Oberlandesgericht Oldenburg
Urt. v. 22.04.2021, Az.: 14 U 225/20

Rechtliche Einordnung der vom Prozessbevollmächtigten erklärten "Rücknahme" der Verjährungseinrede; Rechte des Käufers eines vom sog. Diesel-Abgasskandal betroffenen Pkw nach Verjährung von Schadensersatzansprüchen

Bibliographie

Gericht
OLG Oldenburg
Datum
22.04.2021
Aktenzeichen
14 U 225/20
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2021, 37681
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
LG Oldenburg - 30.09.2020 - AZ: 13 O 1822/20

Amtlicher Leitsatz

  1. 1.

    In der von einem Prozessbevollmächtigten ohne Angabe von Gründen erklärten "Rücknahme" der Verjährungseinrede in erster Instanz liegt regelmäßig kein materieller Verzicht auf die Einrede.

  2. 2.

    Der Käufer eines von der Abgasthematik betroffenen Neufahrzeugs, dessen Anspruch aus § 826 BGB verjährt ist, kann seinen Anspruch auf § 852 BGB stützen. Für die Höhe des Restschadenersatzanspruchs ist wegen der Wertung der §§ 818 Abs. 4, 819 BGB auf den konkreten Betrag, den die Beklagte aufgrund des Kaufes erlangt hat, und nicht nur auf ihren Gewinn nach Kosten abzustellen.

  3. 3.

    Der für die Bereicherung darlegungsbelastete Kläger darf diesen Betrag mangels eigener Kenntnis schätzen.

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Oldenburg vom 30.09.2020 geändert und wie folgt neu gefasst.

  1. 1.

    Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 22.313,90 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 07.05.2020 auf 22.731,09 EUR und seit dem 26.02.2021 auf 22.313,90 zu zahlen, Zug um Zug gegen Herausgabe und Übereignung des Fahrzeugs (...) mit der Fahrzeugidentifikationsnummer (...) nebst sämtlicher Schlüssel und Fahrzeugunterlagen.

  2. 2.

    Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Annahme des in Ziff. 1 genannten Fahrzeugs in Annahmeverzug befindet.

  3. 3.

    Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits erster Instanz tragen die Beklagte 92 Prozent und der Kläger 8 Prozent, von den Kosten der Berufungsinstanz tragen die Beklagte 90 und der Kläger 10 Prozent.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagten bleibt nachgelassen, die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Für die Beklagte wird die Revision zugelassen.

Gründe

I.

Der Kläger verlangt von der Beklagten Schadensersatz wegen des Erwerbs eines von der Diesel-Abgasthematik betroffenen Fahrzeugs, dessen Herstellerin die Beklagte ist.

Aufgrund verbindlicher Bestellung vom 5. Juni 2014 kaufte der Kläger von dem Autohaus DD einen (...) als Neuwagen für einen Kaufpreis von 29.300 EUR brutto. In dem Fahrzeug ist ein Motor des Typs EA 189 verbaut. Die hierin vorhandene Umschaltlogik wurde am 21.11.2016 durch ein Softwareupdate beseitigt.

Die Beklagte hat zunächst die Einrede der Verjährung erhoben und behauptet, der Kläger habe bereits im Jahr 2015, spätestens aber im Jahr 2016 Kenntnis der anspruchsbegründenden Tatsachen, u.a. auch von der Betroffenheit seines Fahrzeugs von der Abgasthematik erlangt. Eine etwaige Unkenntnis sei aufgrund der - von der Beklagten in der Klagerwiderung dargelegten und insoweit unstreitig gebliebenen - Information der Öffentlichkeit über die Abgasthematik durch die Beklagte selbst und durch die Medien zumindest als grob fahrlässig zu werten. Für die Einzelheiten der öffentlich zugänglichen Informationen aus den Jahren 2015 und 2016 wird auf S. 23 bis 36 der Klagerwiderung vom 11.08.2020 verwiesen.

Der Kläger hat behauptet, er habe frühestens Ende des Jahres 2018 von der Betroffenheit seines Fahrzeugs erfahren, als die Musterfeststellungsklage Gegenstand diverser medialer Berichte gewesen sei. Nach seiner Kenntnis sei ihm kein Informationsschreiben der Beklagten zugegangen. Das Softwareupdate sei ihm im Rahmen einer Inspektion ohne seine Kenntnis aufgespielt worden.

Auf den Hinweis des Landgerichts auf einen möglichen Anspruch des Klägers aus § 852 BGB hat die Beklagte die Einrede der Verjährung zurückgenommen.

Das Landgericht hat der Klage mit dem wegen der erstinstanzlichen Anträge, des Tenors, der weiteren tatsächlichen Feststellungen und der Entscheidungsgründe in Bezug genommenen Urteil vom 30.09.2020 überwiegend stattgegeben. Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten.

Die Beklagte hat in zweiter Instanz die Einrede der Verjährung erneut erhoben. Sie ist der Auffassung, der Kläger könne seinen Anspruch nicht auf § 852 BGB stützen, da dieser Anspruch durch den - hier nicht feststellbaren - wirtschaftlichen Schaden des Klägers limitiert sei. Überdies sei die Norm nach der gebotenen teleologischen Reduktion nicht anwendbar, da dem Kläger die risikolose Beteiligung an der Musterfeststellungsklage freigestanden habe. Das erlangte Etwas i.S.d. § 852 BGB entspreche allenfalls dem erlangten Nettogewinn, dessen konkrete Höhe sie für das streitgegenständliche Fahrzeug nicht vortragen könne, da ein "Gewinn pro Fahrzeug" von den Rechnungslegungssystemen der Beklagten nicht ermittelt werde. Der Nettogewinn sei stattdessen gem. § 287 ZPO anhand der Höhe des von der Staatsanwaltschaft Braunschweig erlassenen Bußgeldbescheids auf 93,- EUR zu schätzen. Hiervon seien anteilig die Kosten, die der Beklagten durch Entfernung der Umschaltlogik und die diesbezügliche Information der Öffentlichkeit entstanden seien, abzuziehen, da sie diese Kosten - vergleichbar mit einem Vermögensverwalter des Klägers - anteilig in seinem Interesse getätigt habe. Damit reduziere sich ein etwaiger Anspruch des Klägers aus § 852 BGB auf Null.

