Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 12.06.2014, Az.: 6 K 324/12
Passivierung einer nur aus einem künftigen Handelsbilanzgewinn oder einem etwaigen Liquidationsüberschuss zu erfüllenden Verbindlichkeit
Bibliographie
- Gericht
- FG Niedersachsen
- Datum
- 12.06.2014
- Aktenzeichen
- 6 K 324/12
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2014, 20000
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:FGNI:2014:0612.6K324.12.0A
Verfahrensgang
- nachfolgend
- BFH - 15.04.2015 - AZ: I R 44/14
Rechtsgrundlagen
- § 4 Abs. 1 EStG
- § 5 Abs. 1 EStG
Fundstellen
- BB 2014, 1904
- BBK 2014, 1087-1088
- DB 2014, 1841
- EFG 2014, 1601-1603
- EStB 2015, 62
- Konzern 2014, 347-353
- KÖSDI 2014, 19068
- NWB 2014, 3138
- NWB direkt 2014, 1068
- NZG 2014, 1198-1200
- NZI 2014, 7
- StuB 2014, 702
Amtlicher Leitsatz
Eine Verbindlichkeit, die nur aus einem künftigen Handelsbilanzgewinn oder einem etwaigen Liquidationsüberschuss erfüllt zu werden braucht, ist zu passivieren.
Tatbestand
Gegenstand der Klage ist die ertragsteuerliche Beurteilung von Rangrücktrittsvereinbarungen zwischen der M. und der Klägerin als deren 100 %iger Tochtergesellschaft.
Gesellschaftszweck der Klägerin, einer Kapitalgesellschaft in der Rechtsform einer GmbH, ist laut Handelsregister die Herstellung und der Vertrieb ... . Tatsächlich stellte die Klägerin im Geschäftsjahr 2002 ihre Handelstätigkeit ein und betätigt sich seit Herbst 2003 als Holdinggesellschaft der M-Gruppe für deren nordamerikanischen Aktivitäten. Die Klägerin ermittelt ihre Gewinne durch Betriebsvermögensvergleich gem. §§ 4 Abs. 1, 5 Abs. 1 EStG und zwar - im Anschluss an ein Rumpfwirtschaftsjahr vom 01.01. bis 30.06.2004 - für vom Kalenderjahr abweichende Wirtschaftsjahre jeweils zum 30.06. eines jeden Jahres.
Mit Kooperationsvereinbarung vom 27.11.2001 hatte die Muttergesellschaft der Klägerin, die M., mit der X., als Partnerin ein Joint Venture zur Erschließung des amerikanischen Kontinents mit ... vereinbart. Aufgrund der Vereinbarung beteiligten sich beide Vertragsparteien über die MX-Holding zu jeweils 50 % an dem Joint Venture.
Die MX-Holding hielt bei Abschlusses der Kooperationsvereinbarung Mehrheitsbeteiligungen an zwei Gesellschaften in Nordamerika, nämlich der T1 Ltd. ... und der T2 LLC ... . Aufgrund anhaltender Probleme der nordamerikanischen Gesellschaften bei der Herstellung von ... beendeten die M. und die X. mit Vertrag vom 29.04.2003 das Joint Venture und die M. führte die Geschäfte alleine fort.
Durch Beendigung des Joint Ventures entfiel der Grund für die Zwischenschaltung der MX-Holding. Im Rahmen der Umstrukturierung und Liquidierung der MX-Holding erfolgte eine Übertragung des Engagements auf die Klägerin. Die Klägerin war zum Zeitpunkt der Übertragung des Geschäftsbetriebs der MX-Holding eine 100 %ige Tochtergesellschaft der M. ohne eigene wirtschaftliche Aktivitäten.
Die Klägerin erwarb mit Verträgen vom 21.11.2003
- von der MX-Holding mit Wirkung zum 01.07.2003 sämtliche Geschäftsanteile an der T1 für 500.000 € und der T2 für 1 €,
- von der M. mit Wirkung zum 01.07.2003 Forderungen gegenüber der T2 i.H.v. 5.667.820 € und gegenüber der T1 i.H.v. 1.944.290 € sowie gegenüber der MX-Holding in Höhe von 1.893.227 € gegen einen Kaufpreis in Höhe des Nennwertes. Mit Darlehensvertrag vom 21.11.2003 vereinbarten die M. und die Klägerin eine Umschuldung der Kaufpreisforderungen für die abgetretenen Forderungen in ein langfristiges Darlehens über 7.000.000 €. Mit weiterem Vertrag vom 21.11.2003 gewährte die M. der Klägerin zusätzlich ein Darlehen über 2.600.000 US-$.
Ebenfalls am 21.11.2003 verzichtete die Klägerin auf Darlehensforderungen i.H.v. 4.569.562 CA-$ (umgerechnet 3.174.808 €) und 200.000 € gegenüber der T1 und i.H.v. 3.200.000 US-$ (umgerechnet 2.801.365 €) gegenüber der T2.
Am 07.10.2004 vereinbarten die M. und die Klägerin zur Abwendung einer Überschuldung im Sinne der Insolvenzordnung (InsO) für die Darlehensforderung über 7 Mio. € einen Rangrücktritt folgenden Inhalts:
"Die M. tritt als alleinige Gesellschafterin mit ihrem Anspruch auf Tilgung und Verzinsung des der [Klägerin] gewährten Darlehens im Betrag von 7 Mio. € dergestalt im Rang hinter die Forderung sämtlicher anderer Gläubiger, einschließlich aller in § 39 Abs. 1 und Abs. 2 InsO genannten Gläubiger zurück, dass sie Tilgung und Verzinsung des Darlehens nur aus einem künftigen Bilanzgewinn oder aus einem etwaigen Liquidationsüberschuss verlangen kann. Für den Fall der Insolvenz tritt die M. auf den Rang des § 199 Satz 2 InsO zurück."
Wegen der weiteren Einzelheiten wird insofern auf die als Anlage 1 übersandte Rangrücktrittsvereinbarung (Bl. 32 GA) Bezug genommen.
Für das Darlehen vom 21.11.2003 über 2,6 Mio. US-$ trafen die M. und die Klägerin ebenfalls am 07.10.2004 eine entsprechende Rangrücktrittsvereinbarung. Wegen deren Einzelheiten wird insofern auf die Vereinbarung (Anlage 2, Bl. 33 GA) Bezug genommen.
In ihrem Jahresabschluss zum 30.06.2005 passivierte die Klägerin Darlehensverbindlichkeiten gegenüber der M. in Höhe der Anschaffungskosten von 9.189.658 €.
Gleichzeitig wies sie eine Kapitalrücklage i.H.v. 644.227 € sowie einen nicht durch Eigenkapital gedeckten Jahresfehlbetrag i.H.v. 9.291.521 € aus.
