Verwaltungsgericht Oldenburg
Beschl. v. 29.06.2000, Az.: 1 B 2016/00

Abschließende Umsetzung der FFH-Richtlinie der EU ; Enteignung durch die Festsetzung eines Grundstücks im Flächennutzungsplan als Fauna-Flora-Habitat-Fläche; Voraussetzungen der Vorwirkung eines Flächennutzungsplanes im enteignungsrechtlichen Sinne ; Voraussetzungen der Annahme eines potentiellen FFH-Gebietes ; Darlegungsumfang bei Geltendmachung eines Anordnungsgrundes bei einstweiligem Rechtsschutz

Bibliographie

Gericht
VG Oldenburg
Datum
29.06.2000
Aktenzeichen
1 B 2016/00
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2000, 18252
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:VGOLDBG:2000:0629.1B2016.00.0A

Fundstellen

  • FStBay 2001, 354-357
  • NuR 2000, 713-714

Verfahrensgegenstand

Unterlassen einer Meldung nach der FFH-Richtlinie

Prozessführer

1. der Herr G.

2. die Frau G.

Proz.-Bev.:zu 1-2: Rechtsanwälte Dreessen und andere, Bollwerkstraße 45, 26725 Emden, - I-00I/0019 -

Prozessgegner

die Bundesrepublik Deutschland,

das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, Heinrich-von-Stephan-Str. 1, 53105 Bonn Z I 5 - 01015/44 -

In der Rechtssache
hat das Verwaltungsgericht Oldenburg - 1. Kammer -
am 29. Juni 2000
beschlossen:

Tenor:

Der Antrag der Antragsteller auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes wird abgelehnt.

Die Kosten des Verfahrens tragen die Antragsteller als Gesamtschuldner.

Der Streitwert wird auf 8.000,00 DM festgesetzt.

Gründe:

1

Die Antragsteller wenden sich gegen die Meldung eines Gebietsvorschlages, in den eigene Grundstücksflächen einbezogen sind, im Rahmen der abschließenden Umsetzung der FFH-Richtlinie der EU in Niedersachsen an die Europäische Kommission durch die Antragsgegnerin.

2

Der nach § 123 VwGO zu beurteilende Antrag der Antragsteller vom 28. März 2000 ist unzulässig, da diesen das Rechtsschutzinteresse fehlt.

3

Zur Begründung verweist das Gericht zunächst auf den Beschluss der Kammer vom 2. Februar 2000 - 1 B 82/00 - und des Nds. OVG in der Sache vom 29. März 2000 - 3 M 66/00 - im Verfahren der Antragsteller gegen das Niedersächsische Umweltministerium. Die dortigen Ausführungen für das Verfahrensstadium vor einer Weiterleitung des Gebietsvorschlags durch das Land gelten für das hier weiter fortgeschrittene Verfahrensstadium (vor einer Weiterleitung durch den Bundesminister) entsprechend.

4

Soweit die Antragsteller im vorliegenden Verfahren noch einmal vertiefend und ergänzend vortragen, die Voraussetzungen für die Eröffnung vorbeugenden Rechtsschutzes seien gegeben, da die Einbeziehung ihrer Grundstücke in einen Gebietsvorschlag und dessen Meldung an die Europäische Kommission bereits jetzt tatsächliche Auswirkungen in Ge-stalt von finanziellen Einbußen bei möglicher Weiterverpachtung oder möglichem Weiterverkauf hätten und sich dazu sowohl auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichtes zu den Vorwirkungen der FFH-Richtlinie in Gestalt der Rechtsfigur potentieller FFH-Gebiete, als auch in Parallele auf die Vorwirkungen eines Flächennutzungsplanes im enteignungsrechtlichen Sinn berufen, führt dies zu keinem anderen Ergebnis.

5

Zur Rechtssprechung des Bundesverwaltungsgerichtes bezüglich potentieller FFH-Gebiete hat das Gericht bereits in dem o.g. Beschluss ausgeführt, dass es die entsprechenden Entscheidungen dahingehend versteht, dass die Annahme eines potentiellen FFH-Gebietes ausschließlich vom Vorliegen naturschutzfachlicher Voraussetzungen abhängen soll und nicht davon, welches Verfahrensstadium erreicht ist, d.h. dass durch die genannten Schritte nicht etwa eine Faktizität oder auch nur Verfestigung der Eigenschaft als FFH-Gebiet eintritt. Die von den Antragstellern befürchteten - im übrigen (noch) nicht konkret belegten - Einbußen und Einschränkungen sind daher zwar denkbar, jedoch nicht als Folge der Einbeziehung ihrer Grundstücke in einen Gebietsvorschlag oder dessen Meldung an die Europäische Kommission, also eines bestimmten Verfahrensstadiums, sondern als Folge des Vorhandenseins der in der Richtlinie genannten natürlichen Gegebenheiten, deren Vorliegen die Antragsteller gerade in Abrede stellen. Ein Rechtsschutzbedürfnis, gerade die genannten Verfahrensschritte zu unterbinden, besteht daher nicht.

