Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 07.01.1964, Az.: P OVG L 4/63

Amtsenthebung eines ehrenamtlichen Beisitzers der Fachkammer für Personalvertretungssachen aufgrund rechtskräftiger Verurteilung wegen eines Vergehens; Reichweite des Begriffs der Amtspflicht aus § 27 Arbeitsgerichtsgesetz (ArbGG); Abgrenzung von Amtspflichten und Dienstpflichten

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
07.01.1964
Aktenzeichen
P OVG L 4/63
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 1964, 10800
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:1964:0107.P.OVG.L4.63.0A

In der Landes-Personalvertretungssache
hat der Fachsenat für Landes-Personalvertretungssachen
in seiner Sitzung am 7. Januar 1964 in Lüneburg,
an welcher teilgenommen haben:
Senatspräsident Dr. Schrödter als Vorsitzender,
Oberverwaltungsgerichtsrat Lindner als Richter,
Oberverwaltungsgerichtsrat Mühlenfeld als Richter,
Regierungsdirektor Müller als ehrenamtlicher Beisitzer,
Angestellter Popp als ehrenamtlicher Beisitzer,
beschlossen:

Tenor:

Justizamtmann ... Amtsgericht, wird seines Amtes als ehrenamtlicher Beisitzer bei der Fachkammer für Landes-Personalvertretungssachen bei dem Verwaltungsgericht ... enthoben.

Gründe

1

I.

Justizamtmann ... der für die Zeit vom 1. September 1961 bis 31. August 1965 zum ehrenamtlichen Beisitzer der Fachkammer für Landes-Personalvertretungssachen bei dem Verwaltungsgericht ... berufen wurde, ist durch den rechtskräftigen Strafbefehl des Amtsgerichts ... vom 5. Juli 1963 wegen Vergehens gegen § 175 StGB anstelle einer an sich verwirkten Gefängnisstrafe von einem Monat zu einer Geldstrafe von 600,00 DM verurteilt worden. Daraufhin hat der Niedersächsische Ministerpräsident am 24. Oktober 1963 beantragt, den Justizamtmann ... gemäß § 86 Abs. 2 des Personalvertretungsgesetzes für das Land Niedersachsen (Nds. PersVG) vom 4. März 1961 (Nds. GVBl S. 79) i.V.m. § 27 des Arbeitsgerichtsgesetzes vom 3. September 1953 - ArbGG - (BGBl I S. 1267) seines Amtes als ehrenamtlicher Beisitzer zu entheben. Justizamtmann ... hat am 21. November 1963 erklärt, daß er mit seiner Enthebung ohne mündliche Verhandlung einverstanden sei.

2

II.

Dem Antrag auf Enthebung vom Amt als ehrenamtlicher Beisitzer war stattzugeben.

3

Gemäß §§ 44, 45 Abs. 2 des Deutschen Richtergesetzes vom 8. September 1961 (BGBl I S. 1665 ff) i.V.m. § 86 Abs. 2 Nds. PersVG i.V.m. § 27 ArbGG ist ein ehrenamtlicher Beisitzer vor Ablauf seiner Amtszeit seines Amtes zu entheben, wenn er seine Amtspflicht grob verletzt. Diese Voraussetzung ist im Hinblick auf die der Bestrafung des Justizamtmanns ... zugrundeliegende Straftat gegeben.

4

Der in § 27 ArbGG (vgl. auch § 24 Abs. 1 Nr. 2 VwGO) gebrauchte Begriff "Amtspflicht" erschöpft sich nicht darin, daß die Pflichtverletzung in einem inneren Zusammenhang allein mit der Amtstätigkeit steht. Umfasst wird mit diesem Begriff im Grundsatz auch solche Pflichten, die nach der beamtenrechtlichen Betrachtungsweise ausserhalb der. Amtstätigkeit im ausserdienstlichen Bereich liegen und beamtenrechtlich zu den allgemeinen Dienstpflichten rechnen. Denn die beamtenrechtliche. Unterscheidung der Dienstpflichten kann auf den Begriff der Amtspflicht des § 86 Abs. 2 Nds. PersVG i.V.m. § 27 ArbGG nicht im eintauschend Sinne übertragen werden. Ehrenamtliche Beisitzer nach dem Nds. PersVG brauchen nicht in das Richterverhältnis als Ehrenrichter (§ 45 Abs. 2 des Deutschen Richtergesetzes vom 8. September 1961 [BGBl I S. 1665 ff] i.V.m. § 7 des Niedersächsischen Richtergesetzes vom 14. Dezember 1962 [- Nds. GVBl S. 265 -]) berufen zu werden. Vor und nach Inkrafttreten der Richtergesetze waren und sind sie als ehrenamtliche Beisitzer auch nicht in das Beamtenverhältnis - auch nicht in das eines Ehrenbeamten. (§ 6 Abs. 1 Nr. 5, § 7 Abs. 2 NBG vom 14. Juli 1960 - Nds. GVBl S. 145 -) - berufen. Sie bekleiden/nur ein Amt. Dementsprechend können ihre Pflichten nicht als Dienstpflichten bezeichnet werden, sondern nur als Amtspflichten. Um ein öffentliches Amt. in seiner Bedeutung für die Allgemeinheit zu erhalten, hat jedoch derjenige, dem das Amt anvertraut wird, nicht nur Amtspflichten bei der reinen Amtstätigkeit, sondern auch allgemeine Amtspflichten im ausserdienstlichen Verhalten. Denn ein Verhalten ausserhalb der Amtstätigkeit kann die Bedeutung des Amtes und die Wirkung der Amtstätigkeit gefährden oder gar zerstören. Zu den so verstandenen Amtspflichten eines ehrenamtlichen Beisitzers gehört ein auf die Würde des Richteramtes ausgerichtetes ausseramtliches Verhalten. Eine gröbliche Amtspflichtverletzung liegt deshalb vor, wenn der ehrenamtliche Beisitzer ausserhalb seines Amtes ein Verhalten an den Tag legt, das sein Ansehen als ehrenamtlicher Beisitzer in der. Öffentlichkeit erschüttert oder geeignet ist, den Rechtsuchenden das Vertrauen in eine einwandfreie Amtsführung in wesentlichem Umfange zu nehmen, oder die Autorität oder den Glauben an die Objektivität des Gerichts wesentlich in Mitleidenschaft zieht (vgl. OVG Lüneburg, Beschluss vom 16. April 1962 - II OVG E 2/62 - = RiA 1962/304 = DRspr V [556, 34]).

5

Eine derartig gröbliche Verletzung seiner Amtspflichten hat ... begangen. Denn er hat in einem öffentlichen Park mit einem anderen Mann Unzucht getrieben und ist wegen dieses Vergehens bestraft worden. Ein derartiges Verhalten erschüttert die Autorität eines ehrenamtlichen Beisitzers - und damit auch des Gerichts, wenn er weiter als ehrenamtlicher Beisitzer tätig werden dürfte - und das Vertrauen zu ihm im wesentlichen Umfange. Entschuldigungsgründe, die die Amtspflichtverletzung nicht grob erscheinen ließen, sind nicht gegeben oder erkennbar.

6

Es war daher wie geschehen zu beschließen.