Oberlandesgericht Celle
Urt. v. 13.02.1997, Az.: 22 U 17/96

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
13.02.1997
Aktenzeichen
22 U 17/96
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1997, 26995
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGCE:1997:0213.22U17.96.0A

Verfahrensgang

vorgehend
LG Göttingen - 16.11.1995 - AZ: 2 O 500/89

Fundstelle

  • NZM 1998, 638-639

In dem Rechtsstreit

hat der 22. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht ., des Richters am Oberlandesgericht . und des Richters am Landgericht . auf die mündliche Verhandlung vom 21. Januar 1997 für Recht erkannt:

Tenor:

  1. Die Berufung des Klägers gegen das am 16. November 1995 verkündete Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Göttingen wird zurückgewiesen.

    Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

    Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 5. 500 DM abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in entsprechender Höhe leistet. Beide Parteien dürfen die Sicherheit durch unbedingte, unbefristete und selbstschuldnerische Bürgschaft einer deutschen Großbank, öffentlichen Sparkasse oder Volksbank leisten.

    Wert der Beschwer für den Kläger: 68. 750 DM.

Tatbestand:

1

Die Parteien sind die einzigen Kinder der Eheleute ., die am 16. November 1982 bzw 20. November 1987 verstorben sind. Aufgrund gemeinschaftlichen Testaments der Eltern war nach dem Tode von . die überlebende Mutter Alleinerbin geworden. Das Testament sah vor, daß derjenige der Söhne, der vom Nachlaß des zuerst versterbenden den Pflichtteil forderte, auch nach dem Letztversterbenden nur den Pflichtteil bekommen sollte.

2

Nach dem Tode des Vaters verlangte der Kläger den Pflichtteil, worauf ihm von der Mutter am 13. November 1986 150. 000 DM ausgezahlt wurden. Der Beklagte ist nach dem Tode der Mutter deren Alleinerbe geworden. Der Kläger hat gegen den Beklagten im Wege der Stufenklage Pflichtteilsansprüche geltend gemacht, auf die der Beklagte außergerichtlich bereits insgesamt 201.239,27 DM gezahlt hat.

3

Die Parteien haben im vorliegenden Rechtsstreit im wesentlichen um die Bewertung der Nachlaßaktiva und -passiva gestritten, vor allem um die Bewertung von Immobilienbesitz der Grundstückgemeinschaft . in . der zu 50% in den Nachlaß fällt. Den Wert dieser Immobilien hat der Kläger mit 2.612. 540 DM behauptet. Der Beklagte hat über den Bestand des Nachlasses ein notarielles Nachlaßverzeichnis unter dem 22. August 1990 erstellen lassen. Darin sind Aktiva im Wert von 1.627.040,51 DM und Passiva im Wert von 812.655,56 DM aufgeführt. Wegen der Einzelheiten wird Bezug genommen auf die Abschrift der Urkunde des Notars . (UR-Nr. 761/90 im Anlagenband).

4

Auf der Grundlage einer Pflichtteilsquote von 1/4 hat der Kläger sich einen weiteren Zahlungsanspruch in Höhe von 117.546,95 DM errechnet. Der Beklagte ist dem entgegengetreten.

5

Das Landgericht hat Beweis erhoben zum Verkehrswert der Grundstücke in ., durch Einholung eines Gutachtens des Gutachterausschusses für Grundstückswerte für den Bereich des Landkreises Göttingen zum Stichtag 20.11.1987 (Todestag der Mutter). Wegen der Einzelheiten wird auf das Gutachten vom 05. November 1992 verwiesen (Aktendeckel Bd. II d.A.). Das Landgericht hat den Beklagten zur Zahlung von 17.057,97 DM nebst 4% Zinsen verurteilt. Dabei ist es von einem Gesamtaktivnachlaß von 1.685.844,51 DM und Passiva von 812.655,56 DM ausgegangen, wobei es den Grundbesitz in . im Anschluß an das Gutachten mit 1,7 Mio DM (davon 50% als Nachlaßbestandteil) bewertet hat.

6

Gegen dieses Urteil, auf dessen Tatbestand und Entscheidungsgründe zur näheren Sachdarstellung Bezug genommen wird, richtet sich die Berufung des Klägers, der Zahlung in Höhe weiterer 68.750,01 DM begehrt. Er greift das Urteil des Landgerichts hinsichtlich der Bewertung der Grundstücke in . an und behauptet unter Vorlage eines Gutachtens des Architekten . vom 2.1.1996, diese hätten einen Wert von mindestens 2,1 Mio. DM. Die Nachlaßverbindlichkeiten seien um 150. 000 DM zu verringern, denn entgegen der Darstellung in dem Nachlaßverzeichnis habe kein Darlehensvertrag zwischen der Grundstücksgemeinschaft . und der Erblasserin bestanden; die Erblasserin habe auch nicht um ein Darlehen in dieser Höhe nachgesucht.

