Oberlandesgericht Oldenburg
Beschl. v. 28.03.2011, Az.: 1 Ws 159/11

Bei Zurückweisung einer durch die Staatsanwaltschaft eingelegten Berufung trägt die Staatskasse auch die notwendigen Auslagen des früheren Angeklagten; Grundsätze zur Auslegung der fehlerhaften Kostengrundentscheidung eines Berufungsurteils

Bibliographie

Gericht
OLG Oldenburg
Datum
28.03.2011
Aktenzeichen
1 Ws 159/11
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2011, 14032
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGOL:2011:0328.1WS159.11.0A

Verfahrensgang

vorgehend
LG Osnabrück - 15.10.2010 - AZ: 23 Ns 25/10

Fundstelle

  • NStZ-RR 2011, 389-390

Amtlicher Leitsatz

1. Lautet eine auf § 467 Abs. 1 StPO gestützte Kostenentscheidung in einem einen erstinstanzlichen Freispruch bestätigenden Berufungsurteil: Die Berufung wird auf Kosten der Staatskasse verworfen, so kann sie dahin verstanden werden, dass die Staatskasse auch die im Berufungsrechtszug entstandenen notwendigen Auslagen des Freigesprochenen zu tragen hat.

2. Ein Wiedereinsetzungsantrag für die Einlegung einer sofortigen Beschwerde gegen die Kostenentscheidung ist deshalb nicht verspätet, wenn er erst innerhalb einer Woche nach Ablehnung eines zunächst nur gestellten Antrages auf Berichtigung der Kostenentscheidung gestellt wird.

Tenor:

1. Der frühere Angeklagte wird in den Stand vor Versäumung der Frist zur Einlegung der sofortigen Beschwerde gegen die Kostenentscheidung des Landgerichts Osnabrück wieder eingesetzt.

2. Auf die sofortige Beschwerde des früheren Angeklagten wird die Kostenentscheidung des Urteils des Landgerichts Osnabrück vom 15. Oktober 2010 (23 Ns 25/10) dahin geändert, dass die Kosten der Berufung der Staatsanwaltschaft der Staatskasse zur Last fallen, die auch die notwendigen Auslagen des Angeklagten zu tragen hat.

3. Die Kosten der Wiedereinsetzung trägt der frühere Angeklagte. die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die darin dem früheren Angeklagten entstandenen notwendigen Auslagen trägt die Staatskasse.

Gründe

1

Der frühere Angeklagte war vom Amtsgericht Osnabrück .... vom Vorwurf unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln freigesprochen worden. Die dagegen eingelegte Berufung der Staatsanwaltschaft hat das Landgericht Osnabrück "auf Kosten der Staatskasse" verworfen, ohne im Urteilstenor eine ausdrückliche Entscheidung darüber zu treffen, wer insoweit die notwendigen Auslagen des früheren Angeklagten zu tragen hat.

2

Gegen die unterbliebene Auslagenentscheidung richtet sich die sofortige Beschwerde des früheren Angeklagten. Zugleich beantragt er Wiedereinsetzung in den Stand vor Versäumung der Frist zur Einlegung der sofortigen Beschwerde.

3

Der Wiedereinsetzungsantrag ist zulässig und hat auch Erfolg.

4

Das Versäumen der Frist zur Einlegung einer sofortigen Beschwerde gegen die landgerichtliche Kostenentscheidung, nämlich das Unterbleiben der dem Angeklagten günstigen ausdrücklichen Auslagenentscheidung, ist nicht verschuldet im Sinne von § 44 Satz 1 StPO.

5

Ob dies hier gemäß § 44 Satz 2 StPO schon wegen der unterbliebenen Rechtsmittelbelehrung gilt, kann offen bleiben. Denn nach Lage des Falles gereicht es dem Angeklagten nicht zum Verschulden, wenn er und sein Verteidiger - wie ersichtlich - angesichts des Inhalts des freisprechenden Urteils des Amtsgerichts vom 21. Juni 2010 und der Verwerfung der dagegen von der Staatsanwaltschaft eingelegten Berufung davon ausgingen, dass auch die notwendigen Auslagen des Angeklagten der Staatskasse auferlegt worden seien, so dass von daher kein Anlass zur Einlegung eines Rechtsmittels gegen die Kostenentscheidung gegeben war.

6

Zwar hat das Landgericht nicht, wie es richtiger Handhabung entsprochen hätte, die Kosten des erfolglosen Rechtsmittels der Staatsanwaltschaft und die notwendigen Auslagen des Angeklagten gemäß § 473 Abs. 1 Satz 1 und Absatz 2 Satz 1 StPO der Staatskasse auferlegt. Dass das Landgericht die notwendigen Auslagen des Angeklagten der Staatskasse auferlegen wollte, ergibt sich indessen aus dem Urteilsausspruch "Die Berufung der Staatsanwaltschaft wird auf Kosten des Staatskasse verworfen" in Verbindung mit der Begründung der Kostenentscheidung "Die Kostenentscheidung folgt aus § 467 Abs. 1StPO". Denn diese Vorschrift sieht vor, dass die notwendigen Auslagen des freigesprochenen Angeklagten der Staatskasse in Gänze zur Last fallen.

7

Bei der vorliegenden Formulierung "auf Kosten der Staatskasse verworfen" ist eine Auslegung dahin, dass der erneut Freigesprochene mit keinerlei auf das Verfahren bezogenen notwendigen Unkosten aus der mit seinem Freispruch endenden Strafverfolgung belastet werden soll, sondern dass diese insgesamt vom Staat zu tragen sind, mindestens möglich, wenn nicht sogar naheliegend, vgl. OLG Oldenburg StV 2003, 174[OLG Oldenburg 20.06.2002 - 1 Ws 252/02]. OLG Düsseldorf, Rechtspfleger 1994, 315 und OLG Köln, Juristisches Büro 1985, 1206. Dies gilt umso mehr, wenn das Gericht - wie hier - § 467 Abs. 1 StPO ausdrücklich als Grundlage der Kostenentscheidung angeführt hat.

8

Erst nachdem das Landgericht die vom Verteidiger - nicht aussichtslos (s. o.) - beantragte Urteilsberichtigung abgelehnt hatte, war für diesen erkennbar, dass ein Rechtsmittel gegen die Kostenentscheidung vonnöten war. Noch innerhalb einer Woche nach der Zustellung dieses Beschlusses - mithin rechtzeitig - hat er das Wiedereinsetzungsgesuch gestellt, das nach dem oben Ausgeführten auch begründet ist und dazu führt, dass der frühere Angeklagte in den Stand vor Versäumung der Frist zur Einlegung der sofortigen Beschwerde gegen die unterbliebene Auslagenentscheidung im Urteil vom 15. Oktober 2010 einzusetzen war.

9

Diese sofortige Beschwerde ist mithin zulässig. Sie ist auch begründet. Die angefochtene Kostenentscheidung ist - zumindest klarstellend - gemäß § 473 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 StPO dahin zu ändern, dass auch die durch das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft entstandenen notwendigen Auslagen des Angeklagten der Staatskasse auferlegt werden.