Oberlandesgericht Celle
Urt. v. 12.08.2021, Az.: 13 U 120/16 (Kart)
Zulässigkeit eines Grundurteils im Schadensersatzprozess wegen unzulässiger Preisabsprachen
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 12.08.2021
- Aktenzeichen
- 13 U 120/16 (Kart)
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2021, 37092
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGCE:2021:0812.13U120.16KART.00
Verfahrensgang
- vorgehend
- LG Hannover - 31.05.2016 - AZ: 18 O 418/14
Rechtsgrundlagen
- (2005) § 33 GWB
- § 287 ZPO
Amtlicher Leitsatz
Zur Feststellung der Schadenshöhe gem. § 287 Abs. 1 ZPO beim Spanplattenkartell.
Tenor:
I. Auf die Berufung der Beklagten wird - unter Zurückweisung der weitergehenden Berufung - das Grundurteil des Landgerichts Hannover vom 31. Mai 2016 dahin abgeändert, dass der Senat auch zur Höhe entscheidet:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 8.954.242,65 €
nebst Zinsen in Höhe von 4 % auf Beträge von
563.044,49 € seit dem 01.01.2004
524.081,82 € seit dem 01.01.2005 (aus eigenem Recht),
483.843,67 € seit dem 01.01.2005 (H.),
234.452,50 € seit dem 01.01.2005 (T.),
332.008,97 € seit dem 01.01.2006 (50 % von 664.017,94 €),
277.872,67 € seit dem 01.01.2006 (50 % von 555.745,35 €),
107.858,95 € seit dem 01.01.2006 (50 % von 215.717,91 €),
und weiteren Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf Beträge von
332.008,97 € seit dem 01.01.2006 (50 % von 664.017,94 €),
277.872,67 € seit dem 01.01.2006 (50 % von 555.745,35 €),
107.858,95 € seit dem 01.01.2006 (50 % von 215.717,91 €),
772.913,99 € seit dem 01.01.2007,
765.282,26 € seit dem 01.01.2007,
142.386,90 € seit dem 01.01.2007,
855.352,63 € seit dem 01.01.2008,
753.900,83 € seit dem 01.01.2008,
281.214,66 € seit dem 01.01.2008,
683.776,67 € seit dem 01.01.2009,
655.073,30 € seit dem 01.01.2009,
410.115,89 € seit dem 01.01.2009
zu zahlen.
Die weitergehende Klage wird abgewiesen.
II. Von den Kosten des Verfahrens in beiden Instanzen haben die Klägerin 65 % und die Beklagte 35 % zu tragen. Von den Kosten der Streithelferinnen hat die Klägerin 65 % zu tragen; im Übrigen tragen die Streithelferinnen ihre Kosten selbst.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Parteien können die Vollstreckung der Gegenseite durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die jeweilige Vollstreckungsgläubigerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
V. Der Streitwert wird für die Berufungsinstanz auf 26.029.009,12 € festgesetzt.
Gründe
I.
Die Klägerin nimmt die Beklagte (frühere Firma G. AG) aus eigenem und aus abgetretenem Recht der H. GmbH & Co. KG (im Folgenden: H.) und der T. Möbel GmbH & Co. KG (im Folgenden: T.) auf Schadensersatz im Zusammenhang mit dem "Spanplattenkartell" in Anspruch.
Die Klägerin und die Zedentinnen sind im Wesentlichen auf die Herstellung von Schlafzimmermöbeln spezialisierte Möbelfabrikanten. Sie verwenden Rohspanplatten, die sie in eigenen Anlagen auftrennen und veredeln. Die produzierten Möbel werden an Möbelhändler verkauft, die sie an die Endverbraucher vertreiben.
Die Beklagte ist eine bedeutende Herstellerin von Holzwerkstoffen in Deutschland. Sie verfügt zusammen mit ihren Tochterunternehmen über eine jährliche Gesamtproduktivitätskapazität von mindestens 2,26 Millionen Kubikmetern.
Im Zeitraum 2002 und 2009 bezogen die Klägerin und die Zedentinnen Rohspanplatten in den Stärken 15 bis 18 mm (Standardrohspanplatten), 10 mm, 22 mm und 32 mm von der Beklagten, deren Tochtergesellschaft G. Holzwerkstoffproduktions GmbH (im Folgenden: GHP) und anderen Spanplattenlieferanten. Wegen der Einzelheiten der getätigten Beschaffungen (über 20.000 Lieferungen) wird auf das Vorbringen in der Klageschrift (Bl. 64 ff. d. A.) nebst Auflistung der Lieferungen (Bl. 238 - 659 Anlagenband I - III) und nebst Rechnungen (32 Ordner) sowie auf das ergänzende Vorbringen in der Berufungsinstanz nebst Anlagen (insbesondere USB-Stick Hülle vor Bl. 2826 d. A.) Bezug genommen.
Mit Schreiben vom 2. April 2008 teilte die Prozessbevollmächtigte der Klägerin dem Bundeskartellamt den Verdacht einer Preisabsprache der Spanplattenlieferanten mit. Im Rahmen von anschließenden Ermittlungen durch das Bundeskartellamt erfolgten im März 2009 Durchsuchungen. Am 20. September 2011 gab das Bundeskartellamt eine Pressemitteilung über die am Tag zuvor verhängten Bußgelder heraus.
Laut Bußgeldbescheid nahmen Mitarbeiter der Beklagten seit Anfang 2002 bis Dezember 2007 an der Absprache von Preissteigerungen, Preissteigerungsterminen, Mindestpreisen und vereinzelt an kundenbezogenen Absprachen von Mindestpreisen u. a. für rohe und beschichtete Spanplatten gegenüber den Abnehmern in Industrie und Handel teil. Wegen der näheren Einzelheiten wird auf den Bußgeldbescheid verwiesen (Anlage K 5).
Die Klägerin hat vorgetragen, sie und die Zedentinnen hätten in den Jahren 2002 bis 2009 bei ihren Beschaffungen von der Beklagten und von anderen Kartellbeteiligten aufgrund des Kartells überhöhte Preise zahlen müssen. Der entstandene Schaden - Differenz zwischen dem tatsächlich gezahlten Kartellpreis und dem hypothetischen Wettbewerbspreis - betrage mindestens 26.029.009,12 € (Klägerin 11.230.568,18 €, Zedentin H. 10.517.631,45 € und Zedentin T. 4.280.809,49 €). Die Beklagte hafte auch für die anderen Kartellbeteiligten. Die beiden Zedentinnen hätten ihre Ansprüche gegen die Beklagte auf Zahlung von kartellbedingtem Schadensersatz einschließlich Zinsen durch Abtretungserklärungen vom 22. Dezember 2014 an sie abgetreten.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 26.029.009,12 €
nebst Zinsen in Höhe von 4 %
auf einen Betrag i. H. v. 481.253,42 € seit dem 01.01.2003,
auf einen weiteren Betrag i. H. v. 563.180,73 € seit dem 01.01.2004,
auf einen weiteren Betrag i. H. v. 2.318.650,65 € seit dem 01.01.2005
und Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz
auf einen weiteren Betrag i. H. v. 3.737.839,01 € seit dem 01.01.2006,
auf einen weiteren Betrag i. H. v. 5.103.385,15 € seit dem 01.01.2007,
auf einen weiteren Betrag i. H. v. 7.343.495,92 € seit dem 01.01.2008,
auf einen weiteren Betrag i. H. v. 5.501.361,26 € seit dem 01.01.2009,
auf einen weiteren Betrag i. H. v. 979.842,98 € seit dem 01.01.2010
zu zahlen.
Die Beklagte und die Streithelferinnen haben beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat erwidert: Die Abtretungen der Schadensersatzansprüche an die Klägerin seien wegen Verstoßes gegen das Rechtsdienstleistungsgesetz (RDG) unwirksam. Ferner sei aufgrund des Kartellverstoßes kein Schaden entstanden. Ein Kartellpreisaufschlag lasse sich nicht feststellen, wie sich insbesondere aus dem Gutachten von Prof. K.-U. K. vom 27. Oktober 2015 (im Folgenden: K.-Gutachten) zur Schätzung eines Kartelleffekts ergebe. Außerdem hätten die Klägerin und die Zedentinnen höhere Bezugspreise für Spanplatten an ihre jeweiligen Abnehmer weitergegeben. Hilfsweise hat die Beklagte den Einwand des Mitverschuldens geltend gemacht. Die Klägerin und die Zedentinnen hätten es unterlassen, bei alternativen und mutmaßlich günstigeren Bezugsquellen Waren zu beziehen. Schließlich hat die Beklagte die Einrede der Verjährung erhoben.
Das Landgericht hat die Klage dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt. Es hat die Ansicht vertreten, dass die Entscheidung durch Grundurteil geboten erscheine, weil dies zu einer echten Vorentscheidung des Prozesses führe. Die Klägerin sei auch für die Ansprüche der Zedentinnen aktiv legitimiert. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme - Vernehmung des Zeugen K.1 sowie des Geschäftsführers der Klägerin Herrn K.2 gemäß § 448 ZPO - stehe zur Überzeugung der Kammer fest, dass die Zedentinnen ihre Ansprüche gegen die Beklagte an die Klägerin abgetreten hätten. Der Wirksamkeit der Abtretung stehe § 134 BGB i. V. m. § 2 RDG nicht entgegen. Die abgetretenen Forderungen seien endgültig an die Klägerin übertragen worden und die Klägerin trage wirtschaftlich betrachtet das Ausfallrisiko. Der Klägerin stehe aus eigenem und abgetretenem Recht dem Grunde nach ein Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte zu. Die Beklagte habe vorsätzlich gegen das Kartellverbot gemäß § 1 GWB a. F. verstoßen, indem sie sich an Vereinbarungen zwischen miteinander im Wettbewerb stehenden Unternehmen beteiligt habe, die eine Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbes bezweckt oder bewirkt hätten. Es sei mit der für den Erlass eines Grundurteils erforderlichen Sicherheit wahrscheinlich (§ 287 ZPO), dass der Klägerin durch den Verstoß gegen § 1 GWB ein Schaden in irgendeiner Höhe entstanden sei. Der Beweis des ersten Anscheins streite sowohl dafür, dass das Kartell sich allgemein preissteigernd ausgewirkt habe, als auch für die Tatsache, dass die streitgegenständlichen Beschaffungsvorgänge nicht frei von den Einflüssen dieses Kartells gewesen seien. Nach den bindenden und im Übrigen unstreitigen Feststellungen des Bußgeldbescheids hätten leitende Mitarbeiter als Vertreter der Beklagten im Zeitraum 2002 bis Ende 2007 an der Absprache von Preissteigerungen, Preissteigerungsterminen, Mindestpreisen und vereinzelt kundenbezogenen Absprachen von Mindestpreisen hinsichtlich der Holzwerkstoffprodukte gegenüber den Abnehmern in Industrie und Handel teilgenommen. Den Beweis des ersten Anscheins habe die Beklagte nicht zu erschüttern vermocht. Das von ihr vorgelegte K.-Gutachten reiche hierfür nicht aus. Ein Mitverschulden der Klägerin sei nicht gegeben. Ein Schaden der Klägerin entfalle nicht durch die Weitergabe einer Preiserhöhung (sog. "Passing-On"). Es fehle hierzu an dem notwendigen Vortrag der insoweit darlegungs- und beweisbelasteten Beklagten. Die Ansprüche der Klägerin seien auch nicht verjährt. Die Klägerin habe frühestens im Jahr 2011 durch den Erlass der Bußgeldbescheide des Bundeskartellamts und die anschließende Pressemitteilung über die Kenntnis von Tatsachen verfügt, um eine hinreichend aussichtsreiche, wenn auch nicht risikolose Klage erheben zu können. Ihre am 29. Dezember 2014 erhobene Klage habe somit die dreijährige Verjährungsfrist des § 195 BGB gehemmt. Die 10-jährige Verjährungsfrist des § 199 Abs. 3 BGB sei frühestens ab Januar 2002 und damit zunächst bis Januar 2012 gelaufen. Sie sei jedoch gemäß § 33 Abs. 5 GWB, der auch auf Verstöße vor dem 1. Juli 2005 anwendbar sei, für die Zeit des kartellbehördlichen Verfahrens vom Eingang des Schreibens der Prozessbevollmächtigten der Klägerin vom 2. April 2008 bis zum Erlass des Bußgeldbescheides vom 19. September 2011 gehemmt gewesen, also für rund drei Jahre und fünf Monate.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Beklagten, die weiterhin die Abweisung der Klage begehrt.
Unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens führt die Beklagte aus, dass die Klägerin nicht aktivlegitimiert sei, soweit sie Ansprüche aus abgetretenem Recht der Firmen T. und H. geltend mache. Das Landgericht habe die Voraussetzungen des § 2 Abs. 2 Satz 1 RDG verkannt, wonach derjenige eine Inkassodienstleistung erbringt, der eine fremde Forderung oder eine zum Zwecke der Einziehung auf fremde Rechnung abgetretene Forderung einzieht. Hier sei entgegen der Ansicht des Landgerichts von einem für die Klägerin wirtschaftlich fremden Geschäft und daher von einer erlaubnispflichtigen Inkassodienstleistung auszugehen. Die Abtretungen seien daher gemäß § 134 BGB unwirksam.
Zudem habe das Landgericht rechtsfehlerhaft eine Kartellbefangenheit der streitgegenständlichen Lieferungen angenommen. Erforderlich sei eine individuelle Betroffenheit der Klägerin durch den Kartellrechtsverstoß. Diese lasse sich aus dem Bußgeldbescheid nicht ableiten.
Auch die Annahme zur Wahrscheinlichkeit eines kausalen Schadenseintritts sei rechtsfehlerhaft. Das Landgericht hätte bei der Frage des "Ob" einer Schädigung unter umfassender Würdigung aller Umstände des Falles abschätzen müssen, ob ohne das kartellrechtswidrige Verhalten der gleiche Erfolg eingetreten wäre. Diesen Anforderungen werde das Grundurteil nicht gerecht. Bereits die Annahme eines Anscheins dafür, dass sich das Kartell allgemein preissteigernd ausgewirkt habe und die von der Klägerin gezahlten Preise aufgrund des Kartells überhöht gewesen seien, sei rechtsfehlerhaft. Es gebe keinen Erfahrungssatz für preiserhöhende Effekte eines Kartells. Kartelle führten nicht typischerweise zu Schäden. Gerade die streitgegenständlichen Absprachen lägen außerhalb eines typischen Geschehensablaufs. Selbst wenn man einen Anschein unterstelle, so wäre dieser durch ihren Vortrag, wonach die Marktsituation es unabhängig von der Existenz eines Kartells ermöglicht hätte, die streitgegenständlichen Preise zu verlangen, entkräftet. Dazu habe sie unter Vorlage des K.-Gutachtens insbesondere vorgetragen, dass der Preisanstieg im relevanten Zeitraum auf die gestiegenen Produktionskosten und die hohe Kapazitätsauslastung bei zeitgleich steigender Nachfrageentwicklung zurückzuführen sei. Dieses Vorbringen habe das Landgericht rechtsfehlerhaft nicht ausreichend gewürdigt.
Zudem habe ein Grundurteil nicht ergehen dürfen, weil bereits bei der Frage, ob irgendein Schaden entstanden sei, streitige Tatsachenfragen zur Funktionsweise des Marktes, wie z. B. zum Einfluss von Produktionskosten, Kapazitäten und der Nachfrage sowie zu Ursachen für ein bestimmtes Preisniveau bei Kartellbeginn und -ende, zu klären gewesen seien. Dasselbe gelte für die Frage der konkreten Höhe der Schadensweiterwälzung (sog. Passing-On), die nicht losgelöst von Feststellungen zur Höhe des Schadens zu beantworten sei.
Ferner habe das Landgericht die Anforderungen an die Darlegungslast der Beklagten zur Schadensweiterwälzung überspannt. Es sei ausreichend, dass die Beklagte anhand der allgemeinen Marktverhältnisse auf dem relevanten Absatzmarkt, insbesondere der Nachfrageelastizität, der Preisentwicklung und der Produkteigenschaften, plausibel dazu vorgetragen habe, dass eine Weiterwälzung der kartellbedingten Preiserhöhung zumindest ernsthaft in Betracht komme. Jedenfalls seien auf der Grundlage des ergänzenden Berufungsvorbringens, insbesondere des Pass-On-Gutachtens von Prof. K. vom 7. Oktober 2016, die Voraussetzung für die Annahme einer sekundären Darlegungslast der Klägerin gegeben.
Entgegen dem erstinstanzlichen Urteil sei von einer Verjährung der klägerischen Ansprüche auszugehen. Das Landgericht habe verkannt, dass sich schon aus dem Schreiben der Prozessbevollmächtigten der Klägerin an das Bundeskartellamt aus dem Jahr 2008, spätestens aber aus der Presseberichterstattung im Jahr 2009 eine hinreichende Kenntnis im Sinne des § 199 Abs. 1 BGB ergebe. Zudem sei die in § 33 Abs. 5 GWB 2005 geregelte Verjährungshemmung mangels planwidriger Regelungslücke nicht auf vor dem 1. Juli 2005 entstandene Ansprüche anwendbar.
Die Beklagte beantragt,
das Grundurteil des Landgerichts Hannover vom 31. Mai 2016 abzuändern und die Klage abzuweisen,
hilfsweise,
das Grundurteil aufzuheben und die Sache zur weiteren Verhandlung und Entscheidung an das erstinstanzliche Gericht zurückzuverweisen.
Nachdem die Klägerin in der Berufungsinstanz zur Darlegung, dass die Marktverhältnisse auch für Kartellaußenseiter transparent gewesen seien, ergänzend vorgetragen hat, es sei bereits fraglich, ob der Spanplattenproduzent H.1 sich nicht ebenfalls an den Preisabsprachen beteiligt habe, hat die Beklagte erwidert, es lägen neue Streitgegenstände und eine unzulässige Klageerweiterung vor. Deshalb werde ergänzend beantragt,
die Klage (auch insoweit) abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Klägerin wiederholt ihren erstinstanzlichen Vortrag, zuletzt mit der Maßgabe, dass ein Gesamtschaden nur in Höhe von 25.876.488,99 € geltend gemacht werde (Klägerin 11.102.049,40 €, Zedentin H. 10.501.681,47 €, Zedentin T. 4.272.758,10 €; Berechnung Schriftsatz vom 3. Dezember 2020 = Bl. 2829 ff. d. A. i. V. m. Schriftsatz vom 18. Juni 2021). Aufgrund der Neuberechnung des Schadens beantragt sie unter Rücknahme der weitergehenden Klage,
die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 25.876.488,99 €
nebst Zinsen in Höhe von 4 %
auf einen Betrag i. H. v. 474.793,56 € seit dem 01.01.2003,
auf einen weiteren Betrag i. H. v. 563.044,49 € seit dem 01.01.2004,
auf einen weiteren Betrag i. H. v. 2.315.663,37 € seit dem 01.01.2005
und Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz
auf einen weiteren Betrag i. H. v. 3.721.618,72 € seit dem 01.01.2006,
auf einen weiteren Betrag i. H. v. 5.091.567,00 € seit dem 01.01.2007,
auf einen weiteren Betrag i. H. v. 7.272.911,14 € seit dem 01.01.2008,
auf einen weiteren Betrag i. H. v. 5.455.217,18 € seit dem 01.01.2009,
auf einen weiteren Betrag i. H. v. 981.673,53 € seit dem 01.01.2010
zu zahlen.
Die Klägerin führt aus: Das Rechtsdienstleistungsgesetz finde keine Anwendung. Die Behauptung der Beklagten, dass die Zedentinnen hinsichtlich der abgetretenen Forderungen wirtschaftlich weiterhin berechtigt seien, treffe nicht zu. Entgegen der Auffassung der Beklagten genüge es für die Kartellbetroffenheit, dass die Klägerin und die Zedentinnen Spanplatten von der Beklagten und anderen Kartellbeteiligten als unmittelbare Abnehmer bezogen hätten und die Beschaffungsvorgänge in den Kartellzeitraum fielen. Das Landgericht habe auch zutreffend angenommen, dass mit der für den Erlass eines Grundurteils erforderlichen Sicherheit wahrscheinlich sei, dass der Klägerin und den Zedentinnen durch den Kartellverstoß ein Schaden in irgendeiner Höhe entstanden sei. Angesichts der Zielsetzung der Kartellanten, die Preise für Rohspanplatten zu erhöhen, und des Aufwandes, den sie dafür sechs Jahre lang auf sich genommen hätten, sowie der Tatsache, dass die Preise im Kartellzeitraum erheblich erhöht worden seien, sei die Einschätzung des Landgerichts, dass diese Preiserhöhungen jedenfalls auch kartellbedingt gewesen seien, nicht zu beanstanden. Aus dem Bußgeldbescheid gehe hervor, dass die Absprachen keineswegs punktuell gewesen seien, sondern ihnen über den gesamten Zeitraum die Grundabsprache zugrunde gelegen habe, die Preise für Rohspanplatten gegenüber den Kunden aus der Industrie auf dem deutschen Markt zu erhöhen. Das von der Beklagten vorgelegte Gutachten basiere auf falschen Annahmen, insbesondere, dass es sich um einen europaweiten Spanplattenmarkt gehandelt habe und dass die Preissetzung der Kartellanten von der Kapazitätsauslastung der deutschen und der mitteleuropäischen Spanplattenwerke geprägt gewesen sei. Zutreffend habe das Landgericht auch den Einwand der Beklagten zurückgewiesen, die Klägerin und die Zedentinnen hätten die Preiserhöhungen an ihre Abnehmer weitergegeben und daher keinen Schaden erlitten. Plausiblen Vortrag dazu, dass eine Weiterwälzung der kartellbedingten Preiserhöhung zumindest ernsthaft in Betracht komme, habe die Beklagte nicht gehalten. Die Marktmacht der Möbelhändler lasse derartige Preiserhöhungen der Klägerin und der Zedentinnen nicht zu, weil ihnen zentrale Einkaufsorganisationen gegenüberstünden, in denen 82 % der Möbeleinzelhändler ihren Möbeleinkauf gebündelt hätten.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
Der Senat hat Beweis durch Vernehmung von Zeugen erhoben.
II.
Auf die Berufung der Beklagten ist das erstinstanzliche Grundurteil abzuändern.
Das Landgericht hat das Grundurteil aufgrund einer verfahrensfehlerhaften Tatsachenfeststellung erlassen, weil es bei der Prüfung, ob der Klägerin und den Zedentinnen mit der für ein Grundurteil erforderlichen Wahrscheinlichkeit ein Schaden in irgendeiner Höhe entstanden ist, die Grundsätze des Anscheinsbeweises angewandt und die gebotene Gesamtwürdigung versäumt hat (vgl. BGH, Urteil vom 11. Dezember 2020 - KZR 26/17, juris Rn. 66 - Schienenkartell). Der Senat hat zur Frage der Schadensentstehung Beweis erhoben und die notwendige Würdigung aller Umstände des Falles selbst vorgenommen. Die nachgeholte Gesamtwürdigung bestätigt im Ergebnis die Annahme des Landgerichts, dass der Klägerin und den Zedentinnen ein Schaden entstanden ist. Der Senat hat unter dem Gesichtspunkt der Prozessökonomie von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, in der Berufungsinstanz auch das Verfahren zur Höhe durchzuführen. Die Prüfung der Schadenshöhe hat ergeben, dass die Klage teilweise, nämlich in Höhe von 8.954.242,65 €, begründet ist.
