Landgericht Hildesheim
Beschl. v. 13.01.2003, Az.: 12 Qs 6/03

Zeitpunkt des Entstehens des Erfordernises einer Pflichtverteidigerbestellung im Strafbefehlsverfahren; Voraussetzungen notwendiger Verteidigung nach § 140 Abs. 1 Nr. 5 Strafprozessordnung (StPO); Pflichtverteidigerbestellung im Strafbefehlsverfahren bei Verfahrenseinstellung gemäß § 154 Strafprozessordnung (StPO)

Bibliographie

Gericht
LG Hildesheim
Datum
13.01.2003
Aktenzeichen
12 Qs 6/03
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2003, 15636
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LGHILDE:2003:0113.12QS6.03.0A

Verfahrensgang

vorgehend
StA Hildesheim - 11.12.2002 - AZ: 38 Js 22934/02

Fundstelle

  • NStZ-RR 2003, 115 (Volltext mit red. LS)

Verfahrensgegenstand

Beleidigung

In der Strafsache
...
hat die 1. große Strafkammer des Landgerichts Hildesheim
auf die Beschwerde des Angeklagten vom 2.1.2003
gegen den Beschluss des Amtsgerichts Hildesheim vom 11.12.2002 (Az.: 17 Cs 38 Js 22934/02)
durch
den Vorsitzenden Richter am Landgericht xxx,
den Richter am Landgericht xxx sowie
den Richter am Landgericht xxx
am 13.1.2003
beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde wird auf Kosten des Angeklagten verworfen.

Gründe

1

1.

Gegen den Angeklagten, der sich seit dem 20.4.2002 in anderer Sache in Untersuchungshaft befand, wurde in vorliegender Sache am 13.8.2002 ein Strafbefehl erlassen. Erstmals mit Schriftsatz vom 26.8.2002 meldete sich seine Verteidigerin, versicherte ordnungsgemäße Bevollmächtigung und legte gegen den Strafbefehl Einspruch ein. Mit Verfügung vom 21.11.2002 teilte der zuständige Abteilungsrichter der Verteidigerin mit, es sei beabsichtigt, das vorliegende Verfahren nach § 154 Abs. 2 StPO einzustellen. Hieraufhin erklärte die Verteidigerin mit Schriftsatz vom 2.12.2002, sie beantrage zunächst, dem Angeklagten als Pflichtverteidigerin beigeordnet zu werden. Mit Beschluss vom 11.12.2002 wurde sodann das Verfahren nach § 154 Abs. 2 StPO eingestellt und der Antrag auf Beiordnung mit der Begründung zurückgewiesen, eine Mitwirkung des Angeklagten im Rahmen der Verfahrenseinstellung nach § 154 StPO sei nicht erforderlich. Hiergegen wendet der Angeklagte sich mit seiner Beschwerde und trägt vor, es liege ein Fall notwendiger Verteidigung im Sinne des § 140 Abs. 1 Nr. 5 StPO vor.

2

2.

Die Beschwerde ist zulässig, hat aber in der Sache keinen Erfolg.

3

Der Beiordnungsantrag und die Beschwerde werden gestützt auf § 140 Abs. 1 Nr. 5 StPO. Hiernach ist einem Angeklagten, der sonst keinen Verteidiger hat, ein solcher beizuordnen, wenn sich der Angeklagte seit mehr als drei Monaten in Haft befindet und nicht mindestens zwei Wochen vor der Hauptverhandlung entlassen wird, wobei im Strafbefehlsverfahren das Erfordernis einer Beiordnung regelmäßig erst nach Einlegung des Einspruchs entsteht (vgl. nur Meyer-Goßner, § 140 Rdn. 17). Eine Beiordnung hat nach insoweit übereinstimender Rechtsprechung (vgl. nur Landgericht Braunschweig, StV 2001, 447; StV 1997, 70; Landgericht Hamburg, StV 2000, 17) grundsätzlich auch dann zu erfolgen, wenn das Verfahren schließlich nach § 154 Abs. 2 StPO eingestellt wird. Diesen Entscheidungen lag aber stets zugrunde, dass die Voraussetzungen notwendiger Verteidigung vorlagen und ein Antrag auf Beiordnung bereits gestellt, indessen "aufgrund gerichtsinterner Vorgänge" nicht beschieden worden war, bevor eine Einstellung absehbar wurde. Nur in derartig gelagerten Fällen wurde ein Interesse angenommen, dem Verteidiger notfalls auch nachträglich seinen Vergütungsanspruch zu sichern.

4

Diese Rechtsprechung trifft den vorliegenden Fall indessen nicht. Zwar ist der Beschwerde einzuräumen, dass der Angeklagte sich zum Zeitpunkt der Einstellung seit mehr als drei Monaten in Haft befunden hatte und zeitlich noch vor schließlich erfolgter Einstellung der Beiordnungsantrag gestellt worden war. Zum Zeitpunkt des Beantragens der Beiordnung war der Verteidigerin, die bis dahin ordnungsgemäße Bevollmächtigung versichert, aber gerade keine Beiordnung beantragt hatte und insoweit als gewählte Verteidigerin tätig geworden war, bereits mitgeteilt worden, dass eine Einstellung nach § 154 StPO beabsichtigt sei. Erst hierauf hin, nämlich vor einer Erklärung zu der beabsichtigten Verfahrensweise, wurde zunächst die Beiordnung beantragt. Dieses Vorgehen aber diente erkennbar somit allein dem Ziel, der Verteidigung vor einer Einstellung den Vergütungsanspruch zu sichern. Notwendige Verteidigung zum Wahrnehmen prozessualer Rechte im Ermittlungs- oder Hauptverfahren, was durch die Vorschrift des § 140 StPO sicher gestellt werden soll, war zu diesem Zeitpunkt nicht mehr erforderlich. Ein derartiger Verfahrensstand ist vielmehr vergleichbar mit dem Stadium, in dem bei erstmaligem Beantragen der Beiordnung eine Entlassung eines Angeklagten nach Maßgabe des § 140 Abs. 1 Nr. 5, letzter Halbsatz StPO bereits bekannt bzw. absehbar ist (vgl. hierzu Landgericht Braunschweig, StV 2001, 447). Auch dann ist eine Beiordnung nicht mehr zu rechtfertigen.

5

3.

Ein Rechtsmittel gegen die vorliegende Entscheidung ist nach § 310 Abs. 2 StPO nicht eröffnet.

6

4.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 StPO.