Oberlandesgericht Celle
Urt. v. 02.12.1998, Az.: 2 U 60/98

Zahlung von Mietzins und Nebenkostenvorauszahlungen; Schriftformerfordernis einer Kündigung; Mangel an Kündigungsvollmacht; Widerspruch schwebender Unwirksamkeit mit Natur des Gestaltungsrechts; Ausschluß der Fortsetzungsfiktion; Geschäftsgrundlage des Mietvertrages; Begrenzung der Grundsätze vom Wegfall der Geschäftsgrundlage durch Prinzip der Vertragstreue; Vermeidung der Änderung der Risikoverteilung; Abhängigkeit der Tätigkeit von tatsächlich und rechtlich geänderten Verhältnissen; Erfordernis baulicher Maßnahmen für urologische Praxis; Angebot zusätzlicher Räumlichkeiten; Besorgnis des Verlustes der kassenärztlichen Zulassung

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
02.12.1998
Aktenzeichen
2 U 60/98
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1998, 15859
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGCE:1998:1202.2U60.98.0A

Verfahrensgang

vorgehend
LG Lüneburg - 19.12.1997 - AZ: 8 O 363/97

Fundstellen

  • MDR 1999, 799-800 (Volltext mit amtl. LS)
  • OLGReport Gerichtsort 1999, 97-98
  • ZMR 1999, 237-238

Redaktioneller Leitsatz

  1. 1.

    Die Anwendbarkeit der Grundsätze über die Änderung und den Wegfall der Geschäftsgrundlage ist durch das Prinzip der Vertragstreue eingeschränkt, das nur durchbrochen werden darf, wenn ein Festhalten am Vertrag zu untragbaren, mit Recht und Gerechtigkeit nicht zu vereinbarenden Ergebnissen führt und deshalb einer Vertragspartei nach den Grundsätzen von Treu und Glauben nicht zuzumuten ist. Verwirklicht sich dagegen ein vertraglich übernommenes Risiko, schließt der Grundsatz der Vertragstreue regelmäßig eine Korrektur des Vertragsinhalts, insbesondere ein Recht zur vorzeitigen Kündigung eines Dauerschuldverhältnisses, unter dem Gesichtspunkt des Wegfalls der Geschäftsgrundlage aus

  2. 2.

    Das Risiko, in den Mieträumen nicht die erwarteten Gewinne zu erzielen, sondern Verluste zu machen, trägt der Mieter von Geschäftsräumen selbst dann, wenn die Gewinnerwartungen bei Vertragsabschluss von dem Vermieter geteilt werden. Umstände, die, wie das Ertragsrisiko, in den Risikobereich einer Partei fallen, geben dieser in aller Regel nicht das Recht, eine Änderung der Vertragspflichten zu ihren Gunsten herbeizuführen, weil anderenfalls die in der Vertragsgestaltung liegende Risikoverteilung in einer für den Vertragspartner nicht tragbaren Weise geändert würde. Soweit die nach dem konkret vereinbarten Verwendungszweck zu beurteilende Gebrauchstauglichkeit von Mieträumen durch tatsächliche oder rechtliche Verhältnisse unmittelbar beeinträchtigt wird, richten sich die Rechtsfolgen allein nach den Gewährleistungsbestimmungen. Ausnahmsweise ist die Berufung auf die Störung der Geschäftsgrundlage möglich, wenn das Festhalten am Vertrag die Existenz der Mietpartei gefährdet und dies aus außergewöhnlichen, außerhalb der Sphäre der Mietvertragspartei liegenden, nicht vorhersehbaren Umständen herrührt.

In dem Rechtsstreitverfahren
hat der 2. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle
unter Mitwirkung
des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht ...
und der Richter am Oberlandesgericht ... und ...
auf die mündliche Verhandlung vom 5. November 1998
für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 19. Dezember 1997 verkündete und am 24. Februar 1998 berichtigte Urteil des Einzelrichters der 8. Zivilkammer des Landgerichts Lüneburg unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels teilweise geändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:

Die Beklagten werden verurteilt, als Gesamtschuldner an die Kläger gemeinschaftlich 13.320,00 DM nebst 4 % Zinsen auf jeweils 3.330,00 DM seit dem 4. Juni 1997, 4. Juli 1997, 4. August 1997 und 4. September 1997 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits tragen die Beklagten als Gesamtschuldner 92 % und die Kläger als Gesamtschuldner 8 %.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Entscheidungsgründe

1

Die zulässige Berufung der Beklagten hat nur zu einem geringen Teil Erfolg.

