Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 18.07.1990, Az.: 7 C 2/88

Zulässigkeit; Abfallbeseitigung; Standort; Mülldeponie; Antragsbefugnis; Planfeststellungsverfahren; Normenkontrolle; Nachteil

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
18.07.1990
Aktenzeichen
7 C 2/88
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 1990, 13021
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:1990:0718.7C2.88.0A

Verfahrensgang

nachfolgend
BVerwG - 18.12.1990 - AZ: BVerwG 7 NB 4.90

Tenor:

Der Normenkontrollantrag wird abgelehnt.

Die Antragsteller tragen die Kosten des Verfahrens.

Der Beschluß ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Antragsteller können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des festgesetzten Kostenerstattungsbetrages abwenden, wenn nicht die Antragsgegnerin zuvor Sicherheit in derselben Höhe leistet.

Tatbestand:

1

Die Antragsteller wenden sich gegen die Abfallentsorgungsplanung des Antragsgegners, soweit sie Grundlage für eine Zentraldeponie "Klecken" in den Gemarkungen Klecken und Hittfeld ist.

2

Unter dem 1. Juli 1982 stellte die Antragsgegnerin einen Rahmenentwurf für die Fortschreibung des 1. Abfallbeseitigungsplanes für Haus- und Sperrmüll und Abfallstoffe gleicher Art im Regierungsbezirk Lüneburg für die sechs Landkreise des Altbezirks, darunter den Landkreis Harburg, auf (2. Abfallbeseitigungsplan). Im 1. Abfallbeseitigungsplan vom 1. September 1975 (ABl für den Regierungsbezirk Lüneburg, S. 238) waren im Landkreis Harburg die Zentraldeponien Drage, Ohlendorf und Klecken sowie als Übergangslösungen die Zentraldeponien Egestorf, Lindhorst und Tostedt vorgesehen gewesen. Hinzu kam die Zentraldeponie Neu Wulmstorf, deren Standort sich ebenfalls im Bereich des Landkreises befindet, als deren Träger aber die Freie und Hansestadt Hamburg bezeichnet wurde. Vor Aufstellung des Rahmenentwurfs für den 2. Abfallbeseitigungsplan, am 1. Januar 1981, wiesen die Abfallbeseitigungsanlagen Drage, Ohlendorf und Neu Wulmstorf Restvolumina zwischen 60.000 und 70.000 m³ auf, die Deponien Lindhorst, Egestorf und Tostedt waren bereits geschlossen, die geplante Anlage Klecken war demgegenüber, noch gar nicht eingerichtet worden, weil sie wegen des dort betriebenen Bodenabbaus noch nicht zur Verfügung stand. Anstelle dessen war die Übergangsdeponie Dibbersen planfestgestellt worden. In Anbetracht der abnehmenden Deponiemöglichkeiten betrachtete die Antragsgegnerin die Fortschreibung der Abfallbeseitigungsplanung als unabweisbar. Als Grundlage für diese Planung diente ein Gutachten, das eine Arbeitsgruppe der Antragsgegnerin im Auftrage des Arbeitskreises "Wasserwirtschaft und Abfallbeseitigung der Gemeinsamen Landesplanung Hamburg - Niedersachsen" erarbeiten ließ. Das Ergebnis dieses Gutachtens für den Landkreis Harburg war, daß

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- mittelfristig die geordnete Deponierung weiterbetrieben,

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- die Deponie Drage weitergeführt und

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- nach Beendigung der Betriebszeit für die Zentraldeponie Dibbersen der im 1. Abfallbeseitigungsplan schon vorgesehene Deponiebereich im Bodenabbaukomplex "Klecken" noch wesentlich erweitert werden sollte, um dort mit Hamburger Teilabfallmengen eine langfristige größere Deponie mit der Errichtung weitergehender Recycling-Anlagen zu betreiben.

