Oberlandesgericht Celle
Urt. v. 25.11.1998, Az.: 13 U 18/98

Voraussetzungen für den Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe; Hemmung der Anfechtungsfrist durch die Einreichung eines Prozesskostenhilfeantrags

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
25.11.1998
Aktenzeichen
13 U 18/98
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1998, 30574
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGCE:1998:1125.13U18.98.0A

Verfahrensgang

vorgehend
LG Verden

Fundstellen

  • OLGReport Gerichtsort 1999, 315-316
  • ZInsO 1999, 474-476 (Volltext mit amtl. LS)

Amtlicher Leitsatz

§ 31 Nr. 2 KO findet entsprechende Anwendung, wenn der Gemeinschuldner eine GmbH ist, die einen Vertrag mit den Gesellschaftern einer GbR schließt, sofern wenigstens einer der GbR-Gesellschafter gleichzeitig Gesellschafter der GmbH ist.

Die Anfechtungsfrist des § 41 Abs. 1 KO wird durch die Einreichung eines Prozeßkostenhilfeantrags gehemmt, bis der Konkursverwalter nach der Entscheidung über den Prozeßkostenhilfeantrag innerhalb einer angemessenen Frist in der Lage ist, ordnungsgemäß Klage zu erheben. Ist der vom Gericht ausgewählte beigeordnete Rechtsanwalt, an den das Gericht den Prozeßkostenhilfebeschluß übersendet, vom Konkursverwalter noch nicht bevollmächtigt, wenn er den Prozeßkostenhilfebeschluß erhält, dann beginnt die angemessene Frist erst in dem Zeitpunkt zu laufen, in dem dem Konkursverwalter die Prozeßkostenhilfebewilligung mitgeteilt wird.

Entscheidungsgründe

1

Die zulässige Berufung ist zurückzuweisen.

2

I.

Die Anfechtung der Abtretungsvereinbarung v. 07.08.1997 greift gem. § 31 Nr. 2 KO durch. Dies führt nach § 37 Abs. 1 KO dazu, daß die Beklagten den aufgrund der Abtretung an sie ausgezahlten Betrag von 49.717,72 DM in die Konkursmasse zurückzugewähren haben.

3

1.

Nach § 31 Nr. 2 KO sind u.a. anfechtbar die im letzten Jahr vor der Eröffnung des Konkursverfahrens geschlossenen entgeltlichen Verträge des Gemeinschuldners mit seinen nahen Verwandten, sofern durch den Vertragsschluß die Gläubiger des Gemeinschuldners benachteiligt werden und der andere Teil nicht beweist, daß ihm zur Zeit des Vertragsabschlußes eine Absicht des Gemeinschuldners, die Gläubiger zu benachteiligen, nicht bekannt war. Diese Voraussetzungen liegen hier vor:

4

a)

Die spätere Gemeinschuldnerin und die Beklagten schlossen den Vertrag über die teilweise Abtretung des Anspruchs gegen die Brandversicherung i.H.v. 49.717,72 DM am 07.08.1996 ab, also im letzten Jahr vor der Konkurseröffnung am 14.02.1996.

5

b)

Der Abtretungsvertrag ist ein entgeltliches Geschäft, weil die Abtretung dazu dienen sollte, die Gemeinschuldnerin gegenüber der GbR von ihrer Schuld aus den behaupteten Beratungsverträgen zu befreien (vgl. Kilger/Schmidt, KO, 16. Aufl., § 31 Anm. 10b).

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c)

Der Abtretungsvertrag ist mit nahen Angehörigen i.S.d. § 31 Nr. 2 KO zustande gekommen.

7

Vertragspartner sind beide Beklagte, weil der Beklagte zu 2 die Abtretung im Namen der GbR M annahm.

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Ihrem Wortlaut nach paßt § 31 Nr. 2 KO allerdings nur auf Fälle, in denen der spätere Gemeinschuldner und sein Vertragspartner natürliche Personen sind, weil nur zwischen ihnen ein Angehörigenverhältnis bestehen kann. Die Vorschrift findet aber entsprechende Anwendung, wenn der Gemeinschuldner eine GmbH ist, die Verträge mit den Gesellschaftern einer GbR schließt, sofern wenigstens einer der Gesellschafter der GbR gleichzeitig Gesellschafter der GmbH ist. Schließt eine GmbH bei nahender Krise zum Nachteil der Gläubiger einen Vertrag mit ihren Gesellschaftern, so ist in gleicher Höhe wie bei einem entsprechenden Vertrag zwischen einer natürlichen Person und ihren nahen Angehörigen eine Benachteiligungsabsicht des Gemeinschuldners und die Kenntnis des anderen Teils zu vermuten (für den Vertrag zwischen einer GmbH und einer OHG: BGHZ 58, 20).