Im Einzelnen:
1. Der Senat hält es für geboten, den Rechtsstreit auch zur Höhe zu entscheiden.
a) Es ist fraglich, ob das Landgericht in zulässiger Weise durch Grundurteil entschieden hat.
Die Tatsachen, die für die Entscheidung über Grund und Höhe gewürdigt werden müssen, sind weitgehend dieselben. Das Gericht muss sich schon im Rahmen des Grundurteils bei der Prüfung der Schadensentstehung umfassend mit den Umständen des Einzelfalls einschließlich der vorgebrachten Indizien und der vorgelegten Parteigutachten auseinandersetzen (BGH, Urteil vom 23. September 2020 - KZR 4/19, juris Rn. 24 ff. - Schienenkartell V). Dieselben Gesichtspunkte spielen auch im Rahmen der Höhe eine Rolle. Allerdings könnte möglicherweise der Umstand, dass vorliegend die Klagebefugnis streitig ist, soweit die Klägerin auch aus abgetretenem Recht klagt, und die Beklagte sich insoweit gegen die Aktivlegitimation der Klägerin wendet, die Annahme eines Ausnahmefalls rechtfertigen.
b) Die Frage kann offen bleiben. Der Senat macht von dem ihm nach § 538 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 4 ZPO eingeräumten Ermessen dahin Gebrauch, dass er das Betragsverfahren an sich zieht und in der Sache abschließend entscheidet (zum Ermessen: BGH, Urteil vom 28. Juni 2016 - VI ZR 559/14, juris Rn. 37, 39; BGH, Urteil vom 10. März 2005 - VII ZR 220/03, juris Rn. 17).
Gegen die Möglichkeit, im Berufungsverfahren nach Ergänzung der erstinstanzlichen Tatsachenfeststellung nur die Entscheidung zum Grund vorzunehmen, ohne sogleich über die Höhe zu entscheiden, spricht die lange Verfahrensdauer. Das Verfahren ist seit Ende 2014 anhängig, also seit sechseinhalb Jahren. Nachdem der Senat die zur Entscheidung über den Grund erforderliche Tatsachenfeststellung und Würdigung der Gesamtumstände nachgeholt hat, war der mit einer Entscheidung zur Höhe verbundene Mehraufwand überschaubar. Unter dem Gesichtspunkt der Prozesswirtschaftlichkeit war es daher geboten, auch über die Höhe zu entscheiden.
2. Gegen die Zulässigkeit der Klage bestehen keine Bedenken.
Der Klageantrag ist hinreichend bestimmt im Sinn des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Dem steht nicht entgegen, dass die Klägerin sowohl aus eigenem Recht als auch aus abgetretenem Recht der Zedentinnen H. und T. klagt. Ihrem Vortrag lässt sich entnehmen, welche Teilbeträge auf welche Zedentin - und auf welche Rechnung - entfallen. Die Klägerin hat ihren eigenen Schaden zuletzt noch (jeweils unter Berücksichtigung eines von ihr sicherheitshalber auf jede einzelne Rechnung vorgenommenem Abzugs in Höhe von 10 %) mit 11.102.049,40 €, den der Zedentin H. mit 10.501.681,47 € und den der Zedentin T. mit 4.272.758,10 € beziffert, so dass sich nach dem Klagevortrag ein Gesamtschaden in Höhe von 25.876.488,99 € ergibt (Schriftsatz vom 17. Februar 2021, Seite 8 = Bl. 2840 d. A. und Schriftsatz vom 18. Juni 2021).
Es liegt entgegen der Ansicht der Beklagten auch keine unzulässige Klageänderung in der Berufungsinstanz vor. Soweit die Klägerin im Berufungsverfahren zur Darlegung, dass die Marktverhältnisse auch für Kartellaußenseiter transparent gewesen seien, ergänzend vorgetragen hat, hinsichtlich des Spanplattenproduzenten H.1 bestünden erhebliche Zweifel, ob dieser überhaupt Kartellaußenseiter - und nicht Kartellteilnehmer - gewesen sei, liegt darin entgegen der Auffassung der Beklagten kein neuer Lebenssachverhalt. Es kann offen bleiben, ob dies der Fall wäre, wenn die Klägerin ihren Vortrag dahin geändert hätte, dass zu den Kartellteilnehmern außer den erstinstanzlich bezeichneten Unternehmen noch die Firma H.1 gehörte. Denn die Klägerin zählt H.1 auch in der Berufungsinstanz nicht zu den Kartellanten, sondern zu den weiteren, außerhalb des Kartells stehenden Spanplattenproduzenten (Schriftsätze vom 30. Oktober 2018, Seite 3 = Bl. 1557 d. A. und vom 10. September 2019, Seite 1 = Bl. 2085 d. A.).
3. Die Klägerin ist aktivlegitimiert, auch soweit sie Forderungen aus abgetretenem Recht von H. und T. geltend macht.
a) Nach dem gemäß § 529 ZPO für die Beurteilung des Berufungsgerichts zugrunde zu legenden Sachverhalt haben die Zedentinnen ihre Ansprüche gegen die Beklagte mit Abtretungserklärungen vom 22. Dezember 2014 (Anlage K 12 und K 13, Bl. 651 f. d. A.), die von den von den Beschränkungen des § 181 BGB freigestellten Geschäftsführern der Komplementärinnen der Klägerin und der Zedentinnen unterschrieben wurden, an die Klägerin abgetreten. Zweifel gegen die Richtigkeit oder Vollständigkeit der vom Landgericht nach Vernehmung des Zeugen K.1 und des Geschäftsführers der Klägerin Herrn K.2 gemäß § 448 ZPO getroffenen Feststellungen bestehen nicht. Die Berufungsbegründung greift sie auch nicht an.
b) Die Abtretungen an die Klägerin sind nicht gemäß § 134 BGB i. V. m. § 3, § 2 Abs. 1, 2 RDG unwirksam.
Ein Verstoß gegen das Rechtsdienstleistungsgesetz liegt nicht vor, weil es sich bei den Abtretungen und der anschließenden gerichtlichen Geltendmachung der Forderungen schon nicht um Rechtsdienstleistungen der Klägerin handelt.
aa) Nach § 2 Abs. 3 Nr. 6 RDG ist die Erledigung von Rechtsangelegenheiten innerhalb verbundener Unternehmen (§ 15 des Aktiengesetzes) keine Rechtsdienstleistung. Die §§ 15 ff. AktG sind rechtsformneutral und umfassen neben rein aktienrechtlichen Konzernsachverhalten u. a. auch solche, an denen Personengesellschaften beteiligt sind (Deckebrock/Henssler, Rechtsdienstleistungsgesetz, 5. Aufl., § 2 Rn. 141 mit Nachw.).
Gemäß § 15 AktG i. V. m. § 18 Abs. 2 AktG sind verbundene Unternehmen auch rechtlich selbstständige Unternehmen, die unter einheitlicher Leitung zusammengefasst sind, ohne dass das eine Unternehmen von dem anderen abhängig ist; die einzelnen Unternehmen sind Konzernunternehmen. Die einheitliche Leitung kann auch ohne vertragliche Absprachen dadurch hergestellt werden, dass die Unternehmensleitungen ganz oder überwiegend personenidentisch besetzt werden. In der Praxis ist eine solche gleichgeordnete personelle Verflechtung im Regelfall mit dem Vorhandensein eines gemeinsamen Mehrheitsgesellschafters bzw. einer koordinierten Gesellschaftergruppe verbunden (MüKoAktG/Bayer, 5. Aufl. 2019 Rn. 54 f., AktG § 18 Rn. 54; Emmerich/Habersack/Emmerich, 9. Aufl. 2019, AktG § 18 Rn. 31; vgl. BGH, Beschluss vom 8. Dezember 1998 - KVR 31/97, juris Rn. 22).
So ist es hier. Geschäftsführer der Komplementärgesellschaften sowohl der Klägerin als auch beider Zedentinnen sind jeweils M. W. und H. K.2. M. W. hält 98 % der Anteile an der Klägerin und 97 % der Anteile an der Zedentin T. Möbel GmbH & Co. KG; neben ihm ist jeweils nur noch M.1 W. mit 2 % bzw. 3 % an den Gesellschaften beteiligt. M. W. ist ferner indirekt Mehrheitsgesellschafter der Zedentin H. GmbH & Co. KG. Allein am Kapital der Zedentin H. GmbH & Co. KG beteiligte Gesellschafterin ist die Möbelwerk H. Beteiligungs GmbH, deren Mehrheitsgesellschafterin mit 98 % die M.2-Möbel H. GmbH & Co. KG ist, deren Kapital allein vom Gesellschafter M. W. gehalten wird (vgl. Schriftsatz vom 19. Juni 2015, Seite 6 ff. mit Anlagen = Bl. 583 ff. d. A.). Dieser Sachverhalt ist, wie in der mündlichen Verhandlung am 22. Juni 2021 erörtert, unstreitig. Dass eines der drei Unternehmen - Klägerin, H. oder T. - von dem anderen abhängig ist, ist nicht ersichtlich.
bb) Darüber hinaus handelt es sich ohnehin nicht um eine "fremde" Rechtsangelegenheit.
Maßgeblich ist insoweit, in wessen wirtschaftlichem Interesse die Besorgung der Angelegenheit liegt (BGH, Urteil vom 31. März 2016 - I ZR 88/15, juris Rn. 26). Hierbei ist nicht allein auf den Wortlaut der getroffenen Vereinbarung und die Art des geschlossenen Vertrages, sondern auf die gesamten zu Grunde liegenden Umstände und ihren wirtschaftlichen Zusammenhang, also auf eine wirtschaftliche Betrachtung abzustellen (BGH, Urteil vom 30. Oktober 2012 - XI ZR 324/11, juris Rn. 13). Entscheidend ist, ob die Forderung einerseits endgültig auf den Erwerber übertragen wird und dieser andererseits insbesondere das Bonitätsrisiko, d. h. das volle wirtschaftliche Risiko der Beitreibung der Forderung, übernimmt (BGH aaO, juris, Rn. 13; Urteil vom 11. Dezember 2013 - IV ZR 137/13, juris Rn. 18).
Danach ist im Streitfall nicht davon auszugehen, dass die Klägerin mit der Einziehung der Forderungen fremde Rechtsangelegenheiten der Zedentinnen wahrnimmt. Die Zedentinnen haben nach dem Inhalt der Abtretungserklärungen ihre sämtlichen Ansprüche auf kartellbedingten Schadensersatz für den Zeitraum 2002 bis 2009 einschließlich Zinsen und außergerichtliche Kosten an die Klägerin abgetreten. Die Klägerin trägt vor, dass sie die Forderungen auf eigene Rechnung eintreibe und das volle wirtschaftliche Risiko trage. Die Zedentinnen hätten sich zu der unbedingten und uneingeschränkten Übertragung der Forderungen verpflichten wollen und diese auch zeitgleich vorgenommen (Schriftsatz vom 19. Januar 2017, Seite 6, 8 = Bl. 1288, 1290 d. A.). Damit ist die Klägerin ihrer etwaigen sekundären Darlegungslast hinreichend nachgekommen. Unter den Umständen des vorliegenden Falles (personelle Verbundenheit der Unternehmen) bedarf es keiner näheren Darlegung zum wirtschaftlichen Hintergrund der Abtretungen. Konkrete Anhaltspunkte, die gegen eine endgültige Abtretung sprechen könnten, sind nicht ersichtlich.
Dabei ist unerheblich, ob den Abtretungen entsprechende Verpflichtungsgeschäfte zugrunde lagen. Eine Rückforderung im Wege der Leistungskondiktion wäre jedenfalls gemäß § 814 BGB ausgeschlossen.
Soweit die Beklagte in der Berufungsinstanz für ihre pauschale Behauptung, dass die wirtschaftliche Berechtigung nicht auf die Klägerin übergegangen sei, Beweis durch Vernehmung des Geschäftsführers der Klägerin H. K.2 und des Prozessbevollmächtigten der Klägerin Rechtsanwalt K.1 angetreten hat, sind diese Beweisangebote nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 531 Abs. 2 ZPO nicht gegeben sind.
cc) Der nicht nachgelassene Schriftsatz der Beklagten vom 9. Juli 2021 gibt keinen Anlass zur Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung (§ 156 ZPO). Die Frage der Aktivlegitimation ist unter Berücksichtigung des § 18 AktG in der mündlichen Verhandlung am 22. Juni 2021 ausführlich mit den Prozessbevollmächtigten der Parteien erörtert worden; einen Schriftsatznachlass hat die Beklagte nicht beantragt.
4. Der geltend gemachte Zahlungsanspruch ist teilweise begründet, nämlich in Höhe von 8.908.066,20 €.
a) Auf den Sachverhalt zwischen 2002 und dem 30. Juni 2005 findet § 33 Satz 1 i. V. m. § 1 GWB in der vom 1. Januar 1999 bis 30. Juni 2005 geltenden Fassung Anwendung. Nach § 33 Satz 1 GWB a. F. ist derjenige, der vorsätzlich oder fahrlässig gegen eine Vorschrift des GWB oder eine Verfügung der Kartellbehörde verstößt, sofern die Vorschrift oder die Verfügung den Schutz eines anderen bezweckt, diesem zum Ersatz des aus dem Verstoß entstandenen Schadens verpflichtet. Bei dem Kartellverbot nach § 1 GWB handelt es sich um ein Schutzgesetz, das den Schutz der Marktgegenseite bezweckt (BGH, Urteil vom 25. Januar 1983 - KZR 12/81, juris Rn. 52 - Familienzeitschrift; OLG Karlsruhe, Urteil vom 9. November 2016 - 6 U 204/15 Kart (2), juris Rn. 59; nachgehend: BGH, Urteil vom 12. Juni 2018 - KZR 56/16, juris - Grauzementkartell II).
Für den Zeitraum danach greift § 33 Abs. 1 und 3 GWB 2005 i. V. m. § 1 GWB 2005 ein. Nach § 33 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 GWB 2005 ist derjenige, der vorsätzlich oder fahrlässig gegen eine Vorschrift des GWB verstößt, dem Betroffenen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.
b) Ein schuldhafter Verstoß gegen § 1 GWB liegt vor.
aa) Die Beklagte war im Zeitraum von 2002 bis 2007 zusammen mit anderen Herstellern, zu denen auch die Streithelferinnen gehörten, an Absprachen auf dem Markt für Holzwerkstoffprodukte - wie rohe und beschichtete Spanplatten - gegenüber Abnehmern in Industrie und Handel in Deutschland beteiligt. Die Absprachen waren auf eine Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs gerichtet und haben diese auch bewirkt. Folgender Sachverhalt ergibt sich aus dem bestandskräftigen Bußgeldbescheid des Bundeskartellamts vom 19. September 2011 (Anlage K 5 = Anlagenband I zur Klageschrift, Seite 185 ff.):
Die Hauptwettbewerber der Beklagten (frühere G. AG) im Geschäft mit Spanplatten und ähnlichen Holzwerkstoffprodukten in Deutschland waren die Kartellteilnehmer E.-Gruppe, P.-Gruppe sowie die deutschen Beteiligungen der P.1-K.3-Gruppe, Österreich (deutsche K.4-Gruppe). Herr U. J. war Bereichsleiter Vertrieb/Handel innerhalb der G. Gruppe. In dieser Funktion nahm er seit Anfang 2002 bis Ende 2007 an verbotenen Absprachen von Preissteigerungen, Preissteigerungsterminen, Mindestpreisen und vereinzelt an kundenbezogenen Absprachen von Mindestpreisen hinsichtlich der Holzwerkstoffprodukte rohe Spanplatten, beschichtete Spanplatten, MDF- und HDF-Platten sowie Nut- und Federverlegespanplatten gegenüber den Abnehmern in Industrie und Handel teil. Während der gesamten Zeit lag der Tat die Grundabsprache zugrunde, die Preise für rohe und beschichtete Spanplatten, MDF-und HDF-Platten sowie Nut- und Federverlegespanplatten gegenüber den Kunden aus Industrie und Handel auf dem deutschen Markt zu erhöhen. Die Grundabsprache wurde auf Geschäftsführerebene getroffen und in die Preisgestaltung der Unternehmen weitergegeben. Zusätzlich wurde sie auf Vertriebsleiterebene konkretisiert.
In allen Phasen beteiligt waren die Unternehmensgruppen E., P. und G. In der ersten Phase, zumindest in den Jahren 2002, 2003 und 2004, fanden sogenannte Runden überwiegend in Hotels statt. Dabei traf sich der Vertreter der G. AG, Herr J., mit den anderen Unternehmensvertretern zwei- bis dreimal im Jahr. Fallweise wurde die Absprache auch fernmündlich und bilateral durchgeführt. Der Teilnehmerkreis umfasste zumindest die E.-Gruppe, die P.-Gruppe, die G. AG, die K.4 Holding GmbH, die R. Spanplattenwerk GmbH, die frühere K.5-Gruppe und die N. Span Geschäftsführungsgesellschaft mbH. Letztere schied gegen Ende der ersten Phase aus. In der zweiten Phase etwa ab Anfang 2005 wurden die Treffen seltener, die Telefonate nahmen zu. Die Details der Absprache nahmen ab. Die Weitergabe der Kostensteigerungen über Preiserhöhungen an die Kunden trat in den Vordergrund. In der zweiten Phase schied später in 2005 das Unternehmen R. Spanplattenwerk GmbH aus. Die K.5-Gruppe wurde im Laufe des Jahres 2005 von P. übernommen und danach von deren Teilnehmern im Kartell mit vertreten. Das letzte Treffen der Kerngruppe E., P. und G. fand am 7. März 2007 statt. Auf Geschäftsleiterebene endeten die direkten Absprachevorgänge dadurch, dass Herr S. als Vertreter der E.-Gruppe und Herr J. ihre Kontakte ab Mitte/Ende 2007 beendeten. Parallel zu den Absprachevorgängen auf Geschäftsführerebene wurde die Grundabsprache des Spanplattenkartells auf der Ebene der damaligen Vertriebsleiter unter den Herren A. (E.) und Z. (P.) zumindest in den Jahren 2004 bis Dezember 2007 sowie ab mindestens September 2006 unter Beteiligung von Herrn W.1 (Beklagte) teilweise mit Kenntnis der Geschäftsleitung konkretisiert. Die Absprache im Vertriebsleiterkreis erstreckte sich entsprechend der Zuständigkeit dieser Herren nur auf den Absatz von rohen und beschichteten Spanplatten an die Möbelindustrie in dem jeweiligen Vertriebsgebiet. Über bilaterale Treffen, Telefonate oder den Austausch von Zetteln in den privaten Briefkästen wurden sowohl Preise, Preiserhöhungstermine als auch konkrete Preiserhöhungen abgesprochen, die sich insbesondere auf einzelne Kunden bezogen. Im zweiten Halbjahr 2007 wurde die Absprache nur noch auf Vertriebsleiterebene mit abnehmender Intensität weitergeführt (dritte Phase). Die Absprache endete im Dezember 2007 durch ausdrückliche Beendigung durch Herrn A. gegenüber Herrn Z. anlässlich einer angeblich absprachewidrigen Wettbewerbshandlung zumindest der P.-Gruppe.
Herr Sch. war von Frühjahr 2002 bis Ende 2007 Mitglied des Vorstandes der Beklagten. Er war Vorgesetzter der im Vertrieb tätigen Prokuristen J. und W.1, weshalb ihm eine gesteigerte Aufsichtspflicht gegenüber diesen Personen zukam. Herr Sch. hat jedenfalls die Möglichkeit von kartellrechtswidrigen Absprachevorgängen innerhalb der ihm bekannten Gespräche mit den Wettbewerbern fahrlässig nicht aufgeklärt. Er kannte die Probleme, Preissteigerungen bei den Kunden durchzusetzen, und hätte sicherstellen müssen, dass rechtswidrige Absprachen von Preisen nicht hätten getroffen werden sollen.
Die vorstehenden Feststellungen im Bußgeldbescheid vom 19. September 2011 sind bindend. Der Anwendung des § 33 Abs. 4 GWB 2005 auf sämtliche Kartellabsprachen im Zeitraum 2002 bis 2007 steht nicht entgegen, dass die Vorschrift erst am 1. Juli 2005 in Kraft getreten ist. Die Vorschrift findet auf alle Schadensersatzprozesse Anwendung, die zum Zeitpunkt ihres Inkrafttretens noch nicht abgeschlossen waren; sie kann wegen ihres prozessualen Charakters auch Sachverhalte aus früheren Zeiträumen erfassen (BGH, Urteil vom 12. Juni 2018 - KZR 56/16, juris Rn. 31 - Grauzementkartell II). Die Bindungswirkung betrifft sowohl die Tatsachen als auch deren rechtliche Beurteilung als Verstoß gegen das Kartellrecht (BGH, Urteil vom 12. Juli 2016 - KZR 25/14, juris Rn. 12 - Lottoblock II).
Die tatsächlichen Feststellungen des Bußgeldbescheids werden von der Beklagten auch nicht in Abrede genommen.
bb) Die Beklagte handelte schuldhaft, weil sie sich die nach den Feststellungen des Bußgeldbescheids eine fahrlässige Aufsichtspflichtverletzung ihres Vorstandsmitglieds Sch. nach § 31 BGB zurechnen lassen muss.
c) Die Klägerin ist zur Geltendmachung der Schadensersatzansprüche berechtigt.
Gemäß § 33 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Satz 1 GWB 2005 ist derjenige, der den Kartellverstoß begeht, dem Betroffenen zum Schadensersatz verpflichtet. "Betroffen" ist nach Abs. 1 Satz 3 der Vorschrift, wer als Mitbewerber oder sonstiger Marktbeteiligter durch den Verstoß beeinträchtigt ist. Dem Merkmal der Betroffenheit in diesem Sinn kommt bei der Prüfung des haftungsbegründenden Tatbestands eines kartellrechtlichen Schadensersatzanspruchs Bedeutung nur für die Frage zu, ob dem Anspruchsgegner ein wettbewerbsbeschränkendes Verhalten anzulasten ist, das - vermittelt durch den Abschluss von Umsatzgeschäften oder in anderer Weise - geeignet ist, einen Schaden des Anspruchstellers mittelbar oder unmittelbar zu begründen (BGH, Urteil vom 28. Januar 2020 - KZR 24/17, juris Rn. 25 - Schienenkartell II). Diese Voraussetzungen sind hier schon deshalb erfüllt, weil die Klägerin und die Zedentinnen von der Beklagten und den anderen Kartellteilnehmern Waren erworben haben, welche Gegenstand der Kartellabsprachen waren (vgl. BGH a. a. O.). Für die Rechtslage vor Geltung des GWB 2005 gilt nichts anderes (BGH, Urteil vom 19.05.2020 - KZR 70/17, juris Rn. 24 - Schienenkartell III).