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Der - hier umstrittene - Standort Klecken wurde unter insgesamt vier Alternativstandorten ausgewählt. Er hatte bei vergleichender Betrachtung nach einer von der Landesanstalt für Umweltschutz in Baden-Württemberg entwickelten, nach bezirksspezifischen Vorgaben und im Hinblick auf Haus- und Sperrmülldeponien überarbeiteten Methode bei der Umweltverträglichkeitsuntersuchung mit 61,56 die höchste Punktzahl erreicht und war als "gut geeignet" beurteilt worden. Demgegenüber erhielten die Standorte Drage, Neu Wulmstorf und Klein Moor nur 51,73, 55,99 und 56,50 Punkte und die Bewertung "geeignet". Die hohe Punktzahl des Standortes Klecken resultierte vor allem aus einer erheblich überdurchschnittlichen Beurteilung in der Kriteriengruppe "Naturraum und Landschaft"; bei der Kriteriengruppe "Mensch und Siedlung" hielt sich die Bewertung im Rahmen der Zahlen, die auch zwei der übrigen Standorte zugebilligt worden waren. Relativ ungünstig fielen nur die Kriteriengruppe "Wasserwirtschaft" und hier insbesondere das Kriterium "Grundwasserschutz" aus.

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Neben dem Ergebnis dieser Umweltverträglichkeitsuntersuchung wurden weitere Gesichtspunkte, wie "Zugriff", "Politik" (z.B. Situation aufgrund anderer Belastungen der Region) sowie die Kosten für die Standortbeurteilung herangezogen. Dabei wurde für Klecken die Beeinträchtigung durch den Schwerlastverkehr infolge des umfangreichen Bodenabbaues als Vorbelastung betrachtet, die nur durch eine Reduzierung des Bodenabbaus parallel zur Abfalleinlagerung und durch eine großzügige Neuregelung der Zu- und Abfahrt kompensiert werde könne. Andererseits wurde berücksichtigt, daß Klecken bereits im 1. Abfallbeseitigungsplan aufgenommen worden war und die seinerzeit maßgebenden Entscheidungsargumente sich im Zuge der Fortschreibung bestätigt hätten. Schließlich wurde auf die kostenmäßigen Vorteile dieses Standortes hingewiesen.

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Die Antragsgegnerin schloß sich im wesentlichen der gutachtlichen Beurteilung an und schlug in ihrem Rahmenentwurf für den Landkreis Harburg mittelfristig die zu erweiternde Zentraldeponie Drage für das ostwärtige Einzugsgebiet, die Zentraldeponie Dibbersen und anschließend Klecken für das mittlere und südliche Einzugsgebiet sowie die Zentraldeponie Neu Wulmstorf für Überschußabfallmengen aus dem südlichen Bereich Hamburgs sowie für das nordwestliche Einzugsgebiet des Kreises vor. In dem dem Rahmenentwurf beigefügten Verordnungsentwurf wurde als Standort der Deponie Klecken die Flur 1 der Gemarkung Klecken angegeben.

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Nach Beteiligung der Behörden und Stellen, deren Belange von dem Entwurf berührt werden, und nach Anhörung der Gemeinden wurde der Verordnungsentwurf u.a. in den Gemeinden des Landkreises Harburg in der Zeit vom 1. Juni bis 2. Juli 1984 ausgelegt. Zu den zahlreichen Bürgern, die Anregungen und Bedenken vorbrachten, zählten auch Antragsteller des Normenkontrollverfahrens.

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Unter dem 29. Juni 1987 wurde die Verordnung - begrenzt auf den Bereich des Landkreises Harburg - erlassen. Dieser "2. Teilabfallentsorgungsplan für den Bereich des Landkreises Harburg" stützt sich auf § 6 des Abfallgesetzes - AbfG - und § 2 des Niedersächsischen Ausführungsgesetzes zum Abfallbeseitigungsgesetz, wurde im Amtsblatt für den Regierungsbezirk Lüneburg vom 15. Juli 1987 (S. 168) veröffentlicht und trat nach § 4 der Verordnung am darauffolgenden Tage in Kraft. Während § 1 und § 3 der Verordnung die Entsorgungspflicht und die Einzugsgebiete der Abfallentsorgungsanlagen regeln, betrifft § 2 die Träger und Standorte dieser Einrichtungen.

