Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 25.08.2021, Az.: 20 U 7/21

Anwendung der Vorschriften des Verbrauchsgüterkaufrechts bei einem Pferdekauf; Selbständiges und planmäßiges, auf gewisse Dauer angelegtes Anbieten entgeltlicher Leistungen am Markt

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
25.08.2021
Aktenzeichen
20 U 7/21
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2021, 72403
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
LG Lüneburg - AZ: 5 O 266/20

In dem Rechtsstreit
- pp. -
hat der 20. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle durch die Präsidentin des Oberlandesgerichts ..., den Richter am Oberlandesgericht Dr. ... und die Richterin am Oberlandesgericht Dr. ... am 25. August 2021 beschlossen:

[Grunde]

I. Zur Förderung des Verfahrens werden die Parteien auf Folgendes hingewiesen:

1. Das Landgericht dürfte mit zutreffender Begründung davon ausgegangen sein, dass die Beklagte den Kaufvertrag über die Stute "C. I." mit dem Kläger geschlossen hat.

Darüber hinaus könnte der Kläger sich selbst dann, wenn er nicht selbst Vertragspartner geworden wäre, auf etwaige kaufvertragliche Ansprüche berufen. Hierzu hat das Landgericht wiederum zutreffend auf die Abtretungserklärung vom 12. März 2020 (vgl. die Anlage K13, Bl. 138 d.A.) verwiesen. Auch unter dieser Prämisse gelangten die Vorschriften des Verbrauchsgüterkaufrechts zur Anwendung, worauf der Senat vorsorglich und der Vollständigkeit halber hinweist. Denn die Beklagte dürfte nicht mit Substanz dargelegt haben, dass der als Rechtsanwalt tätige Dr. S. den betreffenden Pferdekaufvertrag als Unternehmer i.S.d. § 14 BGB abgeschlossen hat bzw. hätte. Insbesondere genügt die Behauptung, dass er "in der Vergangenheit [...] schon mehrere Pferde geritten und verkauft" habe (Bl. 76, 99 d.A.) nicht, um ein "selbständiges und planmäßiges, auf gewisse Dauer angelegtes Anbieten entgeltlicher Leistungen am Markt" (BGH, Urteile vom 27. September 2017 - VIII ZR 271/16 -, Rn. 40, juris; vom 29. März 2006 - VIII ZR 173/05, BGHZ 167, 40 Rn. 14 ff.; vom 13. März 2013 - VIII ZR 186/12, NJW 2013, 2107 [BGH 13.03.2013 - VIII ZR 186/12] Rn. 18) zu begründen. Entsprechendes gilt, soweit die Beklagte vorgetragen hat, Dr. S. habe gegenüber dem Sohn der Beklagten mitgeteilt, dass er "junge Pferde" suche, die er "kaufen, ausbilden und dann wieder verkaufen" wolle (Bl. 156 d.A.). Soweit sie sich in diesem Zusammenhang noch darauf beruft, dass Dr. S. mit C. E., die die Stute im Januar 2020 bei der Beklagten abgeholt hatte, eine Vollzeit-Kraft zur Pflege seiner Pferde beschäftige (Bl. 158 d.A.), erweist sich dies ebenfalls als unerheblich, weil sich dem bloßen Halten mehrerer Pferde noch keine greifbaren Anhaltspunkte für ein selbständiges und planmäßiges, auf gewisse Dauer angelegtes Anbieten entgeltlicher Leistungen am Markt entnehmen ließen.

2. Nach aktuellem Sach- und Streitstand geht der Senat zudem mit dem Landgericht davon aus, dass es an einer wirksamen Fristsetzung fehlt.

a) Zwar enthält die als Anlage K14 vorgelegte Textnachricht vom 18. März 2020 ihrer Formulierung nach eine genügende Fristsetzung i.S.d. § 323 Abs. 1 BGB. Das gilt jedenfalls unter Berücksichtigung des mit der Berufungsbegründung dargelegten Inhalts (insbesondere: "Bitte kannst du dich der Sache in den nächsten 14 Tagen annehmen bzw. nacherfüllen?", vgl. S. 3 f. der Berufungsbegründung, Bl. 226 f. d.A.), den die Beklagte der Sache nach nicht in Abrede genommen hat. Diese Formulierung ließ für die Beklagte eindeutig erkennen, dass der Kläger - vertreten durch Dr. S. - innerhalb des genannten Zeitraums eine bisher nicht vertragsgemäß erbrachte Leistung begehrte, womit die Anforderungen an eine Fristsetzung erfüllt sein dürften (vgl. H. Schmidt, in: BeckOK BGB, Stand: 01.05.2021, § 323 Rn. 15).

Hinsichtlich der Augenentzündung dürfte zudem die Textnachricht vom 19. April 2021 (Anlage K15, Bl. 143 d.A.) eine ausreichend deutliche Fristsetzung enthalten.

b) Der Senat weist den Kläger allerdings darauf hin, dass er hinsichtlich beider behaupteter Mängel seiner Mitwirkungsobliegenheit nicht gerecht geworden sein dürfte.