Im Übrigen rügt die Beklagte, das Landgericht habe rechtsfehlerhaft die Kausalität zwischen der Umschaltlogik und dem Kaufentschluss bejaht und es fehlerhaft unterlassen, den Kläger als Partei zu vernehmen.

Sie beantragt,

das am 30.09.2020 verkündete Urteil des Landgerichts Oldenburg (Oldenburg), 13 O 1822/20, im Umfang der Beschwer der Beklagten abzuändern und die Klage vollumfänglich abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er ist der Auffassung, in der erstinstanzlichen Rücknahme der Verjährungseinrede liege ein Verzicht, sodass die erneute Erhebung der Verjährungseinrede unwirksam sei. Jedenfalls aber sei die Erhebung der Einrede verspätet; die Voraussetzungen, unter denen die erstmalige Erhebung der Verjährungseinrede in zweiter Instanz gem. § 531 Abs. 2 S. 1 ZPO zuzulassen sei, lägen nicht vor, da die Verjährung vorliegend streitig sei. Halte man den Anspruch gleichwohl für verjährt, folge der Schadenersatzanspruch aus § 852 BGB. Hierzu hat der Kläger behauptet, die Beklagte habe aufgrund des streitgegenständlichen Kaufvertrages mehr erhalten, als den Betrag, den er mit der Klage geltend gemacht habe.

II.

Die Berufung der Beklagten hat nur in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg und war im Übrigen zurückzuweisen.

1. Zutreffend hat das Landgericht in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Urteil vom 5. Mai 2020, VI ZR 252/19) einen Anspruch des Klägers auf Schadensersatz gemäß § 826 BGB bejaht. Nach Verjährung des Anspruchs und erneuter Erhebung der Verjährungseinrede durch die Beklagte in zweiter Instanz steht dem Kläger der Anspruch als Restschadensanspruch in der tenorierten Höhe gem. § 852 BGB zu. Im Einzelnen:

a. Für den Anspruch des Klägers aus § 826 BGB wird auf die zutreffenden Ausführungen des Landgerichts verwiesen, die der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs entsprechen (BGH, Urteil vom 25.Mai 2020, VI ZR 252/19, juris) und denen der Senat sich anschließt.

Ohne Erfolg wendet sich die Berufung gegen die Annahme der Kausalität zwischen der ursprünglich verwendeten Manipulationssoftware und dem Abschluss des Kaufvertrages. Der Bundesgerichtshof hat ausdrücklich ausgeführt, dass die allgemeine Lebenserfahrung als Überzeugungsgrundlage für die Kausalität ausreicht (BGH, Urteil vom 25. Mai 2020 - VI ZR 252/19 -, Rn. 49, juris; BGH, Urteil vom 30. Juli 2020 - VI ZR 397/19 -, Rn. 16, juris). Allein das von der Beklagten betonte lange Abwarten mit einer Klage kann diverse Gründe (beispielsweise ein Warten auf eine gesicherte Rechtsprechung) haben und erschüttert diesen Anschein nicht.

Dass der Kläger vom Landgericht nicht als Partei angehört wurde, stellt keinen Rechtsfehler dar, da die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Parteivernehmung gem. §§ 445, 447 bzw. 448 ZPO nicht vorliegen: § 445 ZPO räumt nur der beweisbelasteten Partei ein Recht ein, die Vernehmung des Gegners zu beantragen. Beweisbelastet für die Kausalität ist der Kläger; er hat den Beweis in Form des Anscheinsbeweises geführt. Aus § 445 Abs. 1 folgt, dass die Parteivernehmung zur Führung des Gegenbeweises nicht erlaubt ist (MüKoZPO/Schreiber, 6. Aufl. 2020 Rn. 10, ZPO § 445 Rn. 10). Nichts anderes gilt für die Erschütterung eines Anscheinsbeweises. Auch § 445 Abs. 2 ZPO steht einer Parteivernehmung des Klägers entgegen, da der Senat - aufgrund allgemeiner Lebenserfahrung - bereits von der Kausalität der Täuschung für den Vertragsschluss überzeugt ist. Eine Parteivernehmung gemäß § 447 ZPO setzt voraus, dass der Kläger mit seiner Vernehmung einverstanden ist. An dem Einverständnis, das ausdrücklich erklärt werden muss (Greger in: Zöller, Zivilprozessordnung, 33. Aufl. 2020, § 447 ZPO, Rn. 2), fehlt es. Auch eine Vernehmung von Amts wegen gem. § 448 ZPO kommt nicht in Betracht, da hierfür ein echtes "non liquet" und eine Anfangswahrscheinlichkeit für die unter Beweis gestellte Behauptung, hier die Behauptung, der Kläger hätte das Fahrzeug auch bei Kenntnis einer unzulässigen Abschalteinrichtung gekauft, erforderlich ist (Greger in: Zöller, Zivilprozessordnung, 33. Aufl. 2020, § 448 ZPO, Rn. 4). Beide Voraussetzungen liegen nicht vor.

b. Dem Anspruch aus § 826 BGB steht jedoch ein Leistungsverweigerungsrecht der Beklagten gemäß § 214 Satz 1 BGB entgegen, weil der Anspruch gemäß §§ 195, 199 Abs. 1 BGB verjährt ist.

aa. Die Verjährung konnte durch die im Juli 2020 erhobene Klage nicht mehr gehemmt werden, weil die dreijährige Verjährungsfrist gemäß §§ 195, 199 Abs. 1 BGB spätestens am 31. Dezember 2019 abgelaufen war.

