Oberlandesgericht Oldenburg
Urt. v. 22.07.2021, Az.: 8 U 241/20
Rückabwicklung eines Kaufvertrags über ein Kraftfahrzeug; Motor der Baureihe EA 288; Zulässigkeit eines Thermofensters; Begriff der Sittenwidrigkeit; Voraussetzungen für eine sekundäre Darlegungslast
Bibliographie
- Gericht
- OLG Oldenburg
- Datum
- 22.07.2021
- Aktenzeichen
- 8 U 241/20
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2021, 49796
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- LG Oldenburg - 03.11.2020 - AZ: 1 O 647/20
Rechtsgrundlagen
- § 826 BGB
- § 31 BGB
In dem Rechtsstreit
AA, Ort 1,
Kläger und Berufungskläger,
Prozessbevollmächtigte:
(...),
Geschäftszeichen: (...)
gegen
(BB) AG, vertreten durch den Vorstand, dieser vertreten durch den Vorstandsvorsitzenden
Dr. CC, Ort2,
Beklagte und Berufungsbeklagte,
Prozessbevollmächtigte:
(...),
Geschäftszeichen: (...)
hat der 8. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Oldenburg auf die mündliche Verhandlung vom 8. Juli 2021 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht (...) die Richterin am Oberlandesgericht Dr. (...) und den Richter am Amtsgericht (...)
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Berufung des Klägers gegen das am 3. November 2020 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 1. Zivilkammer des Landgerichts Oldenburg wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
Das Urteil ist wie auch das angefochtene Urteil vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I.
Von der Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil mit Darstellung etwaiger Änderungen oder Ergänzungen (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO) wird gemäß §§ 313a Abs. 1 Satz 1, 540 Abs. 2 ZPO abgesehen.
II.
Die zulässige Berufung hat keinen Erfolg. Das Landgericht hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen.
1. Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Schadensersatzanspruch aus §§ 826, 31 BGB.
Gemäß § 826 BGB ist derjenige, der in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise einem anderen vorsätzlich Schaden zufügt, dem anderen zum Ersatz des Schadens verpflichtet. Eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung der Beklagten liegt nicht vor. Im Hinblick auf die einzelnen von dem Kläger zuletzt behaupteten unzulässigen Abschalteinrichtungen gilt Folgendes:
a) Thermofenster
Soweit der Kläger vorträgt, in seinem Fahrzeug sei eine unzulässige Abschalteinrichtung in Gestalt eines sogenannten Thermofensters verbaut, hat er die Voraussetzungen des Art. 5 Abs. 2 Satz 1 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 nicht dargelegt. Zudem fehlt es jedenfalls an der für einen Anspruch nach § 826 BGB erforderlichen Sittenwidrigkeit.
aa) Der darlegungs- und beweisbelastete Kläger (vgl. BGH, Beschluss vom 19. Januar 2021 - VI ZR 433/19, Rn. 19) hat Umstände, aus denen sich das Verhalten der Beklagten in Bezug auf die Verwendung eines Thermofensters als objektiv sittenwidrig qualifizieren ließe, nicht hinreichend vorgetragen.
Dabei kann dahinstehen, ob die Wirksamkeit des Emissionskontrollsystems bei Außentemperaturen außerhalb von +20° C bis +30°C sinkt und sich dies als eine unzulässige Abschalteinrichtung qualifizieren ließe. Denn selbst wenn man diesen Vortrag des Klägers als richtig unterstellt, reicht dies für sich genommen nicht aus, um dem Verhalten der für die Beklagte handelnden Personen ein sittenwidriges Gepräge zu geben.
(1) Die Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruchs wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung sind nämlich nicht bereits deshalb gegeben, weil die Beklagte den streitgegenständlichen Fahrzeugtyp aufgrund einer grundlegenden unternehmerischen Entscheidung mit einer temperaturabhängigen Steuerung des Emissionskontrollsystems (Thermofenster) ausgestattet und in den Verkehr gebracht hat. Dieses Verhalten ist für sich genommen nicht als sittenwidrig zu qualifizieren. Dies gilt auch dann, wenn die Beklagte mit der Entwicklung und dem Einsatz dieser Steuerung eine Kostensenkung und die Erzielung von Gewinn erstrebt hat (vgl. BGH, Beschluss vom 19. Januar 2021, aaO, Rn. 13). Denn der Einsatz einer temperaturabhängigen Steuerung des Emissionskontrollsystems ist nicht mit der Fallkonstellation zu vergleichen, die dem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 25. Mai 2020 (VI ZR 252/19) zugrunde lag. Die in jener Entscheidung zu beurteilende Software war (von der BB AG in Motoren der Baureihe EA 189) bewusst und gewollt so programmiert worden, dass die gesetzlichen Abgasgrenzwerte nur auf dem Prüfstand beachtet, im normalen Fahrbetrieb hingegen überschritten wurden (Umschaltlogik); sie zielte damit unmittelbar auf die arglistige Täuschung der Typgenehmigungsbehörde ab (vgl. BGH, Beschluss vom 19. Januar 2021, aaO, Rn. 16). Dagegen fehlt es bei dem Einsatz einer temperaturabhängigen Steuerung des Emissionskontrollsystems, die nicht danach unterscheidet, ob sich das Fahrzeug auf dem Prüfstand oder im realen Fahrbetrieb befindet, an einem derartigen arglistigen Vorgehen des Herstellers. Das Thermofenster weist damit jedenfalls - auch nach dem Vortrag des Klägers - keine Funktion auf, die bei erkanntem Prüfstandbetrieb eine verstärkte Abgasrückführung aktiviert und den Stickoxidausstoß gegenüber dem normalen Fahrbetrieb reduziert, sondern es arbeitet in beiden Fahrsituationen grundsätzlich in gleicher Weise (vgl. BGH, Beschluss vom 19. Januar 2021, aaO, Rn. 18).