9

So ist es hier. Die Gemeinschuldnerin ist eine GmbH. Die Abtretungsvereinbarung kam zwischen ihr und beiden Beklagten als Gesellschaftern der GbR zustande.

10

d)

Die Gläubiger der Gemeinschuldnerin wurden durch die Abtretung benachteiligt. Denn die Gemeinschuldnerin hat im Umfang der Abtretung ihre Rechte an der Forderung gegen die Versicherung verloren; die Konkursmasse wurde in diesem Umfang geschmälert. Der objektiven Gläubigerbenachteiligung steht nicht entgegen, daß die Beteiligten die Abtretung gegenüber der Versicherung nicht offenlegten und daß die Beklagten demzufolge die Auszahlung der Versicherungsleistung über die Gemeinschuldnerin erhielten. Die Gemeinschuldnerin war aufgrund der Abtretung verpflichtet, den Betrag von 49.717,72 DM aus der Versicherungsleistung an die Beklagten weiterzuleiten (§§ 407 Abs. 1, 816 Abs. 2 BGB). Die von den Beklagten vertretene Ansicht, daß sie aus der Abtretung keinen Vermögensvorteil erlangt hätten, trifft daher nicht zu.

11

e)

Die somit bestehende Vermutung der Benachteiligungsabsicht der Gemeinschuldnerin und der Kenntnis der Beklagten ist aufgrund des Parteivortrags nicht entkräftet. Soweit die Beklagten behaupten, die der Abtretung zugrunde liegenden Beratungsleistungen tatsächlich erbracht zu haben, kann dies als wahr unterstellt werden. Jedenfalls liegt die Annahme nicht fern, daß es der Gemeinschuldnerin bei der Abtretung der Versicherungsforderung in erster Linie darauf ankam, die Forderung dem Zugriff der übrigen Gläubiger zu entziehen, und daß die Beklagten dies wußten. Dafür spricht, daß die Beklagten nach dem behaupteten Grundgeschäft keinen Anspruch auf Abtretung hatten, und daß ihrem Vortrag nichts dazu zu entnehmen ist, welchen anderen Zweck die Abtretung gehabt haben sollte, als sicherzustellen, daß sie vor den übrigen Gläubigern auf die Versicherungsleistung zugreifen konnten. Darüber hinaus deutet der unstreitige Sachverhalt darauf hin, daß die Gemeinschuldnerin sich im Zeitpunkt der Abtretung am 08.08.1995 bereits in der Krise befand. Bei Konkurseröffnung am 14.02.1996 betrugen die zur Konkurstabelle angemeldeten Verbindlichkeiten bei praktisch nicht vorhandener Masse mehr als 1,7 Mio. DM. Es liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, daß die Überschuldung erst in den letzten sechs Monaten vor Eröffnung des Konkursverfahrens eingetreten ist. Der Beklagte zu 2 bzw. beide Beklagten hatten der Gemeinschuldnerin bereits im Jahr 1994 Darlehen i.H.v. insgesamt 52.000,00 DM gewährt. Soweit die Beklagten behaupten, die Geschäftsleitung der späteren Gemeinschuldnerin sei noch im Oktober 1995 davon ausgegangen, sämtliche Gläubiger befriedigen zu können, ist ihr Vortrag unsubstantiiert. Im Hinblick auf die wirtschaftliche Lage der Gemeinschuldnerin im Zeitpunkt der Abtretung fehlt jede konkrete Darlegung der Beklagten.

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2.

Die Anfechtung gem. § 31 Nr. 2 KO ist rechtzeitig gem. § 41 Abs. 1 Satz 1 KO erfolgt.

13

Die mit der Konkurseröffnung am 14.02.1996 beginnende Jahresfrist wurde gem. § 41 Abs. 1 Satz 2 KO i.V.m. § 203 Abs. 2 BGB durch die Einreichung des PKH-Antrags am 13.02.1997 gehemmt; die Hemmung dauerte fort, bis der Kläger nach der Entscheidung über den PKH-Antrag, die am 08.04.1997 erfolgte, in der Lage war, ordnungsgemäß Klage zu erheben. Von diesem Zeitpunkt an (vgl. BGHZ 70, 235) hat der Kläger die Klage innerhalb angemessener Frist durch einen beim LG zugelassenen Rechtsanwalt eingereicht (vgl. BGH, a.a.O.; Staudinger/Peters, BGB, 13. Bearbeitung, § 203 Rn. 22):

14

Zwar ist die Klage erst gut drei Wochen nach der Absendung des PKH-Beschlusses an den beigeordneten Rechtsanwalt beim LG eingegangen (15.04.1997 - 07.05.1997). Es ist aber nicht zu erkennen, daß dies auf einem nachlässigen Verhalten des Klägers beruhte. Denn der vom LG ausgewählte beigeordnete Rechtsanwalt, an den das LG den PKH-Beschluß übersandte, war vom Kläger noch nicht bevollmächtigt, als er den PKH-Beschluß erhielt. Die angemessene Frist begann deshalb erst in dem Zeitpunkt zu laufen, als die PKH-Bewilligung dem Kläger mitgeteilt wurde (vgl. Zöller/Greger, 20. Aufl., § 234 Rn. 7; Baumbach/Lauterbach/Hartmann, 56. Aufl., § 234 Rn. 25) und die restliche Jahresfrist abgelaufen war (§ 205 BGB).

15

Die Mitteilung von der PKH-Bewilligung erfolgte am 22.04.1997 durch das Schreiben des Rechtsanwalts M v. 21.04.1997.

16

Soweit die Beklagten, gestützt auf das Schreiben des Klägers an Rechtsanwalt M v. 22.04.1997, geltend machen, daß der Kläger bereits am 18.04.1997 von der PKH-Bewilligung Kenntnis erhalten habe, trifft dies nicht zu. Der Kläger hat bei seiner mündlichen Anhörung im Verhandlungstermin v. 13.11.1998 erklärt: Er habe das LG gebeten, ihm für das Verfahren einen Rechtsanwalt beizuordnen, denn er kenne sich im Hinblick auf die Rechtsanwälte im LG Bezirk V. nicht aus. Am Nachmittag des 18.4.1997, einem Freitag, habe eine Mitarbeiterin des Anwaltsbüros M in seiner Kanzlei angerufen. Das Gespräch habe seine Ehefrau geführt. Die Mitarbeiterin des Anwaltsbüros M habe, ohne ein Aktenzeichen oder andere Einzelheiten anzugeben, erklärt, daß man Rechtsanwalt D sprechen wolle. Hiervon habe er, der Kläger, am späten Nachmittag erfahren, als er in das Büro gekommen sei. Am Dienstag, den 22.04.1997, habe er sich dann schriftlich an Rechtsanwalt M gewandt. Der Senat hält diese Angaben für glaubhaft. Sie decken sich mit den Angaben des Klägers in dem Schreiben v. 22.04.1997. Daß der Kläger einen Anlaß gehabt haben könnte, in dem Schreiben v. 22.04.1997 einen unzutreffenden Sachverhalt anzugeben, ist nicht zu erkennen. Demnach ist davon auszugehen, daß der Kläger von der PKH-Bewilligung am 22.04.1997 Kenntnis erhielt. Die Klage ging bei dem LG am 07.05.1997, also zwei Wochen und einen Tag später ein. Dies war noch innerhalb angemessener Frist. Nach der Rechtsprechung des BGH (BGHZ 70, 235, 240) [BGH 19.01.1978 - II ZR 124/76] ist der Partei in Anwendung des Rechtsgedankens von § 234 Abs. 1 ZPO nach Kenntnis vom Abschluß des PKH-Verfahrens eine zumindest zweiwöchige Frist zur Vorbereitung der Klage zuzubilligen. Ob diese Frist nach den Umständen des Einzelfalls auch überschritten werden darf, kann im vorliegenden Verfahren offen bleiben. Da der Kläger den PKH-Antrag bereits einen Tag vor Ablauf der Jahresfrist beim LG einreichte, lief die Jahresfrist nach dem Ende der Hemmung noch einen Tag bis zum 23.04.1997 fort (§ 205 BGB). Bei Einreichung der Klage war deshalb die entsprechend anwendbare Zwei-Wochen-Frist des § 234 Abs. 1 ZPO nicht überschritten.

17

3.

Den durch die anfechtbare Handlung erlangten Betrag von 49.717,72 DM haben die Beklagten gem. § 37 Abs. 1 KO zur Konkursmasse zurückzugewähren.