Die Verjährung beginnt gemäß § 199 Abs. 1 BGB mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden und der Gläubiger von der Person des Schuldners und den anspruchsbegründenden Umständen Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit hätte erlangen müssen.

Der Schaden ist mit Kaufvertragsabschluss im Jahr 2014 entstanden.

Kenntnis bzw. grob fahrlässige Unkenntnis von den anspruchsbegründenden Tatsachen und der Person des Schuldners lag spätestens im Jahr 2016 vor, sodass die Verjährungsfrist spätestens Ende 2016 begann und spätestens Ende 2019 ablief (vgl. für Verjährungsbeginn 2015: OLG München, Hinweisbeschluss vom 3.12.2019 - 20 U 5741/19, ZVertriebsR 2020, 51, beck-online; OLG Köln, Beschluss vom 04. März 2020 - 26 U 73/19 -, Rn. 10, juris; OLG Stuttgart Urt. v. 7.4.2020 - 10 U 512/19, BeckRS 2020, 28518 Rn. 25, beck-online; OLG Frankfurt a. M. Beschl. v. 8.4.2020 - 3 U 307/19, BeckRS 2020, 28523 Rn. 32, beck-online). Die erst im Jahr 2020 erhobene Klage konnte die Verjährung damit nicht mehr hemmen (§ 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB).

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs setzt Kenntnis i.S.d. § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB nur Kenntnis von solchen Tatsachen voraus, auf deren Grundlage die Erhebung einer Schadensersatzklage, sei es auch nur in Form der Feststellungsklage, Erfolg versprechend, wenn auch nicht risikolos, möglich ist. Ein verbleibendes Prozessrisiko, insbesondere hinsichtlich der Nachweisbarkeit von Schadensersatz auslösenden Umständen ist unerheblich (BGH, Urteil vom 17. Dezember 2020 - VI ZR 739/20 -, Rn. 8, juris).

Der Kenntnis gleichzustellende grob fahrlässige Unkenntnis liegt dann vor, wenn dem Gläubiger die Kenntnis fehlt, weil er die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in ungewöhnlich grobem Maße verletzt und auch ganz naheliegende Überlegungen nicht angestellt oder das nicht beachtet hat, was jedem hätte einleuchten müssen. Ihm muss persönlich ein schwerer Obliegenheitsverstoß in seiner eigenen Angelegenheit der Anspruchsverfolgung vorgeworfen werden können (BGH, Urteil vom 10. November 2009 - VI ZR 247/08 -, Rn. 13, juris). Dieser Vorwurf ist gerechtfertigt, wenn der Geschädigte die für den Verjährungsbeginn erforderliche Kenntnis nur deswegen nicht besitzt, weil er vor einer sich ihm ohne Weiteres anbietenden, gleichsam auf der Hand liegenden Erkenntnismöglichkeit, die weder besondere Kosten noch nennenswerte Mühe verursacht, die Augen verschlossen hat (BGH, Urteil a.a.O. Rn. 7, juris m.w.N.).

An diesen Voraussetzungen gemessen begann die Verjährungsfrist - spätestens - Ende 2016; zu diesem Zeitpunkt wäre die Klage zwar nicht risikolos, aber erfolgversprechend gewesen.

Dies folgt aus dem folgenden unstreitig gebliebenen Tatsachenvortrag der Beklagten:

Die Beklagte veröffentlichte am 22. September 2015 eine Pressemitteilung, in der sie darüber informierte, dass in (...)-Konzernfahrzeugen mit einem EA189-Dieselmotor eine Software eingebaut war, die zu auffälligen Abweichungen der Abgaswerte zwischen Prüfstands- und realem Fahrbetrieb führt. Am 25. September 2015 teilte sie mit, dass rund fünf Millionen Fahrzeuge der Marke (...) mit der Umschaltlogik ausgestattet seien. Am 29. September 2015 informierte sie über die Entwicklung eines Aktionsplans zur Umrüstung und über den Plan, eine Website zu erstellen, anhand derer die Betroffenheit individueller Fahrzeuge ermittelt werden könne. Weltweit seien elf Millionen Konzernfahrzeuge betroffen. Am 2. Oktober 2015 informierte die Beklagte, dass sie die Website zur Überprüfung der individuellen Betroffenheit eines Fahrzeugs freigeschaltet habe. Am 15. Oktober 2015 informierte die Beklagte darüber, dass das Kraftfahrtbundesamt beschlossen habe, die Beseitigung der Umschaltlogik durch einen Rückruf umzusetzen.

Seit September 2015 beherrschte die EA189-Thematik die regionalen, überregionalen und internationalen Medien. Dies gilt für Printmedien, Online-Medien und Fernsehen. Dabei fanden sich die Berichte nicht nur in den Wirtschaftsteilen der Printmedien, sondern prominent auf diversen Titelseiten. Es wurde ab September 2015 auch über die mögliche Verantwortlichkeit des (...)-Vorstandes berichtet; die Thematik wurde als Skandal und Betrug, Abgasaffäre und Drama bezeichnet. Ab Oktober 2015 wurde über Klagemöglichkeiten der Käufer berichtet. Die Berichterstattung zu möglichen Klagen von Fahrzeughaltern gegen die Beklagte nahm im Jahr 2016 weiter zu. Für die Einzelheiten der Informationen durch die Beklagte und der medialen Berichterstattung wird verwiesen auf den unstreitigen Vortrag der Beklagten, S. 23 bis S. 46 der Klageerwiderung vom 11.08.2020.