(2) Deshalb ist bei der Verwendung einer entsprechend temperaturabhängigen Steuerung des Emissionskontrollsystems der Vorwurf der Sittenwidrigkeit gegenüber dem Hersteller nur gerechtfertigt, wenn zu einem etwaigen Verstoß gegen die Verordnung (EG) Nr. 715/2007 weitere Umstände hinzutreten, die das Verhalten der für die Beklagte handelnden Personen als besonders verwerflich erscheinen lassen. Die Annahme von Sittenwidrigkeit setzt zumindest voraus, dass diese Personen bei der Entwicklung und/oder Verwendung der temperaturabhängigen Steuerung des Emissionskontrollsystems in dem Bewusstsein handelten, eine unzulässige Abschalteinrichtung zu verwenden, und den darin liegenden Gesetzesverstoß billigend in Kauf nahmen. Fehlt es hieran, ist bereits der objektive Tatbestand der Sittenwidrigkeit nicht erfüllt. Dabei trägt die Darlegungs- und Beweislast für diese Voraussetzung nach allgemeinen Grundsätzen der Kläger (vgl. BGH, Beschluss vom 19. Januar 2021, aaO, Rn. 19).
Soweit der Kläger pauschal vorträgt, dass die Zulassung und Typgenehmigung des Fahrzeugs erschlichen worden seien, lassen sich daraus keine tragfähigen Rückschlüsse auf das Vorstellungsbild der für die Beklagte handelnden Personen ziehen. So ließen sich zwar aus möglichen Angaben der Beklagten im Rahmen des Typgenehmigungsverfahrens, die auf eine Verschleierung des Umstands, dass die Abgasrückführungsrate in dem Fahrzeugtyp durch die Außentemperatur mitbestimmt wird, hindeuten könnten, Anhaltspunkte für ein Bewusstsein der für die Beklagte handelnden Personen gewinnen, eine etwaig unzulässige Abschalteinrichtung zu verwenden (vgl. BGH, Beschluss vom 19. Januar 2021, aaO, Rn. 24). Hier lässt sich dem tatsächlichen Vorbringen des Klägers aber nicht entnehmen, dass die Beklagte die Verwendung einer temperaturabhängigen Steuerung der Abgasrückführungsrate gegenüber dem Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) verschleiert hätte. Dem von dem Kläger verwendeten Begriff des Erschleichens liegt bereits eine Wertung zu Grunde, ohne dass sich seinem Vortrag entnehmen lässt, auf welcher tatsächlichen Grundlage diese Wertung beruht. Insbesondere ergibt sich nicht, ob der Kläger in tatsächlicher Hinsicht davon ausgeht, dass die Beklagte im Rahmen des Typgenehmigungsverfahrens objektiv unrichtige Angaben hinsichtlich der Arbeitsweise des Abgasrückführungssystems gemacht hat, oder ob er meint, dass die Beklagte bestimmte Angaben verschwiegen hat. Insoweit reicht auch das pauschale Vorbringen des Klägers, die Beklagte und ihre Vorstände hätten vom Einbau der Abschalteinrichtung gewusst und es sei zwangsläufig davon auszugehen, dass die Beklagte ihre Handlungen vorsätzlich ausgeführt habe, nicht aus, da es insofern bereits an der Darstellung eines konkreten Lebenssachverhaltes fehlt und der Kläger lediglich eine Schlussfolgerung ohne Tatsachengrundlage zieht. Im Übrigen bezieht sich der Vortrag nicht ausdrücklich auf das Thermofenster, sondern pauschal auf sämtliche behauptete Abschalteinrichtungen.
Mangels schlüssigen Vortrags des Klägers ist mithin eine sekundäre Darlegungslast der Beklagten - unabhängig davon, ob diese grundsätzlich bestehen würde - nicht ausgelöst worden.