2

Mit Recht hat das Landgericht die Beklagten verurteilt, auch für die Monate Juni bis einschließlich September 1997 den in dem schriftlichen Mietvertrag der Parteien vom 24. Juli 1992 für die zum Betrieb einer Arztpraxis im ersten Obergeschoss des Hauses ... in ... vereinbarten Mietzins von monatlich 3.330,00 DM, insgesamt mithin 13.320,00 DM, zu zahlen.

3

Dagegen hat das Rechtsmittel Erfolg, soweit den Klägern zusätzlich ein Anspruch auf anteilige Nebenkostenvorauszahlungen für den vorbezeichneten Zeitraum in Höhe von insgesamt 1.201,60 DM zuerkannt worden ist.

4

Das von den Parteien gemäß § 4 Nr. 1 und 2 des Mietvertrages fest auf die Zeit bis zum 30. Juni 2002 abgeschlossene Mietverhältnis ist nicht in Folge des Zugangs des von dem Beklagten zu 2 unterzeichneten Kündigungsschreibens vom "31." September 1996 zum 31. März 1997 vorzeitig beendet worden.

5

a)

Die Kündigungserklärung begegnet bereits in formeller Hinsicht durchgreifenden Bedenken.

6

Die Beklagten als Mieter haben nämlich mit dem Schreiben vom "31." September 1996 das Mietverhältnis nicht unter Beachtung der gemäß § 4 Nr. 2 Satz 1 Mietvertrag gewillkürten Schriftform gekündigt, so dass ihre Erklärung gemäß § 125 Satz 2 BGB als nichtig anzusehen ist. Zwar enthält das Kündigungsschreiben vom "31." September 1996 nach dem Wortlaut die Kündigungserklärung beider Beklagter. Indessen genügt die Kündigungserklärung nicht dem Formerfordernis gemäß §§ 127, 126 Abs. 1 BGB, weil es an der eigenhändigen Namensunterschrift des Beklagten zu 1 fehlt. Die Vereinbarung des Schriftformerfordernisses in §§ 4 Mietvertrag hält einer Inhaltskontrolle nach dem AGB-Gesetz stand, § 11 Nr. 16 AGB-Gesetz.

7

Das zwischen den Klägern und den Beklagten begründete einheitliche, auf eine unteilbare Leistung gerichtete Mietverhältnis konnte von Vermieterseite auch nur durch die Kündigung beider Mieter beendet werden. In § 21 Nr. 2 und 4 des Mietvertrages haben die Parteien ausdrücklich bekräftigt, dass die Kündigung eines Mieters für den anderen nicht verbindlich sein sollte.