Diese breite Berichterstattung aus den Jahren 2015 und 2016 konnte nur einer Person verborgen bleiben, die keinerlei Notiz nimmt von jeglicher Berichterstattung über das aktuelle Tagesgeschehen, weder regionale, noch überregionale Zeitungen liest, weder im Fernsehen Nachrichten schaut noch Radio hört und auch keine Online-Medien verfolgt. Dass der Kläger zu einer solchen Personengruppe gehört, macht er selbst nicht geltend; die generelle EA189-Thematik war dem Kläger nach unstreitiger Behauptung der Beklagten (S. 36 der Klageerwiderung) bereits im Jahr 2015 bekannt.

Da sich aus der eigenen Informationspolitik der Beklagten und den Medien im Jahr 2015 ergab, dass das Kraftfahrtbundesamt einen Rückruf der betroffenen Fahrzeuge angeordnet hatte, die mediale Berichterstattung von Manipulation, Betrug und Skandal - und im Jahr 2016 vermehrt auch von Schadenersatzklagen - sprach und da sich nicht sittenwidrige Motive für die in den Medien breit diskutierte, ersichtlich auf eine Täuschung zielende Manipulation kaum denken lassen, mussten sich jedem Geschädigten jedenfalls im Jahr 2016 alle tatsächlichen Umstände aufdrängen, die eine Klage im oben genannten Sinne erfolgversprechend erscheinen ließen (vgl. BGH, Urteil vom 17. Dezember 2020 - VI ZR 739/20 - juris). Ob der Kläger aus den bekannten bzw. sich aufdrängenden Tatsachen die zutreffenden rechtlichen Schlüsse gezogen hat, ist nach ständiger und zuletzt aktueller Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH, a.a.O., Rn. 26 f., juris) unerheblich. Auch war die Rechtslage nicht derart unklar, dass der Verjährungsbeginn wegen Unzumutbarkeit der Klageerhebung hinausgeschoben werden müsste (BGH, a.a.O. Rn. 20, juris).

Anders als in dem der BGH-Entscheidung zugrundeliegenden Sachverhalt ist vorliegend zwar die Behauptung der Beklagten, der Kläger habe bereits im Jahr 2015, spätestens aber im Jahr 2016 Kenntnis von der Betroffenheit seines Fahrzeugs von der Abgasthematik erlangt, streitig. Der Zeitpunkt der tatsächlichen Kenntniserlangung ist aber unerheblich, da eine etwaige diesbezügliche Unkenntnis jedenfalls für das Jahr 2016 grob fahrlässig gewesen wäre: Sollte der Kläger, der wusste, dass er im Jahr 2014 ein Dieselfahrzeug eines Herstellers erworben hat, der ab September 2015 wegen Manipulationen von Diesel-Fahrzeugen Gegenstand omnipräsenter Berichterstattung war, nicht die sich aufdrängende Frage geklärt haben, ob auch sein Fahrzeug hiervon betroffen ist, wäre dies ein schwerer Obliegenheitsverstoß. Denn unstreitig hatten Käufer bereits im Jahr 2015 die Möglichkeit, sich entweder über die freigeschaltete Internetseite der Beklagten über Eingabe der FIN-Nummer, schriftlich per Brief oder per Email oder telefonisch bei dem Kundenservice der Beklagten über die Betroffenheit ihres Fahrzeugs von der Abgasthematik zu informieren. Weiter war es Käufern möglich, sich bei dem über die Abgasthematik informierten Handel zu erkundigen. Insgesamt standen dem Kläger damit diverse Erkenntnismöglichkeiten zur Verfügung, die jeweils weder Kosten noch nennenswerte Mühe verursacht hätten und dem Kläger daher ohne Weiteres zuzumuten gewesen wären.

Dieser Bewertung stehen die Entscheidungen des Senats vom 30.04.2020 (OLG Oldenburg Urt. v. 30.4.2020 - 14 U 294/19, BeckRS 2020, 12482, beck-online) und vom 5.11.2020 (14 U 83/20, nicht veröffentlicht) nicht entgegen. Die vorgenannten Entscheidungen betrafen jeweils die Frage des Verjährungsbeginns mit Schluss des Jahres 2015, nicht die hier entscheidende Frage des Verjährungsbeginns mit Schluss des Jahres 2016. Damit muss an dieser Stelle nicht geklärt werden, ob der Senat auch nach der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 17. Dezember 2020 (VI ZR 739/20) noch an seiner vormalig geäußerten Rechtsauffassung festhält.

bb. Die Beklagte durfte sich in zweiter Instanz auf die Einrede der Verjährung berufen, nachdem sie die Einrede in erster Instanz zunächst erhoben und in der mündlichen Verhandlung vom 17.09.2020 zurückgenommen hatte (vgl. Senat, Urteil vom 25. März 2021, Az. 13 U 221/20, n.v.). Das erneute Erheben scheitert weder an der Auslegung der erstinstanzlichen Erklärung ("Wir nehmen die Einrede der Verjährung zurück.") als Verzicht, noch ist die Verjährungseinrede gem. § 531 ZPO als neues Vorbringen in zweiter Instanz präkludiert.

(1) Ob ein Verzicht vorliegt, ist Frage des Einzelfalles. Nach den allgemeinen Auslegungsregeln ist festzustellen, ob die Erklärung rein prozessual zu verstehen ist oder und einen materiell-rechtlichen Verzicht bedeutet (BGH, Urteil vom 29. November 1956, III ZR 121/55; Schmidt-Räntsch in Erman, BGB, 16. Auflage 2020, § 214, Rdnr. 4).