Zur Ermittlung der haftungsbegründenden Kausalität muss nicht festgestellt werden, ob sich die Kartellabsprache auf den Beschaffungsvorgang, auf den der Anspruchsteller sein Schadensersatzbegehren stützt, tatsächlich ausgewirkt hat und das Geschäft damit in diesem Sinn "kartellbefangen" war. Die Frage nach der Kartellbefangenheit einzelner Erwerbsvorgänge ist gleichbedeutend mit der für den unionsrechtlich determinierten Schadensersatz maßgeblichen Frage nach dem ursächlichen Zusammenhang zwischen der Kartellabsprache und dem Vorliegen eines individuellen Schadens. Erweist sich, dass dem Anspruchsteller ein der Kartellabsprache zurechenbarer Schaden entstanden ist, steht zugleich fest, dass sich die verbotene Absprache nachteilig auf das Geschäft, insbesondere auf den gezahlten Preis, ausgewirkt hat. Diese Gesichtspunkte sind im Rahmen der Schadensfeststellung Gegenstand der haftungsausfüllenden Kausalität (BGH, a. a. O., juris Rn. 27).
d) Die Beklagte haftet gemäß §§ 830, 840 Abs. 1 BGB mit allen Kartellteilnehmern gesamtschuldnerisch für den Schaden, den sie durch den gemeinschaftlich begangenen Kartellverstoß verursacht haben, da es sich bei einem kartellrechtswidrigen abgestimmten Verhalten um eine gemeinschaftlich begangene unerlaubte Handlung handelt. Die Haftung erstreckt sich auf sämtliche Schäden, die ihre Ursache in der verbotenen Verhaltenskoordinierung haben, auch soweit die durch die Koordinierung verursachte Schwächung der wettbewerblichen Kräfte die Angebotspreise von Kartellaußenseitern nachteilig beeinflusst hat (vgl. BGH, Urteil vom 19. Mai 2020 - KZR 70/17, juris Rn. 30 ff. - Schienenkartell III).
e) Der Klägerin ist aufgrund der Kartellabsprachen ein Schaden in Höhe von 8.908.066,20 € entstanden. Dies ergibt sich aus einer Schadensschätzung nach den Maßstäben des § 287 Abs. 1 ZPO, wobei für die Frage, ob und in welcher Höhe ein Schaden entstanden ist, eine deutlich überwiegende, auf gesicherter Grundlage beruhende Wahrscheinlichkeit genügt (vgl. BGH, Urteil vom 12. Juli 2016 - KZR 25/14, juris Rn. 41 f. - Lottoblock II).
aa) Die Klägerin hat insbesondere in der Klageschrift und in den Schriftsätzen vom 17. Februar 2021, 2. Juni 2021 und 18. Juni 2021 mit Anlagen im Einzelnen dargelegt, welche bei jedem Spanplattenkauf gelieferten Mengen, gezahlten Beträge und angenommenen Wettbewerbspreise der Schadensberechnung zugrunde liegen und wie sie hiervon ausgehend den zuletzt noch in Höhe von 25.876.488,99 € geltend gemachten Gesamtschaden berechnet.
Sie behauptet, dass der Preis für 15 mm und 18 mm starke Standardrohspanplatten im Zeitraum 2002 bis Dezember 2009 - 2-jährige Nachwirkung des Kartells - ohne die Kartellabsprachen auf dem niedrigen Niveau des zweiten und dritten Quartals 2002 von ca. 75,00 €/m³ geblieben wäre, jedenfalls aber nicht den in der EUWID-Statistik Anlage K 10 aufgezeigten Durchschnittspreis des Jahres 2002 von 78 €/m³ überschritten hätte. Auch der Preis für 22 mm starke Rohspanplatten hätte unter Wettbewerbsbedingungen durchschnittlich nur 78 €/m³ betragen. Für die 10 mm und die 32 mm starken Rohspanplatten hätte der Wettbewerbspreis bei 109,00 €/m³ bzw. 81,00 €/m³ gelegen, den niedrigsten von der Klägerin im Jahr 2002 tatsächlich gezahlten Preisen. Diese Wettbewerbspreise seien für die Ermittlung des Kartellschadens ab 2003 mit einer Inflationsrate von 2 % p. a. fortzuschreiben. Den so berechneten Preisen ohne die Kartellabsprachen stellt die Klägerin die tatsächlich gezahlten Preise gegenüber. Die Differenz stelle den Gesamtschaden dar. Sicherheitshalber nehme die Klägerin von jeder Rechnung einen Abschlag von 10 % vor, so dass mit der Klage 25.876.488,99 € geltend gemacht werden (11.102.049,40 € eigener Schaden, 10.501.681,47 € Schaden der Zedentin H. und 4.272.758,10 € Schaden der Zedentin T.).
bb) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann die Feststellung, dass der Preis, den ein an einer Kartellabsprache beteiligtes Unternehmen mit einem Abnehmer vereinbart, höher ist, als er ohne die Kartellabsprache wäre, oder dass das Preisniveau, welches sich auf einem von einer Kartellabsprache betroffenen Markt einstellt, über demjenigen Preisniveau liegt, das sich ohne die Absprache eingestellt hätte, regelmäßig nur aufgrund von Indizien getroffen werden. Denn nur die tatsächlich vereinbarten Preise und das tatsächliche Preisniveau auf dem betroffenen Markt sind beobachtbar und damit unmittelbar feststellbar; Preise und Preisniveau unter nicht manipulierten Marktbedingungen sind hingegen notwendigerweise hypothetisch. Der Tatrichter kann daher nur unter Heranziehung derjenigen Umstände, die darauf schließen lassen, wie sich das Marktgeschehen ohne die Kartellabsprache wahrscheinlich entwickelt hätte, zu Feststellungen zum hypothetischen Marktpreis gelangen. Dies gilt auch dann, wenn der Tatrichter zur Ermittlung des hypothetischen Marktpreises auf Vergleichsmärkte zurückgreift (BGH, Urteil vom 28. Januar 2020 - KZR 24/17, juris Rn. 34 - Schienenkartell II).
Die nach § 287 ZPO vorzunehmende Würdigung hat alle Umstände einzubeziehen, die festgestellt sind oder für die diejenige Partei, die sich auf einen ihr günstigen Umstand mit indizieller Bedeutung für oder gegen einen Preiseffekt des Kartells beruft, Beweis angeboten hat. Eine Beweisaufnahme ist allerdings nicht durchzuführen, soweit vorgetragene Hilfstatsachen die richterliche Überzeugung von der Haupttatsache nicht begründen könnten (BGH a. a. O., juris Rn. 36). Im Unterschied zu den Anforderungen des § 286 Abs. 1 ZPO kann der Tatrichter von einer weiteren Beweisaufnahme absehen, wenn ihm bereits hinreichende Grundlagen für ein Wahrscheinlichkeitsurteil zur Verfügung stehen (BGH aaO, juris Rn. 47). Ein unmittelbarer Beweis der Haupttatsache oder ihres Gegenteils wird kaum in Betracht kommen. Insbesondere wird ein solcher Beweis nicht dadurch angetreten, dass für die Entstehung oder das Fehlen eines Schadens Sachverständigenbeweis angeboten wird. Denn auch der Sachverständige wird die Frage, ob der von der Beklagten geforderte Preis einem hypothetischen Marktpreis entsprach, der sich ohne die Kartellabsprache eingestellt hätte, nur aufgrund einer sachverständigen Bewertung der gegebenen Anknüpfungstatsachen und einem darauf beruhenden Schluss von den vorliegenden Indizien auf die unter Beweis gestellte Haupttatsache beantworten können (BGH a. a. O., juris Rn. 37). Umstände wie eine möglicherweise mangelnde Kartelldisziplin sind im Rahmen der vom Tatrichter im konkreten Einzelfall vorzunehmenden Gesamtwürdigung nur dann zu berücksichtigen, wenn sie im Sachvortrag der Parteien oder in den bindenden Feststellungen der kartellbehördlichen Entscheidung eine zureichende Stütze finden (BGH a. a. O., juris Rn. 38).
Bei der danach vorzunehmenden Würdigung sind nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs Erfahrungssätze zu berücksichtigen. Insbesondere ist zu beachten, dass zugunsten des Abnehmers eines an einer Kartellabsprache beteiligten Unternehmens eine auf der hohen Wahrscheinlichkeit eines solchen Geschehens beruhende tatsächliche Vermutung - im Sinne eines Erfahrungssatzes - dafür streitet, dass die im Rahmen des Kartells erzielten Preise im Schnitt über denjenigen liegen, die sich ohne die wettbewerbsbeschränkende Absprache gebildet hätten. Diese Vermutung gewinnt an Gewicht, je länger und nachhaltiger ein Kartell praktiziert wurde und je höher daher die Wahrscheinlichkeit ist, dass es Auswirkungen auf das Preisniveau gehabt hat, das sich infolge der Ausschaltung oder zumindest starken Dämpfung des Wettbewerbs eingestellt hat. Das Gewicht des Erfahrungssatzes hängt entscheidend von der konkreten Gestaltung des Kartells und seiner Praxis sowie davon ab, welche weiteren Umstände feststellbar sind, die für oder gegen einen Preiseffekt der Kartellabsprache sprechen (BGH a. a. O., juris Rn. 39 - 41).
cc) Nach diesen Maßstäben gilt im vorliegenden Fall:
(1) Es spricht eine hohe Wahrscheinlichkeit dafür, dass die von der Klägerin und den Zedentinnen entrichteten Preise im Zeitraum Anfang 2003 bis Ende 2008 im Schnitt über denjenigen lagen, die sich ohne die wettbewerbsbeschränkende Absprache gebildet hätten. Das ergibt eine Würdigung aller maßgeblichen Umstände, wobei insbesondere zu berücksichtigen ist:
(a) Die Gründung eines Kartells dient grundsätzlich der Steigerung des Gewinns der am Kartell beteiligten Unternehmen. Deshalb spricht eine hohe Wahrscheinlichkeit dafür, dass das Kartell gebildet und erhalten wird, weil es höhere als am Markt erzielbare Preise erbringt (vgl. BGH, Urteil vom 12. Juni 2018 - KZR 56/16, juris Rn. 35 - Grauzementkartell II). Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kommt diesem Erfahrungssatz bei einem Quoten- und Kundenschutzkartell eine starke Indizwirkung für ein von der Kartellabsprache beeinflusstes Preisniveau zu (BGH, Urteil vom 28. Januar 2020 - KZR 24/17, juris Rn. 42 - Schienenkartell II). Die Annahme einer typischerweise preissteigernden Wirkung der Kartellabreden gilt erst recht für das hier vorliegende Preiskartell.
Aufgrund des Bußgeldbescheids steht bindend fest, dass die Kartellteilnehmer im relevanten Zeitraum Preissteigerungen, Mindestpreise und die Weitergabe von Kostensteigerungen für ihre Spanplattenverkäufe absprachen. An den Absprachen waren neben der Beklagten deren Hauptwettbewerber - E.-Gruppe, P.-Gruppe und (zeitweise) die deutsche K.4-Gruppe - beteiligt, außerdem weitere Spanplatten- bzw. Holzwerkstoffproduzenten (Aufzählung Seite 8 f. des Bußgeldbescheids). Aus den Feststellungen des Bundeskartellamtes ergibt sich, dass dem Kartellverstoß über den gesamten Kartellzeitraum die auf Geschäftsführerebene getroffene Grundabsprache zugrunde lag, die Preise für rohe und beschichtete Spanplatten, MDF- und HDF-Platten sowie Nut- und Federverlegespanplatten gegenüber den Kunden aus Industrie und Handel auf dem deutschen Markt zu erhöhen. Die Grundabsprache wurde in die Preisgestaltung der Unternehmen weitergegeben und zusätzlich auf Vertriebsleiter-Ebene konkretisiert. Zum Vertriebsleiter der Beklagten, Herrn J., stellt der Bußgeldbescheid fest: "In dieser Funktion hat er persönlich in dem Zeitraum 2002 bis Ende 2007 an der verbotenen Absprache von Preissteigerungen, Preissteigerungsterminen, Mindestpreisen und vereinzelt an kundenbezogenen Absprachen von Mindestpreisen hinsichtlich der Holzwerkstoffprodukte rohe Spanplatten, beschichtete Spanplatten, MDF-und HDF-Platten sowie Nut- und Federverlegespanplatten gegenüber den Abnehmer aus Industrie und Handel teilgenommen. ... Parallel zu den Absprachevorgängen auf Geschäftsführerebene wurde die Grundabsprache des Spanplattenkartells auf Ebene der damaligen Vertriebsleiter unter den Herren A. (E.) und Z. (P.) sowie ab mindestens September 2006 unter Beteiligung von Herrn W.1 (Prokurist der Beklagten) teilweise mit Kenntnis der Geschäftsleitung konkretisiert". Die Feststellungen im Bußgeldbescheid sind entgegen der Auffassung der Beklagten ausreichend konkret.
Dass die im Bußgeldbescheid als weitere Kartellteilnehmer benannten Unternehmen nicht Adressaten des Bußgeldbescheids sind, ist für die sachliche Reichweite der Bindungswirkung des Bußgeldbescheids für das vorliegende Verfahren ohne Bedeutung. Die Klägerin und die Zedentinnen können sich zwar nicht gegenüber den im Bußgeldbescheid als Kartellteilnehmer benannten Unternehmen, die nicht Adressat des Bußgelbescheids sind, wohl aber gegenüber der Beklagten als Adressat des Bußgeldbescheids auf die Bindungswirkung des § 33b GWB berufen (vgl. BGH, Beschluss vom 8. Oktober 2019 - KVZ 14/19, juris Rn. 7 - Pressemitteilung des Bundeskartellamts III).
Die mit großem Aufwand betriebenen Kartellabsprachen - persönliche Treffen, Telefonate, Austausch von Zetteln in privaten Briefkästen - wären mit großer Wahrscheinlichkeit nicht über einen Zeitraum von sechs Jahren unternommen worden, wenn den Kartellteilnehmern nicht die bezweckte preissteigernde Wirkung zugute gekommen wäre. Für das Erreichen des Zwecks spricht der starke, im Wesentlichen kontinuierliche Preisanstieg ab Ende 2002 bis zum Jahr 2007 und der anschließend starke Abfall der Preise. Ausweislich der Darstellung des europäischen Wirtschaftsdienstes (EUWID) "Entwicklung Spanplattenpreise (Standard 16-19 mm)" stiegen die Preise für Standardspanplatten nach dem Tiefstand im 2. Quartal 2002 von 75,00 €/m³ auf 165,00 €/m³ im 4. Quartal 2007 an und fielen anschließend bis zum 4. Quartal 2009 wieder auf 92,50 €/m³.
Es besteht deshalb eine hohe Wahrscheinlichkeit für eine preissteigernde Wirkung der Kartellabsprachen, ohne dass - über den Bußgeldbescheid hinausgehende - weitere Details zur Abspracheintensität, den Teilnehmern und zum Umfang der Absprachen in Bezug auf einzelne Kunden festgestellt werden müssten. Es ist auch naheliegend, dass solche Details nur von der Beklagten oder von den Streithelferinnen hätten vorgetragen werden können, was nicht geschehen ist.
(b) Zu berücksichtigen ist ferner, dass die Kartellanten auf dem Spanplattenmarkt in Deutschland, jedenfalls bei der Belieferung der Möbelindustrie mit den von der Klägerin und den Zedentinnen für ihre Produktion benötigten Rohspanplatten über eine hohe Marktabdeckung und deshalb über eine Marktmacht verfügten, die es ihnen ermöglichte, die Preisüberhöhungen ungeachtet der Wettbewerber durchzusetzen. Die Beklagte macht ohne Erfolg geltend, dass dies nicht der Fall gewesen sei, insbesondere weil auch Spanplattenimporte aus angrenzenden Nachbarländern berücksichtigt werden müssten. Im Einzelnen:
(aa) Nach den Feststellungen des Bußgeldbescheids waren die Hauptwettbewerber der Beklagten im Geschäft mit Spanplatten und ähnlichen Holzwerkstoffen in Deutschland die Mitkartellanten E.-Gruppe und P.-Gruppe sowie die deutschen Beteiligungen der P.1-K.3-Gruppe, Österreich (deutsche K.4-Gruppe). Bereits diese Feststellung spricht für eine hohe Marktabdeckung des Angebots der Kartellteilnehmer.
(bb) Nach den Feststellungen im Bußgeldbescheid waren am Kartell beteiligt:
Während der gesamten Kartelllaufzeit:
- Die Bekl. (vormals: G. AG). Ihr Prokurist J., der für die Preisbildung innerhalb der G.-Gruppe zuständig war, nahm in dieser Funktion persönlich an den verbotenen Absprachen teil. Es ist deshalb davon auszugehen, dass von den Absprachen seit 2006 auch die Beschaffungen ihrer Tochtergesellschaft GHP erfasst waren, in der die Aktivitäten der von der Beklagten zum 1. Juli 2006 übernommenen ehemaligen H.1-Unternehmen in B., D. und H.-B. M zusammenfasst wurden (zur Übernahme von H.1 vgl. Schriftsatz der Klägerin vom 19. Juni 2015, Seite 16 = Bl. 593 d. A., Schriftsatz der Beklagten vom 18. Februar 2019 Seite 22 = Bl. 1783 d. A.).
- Die P.-Gruppe (vgl. Bußgeldbescheid, Seite 11 und Hinweisbeschluss vom 14. August 2018, Seite 3 unten = Bl. 1502 d. A.). P. übernahm im Laufe des Jahres 2005 die K.5-Gruppe und vertrat diese fortan bei den Kartellabsprachen mit; die frühere K.5-Gruppe hatte auch schon in den Jahren 2002 bis 2004 zum Teilnehmerkreis der Kartellanten gehört (Bußgeldbescheid, Seite 11). Die von der Klägerin mit Schriftsatz vom 19. Juni 2015, Seite 28 vorgelegten Rechnungen und Handelsregisterauszüge belegen ihren Vortrag, dass ferner die B.1 GmbH jedenfalls seit dem Jahr 2002 zur K.5-Gruppe und ab Ende 2005/Anfang 2006 zu P. gehörte (Schriftsatz der Klägerin vom 19. Juni 2015, Seite 28 mit Anlagen = Bl. 605 ff. d. A.).
- Die E.-Gruppe (Bußgeldbescheid, Seite 11).
Mindestens zeitweise:
- Die R. Spanplattenwerk GmbH in den Jahren 2002 bis 2005. Sie schied später im Jahr 2005 aus (Bußgeldbescheid, Seite 9, 11).
- Die Firma N. Sie nahm an den Kartellabsprachen zumindest in den Jahren 2002, 2003 und 2004 teil und schied Ende der ersten Phase aus (Bußgeldbescheid, Seite 9, 11),
- Die K.4 Holding GmbH war zumindest im Zeitraum 2002 bis Ende 2004 durch ihren Geschäftsführer K.6 an den Kartellabsprachen beteiligt (Bußgeldbescheid Seite 10 f.). Zweck einer Holding ist üblicherweise das Halten von Unternehmensbeteiligungen, nicht eine Spanplattenproduktion. Dies rechtfertigt, wie in der mündlichen Verhandlung vom 14. Januar 2020 erörtert worden ist, den naheliegenden Schluss, dass die K.4 Holding GmbH die Kartellbeteiligung der zu ihrer Gruppe gehörenden Unternehmen umsetzte (vgl. Klagevortrag im Schriftsatz vom 6. Juni 2019, Seite 9 f. = Bl. 1884 f. d. A.). Die Beklagte hat den K.4-Unternehmen dementsprechend den Streit verkündet.
(cc) Die Klägerin trägt vor, der Marktanteil der Kartellteilnehmer auf dem deutschen Spanplattenmarkt habe in den Jahren 2002 bis 2009 gemessen nach genehmigten Anlagengrößen zwischen 79,4 % und - ab 2006 - bei 100 % gelegen. Die Gesamtkapazität des Spanplattenmarkts in Deutschland habe in den Jahren 2002 bis 2009 zwischen 7.970.000 m³/a und 8.443.500 m³/a betragen (Schriftsatz vom 30. Oktober 2018, Seite 3, 9 = Bl. 1557, 1563 ff. d. A.). Der Senat geht davon aus, dass dies im Wesentlichen zutreffend ist.
Die Klägerin hat die Produktionskapazitäten der Anbieter im Einzelnen dargelegt. Teilweise sind die vorgetragenen Daten durch EUWID-Artikel (Europ. Wirtschaftsdienst GmbH, ein Fachmedium u. a. für Holz und Holzwerkstoffe) und eigene Bekanntmachungen der Unternehmen belegt (z. B. Bl. 1602 ff. d. A.). Die Angaben der Klägerin zur Gesamtkapazität der Spanplattenproduzenten in Deutschland in den Jahren 2002 bis 2008 (Schriftsatz vom 30. Oktober 2018, Seite 9 ff. = Bl. 1563 ff. d. A.) entsprechen auch weitgehend den im K.-Gutachten zugrunde gelegten Daten des Beratungsunternehmen P.1, wonach die jährlichen Produktionskapazitäten für Rohspanplatten in Deutschland in den Jahren 2002 bis 2009 zwischen 7.609.000 m³ und 8.638.000 m³ betrugen (Tabelle Anhang 1 zum Gutachten). Die Klägerin trägt vor, von den Spanplattenproduzenten in Deutschland habe allenfalls H.1 zu Beginn des Kartellzeitraums mit einer Produktionskapazität zwischen 1.740.000 m³/a im Jahr 2002 und 1.320.000 m³/a im Jahr 2005 außerhalb des Kartells gestanden (Bl. 1563 ff. d. A.). H.1 wurde zum 1. Juli 2006 von der Beklagten übernommen.
Die von der Beklagten behaupteten erheblich geringeren Marktanteile der Kartellanten ergeben sich im Wesentlichen aus ihrer Behauptung, dass für die Belieferung der deutschen Möbelindustrie in großem Umfang auch einige weitere deutsche, vor allem aber ausländische Hersteller von Rohspanplatten zur Verfügung gestanden hätten. Diese Behauptung trifft aber nicht zu:
Soweit die Beklagte insbesondere in ihrem Schriftsatz vom 18. Februar 2019, Seite 12 ff. (= Bl. 1772 ff. d. A.) abweichende Produktionskapazitäten von Spanplattenherstellern in Deutschland behauptet, ergeben sich daraus im Ergebnis keine großen Unterschiede zu den von der Klägerin im Schriftsatz vom 30. Oktober 2018 behaupteten Marktanteilen der Kartellteilnehmer. Die Klägerin hat im Schriftsatz vom 6. Juni 2019, Seite 33 ff. (= Bl. 1908 ff. d. A.) vorgetragen, welche Produktionskapazitäten für Rohspanplatten in Deutschland im Kartellzeitraum auf der Grundlage der von der Beklagten im Schriftsatz vom 18. Februar 2019 in der Tabelle Seite 30 behaupteten Anlagenkapazitäten bestanden hätten. Danach hätte auf der Grundlage des Beklagtenvortrags der Marktanteil der Kartellteilnehmer im Verhältnis zu den gesamten deutschen Anbietern in den Jahren 2002 bis 2007 zwischen 69,7 % und 100 % gelegen. Diese Berechnung der Klägerin hat die Beklagte - abgesehen von nicht wesentlichen Punkten (z. B. Rechenfehler, Bl. 2013 f. d. A.) - nur insoweit erheblich bestritten, als sie behauptet, dass es aus Sicht der Möbelhersteller weitere Anbieter von Rohspanplatten in Deutschland und den angrenzenden Nachbarländern gegeben habe (Schriftsatz vom 29. Juli 2019, Seite 39 ff. i. V. m. mit der Übersicht Anlage B 6 = Bl. 2015 ff., 2040 ff. d. A.).