8

Danach ist zwar eine von dem Beklagten zu 2 in eigenem Namen und zugleich in Vertretung für den Beklagten zu 1 erklärte Kündigung nicht ausgeschlossen. Indessen haben die Kläger bereits in der Klage gerügt, dass sich in dem Kündigungsschreiben kein Hinweis darauf finde, dass die Kündigung auch in Vollmacht für den Beklagten zu 1 erklärt werde. Immerhin waren die Beklagten, wie sich aus dem Text des Kündigungsschreibens ergibt, damals bereits anwaltlich beraten. Selbst wenn die Verwendung des gemeinsamen Briefkopfes der Beklagten und die Verwendung des Plurals in der Kündigungserklärung dahin auszulegen wären, dass der Beklagte zu 2 die Kündigung zugleich im Namen des Beklagten zu 1 erklärt hat, fehlt es für die Annahme einer wirksamen Kündigung an der Darlegung, dass der Beklagte zu 1 dem Beklagten zu 2 eine Vollmacht zur Abgabe der Kündigungserklärung in seinem Namen erteilt hat. Die Abgabe einer Kündigungserklärung als einseitiges Rechtsgeschäft als Vertreter ohne Vertretungsmacht ist jedoch gemäß § 180 Satz 1 BGB unzulässig. Eine andere Beurteilung ist auch nicht deshalb gerechtfertigt, weil der Beklagte zu 1 durch den Vortrag in der Klageerwiderung vom 9. Dezember 1997 und mit seiner Erklärung in der wiederholten Kündigung vom 16. Januar 1998 (Bl. 107 d. A.) die Kündigungserklärung vom "31." September 1996 zumindest konkludent genehmigt hat. Zwar fehlen Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger das Fehlen der Vertretungsmacht nach Zugang der Kündigung beanstandet, also die Kündigung aus diesem Grunde unverzüglich zurückgewiesen hat. Die Genehmigung des Beklagten zu 1 konnte der Kündigung jedoch auch gemäß §§ 180 Satz 2, 177 Abs. 1 BGB nicht zur Wirksamkeit verhelfen. Eine Heilung der Unwirksamkeit durch nachträgliche Genehmigung ist auch unter Berücksichtigung der allgemeinen Regelungen in §§ 180 Satz 2, 177 Abs. 1 BGB nicht möglich. Gestaltungsrechte, wie die Kündigung eines Dauerschuldverhältnisses, müssen die Rechtslage eindeutig klären, sie vertragen keine Bedingung. Grundsätzlich widerspricht ihrem Sinn und Zweck auch ein anhaltender Zustand schwebender Unwirksamkeit, wie er durch die Erklärung eines Vertreters ohne Vertretungsmacht zustande kommt (vgl. BGH NJW 1960, 1805, 1807 [BGH 15.06.1960 - V ZR 191/58]; Bub/Treier/Grapentin, Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete, 2. Aufl., IV Rdnr. 4). Zwar wird durch die Kündigung eines Mietverhältnisses anders als bei der Ausübung eines Vorkaufsrechtes in dem von dem BGH (a. a. O.) entschiedenen Fall nicht der Rechtskreis eines Dritten berührt.

9

Gleichwohl muss das Interesse des Vertretenen, einer außerhalb der Vertretungsmacht in seinem Namen abgegebene einseitige Willenserklärung nach §§ 177, 180 BGB noch genehmigen zu können, auch im vorliegenden Fall hinter dem Interesse an objektiven Klarheit über die bestehenden Rechtsverhältnisse zurücktreten. Die mit der Ausübung eines einseitigen Rechtsgeschäftes durch einen Vertreter ohne Vertretungsmacht verbundene Ungewissheit mag zwar z. B. bei einem Mieterhöhungsverlangen hinzunehmen sein. Erklärungen, die wie die Kündigung, den Fortbestand eines laufenden Dauerschuldverhältnisses betreffen, dulden indes auch nicht vorübergehend den durch eine schwebende Unwirksamkeit der Erklärung hervorgerufenen Zustand der Unklarheit in Bezug auf die vielfältigen mit einem Mietverhältnis verbundenen gegenseitigen Rechte und Verpflichtungen. Auch eine unterschiedliche Behandlung befristeter und unbefristeter Kündigungen ist nicht gerechtfertigt. Bei der auch im vorliegenden Fall gegebenen befristeten Kündigung eines Mietverhältnisses über Räume könnten die Parteien den Schwebezustand zwar rechtzeitig vor dem Kündigungstermin durch Erklärungen gemäß § 177 Abs. 2 BGB beenden. Diese Wirkung wäre aber davon abhängig, dass der Kündigungsempfänger die schwebende Unwirksamkeit der Kündigungserklärung erkennt und sich dazu entschließt, den Vertretenen zu einer Erklärung über die Genehmigung aufzufordern. Im Gegensatz zur Regelung in § 59 ZGB tritt die Beendigung des Schwebezustandes mithin nicht automatisch nach Ablauf einer bestimmten Frist ein.