In der Zeit vom 25.02.2008 bis 27.06.2011 führte das Finanzamt für Großbetriebsprüfung ... bei der Klägerin eine Außenprüfung der Veranlagungszeiträume 2003 - 2006 durch. Im Rahmen der Prüfung gelangte die Außenprüfung zu der Auffassung, dass die im Rang zurückgetretenen Darlehensverbindlichkeiten gegenüber der M. i.H.v. insgesamt 9.189.658 € nach § 5 Abs. 2a des Einkommensteuergesetztes (EStG) in der Steuerbilanz zum 30.06.2005 nicht passiviert werden dürften. Die Ausbuchung der Darlehensverbindlichkeit erhöhe den Gewinn entsprechend.
Der Beklagte schloss sich der Auffassung der Außenprüfung an und erließ gem. § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO) geänderte Bescheide für 2005 über den Gewerbesteuermessbetrag (vom 02.11.2011) sowie über Körperschaftsteuer und über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrages zur Körperschaftsteuer auf den 31.12.2005 (vom 31.10.2011).
Hiergegen richtet sich - nach einem erfolglosen Vorverfahren - die Klage, mit der sich die Klägerin gegen die erfolgswirksame Auflösung von Verbindlichkeiten i.H.v. 9.189.658 € wendet. Zur Begründung ihrer Klage trägt sie Folgendes vor:
Entgegen der Auffassung des Beklagten seien die streitbefangene Verbindlichkeiten aufgrund der vereinbarten Rangrücktritte nicht erfolgswirksam nach § 5 Abs. 2a EStG im Jahresabschluss zum 30.06.2005 aufzulösen.
Der Beklagte verkenne insoweit, dass die streitbefangenen Rangrücktrittsvereinbarungen erstens faktisch eine Rückzahlung aus dem sonstigen freien Vermögen ermöglichten und zweitens qualifizierte Rangrücktrittsvereinbarungen darstellten, bei denen eine ausdrückliche Bezugnahme auf eine Tilgung aus einem sonstigen freien Vermögen nicht notwendig sei.
1. Vereinbarte Rückzahlung aus dem sonstigen freien Vermögen
Die Klägerin habe die streitbefangenen Verbindlichkeiten auch unter Berücksichtigung des BFH-Urteils vom 30.11.2011 I R 100/10 weiterhin in der Steuerbilanz auszuweisen. Dies folge aus der Argumentation des BFH, dass eine erfolgswirksame Ausbuchung der Verbindlichkeit aus der Steuerbilanz gem. § 5 Abs. 2a EStG dann zu erfolgen habe, wenn die rangrücktrittsbelegte Verbindlichkeit nur aus Jahresüberschüssen zu erfüllen sei. Der Begriff des Jahresüberschusses nach § 275 Abs. 2 Pos. 20 des Handelsgesetzbuchs (HGB) als Ergebnis sämtlicher wirtschaftlicher Tätigkeiten eines Wirtschaftsjahres werde somit dem Gewinnbegriff i.S.d. § 5 Abs. 2a EStG und § 4 EStG gleichgestellt.
Die streitbefangenen Rangrücktrittsvereinbarungen verwendeten jedoch weder den handelsrechtlichen Begriff des Jahresüberschusses noch den steuerrechtlichen Begriff des Gewinns. Vorliegend werde der handelsrechtliche Begriff des Bilanzgewinns als Bezugsgröße normiert, der eine völlig andere Größe sei, als der Jahresüberschuss oder der Gewinnbegriff i.S.d. Steuerrechts. Der Begriff des Bilanzgewinns sei legal definiert in § 158 Abs. 1 des Aktiengesetztes (AktG) als eine Position, die sich nach § 275 Abs. 4 HGB aus der Fortführung der Gewinn- und Verlustrechnung nach dem Jahresüberschuss ergebe. Der Bilanzgewinn sei ausgehend vom Jahresüberschuss der Gewinn- und Verlustrechnung i.S.d. § 275 Abs. 2 Pos. 20 HGB fortzuentwickeln, in dem der Jahresüberschuss um Vorträge aus dem Vorjahr, Entnahmen aus der Kapitalrücklage und Entnahmen aus der Gewinnrücklage ergänzt werde. Daraus folge, dass der Bilanzgewinn eben nicht dem Gewinnbegriff des § 5 Abs. 2a EStG entspreche, sondern vielmehr durch einzelne Maßnahmen der bilanziellen Ergebnisverwendung definiert werde. Der Gewinnbegriff des § 5 Abs. 2a EStG folge hingegen allein aus dem Ergebnis der Geschäftstätigkeit eines Wirtschaftsjahres.
Daher könne im Streitfall § 5 Abs. 2a EStG nicht anwendbar sein, da dieser nur dann greife, wenn die Erfüllung der Verbindlichkeit von künftigen Gewinnen i.S.d. EStG, also einer im Wirtschaftsjahr bezogenen Vermögensmehrung i.S.d. § 4 EStG, abhänge. Genau dieses liege jedoch im Fall als Verwendung der Kapital- oder Gewinnrücklage zur Bildung eines Bilanzgewinnes nicht vor.
Diese Betrachtungsweise stehe auch im Einklang mit dem BMF-Schreiben vom 18.08.2004 (BStBl I 2004, 850), demzufolge eine Rangrücktrittsvereinbarung die Anwendung des § 5 Abs. 2a EStG ausschließe, soweit der Rangrücktritt die Möglichkeit der Bedienung aus anderem freien Vermögen vorsehe. Der Begriff des freien Vermögens werde definiert als das die sonstigen Verbindlichkeiten des Schuldners übersteigende Vermögen. Bei einer Kapitalgesellschaft, deren Vermögensdarstellung sich aus § 266 HGB ergebe, sei eine Position "freies Vermögen" nicht vorgesehen. Nach § 266 Abs. 3 HGB sei die Differenz zwischen Vermögen (Aktivseite) und Verbindlichkeiten bzw. Rückstellungen als Eigenkapital gem. § 266 Abs. 3a HGB definiert. Danach spiegele sich das freie Vermögen in den Positionen gezeichnetes Kapital, Kapital- bzw. Gewinnrücklage, Gewinnvortrag und Jahresüberschuss wieder.
Die Posten Gewinnvortrag, Kapital- bzw. Gewinnrücklage und Jahresüberschuss ließen sich jedoch jederzeit im Rahmen der Ergebnisverwendung als Bilanzgewinn ausweisen, so dass das freie Vermögen jederzeit dem Bilanzgewinn zugeführt werden könne. Somit sei nach der Formulierung der Rangrücktritte eine Tilgung auch aus dem freien Vermögen möglich. Somit liege auch eine gegenwärtige wirtschaftliche Belastung des Vermögens der Klägerin vor.