Als weitere Anbieter mit Geschäftssitz in Deutschland hat die Beklagte nur die B.1 GmbH, die V. GmbH & Co. KG sowie die L. K.7 GmbH benannt (Schriftsatz vom 20. Juli 2019, Seite 40 = Bl. 2016 d. A. mit Tabelle Anlage B 6 = Bl. 2040 d. A.). Die Firma B.1 ist jedoch wegen ihrer unstreitigen Zugehörigkeit zur K.5-Gruppe, später zu P., den Kartellanten zuzurechnen (s. o., vgl. auch Aussage des Zeugen L., Seite 6 des Sitzungsprotokolls vom 25. November 2020 = Bl. 2807 d. A.). Was die von der Beklagten als weiteren Anbieter benannte Firma V. mit einer Kapazität von 110.000 m³ betrifft, ist es unstreitig, dass dieses Unternehmen MSB-Spanplatten - nicht Rohspanplatten - produziert (Schriftsatz der Klägerin vom 6. Juni 2019, Seite 45 = Bl. 1920 d. A., Schriftsatz der Beklagten vom 29. Juli 2019, Seite 40 = Bl. 2016 d. A.). MSB-Platten sind nicht geeignet, den Bedarf der Möbelindustrie an Spanplatten zu decken. Der Mitarbeiter der Beklagten S.1 hat bei seiner Zeugenvernehmen glaubhaft ausgesagt, dass es sich bei MSB-Platten um Platten mit einer gegenüber Standardrohspanplatten höheren Dichte handele, die schwerer seien und eine tragende Funktion hätten; sie würden sich daher für den Einsatz in der Möbelindustrie nicht eignen (Sitzungsprotokoll vom 25. November 2020, Seite 13 f. d. A. = Bl. 2814 d. A.; vgl. Klagevortrag Schriftsätze vom 6. Juni 2019, Seite 45 und vom 10. September 2019, Seite 18 = Bl. 1920, 2102 d. A.). Bezüglich der Firma L. K.7 hat die Klägerin vorgetragen, dass diese Spezialanbieter von Leichtspanplatten für die Türindustrie und Nut- und Federplatten sei (Schriftsatz vom 06. Juni 2019, Seite 45 = Bl. 1920 d. A.). Auch diese Behauptung ist durch die Aussage des Zeugen S.1 bestätigt worden, der bekundet hat, L. K.7 sei ein Unternehmen, dass sich auf die Produktion von Rohspanplatten eingerichtet habe und hauptsächlich für Handel und Fertighausindustrie produziert habe; die Firma habe Rohspanplatten nicht geliefert (Sitzungsprotokoll vom 25. November 2020, Seite 10 = Bl. 2811 d. A.).
Die Beklagte macht außerdem geltend, dass bei der Feststellung der Marktabdeckung des Kartells auch Anbieter aus dem angrenzenden Ausland einzubeziehen seien, so dass auf dem relevanten Markt für die Jahre 2002 bis 2009 Gesamtkapazitäten zwischen 14.298.000 m³/a und 16.176.000 m³/a - gegenüber ca. 8.000.000 m³/a bis 8.500.000 m³/a nach Behauptung der Klägerin - angenommen werden müssten (Schriftsatz vom 18. Februar 2019, Seite 22 ff. = Bl. 1783 ff. d. A., Schriftsatz vom 29. Juli 2019, Seite 39 ff. i. V. m. mit Anlage B 6 = Bl. 2015 ff., 2040 ff. d. A.). Hiervon ausgehend hätten, so die Beklagte, die Kapazitätsanteile der Kartellanten in den Jahren 2002 bis 2009 selbst unter Einbeziehung der H.1-Gruppe durchschnittlich nur 47 % betragen. Anbieter aus dem angrenzenden Ausland seien für die Rohspanplatten nachfragende Möbelindustrie jedenfalls als Alternative/Ausweichmöglichkeit in Betracht gekommen. Auch dieses Vorbringen greift nicht durch. Denn von den ausländischen Spanplattenproduzenten ging kein wesentlicher Wettbewerb für Kartellteilnehmer aus. Die Beweisaufnahme hat im Wesentlichen den Vortrag der Klägerin bestätigt, dass Rohspanplattenlieferungen aus dem Ausland für die deutsche Möbelindustrie wegen der höheren Transportkosten oder wegen eines unzureichenden Angebots in der benötigen Qualität keine wirtschaftliche Alternative waren. Die von der Beklagten genannten ausländischen Spanplattenproduzenten (Tabelle Anlage B 6 = Bl. 2040 ff. d. A.) kamen nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme, soweit sie nicht ohnehin mit den Kartellteilnehmern verbunden waren, für die Belieferung der deutschen Möbelproduzenten mit Rohspanplatten nicht oder nur mit geringen Mengen in Betracht:
Der Zeuge L. verfügt als Leiter des Einkaufs der Klägerin und der mit ihr verbundenen Unternehmen über die notwendigen Kenntnisse zum Spanplattenangebot im hier interessierende Zeitraum. Der Senat hat keine Anhaltspunkte dafür, dass er aufgrund seiner Nähe zu der Klägerin nicht um eine wahrheitsgemäße Aussage bemüht gewesen ist. Seine Aussage ist - abgesehen von einigen Details, zu denen der Mitarbeiter der Beklagten S.1 etwas Abweichendes bekundet hat - überzeugend. Sie steht weitgehend im Einklang mit der Aussage des Zeugen S.1. Soweit beide Zeugen in einigen Punkten abweichende Angaben zu den Marktverhältnissen gemacht haben, sind diese nicht entscheidungserheblich. An der Glaubwürdigkeit beider Zeugen ändern diese Differenzen in den Darstellungen nichts.
Die Firma M. K.3 in Österreich ist, wie der Zeuge L. bekundet hat, ein Mitglied der K.4-Gruppe. Die Klägerin bezog Spanplatten nicht von M. K.3 aus Österreich, weil diese das Geschäft über die Firma K.4 abwickelt, von der die Klägerin Spanplatten bezog.
Zum österreichischen Unternehmen F. hat der Zeuge L. ausgesagt, dass dieses Unternehmen nicht mit der Lieferung von Rohspanplatten aufgetreten sei. Es fertige Spezialplatten im baunahen Bereich, insbesondere feuchteresistente Platten, die im Möbelbau nicht eingesetzt werden könnten. F. biete außerdem melaminbeschichtete Platten an, die von anderen Möbelunternehmen durchaus verwendet würden. Der Zeuge S.1 hat demgegenüber ausgesagt, dass F. auch Rohspanplatten verkaufe, und zwar sogar in größerem Umfang als beschichtete Spanplatten, wobei schwierig zu sagen sei, in welchem Umfang F. Spanplatten an Möbelproduzenten in Deutschland geliefert habe. Welche Aussage insoweit zutrifft, kann offen bleiben. Denn der Zeuge L. hat ferner bekundet, eine Belieferung durch dieses Unternehmen an die Klägerin und die Zedentinnen sei auch wegen der großen Entfernung bei der Anlieferung nicht in Betracht gekommen. Die Entfernung spiele eine erhebliche Rolle, weil die Produktionsstätten der Klägerin und der Zedentinnen auf eine Just-in-Time-Belieferung mit einem Zeitfenster von zwei Stunden eingestellt seien. Dieses einzuhalten, könne bei größeren Anfahrtswegen nicht hinreichend sichergestellt werden. Rohspanplatten seien zu den Produktionswerken der Möbelhersteller nur aus bis zu 500 km angeliefert worden. Der Senat legt diese Angabe des Zeugen zugrunde. Sie entspricht einer Entscheidung der Europäischen Kommission vom 19. September 2007, wonach bei Rohspanplatten der räumlich relevante Markt anhand einer Entfernung zwischen Kunde und Anbieter (Produktionsanlage) von ungefähr 500 km abzugrenzen ist (Zusammenfassung der Entscheidung COMP/M.4525, juris Rn. 24). Unter Berücksichtigung dieses Umstands ist davon auszugehen, dass die Lieferungen durch die österreichische Firma F. in den deutschen Markt den Marktanteil der Kartellteilnehmer bei Rohspanplatten nicht wesentlich geschmälert haben. Die nach dem Beklagtenvortrag anzusetzende Produktionskapazität von 650.000 m³/a der Firma F. (Tabelle Anlage B 6) gibt die insgesamt produzierte Spanplattenmenge wieder. Sie enthält nach Aussage des Zeugen S.1, der die Tabelle Anlage B 6 zusammen mit den Anwälten der Beklagten erarbeitet hat, nicht nur Rohspanplatten, sondern auch beschichtete Spanplatten. Etwaige Lieferungen von Rohspanplatten durch die Firma F. nach Deutschland erfolgten nach Aussage des Zeugen S.1 hauptsächlich nach Süddeutschland, so dass davon auszugehen ist, dass es sich nur bei einem kleineren Anteil der von F. jährlich produzierten Spanplatten um Rohspanplatten handelte, die für die Möbelindustrie in Deutschland geliefert wurden.
Zu den belgischen Spanplattenproduzenten A.1, S.2, L.1 und U. mit den von der Beklagten behaupteten erheblichen Produktionskapazitäten (Anlage B 6) hat der Zeuge S.1 zwar ausgesagt, dass diese Unternehmen der hauptsächliche Importeur von Rohspanplatten nach Deutschland gewesen seien, und dass sie auch für die Möbelindustrie geliefert hätten. Der Zeuge hat aber ausdrücklich nicht angeben können, in welchem Umfang diese Unternehmen Rohspanplatten an die Möbelindustrie in Deutschland lieferten. Darüber habe er keine Kenntnis. Der Zeuge hat lediglich bekundet, er habe aus der Marktbeobachtung der Beklagten die Kenntnis, dass die belgischen Unternehmen insgesamt zwischen 2002 und 2009 ca. 120.000 bis 191.000 m³ jährlich nach Deutschland geliefert hätten, er vermute, zum Großteil an die Möbelindustrie. Selbst wenn dies zuträfe, wenn also beispielsweise 100.000 m³ Rohspanplatten jährlich von belgischen Unternehmen an die deutsche Möbelindustrie geliefert worden wäre, so fiele dies bei jährlichen Produktionskapazitäten für Rohspanplatten in Deutschland von rund 8.000.000 m³ nicht entscheidend ins Gewicht. Darüber hinaus gehende Lieferanteile der belgischen Spanplattenproduzenten sind nicht ersichtlich. Zu berücksichtigen ist insoweit die glaubhafte Bekundung des Zeugen L., wonach die Firma A.1 kleine Spanplattenformate produziert habe, die für die Zwecke der Klägerin und der Zedentinnen nicht geeignet gewesen seien; ihre Anlagen seien darauf eingerichtet, den Verschnitt möglichst gering zu halten. Für die Verarbeitung von kleineren Platten hätte die Produktion umgestellt werden müssen. Außerdem gingen die Verschnittanteile um 15 bis 20 Prozent in die Höhe, so dass schätzungsweise 30 bis 40 Prozent zusätzliche Kosten entstünden. Darüber hinaus sei die von der belgischen Firma A.1 angebotene Spanplatte von der Oberflächenbeschaffenheit nicht geeignet und sie habe einen dunklen Farbton, der nach einer Kaschierung mit einer dünnen weißen Folie durchscheinen könne. Der Zeuge S.1 hat auf den Vorhalt, dass die von A.1 angebotenen Rohspanplatten wegen ihrer Qualität für die Möbelproduktion nicht geeignet gewesen sein sollen, erklärt, dies könne gut sein, er wolle dem nicht widersprechen. Wenn es um die Belieferung aus Belgien mit Rohspanplatten bzw. Möbelbauplatten für die Möbelindustrie gegangen sei, sei der einzige genannte Namen neben S.2 U. gewesen. Bezüglich der von der Firma S.2 hergestellten Platten hat der Zeuge L. ausgesagt, diese hätten einen sehr hohen Recyclinganteil - anstatt von Frischholz - enthalten. Bei den Platten seien die Werkzeugstandzeiten "in die Knie gegangen" gegangen. Die Platten seien auch wegen ihrer dunklen Farbe für die Zwecke der Klägerin nicht gut geeignet gewesen. Auch Wettbewerber der Klägerin hätten keine Rohspanplatten von S.2 bezogen. Hinsichtlich der Firma L.1 hat der Zeuge L. bekundet, es habe sich um einen sehr kleinen belgischen Anbieter gehandelt, der einen Mix aus Flachs- und Rohspanplatten produziert habe. Eine Belieferung sei nicht in Betracht gekommen, weil die produzierte Menge für eine Belieferung im Serienbereich nicht ausgereicht hätte. L.1 habe nur über eine Anlage verfügt, auf welcher das Unternehmen zwischen der Produktion von Flachsspanplatten und Holzspanplatten gewechselt habe. L.1 habe seine Platten hauptsächlich für den regionalen Markt in Belgien bzw. Benelux vertrieben. Von U. hätten die Klägerin und die Zedentinnen nur kleinere Menge bezogen. Das Seriengeschäft sei mit U. nicht gelaufen. Das Unternehmen habe seinen Schwerpunkt im Bereich Rohspanplatten nicht auf dem deutschen Markt gehabt. Die Klägerin habe immer wieder kleinere Menge bezogen, um den Kontakt zu halten.
Die französische Firma L.2 P.2 kommt nach der überzeugenden Aussage des Zeugen L. für eine Serienbelieferung der deutschen Möbelunternehmen bereits deshalb nicht in Betracht, weil sich ihr Werk an der Atlantikküste befindet, sodass die Transportwege zu weit sind. Außerdem sei sie ein Spezialist für leichte Platten und für Platten mit großen Stärken (38 bis 44 mm). Auch der Zeuge S.1 hat bekundet, dass L.2 sein Werk an der Atlantikküste habe, und dass Rohspanplatten normalerweise nicht über eine so große Entfernung, wie sie zu den Möbelproduzenten in Deutschland gegeben ist, transportiert werden. Außerdem sei die Firma L.2 nach seiner Kenntnis auf die Türenindustrie spezialisiert.
Bei den französischen Unternehmen C./P. handelt es sich nach der Aussage des Zeugen L. um Wettbewerber aus der Möbelindustrie, die nach seiner Kenntnis im fraglichen Zeitraum keine Rohspanplatten in den deutschen Markt geliefert hätten. Dem steht die Aussage des Zeugen S.1 nicht entgegen. Der Zeuge hat bekundet, dass C./P. auch Wohnmöbelhersteller, also Wettbewerber der Klägerin, seien. Sie hätten das Werk gebaut, um die eigene Möbelproduktion "zu füttern". Sie verfügten über eine Beschichtungsanlage. Nicht benötigte Mengen hätten sie auch verkauft. Ob sie auch unbeschichtete Rohspanplatten nach Deutschland verkauft hätten, könne er nicht sagen.
Zu D.1 S.A.S. aus Frankreich hat der Zeuge L. glaubhaft bekundet, dass es sich um ein kleines Unternehmen handelt, das in Süd-Westfrankreich produziere und schon deshalb für eine Just-in-Time-Belieferung nicht in Betracht komme. Darüber hinaus sei es seines Wissens als Serienlieferant von Rohspanplatten in Deutschland nicht aufgetreten; es habe sich auf OSB-Platten konzentriert. Hiermit im Einklang hat der Zeuge S.1 angegeben, er gehe davon aus, dass die Firma D.1 aufgrund der Lage des Werks an der Atlantikküste nach Spanien und nach Südfrankreich liefere. Ein Teil der Spanplattenproduktion möge nach Deutschland geliefert worden sein, allerdings in vernachlässigbaren Mengen.
Bei der tschechischen Firma D.2 handelt es sich nach der Aussage des Zeugen L. um eine Produktionsgemeinschaft, die Spezialist von Möbelfertigteilen war und auf einer Etagenpresse relativ kleine Platten herstellte. Der Zeuge L. hat ausgesagt, er glaube nicht, dass sie Rohspanplatten in den deutschen Markt geliefert habe. Die Aussage des Zeugen S.1 weicht hiervon nur insoweit ab, als er bekundet hat, ihm sei ein Fall bekannt, in dem dieses Unternehmen einen Möbelhersteller in Deutschland mit Möbelbauplatten beliefert habe. Bestätigt hat der Zeuge S.1, dass die Firma D.2 kleinere Plattenformate herstelle und dass die Klägerin im wesentlichen große Formate einkaufe, um sie in ihren Möbelwerken nach Bedarf zuzuschneiden. Auch I., der größte Verarbeiter von Rohspanplatten, kaufe große Platten ein, die er in eigenen Werken zuschneide und kaschiere.
(c) Ferner ist von einer Transparenz der Marktverhältnisse auszugehen.
Die Spanplattenpreise werden in regelmäßig Abständen von dem Fachmediendienst EUWID veröffentlicht (dazu unten). Darüber hinaus ist es lebensnah, dass die Einkäufer der Möbelhersteller bei ihren Bestellungen der Spanplatten gegenüber den Anbietern preisgünstigere Angebote von anderen Spanplattenherstellern kommunizieren.
Von transparenten Marktverhältnissen geht auch die Europäische Kommission in ihrer Entscheidung vom 19. September 2007 - COMP/M.4525 - K.4/Constantia - aus, wo es in der deutschen Zusammenfassung unter Rn. 32 heißt: "Der Markt für Rohspanplatten hat verschiedene Merkmale, die eine Abstimmung zum Zwecke höherer Verkaufspreise begünstigen. Auch die Anbieter kennen die Preise ihrer Wettbewerber gut und es kommt vor, dass Anbieter sich gegenseitig beliefern" (vgl. auch Rn. 84 der englischsprachigen Kommissionsentscheidung).
(d) Soweit die Beklagte in den Raum stellt, dass einzelne am Kartell beteiligte Unternehmen die Preisabsprachen nicht konkret umgesetzt haben könnten, liegen dafür keine hinreichenden Anhaltspunkte vor. Näherer Vortrag der Beklagten, in welcher Weise die Kartellabsprachen von den Teilnehmern des Kartells umgesetzt wurden, fehlt. Der lange Zeitraum und der große Aufwand der Kartellabsprachen sprechen dafür, dass die Absprachen auch umgesetzt worden sind. Dass die Spanplattenpreise bei den einzelnen Herstellern innerhalb eines gewissen Rahmens geschwankt haben mögen, spricht entgegen dem Beklagtenvortrag nicht für eine wettbewerbliche Preisbildung. Es liegt nahe, dass mit einer noch weitergehenden Angleichung der Preise die Gefahr der Aufdeckung des Kartells gestiegen wäre.
(e) Es ist ohne Bedeutung, dass nicht festgestellt werden kann, dass sich die Kartellabsprachen gezielt gegen die Klägerin und die Zedentinnen richteten. Nach den bindenden Feststellungen des Bußgeldbescheids lag der Tat während der gesamten Zeit die Grundabsprache zugrunde, die Preise für rohe und beschichtete Spanplatten, MDF-und HDF-Platten sowie Nut- und Federverlegespanplatten gegenüber den Kunden aus Industrie und Handel auf dem deutschen Markt zu erhöhen. Zu diesen Kunden gehörten die Klägerin und die Zedentinnen.
(f) Es liegen auch keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür vor, dass der im Kartellzeitraum zu beobachtende, im Vergleich zum Vor- und Nachkartellzeitraum stärkere durchschnittliche Anstieg der Spanplattenpreise auf andere wettbewerblich relevante Faktoren als die Kartellabsprachen zurückzuführen ist.
(aa) Der Vortrag der Beklagten zu historischen Tiefpreisen zu Beginn des Jahres 2002 mit einer anschließenden Konjunkturbelebung und hohen Kapazitätsauslastung bei den Spanplattenherstellern greift nicht durch.
Die von der Beklagten als Anlage B2 zum Schriftsatz vom 21.04.2005 vorgelegte Statistik über das Produktionsvolumen von Schlafzimmermöbeln aus Holz (Eurostat) spricht gerade nicht dafür, dass der starke Preisanstieg für Spanplatten in den Jahren 2002 bis 2007 von 75 €/m³ auf 175 €/m³ auf einem Anstieg der Möbelnachfrage beruhte. Nach der Statistik waren die Produktionsvolumen zwar bis zum Jahr 2002 tatsächlich, wie die Beklagte behauptet, gefallen; im anschließenden Zeitraum bis 2008 blieben sie aber - mit Ausnahme eines Produktionsrückgangs in den Jahren 2004 und 2005 - ungefähr gleich (Anlage B 2 = Bl. 306 d. A.).
Es ist zwar unstreitig, dass die Produktionsanlagen der Spanplattenhersteller im Jahr 2002 über erhebliche Überkapazitäten verfügten, die es ihnen nicht erlaubten, die Spanplattenpreise anzuheben (Klagevortrag im Schriftsatz vom 17. Juni 2015, Seite 52 = Bl. 629 d. A.). Es kann aber nicht angenommen werden, dass der Anstieg der Kapazitätsauslastung in Deutschland von - laut dem von der Beklagten vorgelegten K.-Gutachten vom 27. Oktober 2015 - unter 85 % im Jahr 2002 auf über 95 % ab dem Jahr 2005 den Preisanstieg maßgeblich verursachte. Denn die Kartellabsprachen fanden gerade vor dem Hintergrund statt, dass die Kartellteilnehmer Probleme hatten, Preissteigerungen bei ihren Kunden durchzusetzen (Bußgeldbescheid, Seite 13 unten und Seite 11). Wenn die Preise, wie die Beklagte offenbar behaupten will, schon wegen der zunehmenden Auslastung der Produktionskapazitäten so stark angestiegen wären, wie es tatsächlich der Fall war, so hätte es der jahrelangen aufwändigen und risikobehafteten Praktizierung eines Preiskartells nicht bedurft.