Die erstinstanzliche "Rücknahme" der Verjährungseinrede kann danach nur dahingehend verstanden werden, dass die Beklagte die Einrede derzeit nicht erheben will, nicht aber, dass sie dauerhaft auf dieses Gegenrecht verzichtet.

Bei der Auslegung der Erklärung ist zu berücksichtigen, dass sie von dem Prozessbevollmächtigten der Beklagten, also einer rechtskundigen Person, abgegeben worden ist. Die "Rücknahme" einer Prozesserklärung führt nach den Regeln der Zivilprozessordnung aber nur dazu, dass diese Erklärung rückgängig gemacht und der prozessuale Zustand wiederhergestellt wird, der vor Abgabe der Erklärung bestanden hat. Die Aufgabe einer Rechtsposition ist mit einer Rücknahme nicht zwangsläufig verbunden, sondern kann allenfalls infolge einer Rücknahme aufgrund anderweitiger Regelungen, wie beispielsweise Rechtskraft oder Verjährung, eintreten. So differenziert das Gesetz zwischen der Klagerücknahme nach § 269 ZPO und dem Verzicht nach § 306 ZPO. Auch die Rücknahme von Berufung und Revision haben nur den Verlust des eingelegten Rechtsmittels zur Folge (§§ 565, 516 ZPO), der Verzicht auf das Rechtsmittel ist anderweitig geregelt (§§ 565, 515 ZPO).

Umstände, die dafürsprechen, dass die Beklagte über den Wortlaut ihrer Erklärung hinaus das sich aus dem Eintritt der Verjährung ergebende dauerhafte Leistungsverweigerungsrecht aufgeben wollte, sind weder vom Kläger vorgetragen noch ersichtlich.

Der Senat ist in Abweichung von der Entscheidung des 13. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Oldenburg (Hinweisbeschluss vom 15. Dezember 2020, 13 U 134/20, n.v.) auch nicht der Ansicht, dass die Erklärung der "Rücknahme" ohne Nennung irgendwelcher Einschränkungen als Verzicht zu verstehen ist. Diese Ansicht hätte zur Folge, dass die Partei, die eine Einrede möglicherweise nur vorübergehend nicht mehr erheben will, eine plausible Erklärung dafür abgeben muss, um nicht des Rechts verlustig zu gehen. Das Erfordernis einer solchen Erklärung kann nach Auffassung des erkennenden Senats nicht der vom 13. Zivilsenat in Bezug genommenen Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 29. November 1956 (a.a.O.) entnommen werden. Zwar gab es in dem vom Bundesgerichtshof entschiedenen Sachverhalt eine Erklärung für das vorübergehende "Fallenlassen" der Einrede, nämlich schwebende Vergleichsverhandlungen. Dass aber immer dann, wenn es an einem solchen Grund fehlt, von einem materiell-rechtlichen Verzicht auszugehen ist, lässt sich der Entscheidung gerade nicht entnehmen. Vielmehr ist es umgekehrt: der Bundesgerichtshof begründet seine Entscheidung mit dem Wortlaut der dortigen Formulierung "Fallenlassen" und dem Fehlen von Gründen, die trotz des gewählten Wortlauts auf einen Verzicht schließen lassen.

(2) Die erstmals (bzw. nach Rücknahme der Einrede erneut) im Berufungsrechtszug erhobene Verjährungseinrede ist unabhängig von den Voraussetzungen des § 531 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bis 3 ZPO zuzulassen, wenn die Erhebung der Verjährungseinrede und die den Verjährungseintritt begründenden tatsächlichen Umstände zwischen den Prozessparteien unstreitig sind (BGH, Beschluss vom 23. Juni 2008 - GSZ 1/08 -, BGHZ 177, 212-217). Dies ist hier der Fall. Zwar ist, wie der Kläger betont, die Verjährung des Anspruchs selbst streitig; streitig ist zudem der Zeitpunkt der positiven Kenntnis des Klägers von der Betroffenheit seines Fahrzeugs von der Abgasmanipulation. Bei dem erstgenannten Streitpunkt handelt es sich aber lediglich um eine vom Gericht zu beantwortende Rechtsfrage. Diese Frage konnte der Senat aufgrund des unstreitigen Tatsachenvortrags, der jedenfalls den Vorwurf der groben Fahrlässigkeit rechtfertigt, beantworten. Auf den streitigen Zeitpunkt der Kenntniserlangung von der Betroffenheit des Fahrzeugs kommt es nicht an.

Die vom Kläger in Bezug genommene Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 31. Juli 2013 (Az. IV ZR 158/12) rechtfertigt keine strengere Anwendung des § 531 ZPO für den hier zu entscheidenden Fall. Dort waren die den Verjährungseintritt begründenden Tatsachen streitig.

c. Nach Verjährung des Anspruchs kann der Kläger den Restschaden gem. § 852 BGB geltend machen (so auch OLG Oldenburg Urt. v. 2.3.2021 - 12 U 161/20, BeckRS 2021, 3326 Rn. 33, beck-online; a.A. OLG Oldenburg Hinweisbeschluss v. 5.1.2021 - 2 U 168/20, BeckRS 2021, 1641, beck-online; OLG Oldenburg Beschl. v. 21.1.2021 - 2 U 168/20, BeckRS 2021, 1642, beck-online).

aa. Zu Unrecht meint die Beklagte, der Anwendungsbereich des § 852 BGB erfordert die Feststellung eines - über den ungewollten Vertragsschluss hinausgehenden - wirtschaftlichen Schadens.

§ 852 BGB hat den Charakter einer Rechtsverteidigung gegenüber der Einrede der Verjährung. Der verjährte Deliktsanspruch bleibt als solcher bestehen. Er wird nur in seinem Umfang auf das durch die unerlaubte Handlung auf Kosten des Geschädigten Erlangte beschränkt (BGH, Urteil vom 14. Februar 1978 - X ZR 19/76 -, BGHZ 71, 86-101, Rn. 61).