7

Die Nachlaßaktiva beliefen sich deshalb auf insgesamt 1.810.844,51 DM. die Passiva dagegen auf lediglich 662.655,56 DM.

8

Der Beklagte verteidigt das angegriffene Urteil. Er behauptet zu der nunmehr streitigen Verbindlichkeit von 150. 000 DM, daß diese wegen der Auszahlung des Pflichtteilsanspruches des Klägers nach dem Tode des Vaters bei der Grundstücks gemeinschaft . in der genannten Höhe entstanden sei.

9

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die in der Berufung gewechselten Schriftsätze der Parteien Bezug genommen.

Gründe

10

Die Berufung des Klägers ist nicht begründet. Dem Kläger steht über den vom Landgericht bereits ausgeurteilten Betrag kein weiterer Zahlungsanspruch gegen den Beklagten zu.

11

In der Berufungsinstanz ist lediglich noch über die Bewertung des Grundbesitzes der Grundstücksgemeinschaft . in . (8 Gebäude) sowie über die nunmehr streitige Verbindlichkeit von 150. 000 DM zu entscheiden.

12

1. Das Landgericht hat den Grundbesitz in . im Ergebnis mit Recht im Anschluß an das eingeholte Gutachten des Gutachter aus Schusses mit 1,7 Mio. DM bewertet. Davon fallen 50%, mithin 850. 000 DM in den Nachlaß.

13

Der Verkehrswert bestimmt sich grundsätzlich nach dem Preis, der zum Wertermittlungsstichtag im gewöhnlichen Geschäftsverkehr nach den rechtlichen Gegebenheiten und tatsächlichen Eigenschaften, der sonstigen Beschaffenheit und Lage des Grundstücks zu erzielen wäre. Der Gutachterausschuß hat den Verkehrswert zum maßgeblichen Stichtag mit einem Wert von 1,7 Mio. DM ermittelt. Dabei hat der Gutachterausschuß die Regeln der Wertermittlungsverordnung zugrunde gelegt und für die hier zu bewertenden Mehrfamilienhäuser die Vergleichswertmethode angewendet, was grundsätzlich nicht zu beanstanden ist. Der Gutachterausschuß hat unter Berücksichtigung der in der Wertermittlungsverordnung aufgeführten Kriterien für die Wertermittlung die Kaufpreise 10 vergleichbarer mit Mehrfamilienhäusern bebauter Grundstücke herangezogen und unter Berücksichtigung des Baujahrs der Gebäude und ihrer jeweiligen Gesamtwohnfläche 949,-; DM/m2 Wohnfläche als statistisch gesicherten Vergleichsfaktor (Mittelwert) ermittelt. Ausgehend von diesem Wert (Gebäudefaktor) hat er vor allem im Hinblick auf den festgestellten Reparaturstau wegen Gebäudemängeln einen Abschlag von 15% vorgenommen.