Gegen eine Erklärung des Preisanstiegs mit einer zunehmenden Kapazitätsauslastung spricht auch, dass es selbst nach dem K.-Gutachten in den Jahren 2002 bis 2004 keine - nach dem Gutachten ab 95 % anzunehmende - Kapazitätsvollauslastung bei den Herstellern in Deutschland oder den Nachbarländern gab (vgl. Seite 27 unten des Gutachtens und Daten-Anhang, Seite 3 zum Gutachten = Bl. 931R, 946 d. A.), während die Preise in diesem Zeitraum gleichwohl von 75 €/m³ auf 122 €/m³ anstiegen (vgl. EUWID-Tabelle, Anlage K 10 = Bl. 236 d. A.), bei der Beklagten nach dem K.-Gutachten allein vom 3. Quartal 2003 bis zum 4. Quartal 2004 von 76,30 €/m³ auf 124,80 €/m³ ("G.-Preis", K.-Gutachten, S. 47 = Bl. 947 d. A.). Als im Jahr 2007 und Anfang 2008 die höchsten Preise erzielt wurden (nach der EUWID-Statistik zwischen 161,25 €/m³ und 175 €/m³, nach dem K.-Gutachten Preise der Beklagten zwischen 159 €/m³ und 174,40 €/m³), näherte sich die Kapazitätsauslastung in Deutschland lt. K.-Gutachten bereits wieder dem Niveau aus dem Jahr 2004 an (2004: 94,5 %, 2007: 98,1 % und 2008: 92,5%, siehe K.-Gutachten, Seite 27 und Daten-Anhang Seite 3 zum Gutachten = Bl. 931 R, 946 d. A.).
Zudem ist zu berücksichtigen, dass bei funktionierendem Wettbewerb ohne die Kartellabsprachen eine Kapazitätserweiterung oder der Eintritt neuer Unternehmen möglich gewesen wäre. Die Beklagte trägt selbst vor, in der Holzwerkstoffindustrie sei eine fortwährende Anpassung der Produktionskapazitäten keineswegs unüblich, in volatilen und sich strukturell stetig verändernden Märkten seien Kapazitätsanpassungen geradezu zwingend für den unternehmerischen Erfolg (Schriftsatz vom 29. Juli 2009, Seite 38 = Bl. 2014 d. A.). Auch das K.-Gutachten nimmt an, dass die Kapazität variabel war, z. B. sei im Jahr 2007 eine zusätzliche Kapazität angelegt worden, die ab 2009 mit der Wirtschaftskrise systematisch wieder abgebaut worden sei (Gutachten, Seite 26). In seiner ergänzenden Stellungnahme vom 8. Oktober 2020, Seite 8 führt der Privatgutachter aus, dass Anfang 2008 die Kapazität in Mitteleuropa in Reaktion auf eine hohe Nachfrage erheblich ausgeweitet worden sei (Bl. 2638 d. A.).
(bb) Nicht überzeugend ist auch der Hinweis der Beklagten auf gestiegene "Inputkosten" (Holz, Chemikalien, Urea-Formaldehyd-Leim und Energie sowie Lohn- und Transportkosten), sofern dies als Erklärung für die exorbitante Preisentwicklung bei den Rohspanplatten ab 2003 bis 2007/2008 herangezogen werden soll (Schriftsatz der Beklagten vom 21. April 2015, Seite 33 f. = Bl. 252 f. d. A.).
Es kann bereits nicht davon ausgegangen werden, dass die Spanplattenhersteller ohne die Kartellabreden in gleicher Weise in der Lage gewesen wären, erhöhte Kosten an die Möbelfabrikanten weiterzugeben. Dagegen spricht, dass ab etwa Anfang 2005 die Weitergabe der Kostensteigerungen an die Kunden im Vordergrund stand (Bußgeldbescheid, Seite 11). Hierzu passt, dass laut dem K.-Gutachten nach dem Kartellende - wie in geringerem Maße kurzzeitig bereits einmal in der Anfangszeit des Kartells - die Preise der Beklagten unter ihre Gesamtkosten fielen (K.-Gutachten vom 27. Oktober 2015, Seite 18 mit Abbildung 4 = Bl. 927 d. A.).
Nach der Tabelle 3 im K.-Gutachten lagen bei der Beklagten die Grenzkosten - Kosten einer zusätzlich produzierten Einheit in m³ - im 2. bis 4. Quartal 2003 in einem gegenüber dem nachfolgenden Zeitraum verhältnismäßig nahen Abstand unter ihren Verkaufspreisen (Preise zwischen 76,30 €/m³ und 85,10 €/m³ bei Grenzkosten zwischen 62,40 €/m³ und 66,60 €/m³, Gutachten Seite 47 = Bl. 942 d. A.). In der Folgezeit entfernte sich der Preis erheblich von den Grenzkosten und den Gesamtkosten. Er stieg vom 2. Quartal 2003 bis zum 4. Quartal 2005 von 82,70 €/m³ auf 126,10 €/m³, während die Grenzkosten bei der Beklagten nur von 66,60 €/m³ im zweiten Quartal 2003 auf 67,30 €/m³ im 4. Quartal 2005 stiegen. Zwischen 2003 und 2005 stieg die Marge der Beklagten stark an und blieb bis 2008 auf einem hohen Niveau (K.-Gutachten, Seite 12, Abbildung 1, Seite 13 Rn. 40). Im 3. Quartal 2007 lag ihr Preis/m³ nach dem K.-Gutachten bei 174,40 €, während die Grenzkosten nur 110,50 €/m³ und die Gesamtkosten 114,00 €/m³ betrugen (K.-Gutachten, Seiten 12, 18, 47). Diese Umstände sprechen gegen die Erklärung, dass der Preisanstieg maßgeblich durch Kostensteigerungen verursacht worden seien. Zwar stiegen nach dem Gutachten die Grenzkosten ab dem ersten Quartal 2006 erheblich (um dann anschließend ab dem 2. Quartal 2008 bis Ende 2009 wieder abzufallen). Der Gutachter weist aber selbst darauf hin, dass der Preis zwischen dem 1. Quartal 2004 und dem 3. Quartal 2007 noch stärker als die Grenzkosten gestiegen ist (Gutachten, Seite 13). Im Übrigen ist zu berücksichtigen, dass die Kartellabsprachen ab dem Jahr 2005, wie gesagt, wesentlich dazu dienten, die Kostensteigerungen an die Kunden weiterzugeben (vgl. auch die Abbildung 7 der von Prof. K. verfassten "Ökonomischen Anmerkungen zum Beschluss des OLG Celle vom 30. Juli 2020" = Bl. 2630, 2645 d. A., wonach der EUWID-Preisindex in der Zeit nach dem Kartellende erheblich hinter dem als Maßstab für die variablen Kosten der Spanplattenproduktion genommenen Industrieholzindex zurückbleibt).
Aus diesen Gründen kommt es nicht mehr darauf an, dass die im Gutachten verwendeten Ausgangsdaten betreffend die Herstellungskosten, die Kostenbestandteile und die werkspezifischen Produktionsdaten der Beklagten nur damit erläutert werden, dass sie von der Beklagten zur Verfügung gestellt worden seien; der Datensatz zu den jährlichen Produktionskapazitäten und Absätzen der Beklagten sei von dem Beratungsunternehmen P.1 auf Grundlage einer Anfrage der Beklagten erstellt (K.-Gutachten, Seite 43 = Bl. 940 d. A.). Die Datengrundlage kann daher nicht nachvollzogen werden und ist für die Klägerin und das Gericht nicht überprüfbar. Die Klägerin hat die Richtigkeit der Daten bestritten (u. a. Schriftsatz vom 16. März 2016, Seite 9 ff. = Bl. 1018 ff. d. A.). Ob es insoweit ausreicht, dass die Beklagte in der mündlichen Verhandlung vom 22. Juni 2021 zwei Zeugen für die Richtigkeit der dem Gutachten zugrunde liegenden Daten benannt hat, braucht nicht entschieden zu werden.
Soweit der Privatgutachter Prof. K. ausführt, gegen einen Kartelleffekt spreche, dass der durchschnittliche Preis im Nachkartellzeitraum sogar noch über dem Preis im Kartellzeitraum gelegen habe, trifft die Aussage zum Preisniveau nach dem Kartellende für sich genommen zwar zu. Es ist aber auch zu beachten, dass die Preise im Kartellzeitraum ab dem Jahr 2002 von 75,00 €/m³ auf bis zu 175,00 €/m³ im Jahr 2007 gestiegen sind, und dass diese Höchstpreise im Nachkartellzeitraum nicht mehr erreicht wurden. Der erneute - geringere - Preisanstieg im Nachkartellzeitraum wird bei der Schätzung der Schadenshöhe berücksichtigt (dazu unten) und wirkt sich insoweit zu Gunsten der Beklagten aus.
Plausibel ist allerdings der Vortrag der Beklagten, dass die Finanzkrise im zweiten Halbjahr 2008 zu einem Rückgang der Nachfrage führte und dass dies den bereits Anfang 2008 einsetzenden Rückgang der Preise verstärkt haben könnte. Dieser Gesichtspunkt steht der Annahme eines durch das Kartell bedingten Schadens und der Schätzung der Schadenshöhe aber nicht entgegen. Die von der Klägerin vorgelegten Daten des statistischen Bundesamts zeigen zwar einen erheblichen Rückgang der Produktionsmenge im Jahr 2008. Der Rückgang hatte nach diesen Daten aber schon im Jahr 2004 eingesetzt (Anlage zum Schriftsatz vom 16. März 2016 = Bl. 1030 d. A.). Gleichwohl stiegen die Preise laut der EUWID-Erhebung ab Ende 2002/Anfang 2003 an und erreichen den Höchststand im Jahr 2007. Im Anschluss an den Preisverfall ab Anfang 2008 stiegen die Preise bereits im 4. Quartal 2009 erneut an, auch wenn sie das gegen Ende des Kartellzeitraums erzielte hohe Niveau nicht wieder erreichten. Prof. K. führt selbst aus, seine Analyse könne nicht bestimmen, zu welchen Anteilen der Preisverfall von 2007 und 2008 der Nachfrageentwicklung und dem Ende des Kartells zuzuschreiben sei.
Aus diesen Gründen ist die Annahme des Privatgutachters Prof. K., auf der Grundlage seiner Analyse ergebe sich keinerlei empirischer Hinweis auf irgendeinen Schaden, den die Klägerin durch das Spanplattenkartell erlitten haben könnte, nicht überzeugend. Dies kann der Senat aufgrund eigener Sachkunde entscheiden. Die Vorlage des Privatgutachtens verpflichtet das Gericht im vorliegenden Einzelfall nicht zur Einholung eines gerichtlichen Sachverständigengutachtens (vgl. BGH, Urteil vom 28. Januar 2020 - KZR 24/17, juris Rn. 48 a. E. - Schienenkartell II).
dd) Eine preissteigernde Wirkung der Kartellabreden ist auch anzunehmen, soweit die Klägerin Ersatzansprüche wegen des Schadens aus Beschaffungen bei (möglicherweise) nicht am Kartell beteiligten Anbietern geltend macht. Die Gesamtumstände rechtfertigen den Schluss, dass auch etwaige Kartellaußenseiter höhere Preise auf dem Markt durchsetzen konnten, als es ihnen ohne das Kartell möglich gewesen wäre, dass also sämtliche hier in Rede stehende Lieferungen im Zeitraum Anfang 2003 bis Ende 2008 (zum kartellwirksamen Zeitraum näher unten) kartellbefangen waren.
Die Wahrscheinlichkeit eines sog. Preisschirmeffekts ist umso höher, je größer die Marktabdeckung des Kartells ist und je länger der Kartellverstoß andauert. Der Umfang eines Preisschirmeffekts hängt von einer Vielzahl weiterer Faktoren ab. Er wird umso größer sein, je geringer die Angebotselastizität der Kartellaußenseiter ist - d. h. ihre Fähigkeit, eine höhere Nachfrage, die sich bei ihnen durch die höheren Preise der Kartellbeteiligten einstellen kann, durch Kapazitätsausweitung zu decken, je größer die Markttransparenz ist, je höher der Grad der Austauschbarkeit der auf dem jeweiligen Markt angebotenen Güter ist und je geringer sich die Wettbewerbsintensität zwischen den Kartellaußenseitern und der Wettbewerbsdruck durch die Nachfrageseite darstellt (BGH, Urteil vom 19. Mai 2020 - KZR 8/18, juris Rn. 39 - Schienenkartell IV; vgl. BGH, Urteil vom 12. Juni 2018 - KZR 56/16, juris Rn. 39 f. - Grauzementkartell II: Preisschirmeffekt bei einem Marktanteil von 71,3 % und transparenten Marktverhältnissen hinsichtlich der Preise).
Hier verfügten die kartellbeteiligten Unternehmen, wie ausgeführt, über große Marktanteile. Ihre Marktabdeckung lag ab 2003 bei wenigstens ca. 70 % mit ansteigender Tendenz, ab dem Jahr 2006 war das Rohspanplattenangebot in Deutschland annähernd vollständig vom Kartell erfasst (s. o.). Die Kartellanten praktizierten die Kartellierung vom Januar 2002 bis zum Dezember 2007, also über 6 Jahre. Es herrschte eine gute Preistransparenz. Das Preisniveau auf dem Spanplattenmarkt war unter den Anbietern der Spanplatten bekannt (s. o.). Das Produkt "Rohspanplatten" in den jeweiligen Plattenstärken weist auch eine hohe Homogenität auf. Die für die Möbelindustrie gefertigten Rohspanplatten sind weitgehend substituierbar, sofern sie die notwendigen Qualitätsanforderungen erfüllen.
Unter diesen Umständen kann davon ausgegangen werden, dass sich die Angebote der außerhalb des Kartells stehenden Wettbewerber daran orientierten, welcher Preis am Markt zu erzielen war. Wenn die Kartellaußenseiter auf Preiserhöhungen verzichtet hätten, so hätten sie sich Gewinnmöglichkeiten entgehen lassen und damit im Wettbewerb schlechter gestanden. Das war mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit nicht der Fall, wie sich auch daraus ergibt, dass die Preissteigerungen bei allen Lieferanten der Klägerin und der Zedentinnen weitgehend parallel verliefen. Die von den etwaigen Kartellaußenseitern H.1 und C. in Rechnung gestellten Preise waren teilweise etwas niedriger als die Preise der Kartellteilnehmer, teilweise aber auch höher (vgl. die in der Klageschrift vorgetragenen Preistabellen).
ee) Für die Berechnung des konkreten Schadens bietet sich als wichtigstes Kriterium im Rahmen der Gesamtumstände ein Vergleich der Preise für Standardplatten im kartellwirksamen Zeitraum, der von Januar 2003 bis Dezember 2008 anzunehmen ist, mit den durchschnittlichen Preisen im davor und danach liegenden Zeitraum (Januar 1997 bis Dezember 2002 bzw. Januar 2009 bis September 2013) auf der Grundlage der Statistik Anlage K 10 des u. a. auf Holz- und Holzwerkstoffe spezialisierten Wirtschaftsdienstes EUWID an. Der Senat schätzt die kartellbedingte Preisüberhöhung auf dieser Grundlage im Rahmen einer Gesamtwürdigung aller genannten Umstände mit 13 %.
(1) Die EUWID-Statistik Anlage K 10 gibt die Preisentwicklung für Standardrohspanplatten 16 mm - 19 mm wieder. Die Preise schwankten in den Vorkartelljahren 1997 bis Ende 2001 zwischen ca. 87 €/m³ und 118 €/m³. Im Jahr 2001 fielen sie von 104,81 €/m³ auf 89,48 €/m³. Diese negative Preisentwicklung im Jahr 2001 setzte sich im Jahr 2002 zunächst fort. Bis zum zweiten und dritten Quartal 2002 fielen die Preise auf durchschnittlich 75 €/m³. Im vierten Quartal stiegen sie leicht an auf 77 €/m³ an. Der Anstieg verstärkte sich und setzte sich im Kartellzeitraum bis zum 2. Quartal 2007 auf 175 €/m³ fort. Im dritten und vierten Quartal 2007 betrug der Preis 162,50 bzw. 165 €/m³. Im Nachkartellzeitraum fielen die Preise dann bis Ende 2009 wieder auf bis zu 92,50 €/m³.
(2) Die EUWID-Statistik kann bei der Schadensermittlung zugrunde gelegt werden. Sie stellt eine für die Zwecke der Schadensschätzung tragfähige Grundlage dar.
Der als Zeuge benannte EUWID-Mitarbeiter R.1 hat Fragen des Gerichts zu der EUWID-Statistik mit Schreiben vom 16. November 2020 wie folgt beantwortet (Bl. 2687 ff. d. A.):
EUWID sei keine Unternehmensberatung, die im Kundenauftrag Projekte durchführe, sondern ein journalistisches Medium. EUWID gebe wöchentlich einen Newsletter "EUWID Holz und Möbel" heraus, der aktuelle Markt-, Branchen- und Unternehmensinformationen aus dem Bereich Holzwerkstoff- und Möbelindustrie zusammenfasse. Der Preisspiegel beruhe auf einer Recherche. Er werde nach wirtschaftsjournalistischen Maßstäben erstellt. Die in dem Marktbericht angestrebte objektive Darstellung der tatsächlichen Marktsituation orientiere sich in erster Linie an den Faktoren Angebot (Produktionssituation in der Spanplattenindustrie in der DACH-Region - Deutschland, Österreich, Schweiz - und Importe aus angrenzenden Regionen) und Nachfrage aufgrund der Produktion in den verschiedenen Verarbeitungsbranchen. EUWID habe die in ihren alle sechs Wochen erscheinenden Marktberichten aufgeführten Preise für das Hauptsortiment Standard-Rohspanplatten in einer Excel-Tabelle zusammengefasst und aus diesen Angaben Quartals-Durchschnittspreise ermittelt. Es habe im Zeitraum von 2002 bis 2009 keine Änderungen in der Erhebungsmethodik gegeben.
Herr R.1 hat zwar angegeben, dass der EUWID-Marktbericht nicht den Anspruch einer statistischen Erhebung habe. Gleichwohl ist der Senat davon überzeugt, dass der Marktbericht eine ausreichende Grundlage für die Schadensschätzung bietet. Wie Herr R.1 angegeben hat, gab es im fraglichen Zeitraum in der DACH-Region knapp zehn eigenständige Spanplattenhersteller. Im Schnitt seien davon zwei Drittel befragt worden. Außerdem seien Händler und Verarbeiter befragt worden. Insgesamt seien pro Runde durchschnittlich 10 bis 20 Unternehmen befragt worden. Die Befragungen hätten sich an einen relativ festen Kreis von Unternehmen gerichtet. Dabei habe EUWID versucht, die Verhältnisse in den jeweils betrachteten Branchen so gut wie möglich abzubilden nach Größe der Unternehmen, Marktsegmenten usw. Zusätzlich zu Spanplattenherstellern aus der DACH-Region habe EUWID auch einzelne Produzenten aus dem benachbarten Ausland befragt, die in die DACH-Region geliefert hätten. Die Befragungen hätten in der Regel auf langjährigen Kontakten beruht. Nur einzelne Unternehmen seien nicht zu einer Zusammenarbeit bereit gewesen. Nach Einschätzung von EUWID hätten die Angaben regelmäßig den tatsächlichen Größenordnungen entsprochen. Soweit es Fälle gegeben habe, in denen Unternehmen den EUWID-Preisspiegel über entsprechend angepasste Angaben in eine bestimmte Richtung bringen wollten, habe man versucht, solche tendenziösen Aussagen durch die Breite der Befragungen und dadurch mögliche "Crosschecks" zu eliminieren. Die Abfrage habe sich auf Standardqualitäten konzentriert. Im Vordergrund stünden Standard-Rohspanplatten in mittleren Stärken (16 mm - 19 mm) sowie beschichtete Spanplatten korpusweiß in 16 mm Stärke. Die Abfragen hätten sich auf konkrete Preise bei gängigen Liefermengen für die Möbelindustrie konzentriert. Aus den Einzelaussagen habe EUWID mittlere Preisspannen abgeleitet. Basis seien "frei Werk-Preise" gewesen, d. h. Preise inklusive Transportkosten.
Der Redakteur R.1 hat ferner angeben, dass die von der Klägerin in der Anlage K 10 vorgelegte Tabelle über die Entwicklung der Spanplattenpreise der Zusammenstellung entspreche, die EUWID ihren Abonnenten auf Nachfrage zur Verfügung gestellt habe. Soweit er weiter mitgeteilt hat, die in der Anlage K10 enthaltene Grafik stamme nicht von EUWID, ist das unerheblich, weil die Grafik nur eine Veranschaulichung der der EUWID-Tabelle entnommenen Preisentwicklung enthält.
Diese Angaben des Redakteurs R.1 sind glaubhaft. Herr R.1 war im Zeitpunkt seines Schreibens als Zeuge geladen und musste deshalb davon ausgehen, die entsprechenden Beweisfragen vor dem Senat als Zeuge beantworten zu müssen. Es ist nicht ersichtlich, dass er in einer besonderen Nähe zu einem der Beteiligten des Verfahrens steht oder aus anderen Gründen einen Anlass hätte, den Sachverhalt falsch zu schildern. Die Parteien haben nach der Kenntnisnahme der schriftlichen Beantwortung der Beweisfragen auf seine Vernehmung als Zeuge verzichtet.
Dafür, dass die EUWID-Preise für das tatsächliche Marktgeschehen repräsentativ sind, spricht auch, dass sie weitgehend den umfangreich vorgetragenen und durch Rechnungen belegten Preisen entsprechen, die von der Klägerin bzw. den Zedentinnen im streitbefangenen Zeitraum gezahlt wurden. Die von der Klägerin und den Zedentinnen gezahlten Preise sind angesichts der großen Anzahl der zugrunde liegenden Bestellungen und eines Gesamtvolumens von mehr als 800.000 m³, geliefert in den Jahren 2002 bis 2009 von den maßgeblichen deutschen Spanplattenherstellern, aussagekräftig (vgl. Seite 10 ff. der Klageschrift, Seite 41 ff. des Schriftsatzes vom 19. Juni 2015 = Bl. 618 ff. d. A. sowie Grafik Anlage K 53 mit den EUWID-Preisen und den von der Beklagten fakturierten Preisen für Standardrohspanplatten 16 mm bis 19 mm = Bl. 1029 d. A.).
(3) Die kartellbedingte Preisüberhöhung lässt sich aufgrund eines Vergleichs der durchschnittlichen Preise aus dem Zeitraum, in dem das von Anfang 2002 bis Ende 2007 betriebene Kartell wirksam war, mit den durchschnittlichen Preisen im Zeitraum davor und danach schätzen. Der Senat nimmt insoweit eine Wirksamkeit des Kartells auf die Preise im Zeitraum Januar 2003 bis Dezember 2008 an.