Dem widerspreche auch nicht die vom Beklagten angeführte Argumentation, dass die Begriffe Gewinn und Bilanzgewinn gleichzusetzen seien, weil bei der Klägerin weder freies Vermögen vorhanden gewesen sei, noch aufgrund der wirtschaftlichen Situation hätte angesammelt oder eine Entnahme aus der Kapitalrücklage hätte vorgenommen werden können. An Rücktrittsvereinbarungen würden regelmäßig zwischen dem Gläubiger und dem Schuldner beim Vorliegen einer bilanziellen Überschuldung und zur Abwendung einer Überschuldung nach der InsO vereinbart. Sofern ein Schuldner noch über ausreichend freies Vermögen verfüge, wäre mangels drohender bilanzieller Überschuldung weder eine wirtschaftliche noch eine rechtlich Notwendigkeit gegeben, eine Rangrücktrittsvereinbarung abzuschließen. Insoweit könne die Beurteilung von einer Rangrücktrittsvereinbarung nicht davon abhängig sein, ob ein Schuldner noch über ausreichend freies Vermögen verfüge.
Ebenfalls begründe nach der Rechtsprechung des BFH die Tatsache, dass ein Schuldner Verbindlichkeiten mangels eines ausreichenden Vermögens nicht oder nur teilweise zurückzahlen könne, noch keine Annahme, dass eine fehlende wirtschaftliche Belastung des Vermögens des Schuldners vorliege (BFH-Urteil vom 09.02.1993, BStBl II 1993, 747 [BFH 09.02.1993 - VIII R 29/91]).
Entgegen der Auffassung des Beklagten komme M. somit für den Ansatz von im Rang zurückgetretenen Verbindlichkeiten der Steuerbilanz des Schuldners nicht auf das tatsächliche Vorhandensein eines ausreichenden freien Vermögens an. Vielmehr genüge, dass das noch vorhandene Vermögen aufgrund der geschlossenen Rangrücktrittsvereinbarungen weiterhin wirtschaftlich belastet sei.
Im Übrigen werde darauf hingewiesen, dass das "sonstige freie Vermögen" bilanztechnisch nur auf zwei Arten entstehen könne, nämlich aus laufenden Erträgen (Jahresüberschüssen) oder aus Gesellschaftereinlagen (vgl. Altendorf, GmbH-StB 2012, 147, 149; und Hoffmann, StuB 2012, 209, 210). Das eigenständige Tatbestandsmerkmal des "freien Vermögens" ermögliche somit im Unterschied zu der isolierten Schuldentilgung aus einem Jahrs- oder Liquidationsüberschuss auch eine Rückzahlungsmöglichkeit der im Rang zurück getretenen Verbindlichkeiten aus Betriebsvermögen, das aus Einlagen der Gesellschafter entstehen könne. Da in den Rangrücktrittsvereinbarungen eine Tilgung der Verbindlichkeiten aus der Größe Betriebsvermögen vereinbart worden sei, die jederzeit aus Entnahmen aus der Kapitalrücklage (Einlagen des Gesellschafters) gem. § 158 Abs. 1 AktG i. V. m. § 268 Abs. 1 HGB gebildet werden könne, enthielten die Rangrücktrittsvereinbarungen Rückzahlungsverpflichtungen auch aus dem sonstigen freien Vermögen. § 5 Abs. 2a EStG finde daher keine Anwendung.
2.1 Beurteilung als qualifizierter Rangrücktritt im Sinne der InsO
Mit der Neufassung der InsO bestimme § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO, dass eigenkapitalersetzende Gesellschafterdarlehen als nachrangige Insolvenzforderungen in den Überschuldungsstatus bei der Ermittlung eines Insolvenzgrundes grundsätzlich mit aufzunehmen seien.
Nach Auffassung des BGH in seinem Urteil vom 08.01.2001 II ZR 88/99 seien eigenkapitalersetzende Gesellschafterdarlehen, die unter die §§ 30/31 und 32a/32b des GmbH-Gesetzes (GmbHG) fielen, bei der Erstellung der Überschuldungsbilanz zumindest dann nicht zu berücksichtigen, wenn für die Gesellschafterdarlehen eine sog. rangqualifizierte Rangrücktrittsvereinbarung abgeschlossen worden sei. Bei einem sog. qualifizierten Rangrücktritt erkläre der Gesellschafter sinngemäß, dass er wegen der bestehenden Forderung erst nach Befriedigung sämtlicher Gesellschafter-Gläubiger und - bis zur Abwendung der Krise - auch nicht vor, sondern nur zugleich mit den Einlagenrückgewährsansprüchen der Gesellschafter berücksichtigt werde.
Auf der Grundlage dieses Urteils sei daraufhin in der Literatur zum großen Teil die Auffassung vertreten worden, dass der BGH zur Abwendung einer Passivierungspflicht von eigenkapitalersetzenden Gesellschafterdarlehen bei einer Überschuldungsbilanz unter der Herrschaft der InsO eine qualifizierte Rangrücktrittsvereinbarung und somit eine Gleichstellung der zurücktretenden Forderung mit den Einlagerückgewährsansprüchen der Gesellschafter nach § 199 Satz 1 InsO verlange. Eine Rangrücktrittsvereinbarung, aufgrund der die Gesellschafterforderung nach Befriedigung aller übrigen Gesellschaftsgläubiger aber vor den Einlagerückgewährsansprüchen der Gesellschafter erfüllt werde, reiche hingegen nicht mehr für die Abwendung der Passivierungspflicht in der Überschuldungsbilanz aus, da § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO in der für das Streitjahr geltenden Fassung ausdrücklich bestimme, dass eine eigenkapitalersetzende Gesellschafterforderung im Überschuldungsstatus zu berücksichtigen sei.
Die bis zum Ergehen des BGH-Urteils regelmäßig in Rangrücktrittsvereinbarungen und unter Herrschaft der Konkursordnung (KO) ergangenen Formulierungen, dass die im Rang zurückgetretenen Forderungen neben künftigen Gewinnen und dem Liquidationserlösen auch aus dem sonstigen die Verbindlichkeiten des Schuldnervermögens übersteigenden Vermögen zu tilgen seien, sei deshalb als bedenklich erachtet worden. Aufgrund des formulierten Anspruchs auf Tilgung der Forderungen aus dem sonstigen freien Vermögen führten diese gerade keinen Rücktritt des Gläubigers auf dem Rang nach § 199 Satz 2 InsO herbei und hätten die möglichen straf- und haftungsrechtliche Verantwortung eines Geschäftsführers definitiv nicht ausgeschlossen.
