht den Anforderungen des verfassungsrechtlichen Gesetzesvorbehalts genügen, dürften sie dennoch - jedenfalls im Dezember 2005 - gerade noch übergangsweise weiter anzuwenden gewesen sein. Mit diesen Vorschriften steht die streitbefangene Ablehnung der Gewährung von Beihilfe jedoch nicht im Einklang.

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Zwar nimmt die Beklagte grundsätzlich zu Recht an, dass die BhV des Bundes in der Fassung anzuwenden sind, die sie durch die 28. allgemeine Verwaltungsvorschrift zur Änderung der Beihilfevorschriften vom 30.01.2004 (GMBl. S. 379) erhalten haben; zu Unrecht hält sie sich jedoch an den geänderten Wortlaut des § 6 dieser Vorschriften der zum 01.08.2004 in Kraft gesetzt worden sein soll (GMBl. 2004, 974), und an die Anlage 2 zu § 6 Abs. 1 Nr. 1 BhV, deren Inkrafttreten auf den 01.01.2005 verschoben wurde. Bereits mit Urteil vom 30.10.2003 (- 2 C 26.02 -, BVerwGE 119, 168-172) hat das Bundesverwaltungsgericht nämlich die maßgebliche Bedeutung des Beihilfeprogramms hervorgehoben, welches sich aus dem Gesamtzusammenhang der Beihilfevorschriften ergibt, und ausgeführt:

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„Die Beihilfefähigkeit der dem Kläger entstandenen Aufwendungen lässt sich nicht unter Hinweis auf die Verwaltungsvorschrift des Ministeriums der Finanzen vom 15. Juli 1999 (MinBl 1999, S. 304) verneinen. Nr. 1 dieser Verwaltungsvorschrift schließt zwar die Beihilfefähigkeit ... aus. Die Verwaltungsvorschrift kann aber weder das Gericht binden noch einen Rechtsanspruch des Beamten ausschließen, der sich aus den Vorschriften der BVO selbst ergibt (vgl. Urteil vom 21. November 1994 - BVerwG 2 C 5.93 - Buchholz 270 § 6 BhV Nr. 8 S. 2). Die Ermächtigung zum Erlass von Verwaltungsvorschriften in § 4 Abs. 2 Nr. 1 und § 15 BVO berechtigt nur dazu, klarstellend festzulegen, welche Behandlungsmethoden und Medikamente im Einzelnen dem Programm nicht unterfallen, und dabei der Beihilfe gewährenden Stelle insbesondere die Entscheidung in Zweifelsfällen zu erleichtern. Die Verwaltungsvorschrift darf norminterpretierend bestimmte unwirtschaftliche oder wissenschaftlich nicht anerkannte Behandlungsmethoden von der Beihilfefähigkeit ausschließen (vgl. Urteil vom 29. Juni 1995 a.a.O.), bestimmte Leiden als nicht behandlungsbedürftig einstufen oder den Umfang der Aufwendungen in bestimmten Fällen im Sinne der Angemessenheit begrenzen. Die Entscheidung darüber, welche Behandlungsmethoden oder Arzneien jeweils ausgeschlossen oder dem Aufwand nach begrenzt sind, muss sich aber aus dem "Programm" der Beihilfevorschriften selbst ergeben und kann nicht ohne jegliche bindende Vorgabe in die Zuständigkeit des Vorschriftenanwenders übertragen werden.

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... Der Dienstherr kann sich nicht losgelöst vom normativ festgelegten "Programm" der Beihilfevorschriften und ohne jegliche sonstige Einschränkung die Entscheidung darüber vorbehalten, welche körperlichen Leiden als heilungs- oder behandlungswürdig anzusehen sind. ... Allein entscheidend ist, ob der Beamte an einer nach sachverständigem medizinischem Urteil behandlungsbedürftigen Gesundheitsstörung leidet.“