10

b)

Entgegen der Ansicht der Kläger ist allerdings die streitbefangene Mietzinsforderung ohne Rücksicht auf die Wirksamkeit der Kündigung nicht schon deshalb gerechtfertigt, weil die Beklagten unstreitig nach dem Kündigungstermin (31. März 1997) den Gebrauch der Mietsache ohne Widerspruch noch weiter fortgesetzt haben. Die Anwendung des § 568 BGB, der unter diesen Voraussetzungen die Verlängerung des Mietverhältnisses auf unbestimmte Zeit fingiert, haben die Parteien in § 4 Nr. 3 Satz 1 und 2 BGB wirksam ausgeschlossen. Entgegen der Ansicht der Kläger gilt dieser Ausschluß auch nicht nur für den Fall des Ablaufs der festen Vertragszeit am 30. Juni 2002. Die Vereinbarung über den Ausschluß der Fortsetzungsfiktion befindet sich in einem besonderen Absatz und ist damit gerade nicht Bestandteil der Regelungen über das ordentliche Ende des Mietverhältnisses. Außerdem ist in § 4 Nr. 4 ausdrücklich auf die Vorschriften des BGBüber die ordentliche und außerordentliche Kündigung Bezug genommen worden, soweit im Vertrag nichts anderes vereinbart worden ist.

11

c)

Unbeschadet der aufgezeigten formellen Bedenken gegen die Wirksamkeit der Kündigungserklärung können die Kläger von den Beklagten die Entrichtung der Miete für den Monat Juni 1997 selbst dann beanspruchen, wenn unterstellt wird, dass den Beklagten ein Recht zur außerordentlichen Kündigung des Mietverhältnisses unter dem Gesichtspunkt des Wegfalls der Geschäftsgrundlage zugestanden hätte. Auch eine Anpassung des Vertragsverhältnisses nach den Regeln über den Wegfall der Geschäftsgrundlage unter dem Gesichtspunkt der Unzumutbarkeit der Fortsetzung des langfristigen Mietverhältnisses würde die Beklagten nämlich allenfalls berechtigen, das Mietverhältnis nach Maßgabe der vertraglichen Vereinbarungen ordentlich zu kündigen. Die Beklagten haben jedoch die in § 4 Nr. 2 Satz 1 des Mietvertrages vereinbarten ordentlichen Kündigungsfristen nicht eingehalten. Danach war das Mietverhältnis zum Ablauf des Kalendervierteljahres unter Einhaltung einer Frist von sechs Monaten kündbar, wobei es gemäß § 4 Nr. 2 Satz 3 Mietvertrag für die Rechtzeitigkeit der Kündigung auf den Tag der Ankunft des Kündigungsschreibens ankommt. Ausweislich des Vermerks auf dem Kündigungsschreiben (Bl. 15 d. A.) ist die Kündigung zwar am 3. Werktag des Monats Oktober 1996, nämlich am 4. Oktober 1996 zugegangen. Da die vertragliche Regelung abweichend von § 565 Abs. 1 a BGB den Beklagten als Mietern jedoch nicht drei Werktage als Karenzzeit für die Ausübung des Kündigungsrechts zugebilligt, hätte die verspätete Kündigung nicht vor dem Ablauf des übernächsten Kalendervierteljahres, also vor dem 30. Juni 1997, wirksam werden können.

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d)

Eine fristlose Kündigung gemäß § 542 BGB wegen der erstmals im Berufungsrechtszug gerügten fehlenden Genehmigung und Abnahme der Praxis durch das Gesundheitsamt des ... aus wichtigem Grund scheidet schon deshalb aus, weil die Beklagten nicht dargetan haben, dass wegen der fehlenden Genehmigung ein behördliches Einschreiten gegen den seit vielen Jahren geduldeten Praxisbetrieb drohte (vgl. OLG Köln ZMR 1998, 227).

13

e)

Den Beklagten stand jedoch auch kein Recht zur vorzeitigen Kündigung des Mietverhältnisses aus wichtigem Grund zu.

14

Insbesondere waren die Beklagten nicht berechtigt, sich unter dem Gesichtspunkt des Wegfalls der Geschäftsgrundlage vor Ablauf der fest vereinbarten Mietzeit einseitig unter Beachtung der vereinbarten Fristen für eine ordentliche Kündigung von dem Vertrag zu lösen.