Der in den hier zu beurteilenden Rangrücktrittsvereinbarungen fehlende Zusatz, dass die Verbindlichkeiten aus einem die sonstigen Verbindlichkeiten übersteigenden freien Vermögen zu tilgen seien und der aufgenommene Zusatz, dass die M. für den Fall der Insolvenz auf den Rang des § 199 Satz 2 InsO zurücktrete, sei somit ausschließlich dem Urteil des BFH vom 08.01.2001 geschuldet. Zweck der abgeschlossenen Rangrücktrittsvereinbarungen sei die Vermeidung eines Insolvenzantragsgrundes und die Vermeidung der straf- und haftungsrechtlichen Verantwortung der Geschäftsführer der Klägerin. Somit seien die abgeschlossenen Rangrücktrittserklärungen als qualifizierte Rangrücktrittserklärung i.S. der Rechtsprechung des BGH zu beurteilen. Folglich könne auch nicht aus dem fehlenden Zusatz, dass für den Fall der Überwindung der Krise eine Rückzahlung der Darlehen aus einem sonstigen freien Vermögen zu erfolgen habe, auf den Willen der Vertragsparteien geschlossen werden, dass diese für den Fall der Überwindung der Krise einen Verzicht für die Rückzahlung der Darlehen aus dem sonstigen freien Vermögen erklärt hätten und die Rückzahlung ausschließlich auf zukünftige Gewinne und einen Liquidationsüberschuss hätte begrenzen wollen. Vielmehr erschöpfe sich die Auslegung des fehlenden Zusatzes darauf, dass die M. im Ergebnis auf einen Rang nach § 199 Satz 2 InsO zurücktreten und einen wirksamen qualifizierten Rangrücktritt nach der InsO habe herbeiführen wollte.
An dieser Beurteilung ändere sich auch nichts dadurch, dass die Klausel fehle, dass die Rangrücktrittsvereinbarungen nur bis zur Überwindung der Krise gelten sollen.
Gesellschafterforderungen unterlägen bereits nach den §§ 30/31 und 32a/32b GmbHG in der Krise der Gesellschaft Rückzahlungsbeschränkungen. Die Aufnahme einer Klausel in einen qualifizierten Rangrücktritt, nach der die Rangrücktrittsvereinbarung nur bis zur Überwindung der Krise der Gesellschaft gelten solle, berücksichtige somit die Rückzahlungssperren der §§ 30/31 und 32a/32b GmbHG und damit das Kapitalersatzrecht im GmbHG. Das Insolvenzrecht in der für den betreffenden Veranlagungszeitraum geltenden Fassung fordere eine derartige Klausel für die Vereinbarung eines wirksamen Rangrücktritts und für die Vermeidung eines Insolvenzantragsgrundes nicht.
Die Auffassung des Beklagten, dass die Rangrücktrittsvereinbarung aufgrund der fehlenden Klausel, die Rangrücktrittsvereinbarung solle nur bis zur Überwindung der Krise gelten, nicht als qualifizierter Rangrücktritt zu beurteilen sei, führe somit zu einer Vermischung des Kapitalersatzrechts mit dem Insolvenzrecht. Für einen wirksamen qualifizierten Rangrücktritt i.S.d. InsO sei nicht Voraussetzung, dass dieser nur bis zur Überwindung der Krise gelten solle. Insoweit könne eine solche Klausel auch nicht Voraussetzung für die Beurteilung eines qualifizierten Rangrücktritts nach dem Insolvenzrecht sein.
Vielmehr sei nach der Legaldefinition des § 32a Abs. 1 Satz 1 GmbHG eine Krise der Zeitpunkt, in dem ein Gesellschafter der Gesellschaft als ordentlicher Kaufmann Eigen- statt Fremdkapital zur Verfügung gestellt hätte. Im Falle der Überwindung einer Krise, also dem Zeitpunkt, in dem eine Gesellschaft von ihrem Gesellschafter kein zusätzliches Eigenkapital mehr benötige, bestehe sowohl die rechtliche als auch die wirtschaftliche Notwendigkeit einer Rangrücktrittserklärung nicht mehr fort. Eine Rangrücktrittsvereinbarung sei somit per Definition nur bis zur Überwindung der Krise erforderlich.
2.2 Beurteilung der Rangrücktrittsvereinbarungen in der Steuerbilanz
Nach § 5 Abs. 2a EStG seien für Verpflichtungen, die nur zu erfüllen seien, soweit künftig Einnahmen oder Gewinne anfielen, Verbindlichkeiten oder Rückstellungen erst anzusetzen, wenn die Einnahmen oder Gewinne angefallen seien. Der BFH habe mit Urteil vom 10.11.2005 an seiner bisherigen Rechtsprechung festgehalten, dass Rangrücktrittsvereinbarungen nicht zu einer gewinnerhöhenden Auflösung der Verbindlichkeiten führten, sofern eine Rückzahlung der Verpflichtung aus zukünftigen Gewinnen, einem Liquidationsüberschuss oder einem sonstigen freien Vermögen zu erfolgen hätten. Dabei sei der BFH in dem Entscheidungsfall im Wege der Auslegung der abgeschlossenen Rangrücktrittsvereinbarung zu dem Ergebnis gelangt, dass trotz Fehlens der ausdrücklichen Bezugnahme auf die Tilgung der Darlehen aus einem Liquidationsüberschuss oder einen sonstigen freien Vermögen, nicht davon ausgegangen werden könne, dass die Parteien auf eine Rückzahlung aus einem Liquidationsüberschuss oder aus einem sonstigen freien Vermögen verzichtet hätten. Damit sei der BFH der Ansicht der Finanzverwaltung in dem BMF-Schreiben vom 18.08.2004 entgegengetreten. Weiterhin sei der BFH für den Fall eines qualifizierten Rangrücktritts davon ausgegangen, dass eine erfolgswirksame Auflösung der Verbindlichkeit in der Steuerbilanz nicht zu erfolgen habe. Eine ausdrückliche Bezugnahme auf die Tilgung aus einem sonstigen freien Vermögen oder einem Liquidationsüberschuss habe der BFH für den Fall des qualifizierten Rangrücktritts für nicht notwendig gehalten. Der qualifizierte Rangrücktritt sei vielmehr nur entsprechend seinem Zweck auszulegen, der sich in der Vermeidung der Passivierung der Verbindlichkeit in der Überschuldungsbilanz und damit auch in der Vermeidung eines Insolvenzantragsgrundes erschöpfe. Weitergehende Rückschlüsse auf den handels- und steuerrechtlichen Jahresabschluss könnten nach Auffassung des BFH nicht gezogen werden, da die zur Überschuldungsbilanz aufgestellten Grundsätze nicht auf diese übertragbar seien. Im Ergebnis habe sich das BMF mit Schreiben vom 08.09.2006 (BStBl I 2006, 497 Rz. 7 - 8) der Rechtsprechung des BFH angeschlossen und im Falle eines qualifizierten Rangrücktritts ebenfalls keine ausdrückliche Bezugnahme auf die Tilgung über einem sonstigen freien Vermögen oder einem Liquidationsüberschuss für erforderlich gehalten.