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Das Beihilfeprogramm darf dem gemäß nicht durch Verwaltungsvorschriften der Exekutive geändert werden. In einem weiteren Urteil vom 17.06.2004 (- 2 C 50.02 -, BVerwGE 121, 103-115) - also vor dem Inkrafttreten der Neufassung des § 6 BhV und der Anlage 2 durch die 27. Änderungs-VwV zum 01.08.2004 bzw. 01.01.2005 (vgl. Art. 2 Abs. 2 und 3 der 27. allgemeinen Änderungs-VwV (GMBl. 2004, 234) und RdSchr. vom 20.07.2004 (GMBl. S. 974) - stellte das Bundesverwaltungsgericht unter Verweis auf die außergewöhnliche Bedeutung der Beihilfevorschriften für die amtsangemessene Alimentation der Beamten und Versorgungsempfänger aufgrund der in jüngerer Zeit veränderten Bedingungen, denen der Schutz des Beamten und seiner Familie in Krankheits- und Pflegefällen unterworfen ist, fest, dass die wesentlichen Entscheidungen zum Beihilferecht vom parlamentarischen Gesetzgeber selbst getroffen werden müssen. Zu ihnen gehört zweifelsfrei als zentrales Element der Beihilfevorschriften das Beihilfeprogramm. Indem das Bundesverwaltungsgericht weiter ausführt, dass trotz des bestehenden Defizits normativer Regelungen für eine Übergangszeit von der Weitergeltung der Beihilfevorschriften auszugehen ist, beschränkt es zum einen die BhV des Bundes auf den Stand, der am 17.06.2004 gegolten hat, und verbietet im Lichte des Urteils vom 30.10.2003 zum anderen, dass Änderungen des Beihilfeprogramms, wie es sich aus dem Gesamtzusammenhang der BhV des Bundes im Zeitpunkt dieses Urteils ergibt, anders als ausschließlich durch den parlamentarischen Gesetzgeber vorgenommen werden dürfen.

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Weiter gelten können schon begrifflich nur die Beihilfevorschriften mit dem Beihilfeprogramm, die im Zeitpunkt der Urteilsverkündung durch das BVerwG gegolten haben; spätere Änderungen, die gegen dieses Beihilfeprogramm verstoßen, können damit nicht mehr wirksam werden, solange sie nicht vom Gesetzgeber selbst vorgenommen werden. Das in Bezug auf die Beihilfefähigkeit von zahntechnischen Leistungen im Sinne der Anlage 2 zu § 6 Abs. Nr. 1 BhV vor dem Inkrafttreten der 27. allgemeinen Änderungs-VwV geltende Beihilfeprogramm sah vor, dass zahntechnische Leistungen zu 60 % beihilfefähig sind. Die 27. allgemeine Änderungs-VwV verringert demgegenüber mit Wirkung ab dem 01.01.2005 (vgl. Art. 1 Nr. 19, Art. 2 Abs. 2 der 27. allgemeinen Änderungs-VwV) die Beihilfefähigkeit der zahntechnischen Leistungen pauschal um ein Drittel. Sinn und Zweck der Regelung sollte sein, die durch das Gesetz zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung - GMG - vom 14.11.2003 (BGBl. I. S. 2190) eingeführten Leistungskürzungen in der gesetzlichen Krankenversicherung - gKV - „wirkungsgleich“ (vgl. BT-Drs. 15/1584 - IV Nr. 2; LT-Drs. 15/1340, aaO.) auf die Beihilfeberechtigten des Bundes zu übertragen. Angesichts des Kostenumfangs, den zahntechnische Leistungen beim Ersatz von Zähnen regelmäßig einnehmen, ändert die 27. allgemeine Änderungs-VwV das bis dahin für zahntechnische Leistungen geltende Beihilfeprogramm grundlegend. Bereits mit Urteilen vom 04.10.2006 - 3 A 526/05 u.a. -(, juris) hat das erkennende Gericht entscheiden, dass die beabsichtigte „wirkungsgleiche“ Übertragung von Leistungskürzungen in der gKV mit den vom Vorschriftengeber nicht beachteten Grenzen kollidiert, die einerseits durch die Fürsorgepflicht des Dienstherrn (vgl. § 79 Satz 1 BBG) und die Pflicht zur Gewährung eines amtsangemessenen Lebensunterhalts und andererseits durch die Pflicht zur Gesunderhaltung (vgl. § 36 Satz 1 BRRG, § 54 Satz 1 BBG; BVerwG, Urteile vom 23.02.2005 - 1 D 1.04 -, Rn 79 und vom 14.11.2001 - 1 D 60.00 -, LS 1und Rn 19) gesetzt werden; diese Grundsätze gelten hier entsprechend auch für die drastische Kürzung der Beihilfe für zahntechnische Leistungen. Weil demzufolge die Anlage 2 zu § 6 Abs. 1 Nr. 1 BhV des Bundes in der Fassung der insoweit am 01.01.2005 in Kraft getretenen 27. allgemeinen Änderungs-VwV eine Abkehr von dem bis dahin geltenden Beihilfeprogramm für zahntechnische Leistungen darstellt, zu welcher der Bundesminister des Innern nach der am genannten Stichtag geltenden Rechtsprechung des BVerwGs nicht befugt war, gilt die Anlage 2 zu § 6 Abs. 1 Nr. 1 BhV in der Fassung der 26. allgemeinen Änderungs-VwV vom 13.12.2001 (GMBl. S. 919) unverändert fort, so dass Beihilfe zu zahntechnischen Leistungen weiterhin im Umfang von 60 % der beihilfefähigen Aufwendungen zu leisten ist.