15

Die Beklagten berufen sich auf die Veränderung von Umständen, für die die Kläger nach den vertraglichen Vereinbarungen keine Haftung übernommen haben, die mithin ihren eigenen Risikobereich betreffen. Zwar ist den Beklagten zuzugeben, dass der Betrieb einer urologischen Gemeinschaftspraxis in den Mieträumen Geschäftsgrundlage des Mietvertrages gewesen ist. Auch wenn in § 2 Nr. 1 lediglich von dem Betrieb einer Arztpraxis die Rede ist, ergibt sich nämlich aus der Konkurrenzschutzregelung in § 22 Nr. 1, dass die Parteien davon ausgegangen sind, dass die Beklagten die Gewerberäume zum Betrieb einer Praxis für ... nutzen würden. Die Beklagten haben im Berufungsrechtszug auch vorgetragen, dass es sich bei der Endoskopie des Harnleiters um einen für eine urologische Facharztpraxis typischen und wesentlichen Eingriff handele. Für die weiteren ambulanten Eingriffe, die in der Stellungnahme des Beklagten zu 1 als Anlage zur Berufungsbegründung aufgeführt werden, ist freilich eine vergleichbare Bedeutung nicht behauptet worden.

16

Der von den Beklagten befürchtete Verlust ihrer kassenärztlichen Zulassung in den angemieteten Räumen aufgrund der geänderten baulichen Anforderungen für das ambulante Operieren entzieht sich dem Einfluss der Kläger. Ob dieser Umstand dem Risikobereich der Beklagten schon deshalb zuzuordnen ist, weil die Parteien in § 3 Nr. 2 des Mietvertrages vereinbart haben, dass der Vermieter keine Haftung dafür übernehme, dass die etwa notwendigen behördlichen Genehmigungen für den vorgesehenen Betrieb erteilt werden bzw. erteilte Genehmigungen fortbestehen, kann offenbleiben.

17

Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung (vgl. BGH NJW 1996, 714 [BGH 29.11.1995 - XII ZR 230/94]) kann eine Kündigung aus wichtigem Grunde auf Umstände, die dem Einfluss des Kündigungsgegners entzogen sind und die aus den eigenen Interessen des Kündigenden hergeleitet werden, nur ausnahmsweise gestützt werden, nämlich wenn die Voraussetzungen gegeben sind, die nach den Grundsätzen über den Wegfall der Geschäftsgrundlage zur Lösung vom Vertrag berechtigen. Liegen die Gründe aber in dem Risikobereich einer Partei, hat diese grundsätzlich nicht das Recht, sich unter Berufung auf § 242 BGB von einem Vertrage zu lösen, weil die Rechtsfolgen einer Änderung der Geschäftsgrundlage nicht zu einer Beseitigung der im Vertrag liegenden Risikoverteilung führen dürfen.

18

Die Anwendbarkeit der Grundsätze über die Änderung und den Wegfall der Geschäftsgrundlage ist durch das Prinzip der Vertragstreue eingeschränkt, das nur durchbrochen werden darf, wenn ein Festhalten am Vertrag zu untragbaren, mit Recht und Gerechtigkeit nicht zu vereinbarenden Ergebnissen führt und deshalb einer Vertragspartei nach den Grundsätzen von Treu und Glauben nicht zuzumuten ist (vgl. BGH NJW 1985, 314 [BGH 10.10.1984 - VIII ZR 152/83]). Verwirklicht sich dagegen ein vertraglich übernommenes Risiko, schließt der Grundsatz der Vertragstreue regelmäßig eine Korrektur des Vertragsinhalts, insbesondere ein Recht zur vorzeitigen Kündigung eines Dauerschuldverhältnisses, unter dem Gesichtspunkt des Wegfalls der Geschäftsgrundlage aus (vgl. Senat, OLGR 1996, 86, 87). Das Risiko, in den Mieträumen nicht die erwarteten Gewinne zu erzielen, sondern Verluste zu machen, trägt der Mieter von Geschäftsräumen selbst dann, wenn die Gewinnerwartungen bei Vertragsabschluss von dem Vermieter geteilt werden (vgl. BGH NJW 1978, 1008). Umstände, die, wie das Ertragsrisiko, in den Risikobereich einer Partei fallen, geben dieser in aller Regel nicht das Recht, eine Änderung der Vertragspflichten zu ihren Gunsten herbeizuführen, weil anderenfalls die in der Vertragsgestaltung liegende Risikoverteilung in einer für den Vertragspartner nicht tragbaren Weise geändert würde. Soweit die nach dem konkret vereinbarten Verwendungszweck zu beurteilende Gebrauchstauglichkeit von Mieträumen durch tatsächliche oder rechtliche Verhältnisse unmittelbar beeinträchtigt wird, richten sich die Rechtsfolgen allein nach den Gewährleistungsbestimmungen. Ausnahmsweise ist die Berufung auf die Störung der Geschäftsgrundlage möglich, wenn das Festhalten am Vertrag die Existenz der Mietpartei gefährdet und dies aus außergewöhnlichen, außerhalb der Sphäre der Mietvertragspartei liegenden, nicht vorhersehbaren Umständen herrührt (vgl. BGH NJW 1978, 2390).

