Oberlandesgericht Oldenburg
Beschl. v. 26.04.2011, Az.: 1 Ws 190/11

Voraussetzungen für einen Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung wegen eines gerichtlich geduldeten Abbruchs einer Drogentherapie

Bibliographie

Gericht
OLG Oldenburg
Datum
26.04.2011
Aktenzeichen
1 Ws 190/11
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2011, 17743
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGOL:2011:0426.1WS190.11.0A

Verfahrensgang

vorgehend
LG Oldenburg - 08.03.2011 - AZ: 15 BRs 112/09

Fundstellen

  • NStZ-RR 2011, 324
  • StV 2011, 556

Amtlicher Leitsatz

Auf den Abbruch einer dem Verurteilten im Bewährungsbeschluss auferlegten Drogentherapie kann ein Widerruf der Strafaussetzung dann nicht mehr gestützt werden, wenn der Therapieabbruch seitens der Justiz zunächst hingenommen wurde und sich seitdem eine positive Entwicklung des Verurteilten ergeben hat. In diesem Fall rechtfertigt auch ein mangelhafter Kontakt zur Bewährungshilfe keinen Bewährungswiderruf.

Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde des Verurteilten wird der Beschluss der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Oldenburg bei dem Amtsgericht Vechta vom 8. März 2011,

mit dem diese die Strafaussetzung zur Bewährung widerrufen hat, die sie dem Verurteilten mit Beschluss vom 6. Juli 2009 für die Reststrafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Walsrode vom 10. August 2006 gewährt hatte,

aufgehoben.

Die Strafaussetzung bleibt - unter Entfallen der Therapieweisung und der Bewährungshilfeunterstellung - aufrecht erhalten.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und insoweit entstandene notwendige Auslagen des Verurteilten werden der Staatskasse auferlegt.

Gründe

1

Der Verurteilte wurde vom Amtsgericht Walsrode am 10. August 2006 wegen gefährlicher Körperverletzung unter Einbeziehung weiterer Strafen zu einer Jugendstrafe von 8 Monaten verurteilt. Die zunächst gewährte Strafaussetzung wurde später widerrufen und zu 2/3 vollstreckt. Der Strafrest wurde mit Beschluss der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Oldenburg bei dem Amtsgericht Vechta vom 6. Juli 2009 zur Bewährung ausgesetzt, wobei der Verurteilte der Leitung und Aufsicht eines Bewährungshelfers unterstellt und ihm auferlegt wurde, im Anschluss an die Haftentlassung eine Suchttherapie anzutreten und ordnungsgemäß abzuschließen. Die Bewährungszeit wurde auf 2 Jahre festgesetzt.

2

Der Verurteilte wurde nach rund 2 Monaten aus der Therapieeinrichtung disziplinarisch entlassen. Entgegen seiner Angabe, kümmerte er sich in der Folgezeit nicht um einen neuen Therapieplatz. Den Kontakt zur Bewährungshilfe, den er ohnehin nur unzureichend gehalten hatte, brach er im Oktober 2010 ganz ab.

3

Die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Oldenburg bei dem Amtsgericht Vechta hat mit Beschluss vom 8. März 2011 die Strafaussetzung widerrufen, weil der Verurteilte keinen Kontakt zur Bewährungshilfe aufgenommen hatte und den Nachweis seiner Drogenabstinenz schuldig geblieben sei.

4

Gegen diesen, ihm am 23. März 2011 zugestellten Beschluss wendet sich der Verurteilte mit der sofortige Beschwerde vom 29. März 2011. Er begründet seine Beschwerde in erster Linie damit, dass er seit seiner Haftentlassung keine Straftat mehr begangen und sein Leben grundlegend geändert habe. So habe er den Kontakt zu seinem früheren Umfeld gelöst, keine Drogen mehr genommen und betreibe derzeit die Fortsetzung seiner Schulausbildung an der Fachoberschule Walsrode.

5

Das Rechtsmittel ist zulässig und begründet.

6

Allerdings hat sich der Verurteilte der Aufsicht und Leitung des Bewährungshelfers beharrlich entzogen. Es kann jedoch nicht davon ausgegangen werden, dass er - was für einen darauf gestützten Widerruf der Strafaussetzung nach §§ 56f Abs. 1 Satz 1 Nr. 2. 57 Abs. 5 Satz 1 StGB ferner erforderlich wäre - dadurch Anlass zu der Besorgnis gegeben hat, dass er erneut Straftaten begehen wird.

7

Nach dem vom Senat eingeholten aktuellen Strafregisterauszug hat der Verurteilte seit dem 20. Januar 2007 - mithin seit über 4 Jahren und damit auch in der Bewährungszeit - keine Straftat mehr begangen. Auch von neuen Ermittlungsverfahren ist nichts bekannt. Anklagen o. ä. sind zu dem vorliegenden Verfahren nicht mitgeteilt worden. Dies spricht für die Richtigkeit der Angaben des Verurteilten, er habe seine Lebensführung positiv verändert. Jedenfalls besteht kein ausreichend tragfähiger Anhaltspunkt, von etwas anderem auszugehen, zumal gerade vor dem Hintergrund seiner früheren Drogenabhängigkeit ansonsten neue Betäubungsmittel oder Beschaffungsdelikte des Verurteilten kaum ausgeblieben wären.

8

Eine Besorgnis künftiger Straftaten kann auch nicht tragfähig daraus abgeleitet werden, dass der Verurteilte die ihm auferlegte Therapie nicht durchgestanden und eine neue nicht begonnen hatte. Nachdem dieses Verhalten von der Strafvollstreckungsbehörde und der Strafvollstreckungskammer letztlich ohne Konsequenzen hingenommen wurde, kann - jedenfalls bei dem sonstigen jetzigen Erkenntnisstand - darauf nunmehr nicht mehr rekurriert werden. Auch dass der Verurteilte sich keinen Urinkontrollen unterzogen hat, reicht nicht aus, um eine derzeit gegebene Gefahr neuer Straftaten zu bejahen, zumal dem Verurteilten solche Kontrollen im Bewährungsbeschluss nicht auferlegt worden waren.

9

Da kein Widerrufsgrund vorliegt, stellt sich nicht die Frage nach einer Verlängerung der Bewährungszeit oder anderen ausreichenden Maßnahmen im Sinne von § 56f Abs. 2 Satz 1 StGB, vgl. Fischer, StGB, 58. Aufl., § 56f Rdn. 14. Jedoch hat der Senat in Anwendung von § 56e StGB die Therapieweisung und die Bewährungshilfeunterstellung aufgehoben, die nach dem derzeitigen Stand der Bewährung und auch in Hinblick auf den Ablauf der Bewährungszeit bereits im Juli 2011 nicht mehr zielführend sind.

10

Die Kostenentscheidung beruht auf § 467 StPO.