Ein taugliches Nacherfüllungsverlangen muss nämlich die Bereitschaft des Käufers umfassen, dem Verkäufer die Kaufsache zur Überprüfung der erhobenen Mängelrüge für eine entsprechende Untersuchung zur Verfügung zu stellen. Der Verkäufer ist nicht verpflichtet, sich auf ein Nacherfüllungsverlangen des Käufers einzulassen, bevor dieser ihm am Erfüllungsort der Nacherfüllung Gelegenheit zu einer solchen Untersuchung gegeben hat. Dabei ist der Ort der Nacherfüllung - vorbehaltlich abweichender Umstände des konkreten Einzelfalls - an dem Ort anzusiedeln, an dem der Verkäufer zum Zeitpunkt der Entstehung des Schuldverhältnisses seinen Wohnsitz oder seine gewerbliche Niederlassung hat (§ 269 Abs. 2 BGB; vgl. BGH, Urteil vom 30. Oktober 2019 -VIII ZR 69/18, NJW 2020, 389 Rn. 37 unter Verweis auf EuGH, Urteil vom 23. Mai 2019 - C-52/18, NJW 2019, 2007).

Der Ort der Nacherfüllung dürfte im Streitfall nach aktuellem Streitstand am Sitz der Beklagten liegen. Etwas anderes gälte nur dann, wenn mit dem Transport der Stute dorthin erhebliche Unannehmlichkeiten verbunden wären (vgl. EuGH, a.a.O., Rn. 64), was sich dem bisherigen Vortrag des Klägers nicht entnehmen lässt. Die Notwendigkeit eines Transports des Pferds per Anhänger begründet solche "erheblichen Unannehmlichkeiten" zumindest nicht ohne weiteres. Vorbehaltlich ergänzenden Vortrags hätte der Kläger also mit dem Nacherfüllungsverlangen von sich aus eine Verbringung von "C. I." zu der Beklagten anbieten müssen. Dass er dies getan hätte, behauptet er indes selbst nicht.

3. Hiervon unabhängig erwiese sich der Rücktritt des Klägers jedoch dann als wirksam, wenn es einer Fristsetzung zur Nacherfüllung nicht bedurft hätte.

a) In Bezug auf den behaupteten Sehnenschaden könnte eine Fristsetzung entbehrlich gewesen sein, wenn dieser - wie vom Kläger vorgetragen - in jedem Fall einen Zeitraum von sechs Monaten zur Ausheilung benötigte. Das Abwarten dieser Heilungsdauer wäre dem Kläger wohl i.S.d. § 440 Satz 1 Var. 3 BGB unzumutbar. Immerhin brächte eine Nacherfüllungsfrist von sechs Monaten ihrerseits erhebliche Unannehmlichkeiten für den Kläger mit sich (vgl. etwa Faust, in: BeckOK, Stand 1. Mai 2021, § 440 Rn. 46; Westermann, in: Münchener Kommentar, 8. Auflage 2019, § 440 Rn. 8, 3), da er während dieser Zeit auf die avisierte Nutzung von "C. I." als Reit- bzw. Turnierpferd vollständig verzichten müsste.

Mit Blick darauf, dass der Kläger zu der Heilungsdauer erst in Reaktion auf den Hinweis des Landgerichts vom 7. Januar 2021 (Bl. 179 d.A.) vorgetragen hat, erweist sich seine diesbezügliche Behauptung auch nicht als verspätet.

b) In Bezug auf die Augenentzündung behauptet der Kläger demgegenüber "nur" eine Heilungsdauer von vier Wochen, die für sich genommen wohl noch nicht zu einer Unzumutbarkeit der Nacherfüllung führte. Dass - wie der Kläger betont (Bl. 189 d.A.) - im April 2020 die Turniersaison beginnen sollte, ändert hieran nichts. Insbesondere ist damit kein relatives Fixgeschäft gem. § 323 Abs. 2 Nr. 2 BGB dargetan, zumal nicht ersichtlich ist, dass Einsatzfähigkeit von "C. I." über die gesamte Turniersaison 2020 hinweg nach dem Parteiwillen derart wesentlich sein sollte, dass der Erwerb des Tieres damit "stehen und fallen" sollte (vgl. Grüneberg, in: Palandt, BGB, 80. Auflage 2021, § 323 Rn. 20 m.w.N.).

II. Für beide Parteien besteht Gelegenheit zur Stellungnahme zu den Erwägungen unter I. binnen einer Frist von drei Wochen ab Zugang dieses Beschlusses.

III. Vorbehaltlich weiteren Vortrags zu den unter I. genannten Punkten erwägt der Senat, durch Einholung eines Sachverständigengutachtens gem. § 358a ZPO Beweis über die Fragen zu erheben,

1. ob die Lahmheit der Stute "C. I." auf einer Erkrankung z.B. in Form eines Sehnenschadens am linken Hinterbein beruht, die bei Übergabe des Tiers an den Kläger am 18. Januar 2020 noch nicht - auch nicht im Ansatz - vorlag (Beweislast: Beklagte) sowie für den Fall, dass eine solche Erkrankung bejaht wird:

2. ob die Ausheilung der etwa festzustellenden Erkrankung bzw. des Sehnenschadens einen Zeitraum von mindestens sechs Monaten in Anspruch nimmt (Beweislast: Kläger).