19

Im vorliegenden Fall liegt eine derartige Ausnahmesituation nicht vor. Dabei kann offenbleiben, ob sich die zwischen der Kassenärztlichen Bundesvereinigung und Spitzenverbänden der gesetzlichen Krankenkassen und Ersatzkassen am 13. Juni 1994 getroffenen Vereinbarungen über Qualitätssicherungsmaßnahmen beim ambulanten Operieren auch auf die in der urologischen Praxis der Beklagten durchgeführten Endoskopien beziehen. Die Kläger haben schon nicht hinreichend dargelegt, dass bei Vertragsunterzeichnung eine Verschärfung der bestehenden Bestimmungen für das ambulante Operieren noch nicht vorhersehbar war. Es liegt nahe, dass dem bereits am 13. Juni 1994 verabschiedeten Text der Vereinbarungen über einen längeren Zeitraum entsprechende Verhandlungen vorangegangen sind, über deren Stand die Kläger durch Nachfrage bei der für sie zuständigen kassenärztlichen Vereinigung hätten Erkundigungen einziehen können. Der Kläger zu 2 hat in der mündlichen Verhandlung insoweit lediglich die Vermutung geäußert, dass bei Vertragsabschluss die Änderungen der für das ambulante Operieren maßgebliche Bestimmung noch nicht absehbar gewesen sei.