(a) Der Klagevortrag bietet keine ausreichende Grundlage dafür, dass der Klägerin durch die ab 2002 erfolgten Kartellabsprachen bereits wegen der Erwerbsgeschäfte im Jahr 2002 ein Schaden entstanden ist. Nach der EUWID-Statistik fielen die Preise für Standardspanplatten - von ca. 105 €/m³ bis 90 €/m³ im Jahr 2001 - im Jahr 2002 auf ein Niveau zwischen 75 €/m³ und 85 €/m³. Zwar ist nicht auszuschließen, dass die Preise im Jahr 2002 ohne die Kartellabsprachen noch tiefer gefallen wären. Dafür liegen aber keine hinreichenden Anhaltspunkte vor. Es kann davon ausgegangen werden, dass es regelmäßig einen gewissen zeitlichen Anlauf braucht, bevor die Kartellabsprachen sich im Markt auswirken, ebenso wie es regelmäßig Zeit bedarf, bis ein kartellbedingt überhöhtes Preisniveau wieder auf Marktpreisniveau abfällt (LG Stuttgart, Urteil vom 28. Februar 2019 - 30 O 47/17, juris Rn. 131 m. w. N.).
(b) Der Senat legt im Rahmen der Schadensschätzung ferner zugrunde, dass sich das Kartell noch ca. ein Jahr nach seiner Beendigung auf die Preise auswirkte, also bis Ende 2008.
In der Regel kann angenommen werden, dass ein Kartell erst nach Ablauf einer bestimmten Zeitspanne - beispielsweise von einem Jahr - keine Nachwirkungen mehr hat (vgl. BGH, Urteil vom 28. Juni 2011 - KZR 75/10, juris Rn. 84 - ORWI; OLG Düsseldorf, Urteil vom 22. Februar 2018 - U (Kart) 1/17, juris Rn. 223; LG Stuttgart, a. a. O. m. w. N.). Eine Nachwirkung des Kartells kann sich u. a. daraus ergeben, dass die Beteiligten durch die lange Kartelldauer daran gewöhnt waren, dass die Preise nicht wettbewerblich gebildet werden und dass die Anbieter nach dem Ende des Kartells versuchen, das erreichte hohe Preisniveau möglichst lange beizubehalten. Es liegen hier keine Anhaltspunkte dafür vor, dass mit der Beendigung des Kartells etwa eine Absprache der Kartellanten verbunden war, das kartellbedingte Preisniveau sofort zu verlassen und sofort zu vermeintlichen Marktpreisen zurückzukehren. Für eine Nachwirkung des Kartells und ein "Abklingen" der Kartellwirkung im Jahr 2008 spricht vielmehr der Preisverlauf. Die Preise für Standardspanplatten fielen von 165 €/m³ im 4. Quartal 2007 über 161,25 €/m³, 140 €/m³ und 130 €/m³ in den ersten drei Quartalen 2008 bis auf 125 €/m³ im vierten Quartal 2008. Sie lagen im Durchschnitt des Jahres 2008 mit 139 €/m³ noch erheblich über dem Durchschnittspreis des vom Kartell nicht beeinflussten Vergleichszeitraums von 112,52 €/m³ (s. u.).
Soweit die Klägerin einen Kartellschaden noch bis Ende 2009 behauptet, hat sie nicht hinreichend dargetan, dass die Folgen des Kartells zu diesem Zeitpunkt noch fortbestanden. Im Jahr 2009 betrugen die Preise nur noch 88,75 €/m³ bis 111,25 €/m³. Sie lagen damit unter dem Durchschnittspreis des Vergleichszeitraums von 112,52 €, teilweise sogar unterhalb des Preisniveaus im Vorkartellzeitraum (m³-Preise von bis zu 117,60 € in den Jahren 1997 und 1998). Die Klägerin führt selbst aus, dass die Preise und Umsätze im Jahr 2009 einbrachen. Dass der anschließende Anstieg ab dem Jahr 2011 mit einer Preisspitze von 165,00 €/m³ im 2. Quartal 2011 und einem weiterhin verhältnismäßig hohen Preisniveau - ca. 125 €/m³ in den ersten drei Quartalen 2013 - auf der Fortwirkung des Kartelleffekts beruhte, hält der Senat wegen des Preisverfalls bis zum 3. Quartal 2009 auf 88,75 €/m³ und des zunehmenden zeitlichen Abstands zum Kartellende für nicht hinreichend wahrscheinlich.
(4) Nach dieser Maßgabe lässt sich die kartellbedingte Preisüberhöhung dadurch schätzen, dass die in der EUWID-Tabelle Anlage K10 genannten Preise für den Zeitraum Januar 2003 bis Dezember 2008 den durchschnittlichen Preisen in den Vergleichszeiträumen (Januar 1997 bis Dezember 2002 und Januar 2009 bis September 2013) - wie folgt - gegenübergestellt werden:
Addierte Durchschnittspreise Anfang 2003 bis 4. Quartal 2008 = | 3.046,50 € |
---|---|
geteilt durch 24 Quartale = | 126,94 € |
Der Durchschnittspreis für Standardspanplatten betrug im kartellwirksamen Zeitraum also | 126,94 €. |
Addierte Durchschnittspreise 1. Quartal 1997 bis 4. Quartal 2002: | 2.359,70 € |
---|---|
+ add. Durchschnittspreise 1. Quartal 2009 bis 3. Quartal 2013: | 2.478,72 € |
= | 4.838,42 € |
geteilt durch 43 Quartale = | 112,52 €. |
Danach liegt der durchschnittliche Preis im kartellwirksamen Zeitraum Anfang 2003 bis Ende 2008 um ca. 13 % höher als der durchschnittliche Preis aus den Zeiträumen davor und danach. Dies rechtfertigt unter Einbeziehung aller Umstände im Rahmen der Schadensschätzung nach § 287 ZPO den Schluss, dass von den Zahlungen der Klägerin und der Zedentinnen für Rohspanplatten im Zeitraum Januar 2003 bis Ende 2008 - im Rahmen der Gesamtschau (insbesondere: Preiskartell über sechs Jahre mit hoher Marktabdeckung) leicht nach oben korrigiert - ein Anteil von 12 % auf die kartellbedingte Preisüberhöhung zurückzuführen ist. Der Senat hat für die Ermittlung der durchschnittlichen Preise die Zeiträume zugrunde gelegt, für die ihm die Preise vorgetragen worden sind (EUWID-Preise). Soweit danach der herangezogene Vorkartellzeitraum etwas länger als der Nachkartellzeitraum ist, kann dies im Rahmen der Schadensschätzung hingenommen werden. Eine entsprechende Verkürzung des Vorkartellzeitraums führte zu keinem wesentlich abweichenden Ergebnis.
(5) Die Schadensschätzung anhand des gewählten zeitlichen Vergleichsmarktes auf der Grundlage der EUWID-Statistik ist sachgerecht.
Die Preise wurden von EUWID im Vergleichszeitraum, wie Herr R.1 beschrieben hat, auf demselben Wege wie im kartellwirksamen Zeitraum ermittelt, nämlich durch regelmäßige Abfragen bei den Spanplattenherstellern, aber auch bei Händlern und Verarbeitern. Die Methodik der Preiserhebung wurde nicht geändert. Es liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass die Vergleichspreise keine im Wettbewerb zustande gekommenen Preise sind. Nach dem Bußgeldbescheid endete die Kartellabsprache im Dezember 2007. Diese Feststellung ist bindend. Es ist auch nicht ersichtlich, dass das Kartell schon vor dem Jahr 2002 bestand. Für den Vorkartellzeitraum trägt die Klägerin selbst vor, dass die Preispolitik der Spanplattenhersteller von lebhaftem Wettbewerb geprägt gewesen sei und das Preisniveau geschwankt habe (Schriftsatz vom 19. Juni 2015, Seite 39 = Bl. 616 d. A.). Soweit es im Bußgeldbescheid heißt, dass der Kartellverstoß zumindest seit Anfang 2002 bis Dezember 2007 begangen worden sei (Seite 8 des Beschlusses in Bezug auf den Betroffenen J.), reicht diese Andeutung der Möglichkeit eines längeren Kartellzeitraums nicht aus.
Die EUWID-Statistik gibt zwar nur Preise für Standardspanplatten 16 mm bis 19 mm wieder. Hierbei handelt es sich aber um einen geeigneten sachlichen Vergleichsmarkt auch hinsichtlich der Preise für Spanplatten mit den Stärken 10 mm, 22 mm und 32 mm. Die m³-Preise für die Standardplatten 15 mm und 18 mm einerseits und die Platten 22 mm andererseits waren annähernd gleich (vgl. etwa Seite 85, 94 der Klageschrift). Dass die m³-Preise für die anderen Plattenstärken (meist nach oben) abwichen, wirkt sich nicht entscheidend auf die Schadensermittlung aus. Für die Schadensermittlung kommt es nur auf den durchschnittlichen Preisanstieg während des kartellwirksamen Zeitraums an. Dieser Preisanstieg bei den Spanplatten mit den Stärken 10 mm und 32 mm war nicht wesentlich anders als bei den Standardspanplatten. Auch die Beklagte und ihr Gutachter Prof. K. legen bei ihrer Schätzung des hypothetischen Wettbewerbspreises nur gewichtete Preise für Rohspanplatten der Stärken 15 mm und 18 mm zugrunde und weisen darauf hin, dass etwas 85 % des streitgegenständlichen Gesamtbezugs auf diese Plattenstärken entfielen (K.-Gutachten, Seite 20 = Bl. 928 d. A.; Schriftsatz der Beklagten vom 27. Oktober 2015, Seite 62 = Bl. 897 d. A.). Der Privatgutachter führt aus, dass der Preisverlauf bei Spanplatten der Stärken 22 mm und 32 mm dem Preisverlauf bei Spanplatten der Stärken 15 mm und 18 mm sehr ähnele (K.-Gutachten, Seite 20). Hinsichtlich der Umsätze mit Spanplatten 10 mm weist Prof. K. zutreffend darauf hin, dass die Umsätze vergleichsweise gering sind. Außerdem ist die Preisentwicklung auch hier ähnlich.
(6) Soweit die Klägerin ihre Schadensschätzung darauf stützt, dass der Wettbewerbspreis ohne die Kartellabreden im Zeitraum 2002 bis 2009 nur bei dem EUWID-Durchschnittspreis des Jahres 2002 von 78 €/m³ zuzüglich einer jährlichen Inflationsrate von 2 % gelegen hätte (Seite 62 ff. der Klageschrift), liegen dafür keine ausreichenden Anhaltspunkte vor.
Nach der EUWID-Statistik schwankten die Preise sowohl im Vorkartellzeitraum als auch im Nachkartellzeitraum stark, nämlich zwischen 86,92 €/m³ und 117,60 €/m³ bzw. zwischen 88,75 €/m³ und 165 €/m³. Zwar ist nicht auszuschließen, dass ein funktionierender Wettbewerb dazu geführt hätte, dass die Spanplattenpreise über einen längeren Zeitraum nur um jährlich 2 % gestiegen wären. Dass dies ausgerechnet auf der Basis der tiefen Preise von 78 €/m³ aus dem Jahr 2002 der Fall gewesen wäre, ist aber im Hinblick auf das sehr viel höhere Preisniveau sowohl im Vorkartellzeitraum ab Januar 1997 (bis zu 117,60 €/m³) als auch im Nachkartellzeitraum (Preise zwischen ca. 125 €/m³ und 165,00 €/m³ in den Jahren 2011 bis 2013) unwahrscheinlich.
ff) Ausgehend davon, dass der Schaden der Klägerin und der Zedentinnen 12 % der von ihnen im Zeitraum 2003 bis 2008 für die Spanplattenlieferungen geleisteten Zahlungen beträgt, ergibt sich eine Gesamtschadenssumme von 8.954.242,65 € (Klägerin aus eigenem Recht 3.948.246,77 €, Klägerin aus abgetretenem Recht der Zedentin H. 3.564.726,87 € und Klägerin aus abgetretenem Recht der Zedentin T. 1.441.269,01 €).
Es sind im Ausgangspunkt folgende Zahlungen der Klägerin und der Zedentinnen aus dem Zeitraum Januar 2003 bis Dezember 2008 zu berücksichtigen ("Korrigierte Zahlen" im Schriftsatz der Klägerin vom 17. Februar 2021, Seite 5 ff. i. V. m. Tabelle Anlage K 168 = Bl. 2837 ff., 2851 ff. d. A.):
Klägerin | 34.807.529,27 € |
---|---|
Zedentin H. | 31.241.504,84 € |
Zedentin T. | 12.531.789,29 € |
Bei den von der Klägerin an die Beklagte und GHP gezahlten Beträgen sind 3.286,38 € und 2.213,25 € abzuziehen (nachfolgend unter Ziff. (3)). Die in den Spanplattenrechnungen in einer Reihe von Fällen zugunsten der Klägerin und GHP als Abzugsposten angeführte "Frachtvergütung" ist für die Schadensberechnung ohne Bedeutung (Ziff. (4)). Wegen Skonto und Boni sind auf das Gesamtumsatzvolumen der Klägerin und der Zedentinnen weitere 4% in Abzug zu bringen. Ferner ist wegen sog. Bonuszahlungen - d. h. im Ergebnis Rückzahlungen der Beklagten an die Klägerin - ein weiterer Abzug von 371.398,03 € vorzunehmen. Darüber hinaus sind wegen von der Beklagten geleisteter Rückvergütungen bei den an die Klägerin geleisteten Gesamtvergütungen 157.656,20 €, bei den von der Zedentin H. geleisteten Gesamtvergütungen 297.695,25 € und bei den von der Zedentin T. geleisteten Gesamtvergütungen 20.773,56 € zu abzuziehen (nachfolgend unter Ziff. (5)).
Somit berechnen sich die Schadensersatzansprüche der Höhe nach wie folgt:
- Klägerin aus eigenem Recht:
34.807.529,27 € | in 2003 bis 2008 geleistete Zahlungen für Spanplattenkäufe |
---|---|
./. 3.286,38 € | Betrag, der nicht zur Schadenberechnung gehört |
./. 2.213,25 € | Betrag, der nicht zur Schadenberechnung gehört |
./. 371.398,03 € | Rechnungsabzüge wg. Bonus für Mitglieder der Einkaufskooperation Möbelindustrie GmbH |
./. 157.656,20 € | an die Klägerin gezahlte Rückvergütungen |
= 34.272.975,41 €. |
Dieser Betrag abzüglich 4 % für Skontogutschriften und Boni (1.370.919,02 €) ergibt die in den Jahren 2003 bis 2008 von der Klägerin geleistete Gesamtvergütung von 32.902.056,40 €. Hiervon 12 %-Anteil der kartellbedingten Preisüberhöhung - sind 3.948.246,77 €.
- Anspruch aus abgetretenem Recht der Zedentin H.:
31.241.504,84 € | in 2003 bis 2008 geleistete Zahlungen für Spanplattenkäufe |
---|---|
./. 297.695,25 € | an die Zedentin H. geleistete Rückvergütungen |
= 30.943.809,59 € |
Dieser Betrag abzüglich 4 % für Skontogutschriften und Boni (1.237.752,38 €) ergibt die in den Jahren 2003 bis 2008 von der Zedentin H. geleistete Gesamtvergütung von 29.706.057,21 €. Hiervon 12 % sind 3.564.726,87 €.
- Anspruch aus abgetretenem Recht der Zedentin T.:
12.531.789,29 € | in 2003 bis 2008 geleistete Zahlungen für Spanplattenkäufe |
---|---|
./. 20.773,56 € | an die Zedentin T. geleistete Rückvergütungen |
= 12.511.015,73 € |
Dieser Betrag abzüglich 4 % für Skontogutschriften und Boni (500.440,63 €) ergibt die in den Jahren 2003 bis 2008 von der Zedentin H. geleistete Gesamtvergütung von 12.010.575,11 €. Hiervon 12 % sind 1.441.269,01 €.
Die Schadensersatzansprüche aus eigenem Recht und aus abgetretenem Recht betragen somit zusammen 8.954.242,65 € (Klägerin 3.948.246,77 €,
H. 3.564.726,87 € und T. 1.441.269,01 €).
Im Einzelnen:
(1) Die von der Klägerin im Schriftsatz vom 17. Februar 2021 in Verbindung mit dem weiteren Vortrag insbesondere in der Klageschrift dargelegten von der Klägerin und den Zedentinnen bezahlten Rechnungsbeträge können mit den nachfolgend angeführten Korrekturen für die Schadensschätzung zugrunde gelegt werden.
(a) Die Klägerin hat dargelegt, aus welchen Bezugsgeschäften mit welchen gezahlten Rechnungsbeträgen sich der geltend gemachte Schaden ergibt. Sie hat dazu Tabellen vorgelegt, in denen die einzelnen Lieferungen mit jeweiligem Empfänger, Lieferant, Buchungsdatum usw. aufgelistet sind. Diese Tabellen haben der Beklagten und den Streithelferinnen vollständig vorgelegen, nachdem die Klägerin fehlende Teile nachgereicht hat und die Prozessbevollmächtigten der Beklagten Akteneinsicht genommen haben (vgl. Sitzungsprotokoll vom 25. November 2020, Seite 14 = Bl. 2815 d. A.). Es kann offen bleiben, ob die Beklagte und ihre Streithelfer bereits anhand dieser Dokumente substantiiert bestreiten konnten. Denn nach der mündlichen Verhandlung vom 25. November 2020, in der die Frage des erheblichen Bestreitens durch die Beklagte und die Streithelferinnen erörtert worden ist, hat die Klägerin ergänzend vorgetragen. Sie hat dem Gericht, der Beklagten und den Streithelferinnen Datenträger mit Excel-Tabellen übergeben, denen detaillierte Angaben für jedes einzelne Erwerbsgeschäft zu entnehmen sind, insbesondere mit Buchungsdatum, Lieferant, Menge, Netto-Rechnungsbetrag, Plattenstärke, m³-Preis und Rechnungsnummer des Lieferanten. Jedes einzelne Erwerbsgeschäft ist mit einem Link versehen, über den der betreffende Beleg als PDF-Datei aufzurufen ist, wobei es sich fast durchweg um die jeweilige Lieferantenrechnung, in einzelnen Fällen stattdessen um Buchhaltungsunterlagen der Klägerin handelt (Kreditorenkonto für den betreffenden Lieferanten). Soweit sich daraus gegenüber dem erstinstanzlichen Vortrag um insgesamt geringere 534.012,59 € Rechnungsbeträge ergeben, hat die Klägerin in den Excel-Dateien (jeweils im Tabellenblatt "geänderte Pos.") dargelegt, wie sich die Differenzen berechnen und wie sie sich auf die einzelnen Lieferanten und die einzelnen Rechnungen verteilen. Ferner hat die Klägerin im Schriftsatz vom 17. Februar 2021 und den Tabellen Anlage K 168 aufgezeigt, dass sich nach der korrigierten Berechnung für die Jahre 2002 bis 2009 Zahlungen der Klägerin in Höhe von 42.920.624,55 € sowie Zahlungen der Zedentinnen H. und T. von 37.684.997,06 € bzw. 17.130.101,94 € ergeben (Bl. 2835 ff. d. A.). Die Verteilung auf die einzelnen Jahre ist der Anlage K 168 zu diesem Schriftsatz zu entnehmen (Bl. 2851 ff. d. A.). Jedenfalls mit Hilfe dieses Vortrags müssen die Beklagte und die Streithelfer in der Lage sein, substantiiert zu bestreiten, zumindest soweit es ihre eigenen Lieferungen betrifft.
Die Beklagte bestreitet den Klagevortrag zu Spanplattenlieferungen Dritter mit Nichtwissen. Damit hat sie keinen Erfolg. Insoweit braucht nicht entschieden zu werden, ob das Bestreiten mit Nichtwissen zulässig ist oder ob die Beklagte als Gesamtschuldnerin eine Informationsverschaffungspflicht bezüglich der Verkaufsgeschäfte ihrer Mitkartellanten hat (vgl. OLG Karlsruhe, Urteil vom 9. November 2016 - 6 U 204/15 Kart (2), juris Rn. 65; OLG Düsseldorf, Urteil vom 22. August 2018 - VI-U (Kart) 1/17, juris Rn. 168). Die Erheblichkeit des Bestreitens unterstellt, ist es nämlich bei Würdigung der gesamten Umstände bewiesen, dass die vorgetragenen Erwerbsgeschäfte tatsächlich vorgenommen wurden. Die Klägerin hat zu jedem der weit mehr als 20.000 Erwerbsgeschäfte einen Beleg vorgelegt. In der Regel sind dies die Lieferantenrechnung, in den übrigen Fällen Auszüge aus den Kreditorenkonten der Klägerin. Darüber hinaus hat die Klägerin, damit die Beklagte eine weitere Überprüfungsmöglichkeit hat, zu den Rechnungsbeträgen der anderen Lieferanten als der Beklagten und der Streithelfer mit Schriftsatz vom 2. Juni 2021, Seite 4 i. V. m. den Anlagen K 171, K 172 Auszüge aus dem betreffenden Sachkonto vorgelegt und erläutert (Bl. 2958 f., 2969 ff. d. A.). Der Senat ist davon überzeugt, dass es sich dabei um die wirklichen Dokumente aus der Buchhaltung der Klägerin handelt. Die Klägerin musste bei der Vorlage der Unterlagen, die die Mitkartellanten der Beklagten oder andere Lieferunternehmen betreffen, damit rechnen, dass diese von den Streithelferinnen anhand der bei ihnen vorhandenen Unterlagen oder - bei dem verhältnismäßig geringen Anteil von Lieferungen anderer Unternehmen - durch Rückfragen der Beklagten bei diesen Lieferanten überprüft würden. Bei den Streithelferinnen liegt es nahe, dass auch sie ein Interesse daran haben, dass die Beklagte nicht wegen Lieferungen verurteilt wird, die es tatsächlich nicht gab. Denn für die Streithelferinnen ist absehbar, dass die Beklagte im Falle einer Verurteilung Regressansprüche gegen sie geltend machen würde, wie sie dies bereits angekündigt hat. Soweit es um Doppelberechnungen oder ähnliches geht, kann die Beklagte aufgrund der von der Klägerin vorgelegten Rechnungen, teilweise auch aufgrund der Buchhaltungsunterlagen, eigene Überprüfungen vornehmen und ggf. substantiiert bestreiten.
(b) Die Beklagte hat die vorgetragenen Zahlungen der Klägerin und der Zedentinnen mit Ausnahme der nachfolgend erörterten Punkte nicht substantiiert bestritten, jedenfalls soweit es ihre eigenen Lieferungen betrifft. Im Übrigen hat der Senat keine Zweifel, dass die von der Klägerin zuletzt vorgetragenen Erwerbsgeschäfte und die darauf geleisteten Zahlungen tatsächlich erfolgten.
Der Senat hat keine Zweifel, dass die von der Klägerin vorgetragenen Zahlungen für die Spanplattenkäufe tatsächlich geleistet wurden. Die Klägerin hat die Zahlungen für die Spanplattenkäufe, wie ausgeführt, im Einzelnen dargelegt und ganz überwiegend belegt. Es liegen keinerlei konkrete Anhaltspunkte vor, dass Rechnungen nicht ausgeglichen wurden. Die Klägerin hat für eine stichprobenweise Überprüfung für 14 vom Senat herausgegriffene Rechnungen Zahlungsbelege vorgelegt (Beschluss vom 30. Juli 2020 = Bl. 2303 f. d. A.; Schriftsatz der Klägerin vom 9. Oktober 2020, Seite 12 ff., mit Anlagen K 147a bis 160c = Bl. 2439 ff., 2486 ff. d. A.).