Berücksichtige man das wirtschaftlich und rechtlich Gewollte in den hier zu beurteilenden Rangrücktrittsvereinbarungen könne man im Wege der Auslegung der von der Klägerin abgeschlossenen Rangrücktrittsvereinbarungen aber zu keinem anderen Ergebnis kommen. Die fehlende Bezeichnung, dass die Verbindlichkeiten auch aus einem die Verbindlichkeiten übersteigenden sonstigen freien Vermögen zu tilgen seien, erkläre sich ausschließlich aus dem Ziel, das die Vertragsparteien mit den Rangrücktrittsvereinbarungen erreichen wollten. Dies habe lediglich darin bestanden, dass zur Vermeidung der Insolvenz der Klägerin die M. auf den Rang des § 199 Satz 2 InsO zurücktreten und einen wirksamen Rangrücktritt i.S.d. Insolvenzrechts auf der Grundlage der Rechtsprechung des BGH habe herbeiführen wollen. Ein endgültiger Verzicht auf die Forderung oder ein Verzicht auf die Rückzahlung aus einem sonstigen freien Vermögen für den Fall der Überwindung der Krise könne daraus nicht abgeleitet werden. Insofern bestehe auch keine Abhängigkeit zwischen der Tilgung der Verbindlichkeiten und zukünftigen Einnahmen bzw. Gewinnen der Klägerin, so dass somit kein Anwendungsfall des § 5 Abs. 2a EStG vorliege.
Daran ändere auch nichts das Urteil des BFH vom 30.11.2011. Der Entscheidungsfall betreffe das Streitjahr 1999 und somit einen Veranlagungszeitraum, der vor der Rechtsprechung des BGH zum qualifizierten Rangrücktritt liege. Ein Rangrücktritt auf die Ebene der Einlagenrückgewährsansprüche der Gesellschafter sei in dem Urteilsfall nicht vereinbart worden. Abwägungen, inwieweit die Rangrücktrittsvereinbarungen unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des BGH zum qualifizierten Rangrücktritt formuliert worden sei, habe der BFH in seinem Urteil vom 30.11.2011 nicht vornehmen müssen.
Aufgrund der zwischenzeitlich geänderten Voraussetzungen für einen wirksamen Rangrücktritt i.S.d. Insolvenzrechts und der damals noch nicht abschließend geklärten zivilrechtlichen Rechtslage habe die Klägerin aber keine ausdrückliche Bezugnahme auf die Tilgung aus einem sonstigen freien Vermögen in die abgeschlossenen Rangrücktrittserklärungen mit aufnehmen können. Eine solche Formulierung in einem Rangrücktritt stehe der Forderung des BGH für einen qualifizierten Rangrücktritt bei eigenkapitalersetzenden Gesellschafterdarlehen streng genommen entgegen. Die Möglichkeit, die Forderungen auch aus freiem Vermögen zu bedienen, ergebe sich hier vielmehr aus der Bezugnahme auf den Bilanzgewinn.
Eine Übertragung der Rechtsprechung des BFH aus dem Urteil des vom 30.11.2011 sei somit für den hier zu entscheidenden Fall nicht möglich, da sich sowohl der Sachverhalt als auch die insolvenzrechtlichen Anforderungen an einen Rangrücktritt im Vergleich zu dem hier vorliegenden Fall unterschieden.
Das Argument des Beklagten, die Klägerin habe zum Zeitpunkt des Abschlusses der Rangrücktrittsvereinbarungen tatsächlich über kein freies Vermögen verfügt, sei nicht dazu geeignet, das Nichtansetzen der streitbefangenen Verbindlichkeiten zu begründen. M. sei gerade die typische Situation einer Rangrücktrittsvereinbarung, dass der Schuldner der Verbindlichkeit nicht in der Lage ist, Verbindlichkeiten zu bedienen. Der Rangrücktritt diene letztlich der Vermeidung der Insolvenzantragspflicht, weshalb ein freies Vermögen in Höhe der im Rang zurückgetretenen Verbindlichkeit in der Regel gerade nicht vorliege.
Allein die Tatsache, dass der Schuldner die Verbindlichkeit mangels ausreichenden Vermögens nicht oder nur teilweise tilgen könne, begründe nach der BFH-Rechtsprechung noch keine Annahme einer fehlenden wirtschaftlichen Belastung. M. sei demnach auch unstreitig, dass eine Gesellschaft, die Verbindlichkeiten aktuell nicht mehr erfüllen könne, diese weiterhin in der Steuerbilanz passivieren müsse.
Dem Beklagen sei zuzustimmen, dass im Rahmen der Veröffentlichung des BFH-Urteils vom 30.11.2011 der Begriff "qualifizierten Rangrücktritt" benutzt werde. Gleichwohl behandele das Urteil gerade nicht die besonderen Voraussetzungen des qualifizierten Rangrücktritts. In der steuerberatenden Praxis sei das Urteil nebst des Veröffentlichungstextes auch nicht so aufgefasst worden, dass sämtliche Verbindlichkeiten, die mit einem qualifizierten Rangrücktritt belegt seien, erfolgswirksam in den Steuerbilanzen aufzulösen seien. Dies hätte dramatische Konsequenzen, so dass davon auszugehen sei, dass M. sich hier nur um eine vereinzelte Meinung des Beklagten handele, da auch das BMF seine Verfügung vom 08.09.2006 trotz des Urteils nicht zurückgenommen habe. Beim qualifizierten Rücktritt vertrete die Finanzverwaltung ausdrücklich die Auffassung, dass die Voraussetzungen des § 5 Abs. 2a EStG nicht vorlägen, weil eine Abhängigkeit zwischen Verbindlichkeit und Einnahmen oder Gewinnen nicht bestehe, sondern die Begleichung der Verbindlichkeiten zeitlich aufschiebend bedingt bis zu Abwendung der Krise verweigert werden könne.
Die Klägerin beantragt,
unter Abänderung des Körperschaftsteuerbescheides 2005 und des Bescheides über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrages zur Körperschaftsteuer auf den 31.12.2005 beide vom 31.10.2011 sowie des Bescheides über den Gewerbesteuermessbetrag 2005 vom 02.11.2011 - alle in der Gestalt des Einspruchsbescheides vom 20.07.2012 - dahingehend zu ändern, dass die Körperschaftsteuer 2005 auf 0 € und der Gewerbesteuermessbetrag auf 0 € herabzusetzen und den Bescheid über den verbleibenden Verlustvortrag zur Körperschaftsteuer auf den 31.12.2005 dahingehend zu ändern, dass von dem Ansatz eines a. o. Ertrages in Höhe von 9.189.658 € abgesehen wird.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung seines Antrages trägt der Beklagte Folgendes vor:
Im Streitfall seien Verbindlichkeiten i.H.v. 9.189.658 € zu Recht gewinnerhöhend aufgelöst worden, da die Verpflichtung nach § 5 Abs. 2a EStG (noch) nicht anzusetzen seien. Die Klägerin bestreite das Vorliegen der Voraussetzungen des § 5 Abs. 2a EStG, da einerseits die Rückzahlungen ihrer Auffassung nach nicht nur aus künftigen Einnahmen oder Gewinnen, sondern auch aus dem "sonstigen freien Vermögen" erfolgen könnten und andererseits sog. "qualifizierte Rangrücktrittsvereinbarungen" abgeschlossen worden seien, bei denen ausdrückliche Bezugnahmen auf eine Tilgung aus einem sonstigen freien Vermögen nicht notwendig seien.