20

Das Landgericht ist aufgrund des Vorbringens im ersten Rechtszug zutreffend davon ausgegangen, dass die Beklagten nicht hinreichend substantiiert hatten, inwiefern in den Mieträumen die für bestehende Praxen ab 31. März 1996 nachzuweisenden besonderen baulichen Anforderungen gemäß § 4 Abs. 2 der Vereinbarung nicht zu erfüllen waren. Auch nach dem Vortrag in der Berufungsbegründung erscheint fraglich, weshalb die in der 180 m² großen Praxis vorhandenen Räume nicht baulich so umgestaltet werden können, dass sie den Anforderungen der vorgenannten Vereinbarung genügen. Dabei ist auch eine Veränderung der Raumaufteilung oder der Funktionszuweisung verschiedener Räume in Kauf zu nehmen. Der vorgelegten Praxisanalyse der ... vom 4. Februar 1998 ist nicht näher zu entnehmen, weshalb eine Umgestaltung der vorhandenen Räume nicht möglich sein soll, ohne die Funktionsabläufe der Untersuchungszimmer aufzugeben. Zielrichtung der Praxisanalyse ist im übrigen in erster Linie eine für die Geschäftsgrundlage des Mietvertrages unerhebliche betriebswirtschaftliche Effizienzsteigerung. Dies gilt insbesondere für die Feststellung, dass es betriebswirtschaftlich wichtig gewesen sei, bezogen auf die Fachrichtung Urologie, die seit 1993 kontinuierlich mit sinkender Honorierung der ärztlichen Leistungen zu kämpfen habe, den noch gut honorierten Bereich des ambulanten Operierens und der endoskopischen Eingriffe nicht nur beizubehalten, sondern noch zu erweitern. Die Beklagten müssen sich entgegenhalten lassen, dass sie als Fachärzte bei der Anmietung wussten, dass sie eine ursprünglich als Einzelpraxis vermietete Arztpraxis mit den vorhandenen Räumen für eine Gemeinschaftspraxis und auch für ambulantes Operieren, insbesondere die Durchführung endoskopischer Eingriffe, nutzen wollten. Sie haben dafür auch eine nach ihren eigenen Ausführungen um 2.000,00 DM geringere Miete ausgehandelt als für die von ihnen jetzt anderweitig angemieteten Praxisräume. Zudem verfügten sie unstreitig über Belegbetten in einem Krankenhaus, die sie für operative Eingriffe ebenfalls nutzen konnten. Vor allem aber kommt die Zubilligung eines Kündigungsrechts nach den Grundsätzen des Wegfalls der Geschäftsgrundlage nur als letztes Mittel in Betracht, wenn eine Abhilfe unter Anpassung der vertraglichen Beziehungen nicht möglich ist. In diesem Zusammenhang sind nicht nur sämtliche zumutbaren baulichen Änderungen innerhalb der bestehenden Praxis zu berücksichtigen, sondern auch das Angebot der Kläger, den Beklagten weitere leerstehende Räume in dem Stockwerk oberhalb des Mietobjekts zur Verfügung zu stellen. Entgegen der Ansicht der Beklagten war die Annahme dieses Angebotes für sie auch nicht unzumutbar. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Geschäftsgrundlage nicht bereits dann wegfällt, wenn aufgrund der veränderten Umstände aus dem Risikobereich der Beklagten die weitere Fortführung des Praxisbetriebes mit Erschwernissen verbunden ist, die einem optimalen wirtschaftlichen Ergebnis entgegenstehen. Die Beklagten haben ihren zusätzlichen Flächenbedarf für die ambulante Operationstätigkeit in ihrem Schreiben vom 25. Juni 1996 auf mindestens 50 bis 60 m² beziffert. Die ihnen von den Klägern angebotenen leerstehenden Räume oberhalb der bisherigen Praxis mit einer Fläche von ca. 83 m² erfüllen diese Anforderungen. Der Ausbau der Räume hätte ohne eine Störung des bisherigen Praxisbetriebes erfolgen können. Als Mietzins haben die Kläger mit 15,00 DM pro m² für die zusätzlichen Räume noch ein geringeres Entgelt verlangt, als für die bereits angemieteten Räume (3.330,00 DM: 180 m² = 18,50 DM). Das fehlende Einverständnis der Kläger, zwischen den zusätzlichen Räumen im zweiten Obergeschoß und den Mieträumen im ersten Obergeschoß eine unmittelbare Verbindung zu schaffen, stellt keine so außergewöhnliche Erschwernis dar, dass den Beklagten aus diesem Grunde ein Recht zur vorzeitigen einseitigen Lossagung von dem Mietvertrag der Parteien zustehen könnte. Der Hinweis auf die Versorgung älterer Patienten mit Gehbehinderung überzeugt nicht. Die angemieteten Praxisräume lagen ohnehin bereits im ersten Obergeschoss des Gebäudes, so dass Patienten zum Besuch der Praxis ohnehin Treppen hinaufsteigen mussten. Außerdem hat der Beklagte zu 2 zwar im Termin zur mündlichen Verhandlung eingeräumt, dass bei dem von ihm für sinnvoll gehaltenen Einbau einer Wendeltreppe als Verbindung zwischen den beiden Geschossen die Patienten gleichwohl auf die Benutzung des Treppenhauses hätten verwiesen werden müssen. Zwar mag die ausschließliche Verbindung der Praxisräume mit den zusätzlichen Räumen über das allgemeine Treppenhaus in betriebswirtschaftlicher Hinsicht nicht die optimale Lösung darstellen. Indessen ist nicht ersichtlich, weshalb es gerade in einer Gemeinschaftspraxis mit zwei Ärzten nicht möglich sein soll, durch entsprechende organisatorische Maßnahmen auch bei einer Trennung der Praxisräume über zwei Etagen eine Beaufsichtigung der Räume und des sich darin aufhaltenden Personals und der Patienten zu gewährleisten. Insbesondere liegt es nahe, die endoskopischen Untersuchungen auf bestimmte Tageszeiten zu konzentrieren. Das den Mindestbedarf deutlich übersteigende Flächenangebot im zweiten Obergeschoss ließe es auch zu, dort ein zusätzliches Sprechzimmer einzurichten, um nach Möglichkeit die Patienten sowohl vor, als auch nach dem Eingriff in derselben Etage zu betreuen und ihnen auf diese Weise den Wechsel in das daruntergelegene Geschoss nach Möglichkeit zu ersparen. Bei einer Verteilung der Praxisräume auf zwei Geschosse wäre im Übrigen auch denkbar, den bisher im unteren Geschoss befindlichen Personalraum und/oder das Labor in das obere Geschoss zu verlegen und dadurch für die Durchführung endoskopischer Untersuchungen im unteren Geschoss Raum zu schaffen.