14

Die Angriffe der Berufung gegen das Gutachten rechtfertigen nach Auffassung des Senats im Ergebnis jedenfalls keine höhere Wertfestsetzung. Es mag zwar zutreffen, daß die vom Gutachterausschuß als Vergleichsmaterial aus der Kaufpreissammlung herangezogenen Verkaufsfälle zur Überprüfung der Vergleichbarkeit hinsichtlich Lage und Beschaffenheit hätten konkret bezeichnet werden müssen. Darauf kommt es aber nicht entscheidend an, denn die für den zu ermittelnden Verkehrswert maßgebliche Größe ist im vorliegenden Fall in erster Linie der Ertragswert. Es ist in der Rechtsprechung anerkannt, daß es für die Bemessung des Verkehrswertes eines bebauten Grundstücks grundsätzlich auf die Besonderheiten des Einzelfalles ankommt. Hier kommt es maßgeblich auf den Ertragswert an, denn bei den zu bewertenden Gebäuden handelt es sich ausschließlich um (vermietete) Mehrfamilienhäuser bzw. um ein Mietwohnungsgrundstück, so daß bei potentiellen Käufern Renditegesichtspunkte die Hauptrolle spielen. Hierauf hat auch der Gutachter . in seinem Gutachten vom 27.01.1989 bereits zutreffend hingewiesen. Die Gebäude sind als Kapitalanlageobjekte folglich zumindest in einer Kontrollüberlegung nach dem Ertragswert zu bewerten. Daraus folgt, daß jedenfalls ein höherer Wert als 1,7 Mio. DM nicht angenommen werden kann. Den Ertragswert hat der Sachverständige . in seinem vom Beklagten eingeholten Gutachten (im Anlagenband) bei einer nachhaltig erzielbaren Miete von 5,50 DM/m2 Wohnfläche auf insgesamt 1.534. 600 DM ermittelt. Diese Berechnung erscheint schlüssig und nachvollziehbar. Zwar weicht das vom Kläger eingeholte Gutachten . hiervon ab. Der Sachverständige . hat in seinem Gutachten aber zutreffend darauf hingewiesen, daß der Ansatz des (erhöhten) erzielbaren Mietzinses von 5,50 DM nur nach Durchführung der in seinem Gutachten im einzelnen aufgeführten Instandhaltungsmaßnahmen gerechtfertigt ist, so daß der angesetzte Abschlag für den sog. Reparaturstau nicht zu beanstanden ist. Gerade dieser von . nicht berücksichtigte Reparaturstau dürfte für potentielle Kapitalanleger auch ein maßgebender Gesichtspunkt bei der Bewertung sein. Im übrigen ist auch der von . angenommene Vergleichsfaktor je m2 Wohnfläche mit 1. 150 DM im Gegensatz zu dem Gutachten des Gutachterausschusses mit  949 DM nicht nachvollziehbar dargelegt, denn es geht nicht an, den Durchschnittwert für Eigentumswohnungen im ländlichen Bereich im Regierungsbezirk . mit einem nicht näher erläurterten Abschlag als vergleichbar heranzuziehen. Nach alledem bestand auch kein Anlaß zur Einholung eines Obergutachtens. Dabei ist auch zu beachten, daß die Wertermittlung ohnehin nur auf einer (sachverständig unterstützten) Schätzung beruhen kann, die naturgemäß mit gewissen Unsicherheitsfaktoren belastet ist.

15

2. Als Nachlaßverbindlichkeit sind entgegen der Auffassung des Klägers auch die in erster Instanz noch unstreitigen 150. 000 DM zu berücksichtigen.

16

Ausweislich der vom Beklagten im Termin vorgelegten Belege (Bl. 638 d.A.) hat der Kläger am 13. November 1986 -; nunmehr auch zugestanden -; als Pflichtteil nach dem verstorbenen Vater in bar 150. 000 DM erhalten. Aus dem darüber hinaus in Kopie vorgelegten Kontoauszug vom gleichen Tage ergibt sich eine Barauszahlung eben dieses Geldbetrages. Bei diesem Konto handelt es sich nach dem Aufdruck um ein Sonderkonto der . Grundstücksverwaltung, mithin um ein Sonderkonto der Grundstücksgemeinschaft .. Dies ergibt sich auch daraus, daß dieses bei der . mit der Nr. . geführte Konto unter der nämlichen Bezeichnung bereits in dem notariellen Nachlaßverzeichnis vom 22. August 1990 (Notar . UR-Nr. 761/90 Seite 5 Ziff. 4 a im Anlagenband) aufgeführt ist. Es unterliegt danach keinem vernünftigen Zweifel, daß diese Auszahlung des Pflichtteils an den Kläger zu einer entsprechenden Verbindlichkeit der Erblasserin gegenüber der Grundstücksgemeinschaft geführt hat, ohne daß es noch darauf ankäme, ob dazu ein ausdrücklicher Darlehensvertrag vereinbart worden ist. Die Inanspruchnahme des Sonderkontos der Grundstücksgemeinschaft zur Auszahlung der 150. 000 DM hat auch nichts mit einer Darlehensauszahlung der . Bausparkasse zu dem Vertrag Nr. . zu tun. Denn dieses Darlehen ist -; wie sich aus dem Schreiben der . vom 15.05.1987 (Bl. 586 d.A.) ergibt -; auf das Sonderkonto der Grundstücksgemeinschaft geflossen.

17

Nach alledem steht dem Kläger über die bereits gezahlten und vom Landgericht zuerkannten Beträge kein weiterer Pflichtteilsanspruch gegen den Beklagten zu.

18

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihren Rechtsgrund in §§ 708 Nr. 10, 711 Satz 1 ZPO. Über den Wert der Beschwer war nach § 546 Abs. 2 ZPO zu entscheiden.