Die Klägerin habe aber bei Abschluss der Rangrücktrittsvereinbarung über kein sonstiges freies Vermögen verfügt. Auch sei sie aufgrund fehlender eigener wirtschaftlicher Tätigkeit in absehbarer Zeit nicht in der Lage gewesen, ein solches aufzubauen. Ob die Formulierung "Bilanzgewinn" dem Begriff des "Jahresabschlusses" gleichzustellen sei, sei für den Streitfall daher nicht relevant. Tatsächlich habe die Klägerin die Verbindlichkeit nur aus künftigen Gewinnen oder einem etwaigen Liquidationsüberschuss erfüllen können. Eine solche Verbindlichkeit könne nach dem BFH-Urteil vom 30.11.2011 I R 100/10 (BStBl II 2012, 332) mangels gegenwärtiger wirtschaftlicher Belastung nicht ausgewiesen werden.
Die Ausführungen der Klägerin zu sog. qualifizierten Rangrücktrittsvereinbarungen seien aufgrund des BFH-Urteils in BStBl II 2012, 332 [BFH 30.11.2011 - I R 100/10] überholt. Auch wenn der Ausdruck qualifizierter Rangrücktritt im eigentlichen Text des Urteils nicht vorkomme, so sei die Veröffentlichung unter folgendem zusammenfassenden Text: "Keine Passivierung bei sogenannten qualifiziertem Rangrücktritt - Bilanzierung von Verbindlichkeiten - Gesellschafter-Darlehen als Eigenkapital" erfolgt. Aus dieser Formulierung des BFH ergebe sich, dass der BFH im entschiedenen Fall von einem qualifizierten Rangrücktritt ausgegangen sei. In der Urteilsbegründung werde folgerichtig nicht zwischen einfachem und qualifiziertem Rangrücktritt differenziert, sondern durchweg die Formulierung Rangrücktritt oder Rangrücktrittsvereinbarung ohne Zusatz verwendet. Die Annahme der Klägerin, bei einer qualifizierten Rangrücktrittsvereinbarung lägen die Voraussetzungen des § 5 Abs. 2a EStG (stets) nichts vor, stehe daher in Widerspruch zur aktuellen BFH-Rechtsprechung. Nach dem Urteil in BStBl II 2012, 332 [BFH 30.11.2011 - I R 100/10] komme M. für die Passivierung einer Verbindlichkeit auch im Falle einer qualifizierten Rangrücktrittsvereinbarung darauf an, ob die Verbindlichkeit nur aus künftigen Gewinnen und einem evtl. Liquidationsüberschuss oder auch aus sonstigem Vermögen zu bedienen sei.
Aus dem BFH-Urteil vom 10.11.2005 (BStBl II 2006, 618 [BFH 10.11.2005 - IV R 13/04]) ergebe sich insoweit nichts anderes. Der BFH habe dort ausgeführt, dass ein nicht näher präzisierter Rangrücktritt, das heißt ein Rangrücktritt, bei dem der Rückzahlungsanspruch nicht ausdrücklich darauf beschränkt werde, dass er lediglich aus künftigen Gewinnen zu tilgen sei, nicht dahingehend auszulegen sei, dass der Gläubiger für den Fall der Besserung auf die Rückzahlung des Darlehens aus einem Liquidationsüberschuss oder aus den sonstigen Verbindlichkeiten übersteigenden Vermögen des Schuldners verzichte. Im Streitfall sei jedoch vereinbart worden, dass die Tilgung und Verzinsung der Darlehen nur aus einem künftigen Bilanzgewinn oder aus einem künftigen Liquidationsüberschuss verlangt werden könne. Damit liege eine ausdrückliche Beschränkung und somit kein nicht näher präzisierter Rangrücktritt i.S. des genannten BFH-Urteil vor. Auch wenn man mit dem BFH die Auffassung vertrete, eine ausdrückliche Bezugnahme der Rangrücktrittsvereinbarung auf die Möglichkeit der Tilgung auch aus dem sonstigen freien Vermögen sei nicht in jedem Fall erforderlich, gelange man im vorliegenden Fall gleichwohl zu dem Ergebnis, dass die Tilgung aus sonstigen freien Vermögen ausdrücklich ausgeschlossen worden sei und somit der Gläubiger für den Fall der Besserung auf die Rückzahlung des Darlehens aus dem die sonstigen Verbindlichkeiten übersteigenden Vermögen des Schuldners verzichtet habe.
Im Übrigen begebe sich die Klägerin nach Auffassung des Beklagten in einen Widerspruch zu ihren eigenen Ausführungen, wenn sie einerseits darlege, M. sei im Hinblick auf möglicherweise bestehende Anforderungen des BFH an einen qualifizierten Rangrücktritt bewusst keine ausdrückliche Bezugnahme auf die Tilgung aus dem sonstigen freien Vermögen in die Rangrücktrittsvereinbarung mit aufgenommen worden, andererseits aber erkläre, die Möglichkeit, die Forderung aus freiem Vermögen zu bedienen, ergebe sich aus der Bezugnahme auf den Bilanzgewinn.
Aus den vertraglichen Vereinbarungen und den Gesamtumständen des Streitfalles ergebe sich demnach, dass die Verbindlichkeiten nur aus künftigen Gewinnen oder einem etwaigen Liquidationsüberschuss zu erfüllen seien. Damit seien die Voraussetzungen einer Anwendung des § 5 Abs. 2a EStG erfüllt. Die Verbindlichkeiten seien daher erst dann anzusetzen, wenn die Gewinne (oder Überschüsse) angefallen seien.
Entscheidungsgründe
1. Die Klage ist begründet.
Die Bescheide über die Körperschaftsteuer 2005 und die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrages zur Körperschaftsteuer auf den 31.12.2005 vom 31.10.2011 sowie der Bescheid über den Gewerbesteuermessbetrag 2005 vom 02.11.2011, alle in der Gestalt des Einspruchsbescheides vom 20.07.2012, sind in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang rechtwidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung -FGO-).