21

Die von den Beklagten behauptete Besorgnis des Verlustes ihrer kassenärztlichen Zulassung im Falle der Fortführung der Praxis unter Beschränkung auf die bisherigen Mieträume hätte jedenfalls bei einer Annahme des Angebots der Kläger zur Praxiserweiterung auf die Räume in den darübergelegenen Geschoss nicht bestanden. Die Beklagten haben auch nicht aufgezeigt, dass bei der Wahrnehmung dieser Möglichkeit ihre wirtschaftliche Existenz gefährdet worden wäre. Sie weisen zwar daraufhin, dass die Kläger jede Beteiligung an den Kosten eines etwaigen Umbaues oder einer Erweiterung der Praxisräume abgelehnt hätten. Zu einer entsprechenden Kostenbeteiligung bestand indes auch keine Veranlassung, weil lediglich die Risikosphäre der Beklagten betroffen ist, denen allein auch der Ertrag aus den notwendigen Investitionen zugute gekommen wäre. Darüber hinaus machen die Beklagten auch nicht geltend, dass sie für die Praxiserweiterung Mittel hätten aufwenden müssen, die die Investitionen für die Neuausstattung in den anderweitig angemieteten Räumen (300.000,00 DM) überstiegen hätten. Die zusätzliche Mietbelastung für die Räume in dem zweiten Obergeschoss (83 m² × 15,00 DM = 1.245,00 DM) hätte noch deutlich unter der Mehrbelastung gelegen, die die Beklagten für die Anmietung anderer Räume derzeit aufzuwenden haben (2.000,00 DM).

22

Nach alledem wird die Geschäftsgrundlage des Mietvertrages der Parteien nicht dadurch berührt, dass bei einer Fortführung der Praxis in den angemieteten, um die Räume im zweiten Obergeschoss erweiterten Räumen nicht gewährleistet wäre, dass die modernsten medizinischen und betriebswirtschaftlichen Anforderungen an eine urologische Facharztpraxis erfüllt werden.

23

In Anbetracht der Beschränkung der streitgegenständlichen Mietzinsforderung auf die Zeit bis September 1997 bedarf es keiner Entscheidung, ob den Klägern der volle Mietzinsanspruch für die Zeit bis zum Ende der vertraglich vereinbarten Mietzeit zusteht.

24

2.

Dagegen steht den Klägern ein Anspruch auf Nebenkostenvorauszahlungen für die Monate Juni bis September 1997 nicht mehr zu, weil hinsichtlich der Nebenkosten für das Jahr 1997 im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung, also mehr als zehn Monate nach dem Schluss des Jahres 1997 bereits Abrechnungsreife eingetreten ist. Zwar hat der Kläger nicht den vollen vereinbarten monatlichen Vorauszahlungsbetrag von 400,00 DM geltend gemacht, sondern lediglich 300,40 DM mit der Begründung verlangt, dass für die leerstehenden Praxisräume lediglich Nebenkosten ohne Müllgebühren und nur die Hälfte der Heizungskosten geltend gemacht würden. Indessen können die Kläger nach Eintritt der Abrechnungsreife allenfalls einen etwaigen sich aus der Nebenkostenabrechnung für das Jahr 1997 ergebenden Saldo zu ihren Gunsten beanspruchen. Die pauschalen Angaben zu den Auswirkungen des Leerstandes der Räume auf die Nebenkosten ersetzt eine derartige Abrechnung nicht und bietet auch keine hinreichenden Schätzungsgrundlage zur Bestimmung einer möglichen Nebenkostennachzahlungsforderung.

25

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO.

26

Die weiteren Nebenentscheidungen finden ihre Rechtsgrundlage in §§ 708 Nr. 10, 713 und 546 Abs. 2 Satz 1 ZPO.

Streitwertbeschluss:

Die Beschwer der Beklagten beträgt 13.320,00 DM, diejenige der Kläger 1.201,60 DM.

Der Wert des Streitgegenstandes für das Berufungsverfahren beträgt 14.521,60 DM.