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Im vorliegenden Fall ergibt die Anwendung der dargelegten Rechtsgrundlage, dass dem Kläger zu den Material- und Laborkosten weitere 694,47 Euro zu zahlen sind. Gegen die Notwendigkeit und Angemessenheit der zahntechnischen Leistungen sind Bedenken nicht ersichtlich. Bereits gewährt wurden ihm durch die angefochtenen Bescheide 1.388,95 Euro, nämlich eine Beihilfe nach einem Bemessungssatz von 70 % auf 1.927,09 Euro (40 % von 4.817,74 Euro) und 57,12 Euro (40 % von 142,79 Euro). Zu steht ihm nach den vorstehenden Ausführungen dagegen eine Beihilfe nach einem Bemessungssatz von 70 % auf 60 % der zahntechnischen Leistungen im Umfang von (4.817,74 € + 142,79 € =) 4.960,53 Euro, also (60 % von 4.960,53 € = 2.976,32 €, hiervon 70 % =) 2.083,42 Euro; die Differenz zu den bereits geleisteten 1.388,95 Euro macht den tenorierten Zahlbetrag aus.

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Zu demselben Ergebnis gelangt das Gericht im übrigen - die Entscheidung selbständig tragend - auch dann, wenn es die zum 01.01.2005 beabsichtigte Verringerung des Bemessungssatzes für zahntechnische Leistungen auf 40 % als rechtswirksam ansehen würde. In diesem Fall wäre nämlich die Übergangsvorschrift des Art. 2 Abs. 4 der 27. Änderungs-VwV anzuwenden, wonach für Behandlungen, die vor dem 01.01.2005 begonnen wurden, die BhV in der vor diesem Stichtag anzuwendenden Fassung fortgelten. Die Behandlung des Klägers begann lange vor dem 01.01.2005 zu Anfang des Jahres 2003 mit den vorbereitenden Untersuchungen und Arbeiten für die Operation vom 14.03.2003. Der Begriff der Behandlung wird in den BhV nicht definiert; zentraler Begriff ist vielmehr derjenige der Leistung. Aus den wenigen Erwähnungen (vgl. § 5 Abs. 4 Nr. 1, § 6 Abs. 1 Nr. 3, 6, 7, 9d und e, 10b, § 7 Abs. 1, 2 und 4, § 8 Abs. 3 Nr. 2, § 9a Satz 1, 12 Abs. 2 lit. b, Anlage 1 zu § 6 Abs. 1 Nr. 1, Anlage 2 Nr. 2 , Anlage 3 Satz 1) des Behandlungsbegriffs ist jedoch zu erkennen, dass der Vorschriftengeber der BhV als Behandlung alle Verrichtungen und Tätigkeiten ansieht, die auf die Erkennung, Heilung, Bekämpfung, Linderung oder Folgenbeseitigung einer Krankheit oder eines bestimmten Bildes von Krankheitssymptomen gerichtet sind. Dies deckt sich mit der Verwendung des Behandlungsbegriffs in anderen Rechtsvorschriften, beispielsweise in § 617 Abs. 1 und 2 BGB, §§ 6 Abs. 2, 24 Infektionsschutzgesetz (wonach die Diagnose des Krankheitserregers bereits zur Behandlung gehört), Art. 22 Abs. 1 und 2 der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971, § 105b Abs. 1 Arbeitsförderungsgesetz, § 11 Abs. 1 Arzneimittelgesetz, § 4 Abs. 1 Asylbewerberleistungsgesetz, § 16e Abs. 1 und 2 Chemikaliengesetz, § 30 Abs. 1 Jugendarbeitsschutzgesetz. Eine zeitliche Obergrenze derselben Behandlung ist nicht zu erkennen, vielmehr geht sie ersichtlich über den beispielsweise in § 617 BGB bestimmten 6-Wochen-Zeitraum hinaus; sie kann sich bei chronischen Erkrankungen über Jahrzehnte bis zum Ableben des Patienten hinziehen.