6

Bezüglich der von den Antragstellern angesprochenen enteignungsrechtlichen Vorwirkungen von Flächennutzungsplänen kann dahinstehen, ob eine Vergleichbarkeit zu den hier in Rede stehenden Verfahrensschritten gesehen werden kann. Denn die Entfaltung solcher Vorwirkungen ist an eine hier nicht vorliegende Voraussetzung geknüpft. Erforderlich ist, dass die vorbereitende Planung mit der späteren Entziehung des Eigentums in einem ursächlichen Zusammenhang steht, hinreichend bestimmt ist und die spätere verbindliche Planung, die die Grundlage für die Enteignung bildet, mit Sicherheit erwarten lässt (vgl. Ernst-Zinkahn-Bielenberg, Kommentar zum Baugesetzbuch, Bd. 2, Stand: 1. November 1999, § 43 Rdnr. 13 m.w.N. aus der Rechtsprechung, § 93 Rn. 94 iVm 88). An letzterem fehlt es hier. Über die Aufnahme des Gebietsvorschlages, in den die Grundstücke der Antragsteller einbezogen sind, in die Liste der Gebiete von gemeinschaftlicher Bedeutung hat noch die Europäische Kommission gemäß Art. 4 Abs. 2 der FFH-Richtlinie auf der Grundlage der in Anhang III (Phase 2) der Richtlinie festgelegten Kriterien, also aufgrund einer eigenen Sachprüfung unter Beteiligung ihres Ausschusses (Art. 21 der Richtlinie) zu entscheiden. Bereits die Aufnahme in diese Liste und d.h. das "Ob" einer möglichen Einschränkung für die Grundstücke der Antragsteller kann damit nicht als sicher angesehen werden. Weiterhin bedarf es sodann ihrer Umsetzung im jeweiligen Mitgliedsstaat auf der Grundlage nationalen Rechts. Der Bundesrepublik Deutschland stehen dabei gemäß §§ 19 b Abs. 2 iVm. 12 Abs. 1 BNatschG mehrere verschiedene Auswirkungen entfaltende Möglichkeiten zu, somit ist das "Wie" (Art und Ausmaß) einer möglichen Einschränkung ebensowenig mit Sicherheit abzuschätzen. Hinzu kommt, dass, selbst wenn man eine Vergleichbarkeit bejahen wollte und die dargestellten Voraussetzungen für gegeben erachtete, sich noch nicht die von den Antragstellern erstrebte Rechtsschutzmöglichkeit ergäbe. Denn Folge der Anerkennung einer entsprechenden Vorwirkung von vorbereitenden Maßnahmen wäre lediglich, dass im späteren Enteignungsverfahren bei der Beurteilung der Qualität des betreffenden Grundstückes der Zeitpunkt vor der Maßnahme, d.h. der Zeitpunkt vor dem Ausschluss von der konjunkturellen Weiterentwicklung maßgeblich ist. Dies sagt jedoch nichts darüber aus, ob bereits Rechtsschutz gegen Einzelakte vorbereitender Planungen möglich sind (vgl. Ernst-Zinkahn-Bielenberg, aaO., § 43 Rdnr. 11 ff. und § 42 Rdnr. 55: Darstellung der Rechtsprechung des BGH zur Frage nach tatsächlichen Einwirkungen durch vorbereitende Bauleitplanung im Rahmen von Entschädigungsansprüchen).

7

Vor diesem Hintergrund bedarf es keiner Klärung der Frage mehr, ob die Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, die richtige Antragsgegnerin ist.

8

Für die begehrte Anordnung fehlt es darüber hinaus auch weiterhin an der Glaubhaftmachung eines Anordnungsgrundes, d.h. der für den Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO erforderlichen Dringlichkeit der gewünschten Regelung. Die Antragsteller haben auch in diesem Verfahren nicht dargelegt, dass in zeitlicher Nähe behördliche Maßnahmen anstehen würden, die sie an der bisherigen und offensichtlich weiter beabsichtigten Nutzung ihrer genannten Grundstücke hindern oder sie sonstigen Verfügungsbeschränkungen unterwerfen würden. Die tatsächlich in Rede stehenden Maßnahmen (Gebietsauswahl, Meldung etc.) haben diese Wirkungen - wie oben ausgeführt - nicht. Auch die von ihnen geltend gemachten möglichen finanziellen Einbußen bei möglicher Weiterverpachtung oder möglichem Weiterverkauf bilden keinen Anordnungsgrund. Zum einen handelt es sich insoweit vorerst nur um ebenfalls nicht glaubhaft gemachte vermutete Beeinträchtigungen, zum anderen wären sie ebenfalls Folge des Vorliegens eines faktischen FFH-Gebietes und nicht der Gebietsauswahl und der Meldung.

9

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 159 S. 2 VwGO, 17 b Abs. 2 S. 1 GVG.

10

Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 20 Abs. 3, 13 Abs. 1 S. 2 GKG.

Dr. Block
Ahrens
Schulze