Zu Unrecht hat der Beklagte in den angefochtenen Bescheiden die streitgegenständlichen Darlehensverbindlichkeiten der Klägerin gegenüber der M. über insgesamt 9.189.658 € gewinnerhöhend aufgelöst. Die Klägerin war entgegen der Auffassung des Beklagten verpflichtet, die Darlehensverbindlichkeiten in ihrem Jahresabschluss auf den 30.06.2005 zu passivieren. Diese Passivierungsverpflichtung war nicht durch die Rangrücktrittsvereinbarungen vom 07.10.2004 entfallen.
Gemäß § 8 Abs. 1 KStG i.V.m. § 5 Abs. 1 Satz 1 EStG hat die buchführende Klägerin in ihren Bilanzen das Betriebsvermögen anzusetzen, das nach den handelsrechtlichen Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung (GoB) auszuweisen ist. Die handelsrechtlichen GoB ergeben sich vornehmlich aus den Bestimmungen des Ersten Abschnitts des Dritten Buchs "Vorschriften für alle Kaufleute" der §§ 238 ff. HGB. Nach § 247 Abs. 1 HGB sind handelsrechtlich und damit nach § 5 Abs. 1 EStG auch steuerrechtlich Verbindlichkeiten zu passivieren. Eine Verbindlichkeit ist zu bilanzieren, wenn der Unternehmer zu einer dem Inhalt und der Höhe nach bestimmten Leistung an einen Dritten verpflichtet ist, die vom Gläubiger erzwungen werden kann und eine wirtschaftliche Belastung darstellt (BFH-Urteil vom 30.11.2011 I R 100/10, BFHE 235, 476, BStBl II 2012, 332 [BFH 30.11.2011 - I R 100/10] m.w.N.).
Am Bilanzstichtag 30.06.2005 bestanden die streitbefangenen Darlehensverbindlichkeiten der Klägerin gegenüber der M. in Höhe von insgesamt 9.189.658 €. Über die Höhe dieser Verbindlichkeiten besteht zwischen den Beteiligten kein Streit.
Eine betrieblich begründete Verbindlichkeit muss in Handels- und Steuerbilanz ausgewiesen werden, solange nicht der Gläubiger dem Schuldner aus betrieblicher Veranlassung die Schuld gemäß § 397 des Bürgerlichen Gesetzbuches erlässt oder sich ergibt, dass die Verbindlichkeit aus sonstigen Gründen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht erfüllt zu werden braucht (BFH-Urteile vom 30.03.1993 IV R 57/91, BFHE 170, 449, BStBl II 1993, 502 [BFH 30.03.1993 - IV R 57/91]; vom 20.10.2004 I R 11/03, BFHE 207, 295, BStBl II 2005, 581 [BFH 20.10.2004 - I R 11/03]; und vom 16. 05.2007 I R 36/06, BFH/NV 2007, 2252).
Bei Anwendung dieser Grundsätze stehen dem Ausweis der streitigen Darlehnsverpflichtungen die am 07.10.2004 getroffenen Rangrücktrittsvereinbarungen nicht entgegen, nach deren Inhalt die M. mit ihren Darlehensforderungen dergestalt im Rang hinter die Forderung sämtlicher anderer Gläubiger einschließlich aller in § 39 Abs. 1 und Abs. 2 InsO genannten Gläubiger zurück getreten ist, dass sie Tilgung und Verzinsung der Darlehen nur aus einem künftigen Bilanzgewinn oder aus einem etwaigen Liquidationsüberschuss verlangen kann und dass sie darüber hinaus im vorliegend nicht gegebenen Fall der Insolvenz vom Insolvenzverwalter unter Anwendung des § 199 Satz 2 InsO nur Herausgabe des Teils des Überschusses beanspruchen kann, der ihr bei einer Abwicklung außerhalb des Insolvenzverfahrens zustünde.
Denn die getroffenen Rangrücktrittsvereinbarungen führten nicht zum Erlöschen der Schulden. Die Klägerin blieb vielmehr unverändert verpflichtet, die Schulden aus einem künftigen Bilanzgewinn zu bedienen. Auch soweit danach die M. vorerst keinen unmittelbaren Zugriff auf das Vermögen der Klägerin als Befriedigungssubstrat hatte, stellen sich die Rangrücktritte aus Sicht der Klägerin als Vereinbarungen dar, die lediglich zu einer veränderten Rangordnung, nicht hingegen zu einer Minderung ihrer Verbindlichkeiten insgesamt führten. Diese sind daher weiterhin bilanziell auszuweisen (BFH-Urteil vom 16.05.2007 I R 36/06, BFH/NV 2007, 2252 m.w.N.; BMF-Schreiben vom 08.09.2006, BStBl I 2006, 497).
Der Passivierung der Darlehensverbindlichkeiten im Streitfall steht nicht § 5 Abs. 2a EStG i.d.F. des Steuerbereinigungsgesetzes vom 22.12.1999 (StBereinG 1999, BGBl I 1999, 2601, BStBl I 2000, 13) entgegen. Gemäß § 5 Abs. 2a EStG sind für Verpflichtungen, die nur zu erfüllen sind, soweit künftig Einnahmen oder Gewinne anfallen, Verbindlichkeiten oder Rückstellungen erst anzusetzen, wenn die Einnahmen oder Gewinne angefallen sind.
Zwar ist bei Anwendung dieser Vorschrift nach der Rechtsprechung des BFH (BFH-Urteil vom 30.11.2011 I R 100/10, BFHE 235, 476, BStBl II 2012, 332) und der überwiegenden Auffassung in der Literatur (so Neumann, Der GmbH-StB 2009, 192, 194; Lang, DStZ 2006, 789; BMF-Schreiben vom 08.09.2006, BStBl I 2006, 497; Schmidt/Weber-Grellet, EStG, 33. Aufl., § 5 Rz 315; ders., BB 2007, 35, 37; Tiedchen in Herrmann/Heuer/Raupach, § 5 EStG Rz 675 "Besserungsvereinbarung") eine Verbindlichkeit unter Vereinbarung eines Rangrücktritts in der Weise, dass die Forderung des Gläubigers hinter die Forderungen aller übrigen Gläubiger zurücktritt und nur aus künftigen Jahresüberschüssen zu erfüllen ist, nicht auszuweisen, weil M. insofern an einer gegenwärtigen wirtschaftlichen Belastung fehlt.
Aber die streitgegenständlichen Rangrücktrittsvereinbarungen vom 07.10.2004 berechtigen die M. als Gläubigerin nicht, die Erfüllung der streitbefangenen Darlehensforderungen nur aus künftigen Einnahmen und Gewinnen zu verlangen. Die Rangrücktrittsvereinbarungen vom 07.10.2004 knüpfen vielmehr die Berechtigung eines Erfüllungsverlangens der Gläubigerin an das Entstehen eines künftigen Bilanzgewinns.
Der handelsrechtliche Begriff des Bilanzgewinns entspricht nicht den steuerrechtlichen Begriffen Jahresüberschuss oder Gewinn, sondern ist weiter gefasst.