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Als Krankheit ist gemäß § 1 Abs. 3 Zahnheilkundegesetz jede von der Norm abweichende Erscheinung im Bereich der Zähne, des Mundes und der Kiefer einschließlich des Fehlens von Zähnen anzusehen. Die Bekämpfung des letztgenannten Krankheitszustandes geschah vorliegend durch die Einsetzung einer Oberkieferprothese, deren zwei Hauptschritte die Implantat-Operation vom März 2003 sowie das Anfertigen und Einpassen der Prothese Ende 2005 waren. Die rund zweieinhalb Jahre dazwischen erklären sich aus der Einheilung der Implantate und den dabei aufgetretenen Komplikationen (Entfernung eines Implantats, Nachbehandlung mit Knochengranulat und Eigenblut). Implantatversorgung und Herstellung/Einsetzen der Prothese waren jedes für sich allein nicht geeignet, die festgestellte Krankheit des Klägers zu beseitigen; erst beide Teile zusammen erreichen diesen Zweck. Sie sind mithin Teil derselben, auf das Beseitigen des Fehlens bzw. den Ersatz der Zähne im Oberkiefer des Klägers gerichteten Behandlung, für die folglich der alte Bemessungssatz von 60 % der zahntechnischen Leistungen fortgalt. Dies ergibt sich nicht zuletzt daraus, dass die Übergangsvorschrift des Art. 2 Abs. 2 der 27. Änderungs-VwV ersichtlich denjenigen Zahnarztpatienten einen Vertrauensschutz gewähren sollte, deren Implantatbehandlungen bereits vor Dezember 2003 und damit zu einem Zeitpunkt begonnen hatten, an dem die zum 01.01.2005 in Kraft zu setzenden Kürzungen noch nicht absehbar waren. Offensichtlich wollte der Vorschriftengeber bei der Versorgung eines Lückengebisses mit Implantaten beide Hauptschritte als einheitliche Behandlung ansehen, weil ansonsten eine Übergangsfrist von mehr als einem Jahr allein für die Anfertigung und Anpassung des Zahnersatzes völlig übertrieben wäre.

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Der geltend gemachte Zinsanspruch beruht auf §§ 288, 291 BGB analog (vgl. BVerwG, Urteil vom 12.06.2002 - 9 C 6.01 -, NVwZ 2003, 481, 485). Der Beginn der Verzinsung bestimmt sich analog § 187 Abs. 1 BGB.

21

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 161 Abs. 2, 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO und berücksichtigt hinsichtlich des streitigen Teils, dass der Kläger mit lediglich rund 5 % seiner Forderung unterlegen ist. Hinsichtlich des erledigten Teils entspricht es billigem Ermessen, die Verfahrenskosten der Beklagten aufzuerlegen, die dem klägerischen Begehren insoweit (zu Recht) nach Rechtshängigkeit nachgegeben und damit das erledigende Ereignis herbeigeführt hat. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre Grundlage in § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.