(3) Unabhängig von den vorstehenden Ausführungen ließe sich das Verhalten der für die Beklagte handelnden Personen in Bezug auf einen möglichen Schaden des Klägers selbst dann nicht als besonders verwerflich bewerten, wenn davon auszugehen wäre, dass die für die Beklagte handelnden Personen - wie der Kläger in der Berufungsbegründung mit seiner Behauptung, der Beklagten sei bewusst gewesen, dass sie bei falscher Auslegung unbestimmter Rechtsbegriffe möglicherweise gegen gesetzliche Vorschriften verstößt, zum Ausdruck bringt - bei der Entwicklung und/oder Verwendung des Thermofensters einen Gesetzesverstoß für möglich gehalten und billigend in Kauf genommen hätten. Denn insoweit wäre nicht nur auf die Entwicklung des Thermofensters und das Inverkehrbringen des Fahrzeugs abzustellen, sondern auch auf das weitere Verhalten bis zu dem Erwerb des Fahrzeugs durch den Kläger im November 2019. Denn für die Bewertung eines schädigenden Verhaltens als (nicht) sittenwidrig ist in einer Gesamtschau dessen Gesamtcharakter zu ermitteln, wobei das gesamte Verhalten des (vermeintlichen) Schädigers bis zum Eintritt des Schadens beim konkreten Geschädigten zugrunde zu legen ist (vgl. BGH, Urteil vom 30. Juli 2020 - VI ZR 5/20, Rn. 30). Demnach ist bei der Bewertung des Verhaltens der für die Beklagte handelnden Personen auch zu berücksichtigen, dass diese nach dem unstreitigen Vortrag der Beklagten das Kraftfahrtbundesamt im Rahmen eines "Technik-Workshops" am 22. Januar 2016 über das verwendete Thermofenster in Kenntnis gesetzt haben. Damit lagen dem KBA jedenfalls seit Januar 2016 in tatsächlicher Hinsicht die notwendigen Informationen vor. Der nachfolgende Erwerb des Fahrzeugs durch den Kläger in Unkenntnis der - nach seiner Auffassung - unzulässigen Abschalteinrichtung wäre demnach nicht auf eine unvollständige Information des KBA oder gar die Aufrechterhaltung einer etwaigen Täuschung der Beklagten zurückzuführen, sondern darauf, dass das KBA die Regelungen der Art. 3 Nr. 10, Art. 5 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 (ebenfalls) unzutreffend ausgelegt und deshalb von Anordnungen gemäß § 25 Abs. 2 EG-FGV oder § 25 Abs. 3 Nr. 1 EG-FGV abgesehen hätte. Aus dem Unterbleiben entsprechender Anordnungen konnte die Beklagte des Weiteren schließen, dass die für das Typgenehmigungsverfahren zuständige Behörde ihre Rechtsauffassung hinsichtlich des Nichtvorliegens einer unzulässigen Abschalteinrichtung in Bezug auf das verwendete Thermofenster teilt. Der Beklagten ist daher nicht vorzuwerfen, in den (unveränderten) Fortbestand der Typgenehmigung(en) vertraut und die bereits im Verkehr befindlichen Fahrzeuge nicht zurückgerufen haben.
bb) Abgesehen davon dringt der Kläger mit seinen Behauptungen zur Ausgestaltung des Thermofensters nicht durch. Er behauptet insoweit, die Höhe der Abgasrückführungsrate bis hin zur Abschaltung der Abgasrückführung werde durch eine temperaturgestützte Abschaltvorrichtung erreicht. Die Reduzierung der Abgasreinigung erfolge durch die Software der Motorsteuerung in Abhängigkeit von der Außenlufttemperatur. Außerhalb eines Temperaturfensters von +20°C bis +30°C sinke die Wirksamkeit des Emissionskontrollsystems. Zudem werde die Wirksamkeit des Emissionskontrollsystems bereits ab einer Außentemperatur von unter +15°C maßgeblich reduziert. Die Beklagte stellt die Verwendung eines Thermofensters grundsätzlich nicht in Abrede. Sie trägt jedoch vor, die Abgasrückführung sei in Abhängigkeit zur Umgebungstemperatur im Bereich zwischen -24°C und +70°C zu 100% aktiv. Oberhalb und unterhalb dieses Thermofensters erfolge aus Motorschutzgründen und zur Sicherung eines sicheren Betriebs keine Abgasrückführung. Innerhalb des Thermofensters finde in Abhängigkeit zur Umgebungstemperatur keine kontinuierliche Abstufung (sogenannte Abrampung) statt. Da der Kläger keine greifbaren Anhaltspunkte für seine abweichenden Behauptungen vorträgt und solche auch sonst nicht ersichtlich sind, handelt es sich um Behauptungen ins Blaue hinein.
Auf der Grundlage des danach zu Grunde zu legenden Sachvortrags der Beklagten hinsichtlich der Ausgestaltung des Thermofensters fehlt es in Bezug auf die Deaktivierung der Abgasrückführung ab Temperaturen von mehr als 70° C bereits an einer Abschalteinrichtung im Sinne des Art. 3 Nr. 10 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007, da die Verringerung der Wirksamkeit des Emissionskontrollsystems nicht bei Bedingungen eintritt, die bei normalen Betrieb des Fahrzeugs in dem Geltungsbereich der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 zu erwarten sind. Die Verringerung der Wirksamkeit des Emissionskontrollsystems bei Temperaturen von weniger als -24° C mag zwar (noch) als Abschalteinrichtung im Sinne des Art. 3 Nr. 10 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 zu qualifizieren sein. Bei einer erst ab diesem Temperaturbereich erfolgenden Deaktivierung der Abgasrückführung bestehen aber erst Recht keine Anhaltspunkte dafür, dass die für die Beklagte handelnden Personen für möglich gehalten und billigend in Kauf genommen haben könnten, dass die Voraussetzungen des Tatbestands des Art. 5 Abs. 2 Satz 2 lit. a) der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 nicht erfüllt sein könnten.
b) Fahrkurvenerkennung / NOx-Speicherkatalysator
Nachdem der Kläger erstinstanzlich noch behauptet hatte, in seinem Fahrzeug sei ein SCR-Katalysator verbaut, hat er mit Schriftsatz vom 9. Juni 2021 unstreitig gestellt, dass das Fahrzeug über einen NOx-Speicher-Katalysator (NSK) verfügt.
Der Kläger trägt dazu vor, der NSK werde im Fahrbetrieb regelmäßig in bestimmten Streckenintervallen von ca. 5 km oder wenn der Speicher voll "beladen" sei regeneriert, je nachdem welches Ereignis zuerst eintrete. Mittels einer Fahrkurvenerkennung (Zykluserkennung) werde die Vorkonditionierung ("Precon") für die Messung auf dem Teststand im NEFZ erkannt. Die Software stelle sicher, dass am Ende der Vorkonditionierung eine Regeneration des NSK unabhängig vom aktuellen Beladungszustand erfolge, sodass dieser zu Beginn der Messungen fast leer sei, um mehr als zwei Entladungszyklen im Prüfzyklus zu vermeiden. Sobald der Testzyklus erkannt werde, werde die Abgasrückführung in einer anderen Weise geregelt als im normalen Straßenverkehr, um im NEFZ-Korridor die gesetzlich geforderten Stickoxidemissionen einzuhalten (Umschaltstrategie 1); im normalen Straßenverkehr befinde sich das Fahrzeug hingegen durchgängig in einem anderen Modus (Umschaltstrategie 2) mit höheren Stickoxidemissionen.
aa) Im Hinblick auf dieses Vorbringen, dem die Beklagte nicht entgegen getreten ist, kann dahinstehen, ob die von dem Realbetrieb abweichende Steuerung des NSK als unzulässige Abschalteinrichtung im Sinne des Art. 5 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 zu qualifizieren ist. Selbst wenn man dies zu Gunsten des Klägers unterstellt, würde es an einer objektiv sittenwidrigen Schädigungshandlung der Beklagten fehlen. Denn aus der von dem Realbetrieb abweichenden Steuerung der Regeneration des NSK kann weder auf eine Täuschung des Kraftfahrt-Bundesamtes noch auf das Bewusstsein der für die Beklagte handelnden Personen von der Verwendung einer etwaig unzulässigen Abschalteinrichtung geschlossen werden. Anders als bei der Verwendung der in dem Vorgängermotor EA 189 eingesetzten Umschaltlogik, durch die bei erkanntem Lauf des Prüfstands eine gegenüber dem Realbetrieb verstärkte Abgasrückführung aktiviert worden war, lässt sich hinsichtlich der Steuerung der Regeneration des NSK nicht feststellen, dass diese evident unzulässig und mit ihr der Zweck verfolgt worden wäre, das KBA (oder andere Typgenehmigungsbehörden) arglistig zu täuschen (vgl. BGH, Beschluss vom 19. Januar 2021, aaO, Rn. 17).
(1) Hinsichtlich der vor dem Beginn der Prüfstandfahrt erfolgenden Regeneration des NSK und der damit einhergehenden Zurücksetzung des Streckenzählerstandes lässt sich das Vorliegen einer Abschalteinrichtung im Sinne des Art. 3 Abs. 10 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 nicht feststellen. Denn dies würde eine Veränderung der Funktion des NSK, bei dem es sich um einen Teil des Emissionskontrollsystems handelt, und eine hieraus folgende Verringerung der Wirksamkeit des Emissionskontrollsystems unter Bedingungen, die bei einem normalen Fahrzeugbetrieb vernünftigerweise zu erwarten sind, voraussetzen. Auch wenn man dem Betrieb des Fahrzeugs auf dem Prüfstand den Betrieb im realen Fahrbetrieb gegenüberstellt, lässt sich eine Veränderung der Funktion des NSK nicht aus der vor dem Beginn der Prüfstandfahrt erfolgenden Regeneration des NSK herleiten. Denn diese bewirkt nicht, dass sich die Wirkungsweise des NSK auf dem Prüfstand von derjenigen im realen Fahrbetrieb unterscheidet. Vielmehr entspricht die Wirkungsweise des NSK (beziehungsweise dessen Beladungs- und Streckenzählerstand) zu Beginn der Prüfstandfahrt derjenigen im realen Fahrbetrieb im Anschluss an eine zuvor erfolgte Regeneration. Hierbei handelt es sich auch nicht um einen im realen Fahrbetrieb nicht oder nur selten vorkommenden Beladungs- und Streckenzählerstand des NSK, da der NSK im realen Fahrbetrieb spätestens nach einer jeweils zurückgelegten Fahrstrecke von fünf Kilometern eine Regeneration durchläuft. Nach alledem wird durch die vor der Prüffahrt erfolgende Regeneration nicht die Wirkungsweise des NSK unter den Bedingungen des Prüfstands gegenüber dem realen Fahrbetrieb verändert, sondern sichergestellt, dass das Prüffahrzeug mit einem auch im realen Fahrbetrieb regelmäßig vorkommenden (niedrigen) Beladungs- und Streckenzählerstand zur Prüfung vorgestellt wird. Auch den Vorschriften zur Vorkonditionierung des Fahrzeugs (insbesondere Anhang 4a Abs. 3.2 der UN/ECE-Regelung Nr. 83) lässt sich nicht entnehmen, dass der NSK des zu prüfenden Fahrzeugs zu Beginn der Prüffahrt einen bestimmten (anderen) Beladungsstand aufweisen müsste.
Soweit die Regeneration des NSK während der Prüffahrt ausschließlich in Abhängigkeit von der zurückgelegten Strecke erfolgt, ist eine Veränderung der Funktion des NSK gegenüber dem realen Fahrbetrieb gegeben, in dem die Regeneration in Abhängigkeit von der zurückgelegten Strecke oder dem Beladungsstand erfolgt. Dass aber auch die weitere Voraussetzung des Art. 3 Abs. 10 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007, eine hieraus folgende Verringerung der Wirksamkeit des Emissionskontrollsystems im realen Fahrbetrieb, gegeben wäre, kann nicht festgestellt werden. Denn eine Verringerung der Wirksamkeit des Emissionskontrollsystems wäre nur anzunehmen, wenn es im Falle der Verwendung der für den Realbetrieb vorgesehenen strecken- und beladungsgesteuerten Regeneration des NSK im Rahmen der mit einem regenerierten NSK begonnenen Prüffahrt oder unter vergleichbaren Bedingungen im realen Fahrbetrieb nicht nur zu streckengesteuerten, sondern auch zu mindestens einer beladungsgesteuerten Regeneration des NSK gekommen wäre. Denn nur dann käme es im Rahmen der Prüffahrt oder unter vergleichbaren Bedingungen im realen Fahrbetrieb gegebenenfalls zu einer höheren Anzahl an Regenerationen des NSK, mit der gegebenenfalls ein Anstieg der Stickoxid-Emissionen verbunden wäre. Dies ist jedoch weder vorgetragen noch ersichtlich.
(2) Soweit der Kläger seinen Vortrag auf die Präsentationsunterlagen der Beklagten vom 2. Oktober 2015 gegenüber dem KBA (Anlage BK1) stützt, welche von der EE am 23. April 2021 veröffentlicht wurden, lässt sich daraus ebenfalls kein Erkenntnisgewinn erzielen. Zwar ist dem Kläger zuzugestehen, dass die Beklagte selbst den Begriff "Umschaltstrategie" verwendet; allerdings ergibt sich aus der Grafik zur "Umschaltstrategie EA288 EU6 NSK" gerade nicht, dass im NEFZ-Korridor andere Emissionen auftreten als außerhalb des Prüfzyklus. Vielmehr heißt es ausdrücklich:
"Keine unterschiedlichen Emissionen zw. 1 und 2".
(3) Des Weiteren stützt der Kläger seinen Vortrag auf ein "DD-Memo EU6 defeat device" und legt insoweit eine E-Mail aus Oktober 2015 vor, die "Auszüge aus dem Protokoll der von der Beklagten beauftragten Anwaltskanzlei DD (...) vom 02.10.2015 in denen eine Zusammenfassung der technischen Erläuterungen der Beklagten vom 28.09.2015 erfolgt" enthält. Dort heißt es am Ende der Darstellung zur Funktionsweise:
"Denn die Wirksamkeit des SCR-Systems und des NSK ist im Rollenprüfmodus und im normalen Fahrbetrieb identisch und damit im normalen Betrieb nicht verringert."
Das Vorbringen des Klägers zu höheren Stickoxidemissionen außerhalb des Prüfstands findet auch hier mithin keine Bestätigung.
(4) Zudem legt der Kläger eine E-Mail des Senior Counsel und Diplom-Ingenieur Fahrzeugtechnik vom 1. Oktober 2015 gegenüber dem KBA vor (Anlage BK3). Diese bestätigt zwar eine Prüfstanderkennung:
"Die Motor-Software enthält eine Fahrkurve zur Präkonditionierung sowie eine Temperatur- und eine Weg-Zeit-Sensierung, die mit Toleranzzugabe die Weg-Zeit-Funktion des NEFZ erkennt...";
nicht aber eine Manipulation der Abgaswerte auf dem Prüfstand:
"Die Motorapplikation für beide Funktionsmodi ist identisch."
(5) Auch aus der Applikationsrichtlinie vom 18. November 2015 (Anlage K7) ergeben sich keine Anhaltspunkte, die den klägerischen Vortrag zur Manipulation der Abgaswerte auf dem Prüfstand stützen könnten. Abgesehen davon, dass die Aussagekraft der "Applikationsanweisung Diesel Fahrkurven EA288 NSK" hier gering ist, da die Vorgaben erst ab der KW 47/2015 gelten und keine Aussage enthalten, welche Programmierung in dem bereits am 10. Juli 2015 erstmals zugelassenen Fahrzeug des Klägers enthalten ist, heißt es dort lediglich:
"NSK: Bedatung, Aktivierung und Nutzung der Fahrkurven zur Erkennung des Precon und des NEFZ, um die Abgasnachbehandlungsevents (...) nur streckengesteuert zu platzieren. Im normalen Fahrbetrieb strecken- und beladungsgesteuerte Platzierung des Events..."
(6) Selbst wenn man zu Gunsten des Klägers unterstellt, dass sich im Falle der Verwendung der für den Realbetrieb vorgesehenen beladungs- oder streckengesteuerten Regeneration des NSK die Zahl der durchgeführten Regenerationen erhöht hätte, lägen zwar die Voraussetzungen einer Abschalteinrichtung im Sinne des Art. 3 Abs. 10 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 vor. Damit wäre aber noch nicht die Frage der Unzulässigkeit der Abschalteinrichtung im Sinne des Art. 5 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 beantwortet, zumal zwischen den Parteien unstreitig ist, dass es auch im Falle der Deaktivierung der Fahrkurvenerkennung jedenfalls nicht zu einer Überschreitung des Stickoxid-Grenzwerts von 80 mg/km kommt. So vertritt auch das KBA unter Heranziehung der Regelung des Art. 5 Abs. 2 Satz 2 lit. c) der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 die Auffassung, dass Vorrichtungen zulässig seien, die zwar den Prüfstandbetrieb erkennen und den Schadstoffausstoß beeinflussen, aber nicht erforderlich sind, um die Grenzwerte in den Prüfverfahren einzuhalten. Ob dies zutreffend ist, bedarf hier keiner Entscheidung. Denn die Rechtsauffassung der auch für den hier zu beurteilenden Fahrzeugtyp zuständigen Typgenehmigungsbehörde zeigt, dass es hinsichtlich der Steuerung der Regeneration des NSK jedenfalls an einer evident unzulässigen Abschalteinrichtung fehlt, so dass sich aus deren Verwendung nicht schließen ließe, dass die für die Beklagte handelnden Personen einen etwaigen Gesetzesverstoß bei der Entwicklung oder Verwendung der Software oder bis zum Erwerb des Fahrzeugs durch den Kläger erkannt und gebilligt hätten.
bb) Unabhängig von den vorstehenden Ausführungen lässt sich in Bezug auf den Schaden, den der Kläger durch den Erwerb des Fahrzeugs im November 2019 erlitten haben will, eine objektiv sittenwidrige Schädigungshandlung der für die Beklagte handelnden Personen aber auch deshalb nicht feststellen, weil diese das KBA im Oktober 2015 über die Fahrkurvenerkennung und die daran geknüpften Funktionen in Kenntnis gesetzt haben.
Dies ergibt sich bereits aus der vom Kläger vorgelegten E-Mail vom 1. Oktober 2015 (Anlage BK3), die Bestandteil der von dem EE e.V. veröffentlichten und von dem Kläger selbst auf Seite 1 des Schriftsatzes vom 9. Juni 2021 in Bezug genommenen "KBA-Dieselgate-Akten" ist. In dieser E-Mail (Seite 59 des Berichts des EE e.V.) bestätigt die Beklagte den Einbau einer Fahrkurve. Ebenfalls Bestandteil der Veröffentlichung sind Präsentationsunterlagen der Beklagten vom 2. Oktober 2015, die gegenüber dem KBA veröffentlicht wurden und im Rahmen der Grafik zur "Umschaltstrategie EA288 EU6 NSK" (Seite 75 des Berichts des EE e.V.) die Funktionsweise darstellen. Dem KBA war mithin der Einbau einer Fahrkurve bereits im Jahr 2015 und damit vier Jahre vor dem Kauf des Fahrzeugs durch den Kläger bekannt.
Vor diesem Hintergrund ist das Verhalten der für die Beklagte handelnden Personen in Bezug auf einen (möglichen) Schaden, der dem Kläger durch den Abschluss des hier fraglichen Kaufvertrages im November 2019 entstanden sein könnte, nicht als besonders verwerflich zu bewerten, und zwar auch dann nicht, wenn die Fahrkurvenerkennung und die daran geknüpften Funktionen (entgegen der Bewertung des KBA) als unzulässige Abschalteinrichtung anzusehen sein sollten. Denn für die Bewertung eines schädigenden Verhaltens als (nicht) sittenwidrig ist in einer Gesamtschau dessen Gesamtcharakter zu ermitteln, wobei das gesamte Verhalten des (vermeintlichen) Schädigers bis zum Eintritt des Schadens beim konkreten Geschädigten zugrunde zu legen ist (vgl. BGH, Urteil vom 30. Juli 2020, aaO, Rn. 30). Bei dieser Würdigung ist nicht nur auf die Entwicklung und Verwendung der Motorsteuerungssoftware abzustellen, sondern auch die Offenlegung des Sachverhalts durch die Beklagte gegenüber dem KBA und die Bewertung durch diese Behörde zu berücksichtigen. Hinsichtlich des Erwerbs des Fahrzeugs durch den Kläger und eines gegebenenfalls hierdurch bedingten Schadenseintritts im November 2019 kann daher keine Rede davon sein, dass dieser Schaden auf (der Aufrechterhaltung) einer Täuschung des KBA durch die für die Beklagte handelnden Personen zurückzuführen wäre. Denn das KBA hat für das in Streit stehende Fahrzeugmodell nach der Offenlegung weder einen Rückruf noch irgendwelche anderen Maßnahmen (Software-Updates) angeordnet, sodass die Beklagte jedenfalls von der Gesetzmäßigkeit der Software ausgehen und darauf vertrauen durfte, dass diese den Vorgaben von Art. 5 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 genügt. Da die zuständige Typgenehmigungsbehörde durch ihre Verwaltungspraxis die öffentlich-rechtlichen Verhaltensanforderungen an die Fahrzeughersteller in Bezug auf die Sicherheit und das Umweltverhalten der Fahrzeuge konkretisiert, kann das von der zuständigen Typgenehmigungsbehörde gebilligte Verhalten der für die Beklagte handelnden Personen nicht zugleich als ein Verhalten qualifiziert werden, das gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt, wie es für das Unwerturteil der Sittenwidrigkeit im Sinne des § 826 BGB erforderlich wäre (vgl. BGH, Urteil vom 25. Mai 2020 - VI ZR 252/19, juris, Rn. 15).
Bei dieser Würdigung berücksichtigt der Senat, dass die Offenlegung gegenüber dem KBA im Oktober 2015 nicht freiwillig erfolgt ist, sondern in einer Situation, in der die Beklagte - nach Aufdeckung der Abgasmanipulation bei Dieselmotoren der Baureihe EA 189 - auch im Hinblick auf die Nachfolge-Baureihe EA 288 zu einer Erklärung gezwungen war, weil zahlreiche Fahrzeugmodelle der im Herbst 2015 aktuellen Produktion mit EA 288-Motoren ausgestattet wurden und auch diese Motorbaureihe deshalb unmittelbar nach Bekanntwerden der Abgasmanipulation bei EA 189-Motoren ebenfalls Gegenstand der Kommunikation zwischen dem KBA und der Beklagten war. Der Senat teilt insoweit auch nicht die vom Klägervertreter in der mündlichen Verhandlung und im anschließend eingereichten Schriftsatz vom 9. Juli 2021 hervorgehobene Auffassung des Oberlandesgerichts Naumburg, dass die Offenlegung der Fahrkurvenerkennung gegenüber dem KBA im Oktober 2015 nicht mit den Fällen vergleichbar sei, in denen Fahrzeuge mit Motoren der Baureihe EA 189 erst nach der Adhoc-Mitteilung der Beklagten vom 22. September 2015 erworben wurden und in denen der Bundesgerichtshof eine Sittenwidrigkeit verneint hat, weil sich die Beklagte hinsichtlich der Motoren der Baureihe EA 288 darauf beschränkt habe, dem KBA offenzulegen, dass auch im Nachfolgemodell EA 288 eine Abschalteinrichtung verbaut wurde, wovon die Öffentlichkeit aber - anders als bei den Motoren der Baureihe EA 189 - nichts erfahren habe (OLG Naumburg, Urteil vom 9. April 2021 - 8 U 68/20, BeckRS 2021, 8880 Rn. 29).
Dass die Öffentlichkeit von der Beklagten nicht über die Offenlegung der Fahrkurvenerkennung bei Motoren der Baureihe EA 288 informiert wurde, schließt eine Berücksichtigung dieser Offenlegung bei der erforderlichen Gesamtwürdigung des Verhaltens der Beklagten bis zum Eintritt des - vermeintlichen - Schadens nicht aus. Vielmehr ist eine Zusammenarbeit mit dem KBA als der zuständigen Genehmigungsbehörde insofern ein maßgeblicher Umstand (vgl. BGH, Urteil vom 30. Juli 2020, aaO, Rn. 30, 37). Dass im Hinblick auf EA 288-Motoren nicht zusätzlich eine Information der Öffentlichkeit erfolgte, fällt demgegenüber nach den vom Bundesgerichtshof in der zitierten Entscheidung dargestellten Grundsätzen nicht entscheidend ins Gewicht. Denn über die Manipulationen bei Motoren der Baureihe EA 189 hat die Beklagte die Öffentlichkeit nicht freiwillig informiert, sondern weil sie sich im Herbst 2015 in einer Lage befand, in der die Abgasmanipulation aufgedeckt und sie zu einer Reaktion gezwungen war. Auch die umfassende mediale Berichterstattung ist der Beklagten nicht als eigene Aufklärungsarbeit zuzurechnen, sondern lediglich bei der Beurteilung zu berücksichtigen, welche Anstrengungen von der Beklagten zu unternehmen waren, um ihr Verhalten im Rahmen der notwendigen Gesamtbetrachtung als nicht sittenwidrig erscheinen zu lassen. Die Beklagte hat auch nicht selbst die Abschalteinrichtung bei Motoren der Baureihe EA 189 als illegal gebrandmarkt, sondern ist im Gegenteil dieser (zutreffenden) Bewertung in der Folgezeit entgegengetreten. Sie hat eine bewusste Manipulation geleugnet und hätte - möglicherweise - weitere Schritte zur umfassenden Aufklärung unternehmen können, was aber für die Begründung des gravierenden Vorwurfs der sittenwidrigen Schädigung gegenüber potenziell geschädigten Fahrzeugkäufern nicht ausreicht. Insbesondere war bei Motoren der Baureihe EA 189 ein aus moralischer Sicht tadelloses Verhalten der Beklagten oder eine Aufklärung, die tatsächlich jeden potenziellen Käufer erreicht und einen Fahrzeugerwerb in Unkenntnis der Abschalteinrichtung sicher verhindert, zum Ausschluss objektiver Sittenwidrigkeit nicht erforderlich (vgl. BGH, aaO, Rn. 38). Bei der Anwendung dieser Grundsätze auf EA 288-Motoren ist zu berücksichtigen, dass das KBA die Fahrkurvenerkennung und die an diese Funktion geknüpften Umschaltungen bei den betroffenen Motoren nicht als unzulässige Abschalteinrichtung bewertet und deshalb von nachträglichen Anordnungen in Bezug auf die Typgenehmigungen der entsprechenden Fahrzeugtypen abgesehen hat. Deshalb bestand bei Motoren der Baureihe EA 288 keine Notwendigkeit, die Öffentlichkeit über die Offenlegung der Fahrkurvenerkennung zu informieren. Das Unterlassen einer entsprechenden Information kann deshalb nicht den gravierenden Vorwurf einer sittenwidrigen Schädigung gegenüber potenziell geschädigten Fahrzeugkäufern begründen.
2. Die Voraussetzungen für einen Anspruch aus § 831 Abs. 1 S. 1 BGB liegen ebenfalls nicht vor. Insoweit fehlt es bereits an tragfähigem Vorbringen des Klägers in Bezug auf etwaige, von ihm nicht näher bezeichnete Verrichtungsgehilfen.
3. Ein Schadensersatzanspruch steht dem Kläger auch nicht aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 263 Abs. 1 StGB zu, da es aufgrund der unter II. 1. genannten Erwägungen jedenfalls an der Voraussetzung einer vorsätzlichen Täuschung fehlt.
4. Ebenso wenig lässt sich ein Schadensersatzanspruch aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit Art. 4, Art. 5 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 beziehungsweise in Verbindung mit §§ 6 Abs. 1, 27 Abs. 1 EG-FGV herleiten, da entsprechende Ansprüche schon mangels denkbarer Verletzung eines Schutzgesetzes ausscheiden (vgl. BGH, Urteil vom 30. Juli 2020, aaO, Rn. 10 ff.; OLG München, Beschluss vom 29. August 2019 - 8 U 1449/19, juris, Rn. 76 ff.).
5. Soweit der Kläger die Zahlung von Zinsen, die Feststellung des Annahmeverzuges sowie die Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsverfolgungskosten geltend macht, stehen ihm mangels Bestehen eines Hauptanspruchs keine Ansprüche zu.
6. Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus § 97 Abs. 1, §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO. Gründe für eine Zulassung der Revision (§ 543 Abs. 2 ZPO) liegen nicht vor. Das gilt auch im Hinblick auf das dargestellte Urteil des Oberlandesgerichts Naumburg vom 9. April 2021 (8 U 68/20, BeckRS 2021, 8880; siehe oben unter 1 b) bb). Dass ein Gericht einen identischen Sachverhalt anders beurteilt als ein anderes gleich- oder höherrangiges Gericht, begründet für sich allein nicht die Notwendigkeit, die Revision zuzulassen (vgl. Musielak/Voit/Ball, ZPO, 18. Aufl. 2021, § 543 Rn. 8 mwN).