(2) Die Beklagte behauptet im Schriftsatz vom 12.04.2021, dass in den Anlagen K 2 und K 3 mehrere Positionen doppelt aufgeführt seien; hieraus ergebe sich ein um 55.926,16 € überhöhter Rechnungsbetrag (Bl. 2889 f. d. A. mit Aufstellung Bl. 2898 d. A.). Die Klägerin hat hierauf erwidert, es sei zwar richtig, dass die in der Aufstellung der Beklagten aufgeführten Rechnungen zur Hälfte jeweils mit derselben Lieferanten-Rechnungsnummer hinterlegt seien; die auf den Rechnungen handschriftlich hinzugefügte Nummern wiesen aber auf einen jeweils anderen Bestellvorgang hin; sämtliche aufgeführten Beträge seien auch gezahlt, was die Beklagte anhand ihrer Zahlungseingänge selbst feststellen könne (Schriftsatz vom 02.06.2021, Seite 6 = Bl. 1960 d. A.). Der Senat geht von der Richtigkeit dieses Klagevortrags aus, auch wenn die Beklagte nunmehr vorträgt, sie kenne die handschriftlichen Nummern nicht. Die von der Beklagten behauptete Doppelberechnung aus 2002 in Höhe von 3.412,40 € spielt für die Schadensberechnung ohnehin keine Rolle.
(3) Die Beklagte trägt vor, dass sich bei sechs der vorgetragenen Lieferungen in einem Gesamtumfang von 15.297,27 € entsprechende Positionen in ihren Fakturen nicht gefunden hätten (Schriftsatz vom 12. April 2021, Seite 6 f. = Bl. 2889 f. d. A. mit Aufstellung Bl. 2898 d. A.). Von den sechs Positionen sind die ersten vier für den "kartellwirksamen Zeitraum" nicht von Interesse, weil sie aus dem Jahr 2002 stammen. Die letzten beiden Positionen von 3.286,38 € und 2.213,25 € sind bei den von der Klägerin an die Beklagte und GHP gezahlten Beträgen abzuziehen (vgl. auch Schriftsatz der Klägerin vom 02.06.2021, Seite 6 = Bl. 2960 d. A.).
(4) Die Beklagte macht geltend, die von der Klägerin bei der Schadensberechnung zugrunde gelegten Rechnungen beinhalteten teilweise Positionen für die Anlieferung per LKW, obwohl die Waren kundenseitig abgeholt worden seien, so dass die Beklagte und GHP die betreffenden Posten von den Rechnungen abgezogen hätten; diese Posten von zusammen 449.096,59 € seien auch nicht bezahlt worden (Bl. 267 f. d. A., Schriftsatz der Beklagten vom 12.04.2021, Seite 4 f. i. V. m. Aufstellung der gewährten Frachtvergütungen = Bl. 2887 f., 2899 ff. d. A.). Dieser Vortrag greift nicht durch.
Die Spanplattenpreise des Vergleichsmarkts enthalten Frachtkosten für die Anlieferung der Platten an die Kunden. Die Spanplattenpreise beinhalten üblicherweise die Anlieferung. Frachtkosten für die Anlieferung an die Kunden sind also Bestandteil des Spanplattenpreises. Der EUWID-Mitarbeiter R.1 hat in seiner schriftlichen Beantwortung der ihm vorgelegten Fragen bestätigt, dass Basis der EUWID-Preisabfrage "frei Werk-Preise" seien, d. h. Transportkosten seien in den Preisen enthalten. Dementsprechend trugen auch die Veröffentlichungen der EUWID-Einkaufspreise für Spanplatten den Hinweis "franko" (Schriftsatz der Klägerin vom 09.10.2020, Seite 4 = Bl. 2431 d. A.). Der Senat hat keinen Anlass, diese Angaben zu bezweifeln. Die Schätzung einer Preisüberhöhung von 13 % beruht daher auf Preisen für Spanplattenlieferungen einschließlich der Nebenleistung Anlieferung.
Soweit die Klägerin oder GHP bei einem geringen Teil der Lieferungen die Spanplatten selbst von den Herstellern abholten und die Hersteller deshalb in den Spanplattenrechnungen eine "Frachtvergütung" abzogen, spielt dies für die Schadensberechnung keine Rolle. Es ändert nichts an den in Rechnung gestellten Spanplattenvergütungen, die die Klägerin bzw. GHP im Wege der Verrechnung ihres Vergütungsanspruchs für das Selbstabholen und durch Zahlung der verbleibenden Summe ausgeglichen haben.
(5) Was Skonto und Boni betrifft, sind auf das Gesamtumsatzvolumen 4 % in Abzug zu bringen. Wegen weiterer Bonuszahlungen im Schriftsatz der Beklagten vom 19. Juni 2015 ist bei den von der Klägerin geleisteten Gesamtvergütungen ein Abzug von 371.398,03 € vorzunehmen. Darüber hinaus sind wegen von der Beklagten geleisteter Rückvergütungen bei den von der Klägerin geleisteten Gesamtvergütungen 157.656,20 €, bei den von der Zedentin H. geleisteten Gesamtvergütungen 297.695,25 € und bei den von der Zedentin T. geleisteten Gesamtvergütungen 20.773,56 € zu abzuziehen.
Die Klägerin hat für die einzelnen Lieferanten und Jahre dargelegt, dass die ihr und den Zedentinnen meist (zu ca. 95 %) gewährten Skonti im Jahresdurchschnitt zwischen 3,06 % und 3,80 % betrugen, im hier maßgeblichen Zeitraum 2003 bis Ende 2008 durchschnittlich für die Klägerin und die beiden Zedentinnen jeweils 3,5 % (vgl. Schriftsatz vom 9. Oktober 2020, Seite 4 ff. = Bl. 2431 ff. d. A., vgl. Schriftsatz vom 2. Juni 2021, Seite 3 = Bl. 2957 d. A.). Dies entspricht der Darstellung der Beklagten und der Streithelferinnen über einen Abschlag für Skonto von durchschnittlich 3 % bis 4 % (Schriftsatz der Beklagten vom 17. Oktober 2015, Seite 50 = Bl. 885 f. d. A., Schriftsatz vom 20. Oktober 2020, Seite 34 f. = Bl. 2626 f. d. A.) sowie dem Vortrag der Streithelferin E., dass von der Streithelferin E. ein Skonto in Höhe von 4 % gewährt worden sei (Schriftsatz vom 09.10.2020, Seite 5 = Bl. 2418 d. A.; Schriftsatz der Streithelferin H. vom 9. Oktober 2020, Seite 4 = Bl. 2404 d. A.; Schriftsatz der Streithelferinnen K.4 vom 12. April 2021, Seite 3 = Bl. 2878 d. A.). Zu berücksichtigen sind ferner von der Beklagten an die Klägerin und die Zedentinnen gezahlte Boni, welche nach dem Klagevortrag im Schriftsatz vom 9. Oktober 2020, Seite 9 ff. (= Bl. 2436 ff. d. A.) im hier als kartellwirksam angenommenen Zeitraum 2003 bis 2008 durchschnittlich 0,39 % des Gesamtrechnungswerts betrugen, und zwar bei der Klägerin rund 0,6 %, bei der Zedentin H. 0,08 % und bei der Zedentin T. 0,76 %. Aufgrund des Beklagtenvortrags sind hiervon wesentlich abweichende Boni für den Zeitraum 2003 bis 2008 nicht festzustellen (vgl. Schriftsatz der Beklagten vom 12.04.2021, Seite 8 = Bl. 2945 d. A.). Der Senat legt einen durchschnittlichen Abzug von 4 % für Skonto und Boni zusammen zugrunde. Dies entspricht weitgehend dem Beklagtenvortrag, dass ausgehend von einem Gesamtrechnungsvolumen der Klägerin und der Zedentinnen gegenüber der Beklagten von 42.778.336,39 € Skonto und Boni in Höhe von mindestens 1.742.898,26 € abgezogen werden müssten (Schriftsatz vom 12.04.2021, Seite 4 = Bl. 2940 f. d. A.).
Die Beklagte macht geltend, dass sie in den Jahren 2003 bis 2008 einen weiteren Bonus von 1 % auf den Gesamtrechnungsbetrag nach Abzug von Fracht- und Rückvergütungen (in 2008 auch nach Abzug von Skonto) für die Mitglieder der Einkaufskooperation Möbelindustrie GmbH gezahlt habe. Dieser sei gegenüber der Einkaufskooperation abgerechnet worden und der Klägerin und den Zedentinnen wirtschaftlich zugutegekommen. Hieraus hätten sich weitere Bonuszahlungen der Beklagten von 371.398,03 € ergeben, die zusätzlich abzuziehen seien (Schriftsatz vom 20.10.2020, Seite 33 = Bl. 2625 d. A.; Schriftsatz vom 12. April 2021, Seite 8 f. = Bl. 2891 f. d. A. mit Anlagen Bl. 2931 ff. d. A.). Die Klägerin hat diesen Sachverhalt als solchen nicht weiter bestritten (vgl. Schriftsatz der Klägerin vom 02.06.2021, Seite 1 ff. = Bl. 2955 ff. d. A.). Soweit sie meint, dass die Boni aus Rechtsgründen ihren Schadensersatzanspruch nicht minderten, weil sie auf einer gesonderten Vereinbarung beruht hätten und nur nachträglich beim Überschreiten bestimmter Umsatzschwellen gezahlt worden seien, folgt der Senat dem nicht. Für die Schadensberechnung kommt es darauf an, welche Zahlungen die Klägerin für die kartellbefangenen Lieferungen effektiv nach Abzug von Skonto, Boni und Rückvergütungen leistete und welchen Anteil hieran die kartellbedingte Preisüberhöhung ausmachte. Schaden kann nur ein Teil derjenigen Vergütungen sein, die die Klägerin und die Zedentinnen tatsächlich an die Lieferanten zahlten. Der Senat folgt deshalb in diesem Punkt dem Vortrag der Beklagten.
Auch "Rückvergütungen" sind abzuziehen. Die Beklagte behauptet, dass sie Rückvergütungen geleistet habe, nämlich in den Jahren 2003 bis 2008 an die Klägerin 157.656,20 €, an die Zedentin H. 297.695,25 € und an die Zedentin T. 20.773,56 € (vgl. Anlage B 2 = Bl. 2921 d. A.). Die Klägerin hat die Rückvergütungen zunächst nur bezüglich einiger Teilbeträge bestätigt und im Übrigen geltend gemacht, dass die Beklagte die Gutschriften vorlegen müsse (Schriftsatz vom 9. November 2020, Seite 15 f. = Bl. 2706 f. d. A.). Nachdem die Beklagte Auszüge aus ihrer Buchhaltung zu den Rückbuchungsvorgängen vorgelegt hat (Schriftsatz vom 12.04.2021, Seite 6 mit Anlagenkonvolut B 3 = Bl. 2889, 2922 ff. d. A.), hat die Klägerin hierauf nicht mehr substantiiert erwidert und sich mit den Belegen nicht auseinandergesetzt.
gg) Auf den Einwand der teilweisen oder vollständigen Schadensweiterreichung kann sich die Beklagte nicht mit Erfolg berufen.
(1) Die Frage, ob der Ersatzanspruch des Geschädigten ausgeschlossen oder gemindert ist, weil der Geschädigte den kartellbedingten Preisaufschlag auf seine Kunden abgewälzt hat, ist nach den Grundsätzen der Vorteilsausgleichung zu beurteilen (vgl. BGH, Urteil vom 28. Juni 2011 - KZR 75/10, juris Rn. 57 ff. - ORWI). Unter Berücksichtigung der aus § 242 BGB abgeleiteten Grundsätze ist ein angemessener Interessenausgleich zwischen den beim Ausgleich von Vermögensschäden widerstreitenden Interessen herbeizuführen. Dabei soll der Geschädigte einerseits nicht bessergestellt werden, als er ohne das schädigende Ereignis stünde, sollen ihm aber andererseits auch nur solche Vorteile auf den Schadensersatzanspruch angerechnet werden, deren Anrechnung mit dem Zweck des Ersatzanspruchs übereinstimmt, also dem Geschädigten zumutbar ist und den Schädiger nicht unangemessen entlastet (BGH, Urteil vom 23. September 2020 - KZR 4/19, juris Rn. 35 - Schienenkartell V).
Es ist Sache des beklagten Kartellteilnehmers, zunächst anhand der allgemeinen Marktverhältnisse auf dem relevanten Absatzmarkt, insbesondere der Nachfrageelastizität, der Preisentwicklung und der Produkteigenschaften, plausibel dazu vorzutragen, dass eine Weiterwälzung der kartellbedingten Preiserhöhung zumindest ernsthaft in Betracht kommt. Dies bedeutet, dass der Kartellbeteiligte, der sich auf den Einwand der Vorteilsausgleichung berufen will, greifbare Anhaltspunkte vorzubringen hat, die für eine Weitergabe des kartellbedingten Schadens sprechen, wobei der erforderliche Detaillierungsgrad des Vorbringens den Umständen des Einzelfalles Rechnung zu tragen hat. Derjenige, der den Einwand erhebt, muss konkret darlegen, dass die Preiserhöhung gerade auf das Kartellgeschehen und nicht etwa auf andere preisbildende Faktoren zurückgeht. Dabei kommt die Annahme einer sekundären Darlegungslast des Kartellgeschädigten im Hinblick auf die näheren Umstände seiner Preiskalkulation nur ausnahmsweise in Betracht (vgl. BGH, Urteil vom 23. September 2020 - KZR 4/19, juris Rn. 38 - Schienenkartell V).
(2) Dieser Darlegungslast ist die Beklagte nicht nachgekommen.
Soweit sie vorgetragen hat, die Möbelhersteller in Deutschland hätten ihre Preise nach den Daten des statistischen Bundesamtes im Zeitraum von 2002 bis 2009 kontinuierlich von einem Erzeugerpreisindex (2010 = 100) von 88 auf 99,6 angehoben (Schriftsatz vom 21. April 2015, Seite 65 = Bl. 284 d. A.), genügt diese Behauptung für die Darlegung des Ursachenzusammenhangs nicht. Ein Preisanstieg bei Möbeln in dieser Größenordnung über einen Zeitraum von sieben Jahren gäbe kaum etwas dafür her, dass die (maßvolle) Erhöhung der Möbelpreise auf den kartellbedingt erhöhten Spanplattenpreisen beruhte. Vielmehr spräche ein solcher Preisanstieg angesichts eines Preisanstiegs für Standardrohspanplatten von 75 €/m³ im Jahr 2002 auf über 160 €/m³ im Jahr 2007 eher dagegen, dass der durch die Kartellabsprachen verursachte Preisanstieg an die Kunden der Klägerin bzw. der Zedentinnen weitergegeben worden ist. Der Erzeugerpreisindex für Schlafzimmermöbel soll im Zeitraum von 2002 bis 2009 sogar nur von 92,8 auf 99,6 gestiegen sein (vgl. von der Beklagten vorgetragene Statistik, Schriftsatz vom 4. Juni 2015 = Bl. 468, 546 d. A.). Der Anstieg des Erzeugerpreisindexes für Betten und Liegen ab 2002 war nach dem Beklagtenvortrag zwar höher, nämlich von 75 im Jahr 2002 auf 88 bis 2007 und auf 99,7 bis 2009 (Anlage B 26 zum Schriftsatz der Beklagten vom 4. Juni 2015 = Bl. 547 d. A.). Auch dieser Gesichtspunkt ist aber angesichts des Preisanstiegs bei Spanplatten von weit über 100 % in denselben Zeitraum wenig aussagekräftig im Hinblick auf die behauptete Schadensweiterwälzung.
Ferner hat das Landgericht zu Recht eine hinreichende Darlegung zu der Entwicklung der konkret von der Klägerin und den Zedentinnen erzielten Möbelpreise im Kartellzeitraum vermisst und dazu ausgeführt, dass die von der Beklagten zitierte Ankündigung der Klägerin aus August 2000 zu einer eventuellen - ausdrücklich nur beschränkten - Weitergabe erhöhter Aufwendungen an die Kunden, Anlage B 19, bereits deswegen nicht aussagekräftig sei, weil sie weit vor dem Kartellzeitraum ab dem Jahr 2002 lag. Aus der als Anlage B 21 vorgelegten Mitteilung des Hauptgeschäftsführers des deutschen Holz- und Möbelindustrieverbandes e. V. vom 7. September 2006 ergibt sich ebenfalls nicht hinreichend, dass und in welchem Umfang im streitgegenständlichen Zeitraum Preiserhöhungen durch die Klägerin und die Zedentinnen erfolgten (vgl. LGU S. 13).
Das Vorbringen, die Klägerin und die Zedentinnen hätten die ihnen entstandenen Kostensteigerung vollständig innerhalb der W. Gruppe an die für den Verkauf der Möbel zuständige WIMEX abgewälzt, welcher es gegenüber ihren Abnehmern gelungen sei, Preissteigerungen jedenfalls im Umfang des Preisanstiegs für Rohspanplatten durchzusetzen (Schriftsatz vom 27. Oktober 2015, Seite 74 ff. = Bl. 909 ff. d. A.), hat die Klägerin bestritten. Konkreten Sachvortrag hat die Beklagte insoweit nicht gehalten. Die Beklagte hat auch nicht vorgetragen, dass eine (etwaige) Preiserhöhung nicht mit Absatzminderungen einhergegangen ist. Da es an einer hinreichenden Darlegung der Beklagten fehlt, ist der von der Beklagten als Zeuge benannte Mitarbeiter der Klägerin nicht zu vernehmen.
Schließlich mangelt es an einem ausreichenden Vortrag der Beklagten dazu, wie sich die eigenen Wertschöpfungsanteile der Klägerin und der Zedentinnen auf den Vorteilsausgleich auswirkten und ob sich etwaige Preiserhöhungen auf den eigenen Wertschöpfungsanteil bezogen (vgl. bereits LGU 13 f.). Die Klägerin trägt u. a. vor, dass sie die gekauften Rohspanplatten durch Bearbeitung und Beschichtung für den Einsatz in ihrer Möbelfabrikation veredele. Den Beklagtenvortrag als richtig unterstellt, liegt der Anteil der Materialkosten an den Gesamtproduktionskosten der Möbelindustrie bei 50 % (Bl. 461 d. A.). Die Kosten für Rohspanplatten machen aber nur einen Teil der Materialkosten aus. Erhöhte Möbelpreise könnten daher nicht nur auf eigene Wertschöpfungsanteile der Möbelproduzenten, sondern auch auf gestiegene Einkaufspreise für andere Materialien als Rohspanplatten zurückzuführen sein. Die Beklagte hat selbst vorgetragen, steigende Preise für Rohspanplatten ließen sich bereits durch solche Erhöhungen des Abgabepreises gegenüber dem Möbeleinzelhandel auffangen, die in Relation zum gesamten Verkaufspreis kaum ins Gewicht fielen (Schriftsatz vom 4. Juni 2015, Seite 15 = Bl. 463 d. A.).
Angesichts des auch in der Berufungsinstanz unzureichenden Vortrags der Beklagten zu den für eine Vorteilsausgleichung sprechenden Umständen besteht keine sekundäre Darlegungslast der Klägerin. Mit der Berufung hat die Beklagte ein Kurzgutachten des Privatgutachters Prof. K. vom 7. Oktober 2016 zur Schätzung des Passing-On der Kartellpreisaufschläge im Spanplattenkartell vorgelegt (Bl. 1240 ff. d. A.). Dieses neu vorgelegte Mittel zur näheren Substantiierung ihres in erster Instanz trotz gerichtlichen Hinweises (Bl. 405 d. A.) unschlüssig gebliebenen Sachvortrages ist bereits nicht zuzulassen, § 531 Abs. 2 ZPO. Es rechtfertigt auch keine andere Beurteilung. Grundlage des Gutachtens sind nicht die Preise der Klägerin und der Zedentinnen, sondern Preise eines angeblich vergleichbaren Mitbewerbers, die sich auf einen Zeitraum bis 2013 erstrecken. Die Klägerin bestreitet die Vergleichbarkeit der Produkte. Das Gutachten weist selbst darauf hin, dass die verwendete Datengrundlage - fünf Produkte eines einzigen Möbelproduzenten - nur begrenzte statistische Schlüsse zulasse (Gutachten, Seite 5 ff. und Seite 11; vgl. auch Schriftsatz der Klägerin vom 19. Januar 2017, S. 25, Rn. 154 = Bl. 1307 d. A.). Darüber hinaus handelt es sich um einen Konkurrenten, der jedenfalls zeitweilig an dem Kartell beteiligt war und der für seine Möbelproduktion Spanplatten nutzt, die in der eigenen Unternehmensgruppe - von der R. Spanplatten GmbH - produziert werden (Rn. 24 des Gutachtens; Klagevortrag Bl. 1306 d. A.). Ferner fehlt in dem Gutachten eine Auseinandersetzung mit der Nachfrageelastizität unter Berücksichtigung der Marktmacht der Möbelhändler.
(3) Der Einwand der Schadensweitergabe greift aus einem weiteren Grund nicht durch:
Die Anrechnung der dem Geschädigten zugeflossenen Vorteile muss dem Zweck des Schadensrechts entsprechen, dem Geschädigten zumutbar sein und darf den Schädiger auch nicht unangemessen entlasten. Insofern ist der rechtliche Schadensbegriff vom ökonomischen zu unterscheiden. Der Schadensersatzanspruch dient in erster Linie dem Ausgleich von Vermögensschäden des von der Kartellabsprache Betroffenen. Er ist allerdings integraler Bestandteil des Systems zur effektiven Durchsetzung kartellrechtlicher Verbotstatbestände und ergänzt die behördliche Durchsetzung dieser Vorschriften. Insoweit ist im Interesse der Wahrung eines unverfälschten Wettbewerbs darauf zu achten, dass der Kartellbeteiligte auch tatsächlich für sämtliche durch den Kartellverstoß entstandenen Schäden eintritt. Könnte dieser damit rechnen, einer zivilrechtlichen Haftung teilweise oder gar insgesamt zu entgehen, so bedeutete dies, dass er - ungeachtet der bußgeldrechtlichen Folgen des Verstoßes - die Früchte des rechtswidrigen Verhaltens vollständig oder zumindest teilweise behalten könnte; zugleich fehlte dem Primärgeschädigten ein Anreiz zur Geltendmachung und Aufklärung des Primärschadens. Dies stünde mit dem Zweck der zivilrechtlichen Ansprüche, eine effektive Durchsetzung der kartellrechtlichen Verbotstatbestände zu gewährleisten, in unauflösbarem Widerspruch. Besondere Schwierigkeiten ergeben sich dann, wenn dem Primärgeschädigten ein Schadensersatzanspruch unter Anwendung der Grundsätze der Vorteilsausgleichung wegen einer Weitergabe kartellbedingt erhöhter Einstandskosten - teilweise oder gänzlich - versagt wird und die mittelbaren Abnehmer auf nachgelagerten Vertriebs- oder Wertschöpfungsstufen den ihnen hieraus entstehenden Schaden nur schwer erfassen können und voraussichtlich gegenüber den Kartellbeteiligten nicht geltend machen, so dass eine mehrfache Inanspruchnahme der Kartellbeteiligten nicht zu besorgen ist und statt dessen ihre jedenfalls teilweise Freistellung von der Haftung für die Folgen der Verfälschung des Preisniveaus auf dem kartellierten Markt droht (BGH, Urteil vom 23. September 2020 - KZR 4/19, juris Rn. 48 ff. - Schienenkartell V).