So wird der Begriff des Handels-"Bilanzgewinns" in § 158 Abs. 1 AktG als eine Position definiert, die sich nach § 275 Abs. 4 HGB aus der Fortführung der Gewinn- und Verlustrechnung nach dem Jahresüberschuss ergibt. Der Bilanzgewinn wird ausgehend vom Jahresüberschuss der Gewinn- und Verlustrechnung i.S.d. § 275 Abs. 2 Pos. 20 HGB fortentwickelt, indem der Jahresüberschuss um Vorträge aus dem Vorjahr, Entnahmen aus der Kapitalrücklage und Entnahmen aus der Gewinnrücklage ergänzt wird. Der Bilanzgewinn ergibt sich damit als Resultat aus den einzelnen Maßnahmen der bilanziellen Ergebnisverwendung.
Der Gewinnbegriff des § 5 Abs. 2a EStG folgt hingegen allein aus dem Ergebnis der Geschäftstätigkeit eines Wirtschaftsjahres und ist damit enger gefasst. So kann beispielsweise eine Entnahme aus einer Kapitalrücklage in einem Jahr, in dem kein Jahresüberschuss erwirtschaftet wurde, zu einem Bilanzgewinn führen, der die Gläubigerin berechtigte, auf der Grundlage der Rangrücktrittsvereinbarungen in Höhe des Bilanzgewinns Erfüllung der Darlehensforderungen zu verlangen.
Nach Auffassung des Senates schließt die Anknüpfung der Rangrücktrittsvereinbarungen vom 07.10.2004 an den Handelsbilanzgewinn, der weiter gefasst ist als die in § 5 Abs. 2a EStG normierten Tatbestandsmerkmalen "künftige Gewinne" und "künftige Einnahmen", die Anwendung des § 5 Abs. 2a EStG auf die streitbefangenen Darlehensverbindlichkeiten aus, da § 5 Abs. 2a EStG nur der Passivierung von Verbindlichkeiten entgegen steht, die nur aus künftigen Einnahmen oder Gewinnen zu tilgen sind.
Dabei darf nicht unbeachtet bleiben, dass nach der Rechtsprechung (vgl. BFH-Urteile vom 30.11.2011 I R 100/10, BFHE 235, 476, BStBl II 2012, 332 [BFH 30.11.2011 - I R 100/10] unter II 2 b bb; und vom 16.05.2007 I R 36/06, BFH/NV 2007, 2252 [BFH 16.05.2007 - I R 36/06]) und nach Auffassung der Finanzverwaltung (BMF-Schreiben vom 08.09.2006, BStBl I 2006, 497) Rangrücktrittsvereinbarungen die Anwendung des § 5 Abs. 2a EStG ausschließen, soweit der Rangrücktritt die Möglichkeit der Bedienung aus anderem freien Vermögen vorsieht. Der Begriff des freien Vermögens in diesem Sinne wird definiert als das die sonstigen Verbindlichkeiten des Schuldners übersteigende Vermögen. Bei einer Kapitalgesellschaft, deren Vermögensdarstellung sich aus § 266 HGB ergibt, ist in der Handelsbilanz eine Position "freies Vermögen" nicht vorgesehen. Nach § 266 Abs. 3 HGB ist als Differenz zwischen Vermögen (Aktivseite) und Verbindlichkeiten bzw. Rückstellungen das Eigenkapital gem. § 266 Abs. 3a HGB definiert. Danach spiegelt sich das freie Vermögen in den Positionen gezeichnetes Kapital, Kapital- bzw. Gewinnrücklage, Gewinnvortrag und Jahresüberschuss wieder. Diese Positionen lassen sich jedoch im Rahmen der Ergebnisverwendung als Bilanzgewinn ausweisen, so dass das freie Vermögen jederzeit dem Bilanzgewinn zugeführt werden kann. Somit ist nach der Formulierung der streitbefangenen Rangrücktrittsvereinbarungen vom 07.10.2004 eine Tilgung auch aus dem freien Vermögen möglich, das im Übrigen bilanztechnisch nicht nur durch Jahresüberschüsse, sondern auch durch Gesellschaftereinlagen entsteht (vgl. Altendorf, GmbH-StB 2012, 147, 149; und Hoffmann, StuB 2012, 209, 210).
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Einwand des Beklagten, die Begriffe Gewinn und Bilanzgewinn seien gleichzusetzen, weil die Klägerin zum Bilanzstichtag 30.06.2005 nicht über freies Vermögen verfügt habe.
Denn der Umstand, dass ein Schuldner Verbindlichkeiten mangels ausreichenden Vermögens nicht oder nur teilweise zurückzahlen kann, lässt die wirtschaftliche Belastung des Vermögens des Schuldners nach ständiger Rechtsprechung nicht entfallen (BFH-Urteil vom 09.02.1993, BStBl II 1993, 747 [BFH 09.02.1993 - VIII R 29/91]). Ausreichend ist vielmehr, dass das vorhandene Vermögen der Klägerin aufgrund der geschlossenen Rangrücktrittsvereinbarungen weiterhin wirtschaftlich belastet ist.
Im Übrigen darf nicht übersehen werden, dass der bilanziellen Darstellung des Vermögens einer Kapitalgesellschaft nicht ohne weiteres deren tatsächlicher Wert zu entnehmen ist. So sind Handelsgesellschaften beispielsweise nicht berechtigt, originäre Firmenwerte zu aktivieren und nicht realisierte stille Reserven auszuweisen. Auch die Klägerin hatte - wie in der mündlichen Verhandlung unwidersprochen dargelegt - berechtigte Hoffnungen, aus ihren Beteiligungen an der T1 und der T2 noch Erträge zu erzielen und hat solche auch tatsächlich erzielt.
Nach allem steht § 5 Abs. 2a EStG der Passivierungsverpflichtung nicht entgegen.
Darauf, dass die M. nach den Rangrücktrittsvereinbarungen vom 07.10.2004 von der Klägerin neben einer Erfüllung aus einem künftigen Handelsbilanzgewinn auch Tilgung aus einem etwaigen Liquidationsüberschuss verlangen konnte, kommt M. damit vorliegend nicht an. Auch wenn die Berechtigung der Gläubigerin, die Erfüllung aus einem etwaigen Liquidationsüberschuss zu verlangen, die Klägerin zum Bilanzstichtag 30.06.2005 wirtschaftlich nicht belastete, weil zu diesem Zeitpunkt weder ihre Liquidation beschlossen war noch eine solche drohte (vgl. insofern BFH-Urteil vom 30.11.2011 I R 100/10, BStBl II 2012, 332 unter II 2 b).
2. [Berechnung von Steuern und Feststellungsbeträgen]
...
3.Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 Satz 1 FGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus den §§ 151, 155 FGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 10, 711 Zivilprozessordnung.
Die Revision wird gem. § 115 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1 FGO wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen.