Landgericht Hildesheim
Beschl. v. 04.04.2003, Az.: 12 Qs 30/03
Festsetzung einer Sperrfrist zum Wiedererteilen der Fahrerlaubnis wegen Trunkenheit im Verkehr; Grundlagen für die Annahme einer erheblichen Alkoholgewöhnung
Bibliographie
- Gericht
- LG Hildesheim
- Datum
- 04.04.2003
- Aktenzeichen
- 12 Qs 30/03
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2003, 32028
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LGHILDE:2003:0404.12QS30.03.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- AG Hildesheim - 12.03.2003 - AZ: 13 Ds 31 Js 18020/02
Rechtsgrundlage
- § 69a Abs. 7 StGB
Fundstellen
- DAR 2005, IV Heft 2 (red. Leitsatz)
- JWO-VerkehrsR 2004, 346
- NPA 2004
In der Strafsache
hat die 1. große Strafkammer des Landgerichts Hildesheim
auf die sofortige Beschwerde des Verurteilten vom 20.3.2003,
bei Gericht eingegangen am 24.3.2003,
gegen den Beschluss des Amtsgerichts Hildesheim vom 12.3.2003 (Az.: 13 Ds 31 Js 18020/02),
zugestellt am 18.3.2003,
durch
den Vorsitzenden Richter am Landgericht ...,
den Richter am Landgericht ... sowie
den Richter am Landgericht ...
am 4.4.2003
beschlossen:
Tenor:
Die sofortige Beschwerde wird auf Kosten des Verurteilten als unbegründet verworfen.
Gründe
1.
Gegen den Verurteilten wurde mit Urteil vom 19.12.2002 wegen Trunkenheit im Verkehr eine Sperrfrist zum Wiedererteilen der Fahrerlaubnis von noch sechs Monaten festgesetzt, nachdem er zum Zeitpunkt der Hauptverhandlung seinen Führerschein seit dem 1.6.2002 entbehrt hatte. Unter dem 4.3.2003 beantragte der Verurteilte sodann eine Verkürzung der Sperrfrist um drei Monate, nachdem er an einem verkehrstherapeutischen Schulungsprogramm eines niedergelassenen Psychologen teilgenommen hatte. Mit Beschluss vom 12.3.2003 wurde dieser Antrag mit der Begründung zurückgewiesen, die der Tat zu Grunde zu legende Blutalkoholkonzentration von 2,69 g o/oo erlaube eine Verkürzung der Sperrfrist nicht. Hiergegen wendet der Verurteilte sich mit seiner Beschwerde.
2.
Die sofortige Beschwerde ist zulässig, hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.
Das Amtsgericht hat aus zutreffenden rechtlichen wie tatsächlichen Erwägungen, denen die Kammer grundsätzlich beitritt und die sie auch ihrer Entscheidung zugrundelegt, den Antrag des Verurteilten auf Verkürzung der Sperrfrist zur Wiedererteilung der Fahrerlaubnis zurückgewiesen. Auf die Gründe der angefochtenen Entscheidung wird daher zum Vermeiden unnötiger Wiederholungen zunächst Bezug genommen.
Auch das Beschwerdevorbringen greift demgegenüber nicht durch.
Die Kammer hat in den auch von der Verteidigung im Rahmen der Beschwerde angeführten Entscheidungen bereits ausgeführt, dass allein eine auf den jeweiligen Einzelfall ausgerichtete Betrachtung eine tragfähige Entscheidungsgrundlage bildet und jede schematische Betrachtung sich von vornherein verbietet (vgl. nur 20 Qs 78/02 vom 26.9.2002). Diese Abwägung muss vorliegend aber zur Bestätigung der angefochtenen Entscheidung führen.
Maßgebend war hierbei zunächst, dass der Verurteilte mit einer ganz erheblichen Blutalkoholkonzentration von mindestens 2,69 g o/oo ein Fahrzeug im Straßenverkehr geführt und sich gemäß dem des zu Grunde zu legenden Urteil vom 19.12.2003 zugleich eines unerlaubten Entfernens vom Unfallort schuldig gemacht hat. Bereits hiernach liegen Umstände vor, die von der für Nachschulungskurse nach dem Modell ..., geltenden AV des MJ v. 8.1.2001 (4251-304.146; Nds. Rpfl. 2001, 48), die eine Verkürzung der Sperrfrist lediglich bei Taten bis zu 1,6 Promille vorsieht, nicht mehr erfasst werden. Zwar bindet diese AV die erkennende Kammer nicht und ist in der Entscheidung der Kammer vom 19.8.2002 (Az.: 20 Qs 61/02) eine Blutalkoholkonzentration in Höhe von 2,05 g o/oo letztlich nicht beanstandet worden; die vorliegend festgestellte BAK aber weicht von den üblich bei Verkürzung einer Sperrfrist anzutreffenden Werten derart weit ab, dass - wenn überhaupt - eine besonders kritische Wertung im Hinblick auf die Eignung des Verurteilten zum Führen von Kraftfahrzeugen vorzunehmen ist. Diese Wertung kann eine Verkürzung der Sperrfrist vorliegend aber nicht rechtfertigen.
Dieser Wertung war neben der festgestellten, ganz erheblichen Blutalkoholkonzentration ergänzend zu Grunde zu legen, dass der Verurteilte ausweislich des Blutentnahmeprotokolls vom 1.6.2002 (Bl. 13 d.A.) etwa eine Stunde nach der Tat trotz des erkennbaren Alkoholeinflusses, im Bewusstsein klar, im Denkablauf geordnet und im Verhalten beherrscht' erschien. Ein derartiges Auftreten ist nach aller Erfahrung der Kammer in Anbetracht der festgestellten BAK nur zu erklären, wenn der Verurteilte in erheblichem Maße alkoholgewöhnt war. Für diese Annahme spricht auch, dass der Verurteilte trotz der ganz erheblichen BAK noch in der Lage war, sein Fahrzeug aus der Hildesheimer Innenstadt heraus über eine Strecke von mehreren Kilometern zunächst unfallfrei zu lenken. Wenn in der Stellungnahme des Psychologen vom 28.2.2003 sodann gleichsam formelhaft lediglich ausgeführt wurde, der Verurteile verfüge "im Vergleich zur Deliktszeit über erheblich verbesserte persönliche Voraussetzungen zur Vermeidung von missbräuchlichem Alkoholkonsum", liegen hierin keine hinreichenden neuen Tatsachen auch im Sinne von § 69 a Abs. 7 StGB, die in Anbetracht der dargelegten Umstände Grund zu der Annahme wiederhergestellter Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen bieten. Für eine derartige Annahme hätte es nach Auffassung der Kammer weiterer Erkenntnisse und Ausführungen bedurft.
Soweit im Rahmen der Beschwerde schließlich ausgeführt wurde, der Verurteilte habe schließlich nicht unerhebliche Mühen und nicht zuletzt auch Kosten aufgebracht, kann dies eine abweichende Entscheidung ebenfalls nicht rechtfertigen. Bei der vorliegend zu Grunde zu legenden Blutalkoholkonzentration konnte und durfte der Verurteilte nicht ohne Weiteres davon ausgehen, die Teilnahme an einer Nachschulung werde in jedem Falle zu einer Verkürzung der Sperrfrist führen. Die Kammer weist hierbei mit aller Deutlichkeit darauf hin, dass gerade in Anbetracht des erforderlichen Abwägens der Umstände des jeweiligen Einzelfalls trotz der grundsätzlich unterstützenswerten Nachschulungspraxis allein die als erfolgreich attestierte Teilnahme an einer Nachschulung keinesfalls zwingend zu einer nachfolgenden Verkürzung der Sperrfrist seitens der Gerichte führen muss und darf. Eine derart pauschales Verfahren ist weder von der Vorschrift des § 69 a Abs. 7 StGB noch von der benannten AV des Ministeriums der Justiz intendiert und wird auch seitens der Kammer nicht unerheblichen Bedenken begegnen.
3.
Die Kostenentscheidung für das Beschwerdeverfahren folgt aus § 473 Abs. 1 StPO.
4.
Ein Rechtsmittel gegen die vorliegende Entscheidung ist nach § 310 Abs. 2 StPO nicht eröffnet.