So ist es hier. Für die Käufer der von der Klägerin und den Zedentinnen produzierten Möbel kommt, jedenfalls soweit es sich um kleinere oder mittlere Möbelhändler handelt, nur ein relativ geringfügiger Anspruch gegen die an Kartell beteiligten Spanplattenhersteller in Betracht, dessen Durchsetzung mit großen Schwierigkeiten verbunden wäre. Es ist auch nicht ersichtlich, dass Kunden der Klägerin oder der Zedentinnen solche Ansprüche gegenüber den Kartellteilnehmern erhoben haben.
hh) Der Senat ist bei der Schadensschätzung nach § 287 ZPO nicht daran gebunden, dass die Klägerin aufgrund ihrer abweichenden Berechnungsmethode für einzelne Erwerbsgeschäfte oder einzelne Zeiträume - insbesondere das Jahr 2003 - einen geringeren Schaden errechnet hat. Es handelt sich zwar bei den aus den einzelnen Beschaffungsvorgängen abgeleiteten Schäden materiellrechtlich um selbständige Ansprüche (BGH, Urteil vom 23. September 2020 - KZR 4/19, juris Rn. 70 - Schienenkartell V). Von der Klägerin wird aber ein ihr und den Zedentinnen aus dem Kartellverstoß jeweils entstandener einheitlicher Gesamtschaden geltend gemacht, über dessen Höhe das Gericht unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung entscheidet. Jedenfalls bei homogenen Gütern wie Spanplatten und einer sehr großen Anzahl von Erwerbsgeschäften - wie hier - stellt die Schadensersatzforderung eines Kartellgeschädigten mit ihrem Gesamtbetrag einen einheitlichen Streitgegenstand dar. Die Annahme, dass für jedes der mehr als 20.000 Erwerbsgeschäfte ein gesonderter Schaden ermittelt werden müsste, wäre nicht praktikabel und würde dem europarechtlichen Effektivitätsgrundsatz zuwiderlaufen.
f) Ein Mitverschulden der Klägerin hat die hierfür darlegungs- und beweisbelastete Beklagte aus den im erstinstanzlichen Urteil genannten Gründen nicht mit Substanz vorgetragen.
Die Beklagte hat lediglich pauschal behauptet, der Klägerin und den Zedentinnen sei vorzuwerfen, dass sie es unterlassen hätten, Spanplatten bei alternativen und mutmaßlich günstigeren Bezugsquellen - Kartellaußenseitern - zu beschaffen. Unabhängig davon, dass dies als eine vollkommen pauschale, nicht überprüfbare Behauptung anzusehen ist, negiert die Beklagte damit zu Unrecht die kartellbedingten Auswirkungen auf die Preise von Kartellaußenseitern (zum "Preisschirmeffekt" s. o.). Die Beklagte hat zwar auch vorgetragen, die Klägerin und die Zedentinnen hätten die Spanplatten aus dem angrenzenden Ausland beziehen können, was trotz signifikanter Transportkosten günstiger gewesen wäre. Dieses Vorbringen greift aber aus den genannten Gründen nicht durch.
5. Dem Anspruch der Klägerin steht auch nicht die von der Beklagten erhobene Einrede der Verjährung entgegen.
a) Nach der Übergangsvorschrift des § 186 Abs. 3 Satz 2 GWB ist § 33h GWB auf vor dem 27. Dezember 2016 entstandene Schadensersatzansprüche wegen eines Verstoßes gegen eine Vorschrift im Sinne des § 33 Absatz 1 oder gegen eine Verfügung der Kartellbehörde anzuwenden, die am 9. Juni 2017 noch nicht verjährt waren. Gemäß § 186 Abs. 3 Satz 3 GWB richtet sich der Beginn, die Hemmung, die Ablaufhemmung und der Neubeginn der Verjährung der Ansprüche, die vor dem 27. Dezember 2016 entstanden sind, für die Zeit bis zum 8. Juni 2017 jedoch nach den bisher für diese Ansprüche jeweils geltenden Verjährungsvorschriften. Infolgedessen ist ohne Rückgriff auf die neue Regelung des § 33h GWB festzustellen, ob der von der Klägerin geltend gemachte Schadensersatzanspruch am 9. Juni 2017 noch nicht verjährt war.
b) Mangels spezialgesetzlicher Regelungen im GWB waren für die Verjährung kartellrechtlicher Schadensersatzansprüche bis dahin die Vorschriften des BGB maßgebend.
aa) Die dreijährige Verjährungsfrist des § 195 BGB begann gemäß § 199 Abs. 1 BGB mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen musste. Dazu ist es erforderlich, dass er die Tatsachen kennt, welche die Voraussetzung der anspruchsbegründenden Norm erfüllen, wozu bei Schadensersatzansprüchen die Pflichtverletzung oder eine gleichstehende Handlung, der Eintritt eines Schadens und die Kenntnis von der eigenen Schadensbetroffenheit gehört. Dabei ist die Kenntnis aller Einzelheiten nicht erforderlich; es genügt vielmehr, dass der Gläubiger aufgrund der ihm bekannten oder erkennbaren Tatsachen eine hinreichend aussichtsreiche, wenn auch nicht risikolose Klage - zumindest eine Feststellungsklage - erheben kann (vgl. Palandt/Ellenberger, BGB, 80. Aufl., § 199 Rn. 28).
Eine solche Kenntniserlangung war, wie das Landgericht zutreffend angenommen hat, der Klägerin und den Zedentinnen jedenfalls nicht vor September 2011 möglich, als die Pressemitteilung durch das Bundeskartellamt herausgegeben wurde. Ein früherer Verjährungsbeginn wird nicht durch das von der Prozessbevollmächtigten der Klägerin verfasste Eingabeschreiben vom 2. April 2008 an das Bundeskartellamt (Anlage B 8 = Bl. 479 d. A.) oder durch Presseberichte über die im März 2009 erfolgte Durchsuchung bei der Beklagten begründet. Das Schreiben vom 2. April 2008 äußerte lediglich Verdachtsmomente hinsichtlich des Bestehens einer Kartellabsprache, die sich vornehmlich auf die Preisentwicklung und die allgemeinen Marktstrukturen gründeten. Ein solcher im Wesentlichen aus der Preisgestaltung abgeleiteter Verdacht ohne jegliche konkrete Kenntnis von einzelnen Absprachen und daran beteiligten Personen ermöglichte es der Klägerin nicht, zu diesem Zeitpunkt zumindest eine auf Schadensersatz gerichtete Feststellungsklage mit Aussicht auf Erfolg zu erheben. Bereits die für einen schlüssigen Vortrag erforderliche Benennung einer konkreten Pflichtverletzung und der Person des Verletzers war der Klägerin im Jahr 2008 nicht möglich. Gleiches gilt für ihre Kenntnis von der im März 2009 erfolgten Durchsuchung. Daraus ergibt sich lediglich, dass Ermittlungen des Bundeskartellamtes stattfanden, deren Ergebnis indes noch offen war. Vor der Entscheidung des Bundeskartellamtes vom 19. September 2011 war für die Geschädigten nicht hinreichend erkennbar, welche Teilnehmer konkret in welchem Zeitraum und mit welchen Produkten an dem Kartell beteiligt waren. Diese Informationen hätten indes vorliegen müssen, um eine hinreichende Kenntnis im Sinne des § 199 Abs. 1 BGB anzunehmen. Die innerhalb der Dreijahresfrist des § 199 Abs. 1 BGB am 29. Dezember 2014 erhobene Klage hemmte somit die Verjährung.
bb) Die Ansprüche sind auch nicht gemäß § 199 Abs. 3 Nr. 1 BGB kenntnisunabhängig verjährt.
Die 10-jährige kenntnisunabhängige Verjährungsfrist des § 199 Abs. 3 BGB lief bezüglich der hier bejahten Ansprüche frühestens ab Januar 2003 und damit bis Januar 2013.
Sie wurde jedoch zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des § 33 Abs. 5 Nr. 1 GWB zum 1. Juli 2005 für die Zeit des kartellbehördlichen Verfahrens gehemmt. Auf Schadensersatzansprüche, die ihre Grundlage in Kartellverstößen haben, die vor dem Inkrafttreten der 7. GWB-Novelle am 1. Juli 2005 begangen wurden und zu diesem Zeitpunkt noch nicht verjährt waren, findet § 33 Abs. 5 GWB 2005 Anwendung (BGH, Urteil vom 12. Juni 2018 - KZR 56/16, juris Rn. 66 ff. - Grauzementkartell II). Nach dieser Vorschrift wird die Verjährung eines Kartellschadensersatzanspruchs nach § 33 Abs. 3 GWB 2005 gehemmt, wenn die Kartellbehörde wegen eines Verstoßes im Sinne des Absatzes 1 oder die Kommission der Europäischen Gemeinschaft oder die Wettbewerbsbehörde eines anderen Mitgliedstaats der Europäischen Gemeinschaft wegen eines Verstoßes gegen Artikel 81 oder 82 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft ein Verfahren einleitet (vgl. BGH, Urteil vom 23.09.2020 - KZR 35/19, juris Rn. 79 - LKW-Kartell: Ausreichend ist eine Maßnahme, die erkennbar darauf abzielt, gegen das betreffende Unternehmen zu ermitteln.). § 204 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs gilt entsprechend. Das Verfahren des Bundeskartellamtes begann hier nach dem Eingang des Schreibens der Prozessbevollmächtigten der Klägerin vom 2. April 2008 und endete mit Erlass des Bußgeldbescheides vom 19. September 2011. Nach § 204 Abs. 2 BGB endet die Hemmung sechs Monate nach der rechtskräftigen Entscheidung oder anderweitigen Beendigung des eingeleiteten Verfahrens. Insgesamt betrug der Hemmungszeitraum somit wenigstens 3 Jahre. Bei Berücksichtigung dieses Zeitraums war die Verjährung der klägerischen Ansprüche zum Zeitpunkt der am 29. Dezember 2014 eingereichten und alsbald zugestellten Klage noch gehemmt und damit nicht abgelaufen.
6. Zinsen kann die Klägerin wie folgt beanspruchen:
a) Der Schadensersatzanspruch wegen der vor Inkrafttreten der 7. GWB-Novelle zum 1. Juli 2005 erfolgten Lieferungen ist in entsprechender Anwendung von § 849 BGB i. V. m. § 246 BGB für die Zeit ab Schadensentstehung mit 4 % jährlich zu verzinsen (vgl. BGH, Urteil vom 10. Februar 2021 - KZR 94/18, juris Rn. 33; Urteil vom 12. Juni 2018 - KZR 56/16, juris Rn. 46). Gesamtschuldner haften nach §§ 840 Abs. 1, 421 ff. BGB im Außenverhältnis für den gesamten Schaden. Daher erstreckt sich die gesamtschuldnerische Haftung - da der Zinsschaden ein wesentlicher Teil des kartellrechtlichen Schadensersatzanspruchs ist - auch auf die Zinspflicht (BGH, Urteil vom 10. Februar 2021, aaO, juris Rn. 34).
Soweit der Schadensersatzanspruch Aufträge betrifft, die erst nach dem Inkrafttreten der 7. GWB-Novelle erteilt wurden, stehen der Klägerin demgegenüber Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Eintritt des Schadens zu, § 33 Abs. 3 Satz 4 und 5 GWB 2005 i. V. m. § 288 Abs. 1 Satz 2 BGB.
b) Die Klägerin hat Zinsen jeweils ab dem 1. Januar eines Jahres für den im vorausgegangenen Jahr eingetretenen Schaden geltend gemacht (Bl. 2, 155 d. A.). Die Schadensentstehung in den Jahren 2003 bis 2008 berechnet sich wie folgt:
aa) Anspruch der Klägerin aus eigenem Recht:
Jahr 2003: | |
---|---|
3.910.456,99 € | Zahlungen für Spanplattenkäufe (Anlage K 168 = Bl. 2851 d. A.) |
./. 20.667,80 € | Rechnungsabzüge wg. Bonus für Mitglieder der Einkaufskooperation Möbelindustrie GmbH (Bl. 2892 d. A.) |
= 3.889.789,19 € |
Dieser Betrag abzüglich 4 % für Skontogutschriften und Boni (155.591,57 €) ergibt die im Jahr 2003 von der Klägerin geleistete Gesamtvergütung von 3.734.197,62 €. Hiervon 12 % - Anteil der kartellbedingten Preisüberhöhung - sind 448.103,71 €.
Jahr 2004: | |
---|---|
4.630.237,30 € | Zahlungen für Spanplattenkäufe (Anlage K 168 = Bl. 2852 d. A.) |
./. 80.915,93 € | an die Klägerin gezahlte Rückvergütung (Bl. 2921 d. A.) |
= 4.549.321,37 € |
Dieser Betrag abzüglich 4 % für Skontogutschriften und Boni (181.972,85 €) ergibt die im Jahr 2004 von der Klägerin geleistete Gesamtvergütung von 4.367.348,52 €. Hiervon 12 % sind 524.081,82 €.
Jahr 2005: | |
---|---|
5.768.333,45 € | Zahlungen für Spanplattenkäufe (Anlage K 168 = Bl. 2852 d. A.) |
./. 4.288,85 € | an die Klägerin gezahlte Rückvergütung (Bl. 2921 d. A.) |
= 5.764.044,60 € |
Dieser Betrag abzüglich 4 % für Skontogutschriften und Boni (230.561,78 €) ergibt die im Jahr 2005 von der Klägerin geleistete Gesamtvergütung von 5.533.482,82 €. Hiervon 12 % sind 664.017,94 €.
Der Senat geht im Rahmen der Schadensschätzung nach § 287 ZPO davon aus, dass sich die Schadensentstehung gleichmäßig auf die beiden Halbjahre 2005 verteilt.
Jahr 2006: | |
---|---|
6.711.356,90 € | Zahlungen für Spanplattenkäufe (Anlage K 168 = Bl. 2853 d. A.) |
./. 2.034,10 € | an die Klägerin gezahlte Rückvergütung (Bl. 2921 d. A.) |
= 6.709.322,80 € |
Dieser Betrag abzüglich 4 % für Skontogutschriften und Boni (268.372,91 €) ergibt die im Jahr 2006 von der Klägerin geleistete Gesamtvergütung von 6.440.949,89 €. Hiervon 12 % sind 772.913,99 €.
Jahr 2007: | |
---|---|
7.748.876,16 € | Zahlungen für Spanplattenkäufe (Anlage K 168 = Bl. 2853 d. A.) |
./. 3.286,38 € | Gutschrift, die nicht zur Schadenberechnung gehört (s. o.) |
./. 2.213,25 € | Gutschrift, die nicht zur Schadenberechnung gehört (s. o.) |
./. 278.833,48 € | Rechnungsabzüge wg. Bonus für Mitglieder der Einkaufskooperation Möbelindustrie GmbH (Bl. 2892 d. A.) |
./. 39.607,02 € | an die Klägerin gezahlte Rückvergütung (Bl. 2921 d. A.) |
= 7.424.936,03 € |
Dieser Betrag abzüglich 4 % für Skontogutschriften und Boni (296.997,44 €) ergibt die im Jahr 2007 von der Klägerin geleistete Gesamtvergütung von 7.127.938,59 €. Hiervon 12 % sind 855.352,63 €.
Jahr 2008: | |
---|---|
6.038.268,47 € | Zahlungen für Spanplattenkäufe (Anlage K 168 = Bl. 2854 d. A.) |
./. 71.896,74 € | Rechnungsabzüge wg. Bonus für Mitglieder der Einkaufskooperation Möbelindustrie GmbH (Bl. 2892 d. A.) |
./. 30.810,40 € | an die Klägerin gezahlte Rückvergütung (Bl. 2921 d. A.) |
= 5.935.561,33 € |
Dieser Betrag abzüglich 4 % für Skontogutschriften und Boni (237.422,45 €) ergibt die im Jahr 2008 von der Klägerin geleistete Gesamtvergütung von 5.698.138,88 €. Hiervon 12 % sind 683.776,67 €.
bb) Anspruch aus abgetretenem Recht der Zedentin H.:
Jahr 2003:
3.045.845,91 € Zahlungen für Spanplattenkäufe (Anlage K 169 = Bl. 2855 d. A.)
Dieser Betrag abzüglich 4 % für Skontogutschriften und Boni (121.833,84 €) ergibt die im Jahr 2003 von der Zedentin geleistete Gesamtvergütung von 2.924.012,07 €. Hiervon 12 % sind 350.881,45 €.
Jahr 2004: | |
---|---|
4.397.767,44 € | Zahlungen für Spanplattenkäufe (Anlage K 169 = Bl. 2856 d. A.) |
./. 197.735,56 € | an H. gezahlte Rückvergütung (Bl. 2921 d. A.) |
= 4.200.031,88 € |
Dieser Betrag abzüglich 4 % für Skontogutschriften und Boni (168.001,28 €) ergibt die im Jahr 2004 von der Zedentin geleistete Gesamtvergütung von 4.032.030,60 €. Hiervon 12 % sind 483.843,67 €.
Jahr 2005: | |
---|---|
4.829.812,29 € | Zahlungen für Spanplattenkäufe (Anlage K 169 = Bl. 2856 d. A.) |
./. 5.633,95 € | an H. gezahlte Rückvergütung Bl. 2921 d. A.) |
= 4.824.178,34 € |
Dieser Betrag abzüglich 4 % für Skontogutschriften und Boni (192.967,13 €) ergibt die im Jahr 2005 von der Zedentin geleistete Gesamtvergütung von 4.631.211,21 €. Hiervon 12 % sind 555.745,35 €.
Jahr 2006: | |
---|---|
6.650.602,76 € | Zahlungen für Spanplattenkäufe (Anlage K 169 = Bl. 2857 d. A.) |
./. 7.527,55 € | an H. gezahlte Rückvergütung (Bl. 2921 d. A.) |
= 6.643.075,21 € |
Dieser Betrag abzüglich 4 % für Skontogutschriften und Boni (265.723,01 €) ergibt die im Jahr 2006 von der Zedentin geleistete Gesamtvergütung von 6.377.352,20 €. Hiervon 12 % sind 765.282,26 €.
Jahr 2007: | |
---|---|
6.602.564,39 € | Zahlungen für Spanplattenkäufe (Anlage K 169 = Bl. 2857 d. A.) |
./. 58.286,34 € | an H. gezahlte Rückvergütung (Bl. 2921 d. A.) |
= 6.544.278,05 € |
Dieser Betrag abzüglich 4 % für Skontogutschriften und Boni (261.771,12 €) ergibt die im Jahr 2007 von der Zedentin geleistete Gesamtvergütung von 6.282.506,93 €. Hiervon 12 % sind 753.900,83 €.
Jahr 2008: | |
---|---|
5.714.912,05 € | Zahlungen für Spanplattenkäufe (Anlage K 169 = Bl. 2858 d. A.) |
./. 28.511,85 € | an H. gezahlte Rückvergütung (Bl. 2921 d. A.) |
= 5.686.400,20 € |
Dieser Betrag abzüglich 4 % für Skontogutschriften und Boni (227.456,01 €) ergibt die im Jahr 2008 von der Zedentin geleistete Gesamtvergütung von 5.458.944,19 €. Hiervon 12 % sind 655.073,30 €.
cc) Anspruch aus abgetretenem Recht der Zedentin T.:
Jahr 2003:
1.366.155,78 € Zahlungen für Spanplattenkäufe (Anlage K 170 = Bl. 2859 d. A.)
Dieser Betrag abzüglich 4 % für Skontogutschriften und Boni (54.646,23 €) ergibt die im Jahr 2003 von der Zedentin geleistete Gesamtvergütung von 1.311.509,55 €. Hiervon 12 % sind 157.381,15 €.
Jahr 2004:
2.035.177,95 € Zahlungen für Spanplattenkäufe (Anlage K 170 = Bl. 2859 d. A.)
Dieser Betrag abzüglich 4 % für Skontogutschriften und Boni (81.407,12 €) ergibt die im Jahr 2004 von der Zedentin geleistete Gesamtvergütung von 1.953.770,83 €. Hiervon 12 % sind 234.452,50 €.
Jahr 2005:
1.872.551,28 € Zahlungen für Spanplattenkäufe (Anlage K 170 = Bl. 2860 d. A.)
Dieser Betrag abzüglich 4 % für Skontogutschriften und Boni (74.902,05 €) ergibt die im Jahr 2005 von der Zedentin geleistete Gesamtvergütung von 1.797.649,23 €. Hiervon 12 % sind 215.717,91 €.
Jahr 2006:
1.235.997,44 € Zahlungen für Spanplattenkäufe (Anlage K 170 = Bl. 2860 d. A.)
Dieser Betrag abzüglich 4 % für Skontogutschriften und Boni (49.439,90 €) ergibt die im Jahr 2006 von der Zedentin geleistete Gesamtvergütung von 1.186.557,54 €. Hiervon 12 % sind 142.386,90 €.
Jahr 2007: | |
---|---|
2.448.262,07 € | Zahlungen für Spanplattenkäufe (Anlage K 170 = Bl. 2860 d. A.) |
./. 7.162,56 € | an T. gezahlte Rückvergütung (Bl. 2921 d. A.) |
= 2.441.099,51 € |
Dieser Betrag abzüglich 4 % für Skontogutschriften und Boni (97.643,98 €) ergibt die im Jahr 2007 von der Zedentin geleistete Gesamtvergütung von 2.343.455,53 €. Hiervon 12 % sind 281.214,66 €.
Jahr 2008: | |
---|---|
3.573.644,77 € | Zahlungen für Spanplattenkäufe (Anlage K 170 = Bl. 2861 d. A.) |
./. 13.611,00 € | an T. gezahlte Rückvergütung (Bl. 2921 d. A.) |
= 3.560.033,77 € |
Dieser Betrag abzüglich 4 % für Skontogutschriften und Boni (142.401,35 €) ergibt die im Jahr 2008 von der Zedentin geleistete Gesamtvergütung von 3.417.632,42 €. Hiervon 12 % sind 410.115,89 €.
Der Urteilsausspruch über die seit dem 01.01.2004 zu zahlenden Zinsen ist auf einen zu verzinsenden Betrag von 563.044,49 € zu beschränken, weil die Klägerin die Verurteilung zu einer weitergehenden Zinszahlung nicht beantragt hat, § 308 Abs. 1 ZPO.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1, § 101, § 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre Grundlage in § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.
Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor.