Oberlandesgericht Oldenburg
Beschl. v. 04.04.2011, Az.: 1 Ws 165/11

Entscheidend für die Rechtzeitigkeit des Wiedereinsetzungsantrags eines Angeklagten ist die (letzte) Zustellung des die Berufung verwerfenden Urteils; Anforderungen an den Fristbeginn für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach Verwerfung der Berufung

Bibliographie

Gericht
OLG Oldenburg
Datum
04.04.2011
Aktenzeichen
1 Ws 165/11
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2011, 15103
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGOL:2011:0404.1WS165.11.0A

Verfahrensgang

vorgehend
LG Oldenburg - 24.02.2011 - AZ: 14 Ns 333/10

Fundstelle

  • StraFo 2011, 280

Amtlicher Leitsatz

Für die Rechtzeitigkeit eines nach versäumter Berufungshauptverhandlung gestellten Wiedereinsetzungsantrages des Angeklagten ist das Datum der (letzten) Zustellung des seine Berufung nach § 329 Abs. 1 StPO verwerfenden Urteils entscheidend. Ob der Angeklagte schon früher Kenntnis von der Berufungsverwerfung hatte, ist unerheblich.

Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde des Angeklagten wird der Beschluss des Landgerichts Oldenburg vom 24. Februar 2011 aufgehoben.

Der Angeklagte wird wieder in den Stand vor Versäumung der Berufungsverhandlung vom 9. Februar 2011 eingesetzt.

Die Kosten der Wiedereinsetzung hat der Angeklagte zu tragen. diejenigen des Beschwerdeverfahrens und die darin dem Angeklagten entstandenen notwendigen Auslagen trägt die Staatskasse.

Gründe

1

Am 17. August 2010 hatte das Amtsgericht Wilhelmshaven den Angeklagten wegen Beleidigung und Hausfriedensbruchs in 2 Fällen zu einer Gesamtgeldstrafe von 80 Tagessätzen zu je 15 € verurteilt. Die hiergegen vom Angeklagten eingelegte Berufung hat das Landgericht Oldenburg mit Urteil vom 9. Februar 2011 nach § 329 StPO verworfen, weil der Angeklagte ohne genügende Entschuldigung ausgeblieben sei. Das Urteil wurde dem Angeklagten am 15. Februar 2011 und dem Verteidiger am 16. Februar 2011 zugestellt.

2

Der Angeklagte hat unter Hinweis darauf, dass er am Verhandlungstag krank gewesen sei, die Wiedereinsetzung in den Stand vor der Versäumung der Berufungshauptverhandlung beantragt. Der Antrag ist am 23. Februar 2011 bei dem Landgericht Oldenburg eingegangen. Das Landgericht Oldenburg hat den Antrag mit Beschluss vom 24. Februar 2011, auf den wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird, als unzulässig verworfen, weil er keine Glaubhaftmachung der Angaben beinhaltet habe und nicht innerhalb der nach § 45 Abs. 1 Satz 1 StPO gegebenen Frist gestellt worden sei. da es auf den Kenntnisstand des Angeklagten ankomme, habe die Antragsfrist mit der Zustellung des Verwerfungsurteils an ihn begonnen, nicht erst mit der späteren an seinen Verteidiger.

3

Die hiergegen gerichtete zulässige sofortige Beschwerde hat Erfolg, weil der Wiedereinsetzungsantrag nunmehr zulässig und begründet ist.

4

Der Wiedereinsetzungsantrag hätte nicht wegen verspäteter Antragstellung als unzulässig abgelehnt werden dürfen. Das Landgericht hat dabei zu Unrecht auf die nach § 45 Abs. 1 Satz 1 StPO einzuhaltende Frist abgestellt. Diese Vorschrift gilt für Anträge auf Wiedereinsetzung in den Stand vor Ablauf versäumter Fristen. Hier hatte der Angeklagte indessen keine Frist, sondern die Hauptverhandlung über seine Berufung versäumt.

5

Der Angeklagte hat deshalb hier von dem für einen solchen Fall gesondert in § 329 Abs. 3 StPO geregelten Recht auf Beantragung einer Wiedereinsetzung in den Stand vor Versäumen der Hauptverhandlung Gebrauch gemacht. Nach dem Wortlaut dieser Vorschrift beginnt die Frist zur Anbringung eines solchen Wiedereinsetzungsantrags mit der Zustellung des Urteils. Wie bei allen Urteilszustellungen ist dabei gemäß § 37 Abs. 2 StPO bei Zustellung an mehrere Empfangsberechtigte das Datum der zuletzt bewirkten Zustellung maßgeblich, hier also dasjenige der Zustellung an den Verteidiger (16. Februar 2011).

6

Neben dem speziell für die hier gegebene prozessuale Sachlage in § 329 Abs. 3 StPO geregelten Fristbeginn hat die für Wiedereinsetzungsanträge wegen versäumter Fristen geltende Antragsfrist des § 45 Abs. 1 StPO keine eigenständige Bedeutung. Daran ändert auch die in § 329 Abs. 3 StPO enthaltene Verweisung auf die Voraussetzungen der §§ 44, 45 StPO nichts. Diese bezieht sich nur auf die weiteren Voraussetzungen für einen erfolgreichen Antrag, nicht hingegen auf die einzuhaltende Frist. Das folgt aus dem eindeutigen Wortlaut der Norm sowie daraus, dass es andernfalls einer gesonderten Fristvorschrift in § 329 Abs. 3 StPO nicht bedurft hätte.

7

Der am 23. Februar 2011 mithin rechtzeitig vom Angeklagten gestellte Wiedereinsetzungsantrag war inhaltlich ausreichend, allerdings fehlte eine Glaubhaftmachung. Das ist nunmehr aber unschädlich, weil die Glaubhaftmachung - in zulässiger Weise, vgl. MeyerGoßner, StPO, 53. Aufl., § 45 Rdn. 7 - im Beschwerdeverfahren nachgeholt worden ist. Der Angeklagte hat nunmehr eine fachärztliche Bescheinigung vom 3. März 2011 vorgelegt, nach der er am Verhandlungstag nicht verhandlungsfähig war. Jedenfalls in Verbindung mit dem früher schon vorgelegten Attest vom 7. Februar 2009 reicht dies zur Glaubhaftmachung eines Entschuldigungsgrundes aus, zumal jedenfalls auch keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der Angeklagte eine etwaige Unrichtigkeit dieser Atteste kannte oder hätte erkennen müssen.

8

Wegen der damit zu Grunde zu legenden Verhandlungsunfähigkeit des Angeklagten war sein Ausbleiben in der Berufungsverhandlung entschuldigt, so dass der sofortigen Beschwerde wie aus dem Beschlusstenor ersichtlich stattzugeben war.

9

Die Kostenentscheidung entspricht §§ 467 Abs. 1. 473 Abs. 7 StPO.