Bei Auslegung des dem hier verjährten Anspruch zugrundeliegenden § 826 BGB ist anerkannt, dass der Schadensbegriff im Ansatz subjektbezogen ist und einen ungewollten, nach der Verkehrsauffassung unvernünftigen Vertrag auch ohne Feststellung eines rechnerischen Minus einschließt. Die Differenzhypothese muss als wertneutrale Rechenoperation stets einer normativen Kontrolle unterzogen werden (BGH, Urteil vom 25. Mai 2020 - VI ZR 252/19 -, BGHZ 225, 316-352, Rn. 45).

Es gibt keinen Anlass, diese Wertung i.R.d. § 852 BGB, der den Anspruch aus § 826 BGB lediglich fortsetzt, aufzugeben, und hier auf einen abweichenden, nämlich einen objektiven Schadensbegriff ohne normative Kontrolle abzustellen.Eine derart einschränkende, von der Auslegung des § 826 BGB abweichende Gesetzesauslegung des § 852 BGB widerspricht seinem Rechtscharakter als bloße Rechtsverteidigung gegen die Verjährungseinrede und wird auch nicht von dem Normzweck des § 852 BGB gestützt: § 852 BGB soll verhindern, dass derjenige, der durch eine unerlaubte Handlung etwas erworben hat, nach Ablauf der kurzen Verjährungsfrist der §§ 195, 199 Abs. 1 BGB zu Lasten des Geschädigten im Genuss des Erlangten bleibt (BGH NJW 1965, 1914, 1915 = LM § 852 Nr 25 z Verjährungsfrist nach § 852 Abs 1 aF). Der Deliktsschuldner soll nicht günstiger gestellt werden als der "Empfänger einer Nichtschuld" vom Zeitpunkt seiner Bösgläubigkeit an (Mot II 743; Staudinger/Vieweg (2015) BGB § 852, Rn. 1). Genau dieser Gesetzeszweck ist hier betroffen.

Soweit der 2. Senat in seiner Entscheidung zum Az. 2 U 168/20 (a.a.O.) eine abweichende Rechtsauffassung vertritt, folgt der Senat dem nicht. Aus der vom 2. Senat in Bezug genommenen Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH, Urteil vom 14. Februar 1978 - X ZR 19/76 -, BGHZ 71, 86-101, Rn. 63) folgt nach Auffassung des Senats nicht, dass die dort geforderte "wirtschaftliche Betrachtung" als Abkehr vom subjektiven Schadensbegriff verstanden werden soll.

bb. Der Anwendungsbereich des § 852 BGB ist nicht teleologisch zu reduzieren, weil dem Kläger die risikolose Beteiligung an der Musterfeststellungsklage offen gestanden hätte.

Eine so begründete Reduktion des Anwendungsbereichs des § 852 BGB widerspricht dem gesetzgeberischen Ziel der Einführung einer zivilprozessualen Musterfeststellungsklage. Ziel der Musterfeststellungsklage war es, die Rechtsdurchsetzung für Verbraucherinnen und Verbraucher zu verbessern und zu verhindern, dass eine etwaige Klageunwilligkeit von Verbrauchern dazu führt, dass ein unrechtmäßig erlangter Gewinn dem Anspruchsgegner verbleibt und so zu einem ungerechtfertigten Wettbewerbsvorteil gegenüber Mitbewerbern führt (vgl. BT-Drucksache 19/2507, S. 1). Einem Verbraucher aufgrund der Einführung der Musterfeststellungsklage die Anspruchsgrundlage des § 852 BGB zu entziehen, würde diesem gesetzgeberischen Zweck zuwiderlaufen.

cc. Die Höhe des Anspruchs aus § 852 BGB ist zweifach begrenzt, nämlich zum einen durch die Höhe des auf Kosten des Geschädigten erlangte Etwas und zum anderen durch die Höhe des verjährten Anspruchs, hier aus § 826 BGB.

(1) Das erlangte Etwas entspricht zunächst dem Geldbetrag, den die Beklagte aufgrund des streitgegenständlichen Kaufvertrages erlangt hat. Nicht entscheidend ist der (geringere) Gewinn nach Abzug aller Kosten:

(a) § 852 BGB stellt eine Rechtsfolgenverweisung auf die § 818 ff. BGB dar. Die Frage, ob bei der Bemessung des erlangten Etwas auf den konkret erlangten Betrag oder nur auf den Gewinn abzustellen ist, ist in Übereinstimmung mit der Wertung der §§ 818 Abs. 3, 4, 819 f. BGB zu beantworten. Derjenige, der sich nach den Grundsätzen der § 818 Abs. 4, 819 BGB nicht auf eine nachträglich Entreicherung berufen könnte, kann auch nicht die Höhe der anfänglichen Bereicherung durch Abzugsposten reduzieren, die er im Zustand der Bösgläubigkeit vorgenommen hat, bevor er bereichert wurde (BGH, Urteil vom 07. Januar 1971 - VII ZR 9/70 -, BGHZ 55, 128-137, Rn. 20; vgl. Palandt- Sprau, BGB, 80. Aufl., § 812 Rn. 8).

Die Beklagte war schon bei Produktion des streitgegenständlichen Pkws bösgläubig, sodass sämtliche hierbei angefallenen Kosten nicht bei der Bemessung des später erlangten Etwas zu berücksichtigen sind.

(b) Der Kläger hat vorgetragen, die Beklagte habe infolge seines Pkw-Kaufs jedenfalls das erlangt, was er mit der vorliegenden Klage geltend mache, d.h. zumindest 23.176,- EUR.

Die Beklagte hat nicht wirksam bestritten, dass sie überhaupt etwas erlangt hat. In Abrede genommen wird eine Bereicherung nur für Gebrauchtwagenkäufe und Sonderkonstellationen (z.B. Re-Importe; Leasingkonstellationen, wenn das Absatzrisiko nicht mehr bei der Beklagten lag, Vorführwagen, etc.), die hier - bei einem Neuwagenkauf - nicht vorliegen.

Die vom Kläger dargelegte, dem Klagebetrag entsprechende Höhe der Bereicherung von jedenfalls 23.176 EUR, die er mangels Kenntnis schätzen durfte (Zöller-Greger, Zivilprozessordnung, 33. Aufl. 2020, § 254 ZPO, Rn. 3), hat die Beklagte nicht hinreichend substantiiert bestritten, sodass der Betrag als zugestanden gilt, § 138 Abs. 3 ZPO. Auch nach dem Hinweis des Senats aus der mündlichen Verhandlung vom 25.02.2021, auf den verwiesen wird, hat sie nicht vorgetragen, welchen Betrag sie aufgrund des streitgegenständlichen Kaufs konkret erlangt hat, sondern nur auf den hier nicht maßgeblichen Gewinn nach Abzug aller Kosten abgestellt.

(c) Der Anspruch ist wegen Bösgläubigkeit der Beklagten auch nicht gem. § 818 Abs. 3 BGB wegen nachträglicher Entreicherung, etwa durch Kosten für das Softwareupdate und die Information der Öffentlichkeit hierüber, zu kürzen, §§ 818 Abs. 3, 4, 819 f. BGB. Entgegen den Ausführungen der Beklagten sind keinerlei Wertungsgesichtspunkte ersichtlich, die nahelegen könnten, dass die Beklagte die ihr nach Aufdeckung der Manipulation entstandenen Kosten durch Kürzung des Restschadenersatzanspruchs auf die Geschädigten abwälzen könnte. Die Beklagte ist bei wertender Betrachtung nicht mit einem Vermögensverwalter der Geschädigten vergleichbar; sie ist mit der breit angelegten Manipulation vielmehr ein Kostenrisiko eingegangen, das sich mit Aufdeckung der Manipulation verwirklicht hat, und für das sie mit eigenem Vermögen haftet.

(2) Der Anspruch aus § 852 BGB ist begrenzt durch den Anspruch, den der Kläger hätte, wäre der Anspruch aus § 826 BGB nicht verjährt.

Der Kläger müsste sich in diesem Fall von dem Kaufpreis in Höhe von 29.300 brutto die gezogenen Nutzungen abziehen lassen, die der Senat nach der Formel Bruttokaufpreis x gefahrene Kilometer / Gesamtlaufleistung schätzt.

Unstreitig legte der Kläger zwischen dem Zeitpunkt der Übergabe des Fahrzeugs am 06.06.2014 bis zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht am 17.09.2020 65.690 Kilometer zurück. Das entspricht 871,22 km pro Monat. Zwischen der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht und der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 25.02.2021 lagen ca. weitere 5,25 Monate, sodass der Kläger gemäß Schätzung nach § 287 ZPO weitere 4.573,9 km, insgesamt mithin 70.263,90 km, gefahren wäre. Da der Kläger mit nachgelassenem Schriftsatz vom 01.03.2021 selbst einen höheren Kilometerstand von 71.530 km angibt, legt der Senat der Berechnung der Nutzungsentschädigung diese höhere Kilometerzahl zugrunde. Da sich der neue Tatsachenvortrag des Klägers zugunsten der Beklagten auswirkt, war es nicht geboten, die mündliche Verhandlung gem. § 156 ZPO zwecks Wahrung ihres rechtlichen Gehörs und Verhandlung über den mitgeteilten Kilometerstand wiederzueröffnen.

Die Gesamtlaufleistung des Pkws schätzt der Senat in Übereinstimmung mit dem Landgericht, auf dessen Ausführungen verwiesen wird, auf 300.000 km.

Hieraus folgt ein vom Kaufpreis abzuziehender Nutzungsersatz von 29.300 EUR x 71.530 km / 300.000 km = 6.986,10 EUR. Der ersatzfähige Schaden beträgt mithin 22.313,90 EUR.

2. Keinen Erfolg hat die Berufung, soweit sie sich gegen die Feststellung des Annahmeverzugs der Beklagten wendet.

Der Kläger hat der Beklagten das Fahrzeug in Annahmeverzug begründender Weise angeboten, §§ 294 f. BGB. Zwar hat er in der letzten mündlichen Verhandlung vollständige Zurückweisung der Berufung und damit im Ergebnis die Zahlung des erstinstanzlichen zuerkannten, aufgrund zwischenzeitlicher Nutzungen leicht zu hohen Betrages von 22.884,28 EUR verlangt. Wie sich bereits aus der Klagebegründung ergibt, war er aber stets bereit, sich eine Nutzungsentschädigung anrechnen zu lassen, die auf der Basis einer Gesamtlaufleistung von 300.000 km berechnet wird. Das leicht erhöhte Klagebegehren lässt damit lediglich auf das Versäumnis schließen, den sich fortlaufend reduzierenden Zahlungsanspruch stets den zwischenzeitlich gezogenen Nutzungen anzupassen, nicht aber auf eine fehlende Bereitschaft, das Fahrzeug gegen Zahlung des korrekt berechneten Betrages zu übergeben.

3. Die Berufung hat Erfolg im Hinblick auf den Feststellungsantrag bzgl. der Ersatzpflicht weiterer Schäden.

Ob der Anspruch aus § 852 BGB vergleichbar mit dem Anspruch aus § 826 BGB der Höhe nach "im Fluss" ist, kann dahinstehen. Denn vorliegend fehlt das Feststellungsinteresse gem. § 256 ZPO bereits aus anderem Grund: Der Kläger hat bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung vom 25.02.2021 nichts zu drohenden künftigen Schäden vorgetragen (vgl. zu diesem Erfordernis: BGH, Urteil vom 30.07.2020, VI ZR 397/19 Rn. 28 f.). Der diesbezügliche Vortrag aus dem Schriftsatz vom 15.03.2021, in dem er sich erstmals auf mögliche Abmeldekosten und Steuernachforderungen bezieht, war nicht von dem in der mündlichen Verhandlung vom 25.02.2021 gewährten Schriftsatznachlass gedeckt. Der Schriftsatznachlass bezog sich nur auf die in der mündlichen Verhandlung erteilten Hinweise; der Hinweis in Bezug auf die fehlende Begründung des Feststellungantrags erfolgte bereits mit der Ladungsverfügung des Vorsitzenden am 14.01.2021.

4. Die Berufung hat auch Erfolg, soweit sie sich gegen den zuerkannten Anspruch auf Ersatz der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten wendet, weil die Beauftragung der jetzigen Prozessbevollmächtigten mit der außergerichtlichen Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen nicht erforderlich war (§ 249 Abs. 1 BGB). Ist der Schuldner - wie hier die Beklagte - bekanntermaßen vor Klageerhebung zahlungsunwillig und erscheint der Versuch einer außergerichtlichen Forderungsdurchsetzung auch nicht aus sonstigen Gründen erfolgversprechend, sind die durch gesonderten Auftrag zur vorprozessualen Geltendmachung des Anspruchs verursachten Kosten nicht zweckmäßig (BGH, Urteil vom 28. Mai 2013 - XI ZR 148/11 -, Rn. 35, juris m.w.N.; OLG München, Beschluss vom 12. Juni 2018 - 8 U 3169/17 -, Rn. 18, juris). Gründe, die ein vorprozessuales Vorgehen im vorliegenden Fall erfolgversprechend erscheinen ließen, lagen nicht vor. Das Ziel, das mit einem sofortigen Anerkenntnis verbundene Kostenrisiko (§ 93 ZPO) zu vermeiden, rechtfertigt entgegen der Rechtsauffassung des Klägers kein gesondertes vorgerichtliches Vorgehen. Denn das Kostenrisiko des § 93 ZPO kann auch durch ein einfaches vorgerichtliches Schreiben, das bei sofortigem Klageauftrag von der Verfahrensgebühr nach Nr. 3.100 VV-RVG abgegolten gewesen wäre, vermieden werden. Auch eine Klärung entscheidungserheblicher Rechtsfragen durch den Bundesgerichtshof ließ ein vorgerichtliches Tätigwerden nicht sinnvoll erscheinen: Die erstmalige Kontaktaufnahme des Klägervertreters mit der Beklagten erfolgte durch Schreiben vom 07.04.2020 und damit vor dem klärenden Urteil des Bundesgerichtshofs vom 25.05.2020. Zu weiteren, dem BGH-Urteil nachfolgenden Bemühungen des Klägervertreters, die die Geschäftsgebühr erneut hätten auslösen können, fehlt jeder Vortrag. Diese wären, nachdem sich die Beklagte in ihrem Antwortschreiben vom 30.04.2020 bereits auf Verjährung berufen hatte, zudem auch nicht erfolgversprechend gewesen.

5. Der Zinsanspruch ergibt sich aus § 288 Abs. 1 Satz 2 BGB. Allerdings hat der Kläger nicht nur Anspruch auf Zahlung von Zinsen aus dem Schadensersatzbetrag, der sich unter Berücksichtigung des Kilometerstandes zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung ergibt. Ab Verzugseintritt kann er Zinsen von dem jeweiligen Entschädigungsbetrag verlangen, der sich im jeweiligen Berechnungszeitpunkt unter Berücksichtigung der jeweils zurückgelegten Kilometer ergeben hätte. Um eine taggenaue Berechnung zu vermeiden, nimmt der Senat eine gleichbleibende Verzinsung des mittleren Wertes zwischen dem sich bei Verzugseintritt und dem sich zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Senat ergebenden Schadensersatzbetrag vor. Bei einer Gesamtnutzung von 71.530 km zwischen dem 06.06.2014 und dem 25.02.2021 schätzt der Senat den Kilometerstand am 07.05.2020 auf 62.986,94 km. Der zum Verzugszeitpunkt anzunehmende Schadenersatzbetrag belief sich damit auf 23.148,28 EUR. Der bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung zu verzinsende Mittelwert beträgt damit 22.731,09 EUR.

6. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 92 Abs. 1, 97 Abs. 1 und 2 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

Die Revision war für die Beklagte wegen der Entscheidung des 13. Senats des Oberlandesgerichts Oldenburg bzgl. der Auslegung der Rücknahme der Verjährungseinrede als Verzicht (Hinweisbeschluss vom 15. Dezember 2020, 13 U 134/20, n.v.) und wegen der abweichenden Rechtsauffassung des 2. Senats des Oberlandesgerichts Oldenburg zu dem Anspruch aus § 852 BGB (OLG Oldenburg Hinweisbeschluss v. 5.1.2021 - 2 U 168/20, BeckRS 2021, 1641, beck-online; OLG Oldenburg Beschl. v. 21.1.2021 - 2 U 168/20, BeckRS 2021, 1642, beck-online) zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung gem. § 543 Abs. 2 Nr. 2 ZPO zuzulassen.

Der nicht nachgelassene Schriftsatz des Klägers vom 22.03.2021 hat vorgelegen, aber keinen Anlass gegeben, die geschlossene mündliche Verhandlung wiederzueröffnen, § 156 ZPO.