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Er lautet:

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Träger und Standorte der Abfallentsorgungsanlagen

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1. Träger für die an den folgenden Standorten vorgesehenen oder schon vorhandenen ortsfesten Abfallentsorgungsanlagen für die in § 1 Abs. 1 genannten Abfälle sind:

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1.1 der Landkreis Harburg

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1.1.1 für die auslaufende Deponie "Drage", Gemarkung Winsener Marsch, Flur 13 (südwestlich),

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1.1.2 für die Zentraldeponie "Dibbersen", Gemarkung Dibbersen, Flur 2 (nordöstlich) und Gemarkung Buchholz, Flur 7 (nordwestlich),

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1.1.3 für die Zentraldeponie "Klecken", Gemarkung Klecken, Flur 1 (nördlich) und 3 (nördlich) und Gemarkung Hittfeld, Flur 18 (südlich),

18

1.1.4 und 1.1.5 ....

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1.2 die Freie und Hansestadt Hamburg für die auslaufende Zentraldeponie "Neu Wulmstorf", Gemarkung Neu Wulmstorf, Flur 1 (westlich) und Gemarkung Ketzendorf, Flur 3 und 4 (östlich).

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2. und 2.1 ....

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In einer Anlage zu der Verordnung sind die Einzugsgebiete für die Abfallentsorgungsanlagen tabellarisch zusammengestellt. Dort ist vorgesehen, daß die Zentraldeponie Klecken nach Schließung der Deponien Drage, Dibbersen und Neu Wulmstorf als Abfallentsorgungsanlage für den gesamten Landkreis dienen soll.

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Der in der Verordnung beschriebene Bereich für die Deponie Klecken bildet ein Dreieck, das im Süden durch die zwischen den Orten Klecken und Eddelsen in west-östlicher Richtung verlaufende Autobahn begrenzt wird und nach Nordwesten durch die Eisenbahnlinie Hamburg-Bremen. Es handelt sich um ein Kiesabbaugelände.

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Mit einem am 11. Mai 1988 eingegangenen Schriftsatz haben die Antragsteller Normenkontrollklage gegen die Verordnung erhoben. Sie wenden sich gegen den Deponiestandort Klecken und tragen dazu im wesentlichen vor:

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Ihre Antragsbefugnis nach § 47 Abs. 2 VwGO ergebe sich aus ihrer Eigenschaft als Eigentümer von Wohngrundstücken in der Nachbarschaft der geplanten Deponie. Der Wohnwert ihrer Grundstücke werde bei Verwirklichung der Deponie gemindert; auch ihre Gesundheit werde gefährdet.

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Der Antragsteller zu 1) sei Eigentümer des Grundstücks Kleckener Straße 2 in Seevetal. Das Grundstück liege 1.250 m ostwärts vom geplanten Deponiegelände und seinem Sickerbecken entfernt, jedoch unmittelbar an der geplanten Zufahrtstraße.

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Die Antragstellerin zu 2) sei Eigentümerin des Grundstücks Bäcker-Busch-Weg 3. Dieses Grundstück grenze unmittelbar an das Deponiegelände. Die geplanten Sickerbecken lägen in nur 200 m Entfernung, die geplanten Müllverwertungsanlagen und die Gasfackel in 375 m Entfernung zu ihrem Grundstück.

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Der Antragsteller zu 3) sei Eigentümer des Grundstücks Talweg 12 in Seevetal, ca. 450 m in südostwärtiger Richtung vom Deponiegelände entfernt.

28

Die Antragstellerin zu 4) sei Eigentümerin des Grundstücks Bäcker-Busch-Weg 1 in Seevetal. Ihr Grundstück grenze unmittelbar an die in südwestlicher Richtung anschließende Deponie. Die Entfernung zur Müllverwertungsanlage und Gasfackel werde 350 m betragen.

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Der Antragsteller zu 5) sei Eigentümer des Grundstücks Haidgrund 1 in Seevetal. Das Deponiegelände liege von seinem Grundstück 250 m in nordostwärtiger Richtung entfernt.

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Der Antragsteller zu 6) sei Eigentümer des Grundstücks Talweg 14 in Seevetal. Das Deponiegelände liege davon 450 m in nordwestlicher Richtung entfernt.

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Der Antragsteller zu 7) sei Eigentümer des Grundstücks Eddelsener Siedlung 1 in Seevetal. Dieses liege 300 m in nordostwärtiger Richtung von dem Deponiegelände entfernt.

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Der Antragsteller zu 8) sei Eigentümer des Grundstücks Dahlgrund 13 in Eddelsen. Die Entfernung zur Deponie betrage ca. 200 m.

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Der Antragsteller zu 9) sei Eigentümer des Grundstücks Kleckener Kirchweg 32 a in Seevetal. Die Entfernung zur Deponie mache etwa 700 m aus.

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Neben schwerwiegenden Lärm- und Geruchseinwirkungen sowie Gas-, Rauch-, Staub- und Ascheentwicklung sei als Folge des Deponiebetriebs ein erhöhtes Verkehrsaufkommen durch den regelmäßigen Mülltransport sowie die Verunstaltung des unmittelbar die Wohnbebauung umgebenden Bereichs zu erwarten. Nicht auszuschließen sei eine Gefährdung des Grundwassers im unmittelbar benachbarten Wasserschutzgebiet des Wasserwerks Woxdorf. Die Planung und ihr Vollzug stellten einen schweren und unerträglichen Eingriff in ihre Eigentumspositionen dar. Wirke sich die Planaussage aber in dieser Weise aus, hätte der Interessenkonflikt in Ansehung des Art. 14 Abs. 3 GG angemessen bewältigt werden müssen. Entweder müßten die nachbarschädlichen Auswirkungen der Festsetzung durch hinreichend wirksame und planerisch abgesicherte Maßnahmen auf ein zumutbares Maß reduziert werden; dies könne durch angemessene räumliche Entfernung zwischen den widerstrebenden Nutzungsarten geschehen. Oder die planerische Entscheidung müsse die betroffenen Grundstücke durch Aufhebung oder Änderung ihrer bisherigen Nutzung ausdrücklich und offen erkennbar in Anspruch nehmen und dadurch die Voraussetzungen für eine Entschädigung schaffen. Dies habe die Antragsgegnerin versäumt. Trotz der unausweichlichen schweren Belastungen habe sie die Grundstücke nicht offen in Anspruch genommen.

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Ihrer Antragsbefugnis stehe auch nicht entgegen, daß es sich bei dem Abfallentsorgungsplan um eine vorbereitende überörtliche Fachplanung handele. Das Bundesverwaltungsgericht habe entschieden, daß benachbarte Grundstückseigentümer durch die Festlegung des Standortes einer Abfallentsorgungsanlage in einem rechtssatzmäßig für verbindlich erklärten Abfallbeseitigungsplan in einem abwägungserheblichen Interesse negativ betroffen werden und durch die Anwendung des Planes einen die Antragsbefugnis vermittelnden Nachteil zu erwarten haben könnten. Voraussetzung sei, daß die Festlegungen des Planes zu dem Standort, möglicherweise zusammen mit weiteren verbindlichen Festlegungen, beispielsweise über die Art der Abfälle, die Größe und Kapazität der Anlage und über die anzuwendende Beseitigungstechnik, sachlich und räumlich so konkretisiert seien, daß sich bereits auf dieser Planungsstufe ein negatives Betroffensein in rechtlich geschützten Interessen für den Fall der Verwirklichung des Vorhabens absehen lasse. Diese Voraussetzungen seien in ihrem Falle erfüllt. Die zu entsorgenden Müllarten seien verbindlich festgelegt, ebenso der Standort der Anlage sowie ihr Einzugsgebiet. Zwar handele es sich bei der Standortbestimmung nicht um eine parzellenscharfe Festlegung, jedoch sei sie durch die Flurstücksbezeichnung so hinreichend konkretisiert, daß sich die Betroffenheit ihrer Grundstücke ohne weiteres aus der Verordnung selbst ableite. Diese Verordnung leide an einem erheblichen Abwägungsdefizit und darüber hinaus an schwerwiegenden Abwägungsfehlern hinsichtlich der sog. Umweltverträglichkeitsprüfung. Sie - die Antragsteller - seien nicht davon in Kenntnis gesetzt worden, inwieweit die von ihnen geäußerten Anregungen und Bedenken bei dem endgültigen Erlaß der Verordnung berücksichtigt worden seien. Sie seien lediglich mit einem Schreiben darauf hingewiesen worden, daß ihre Anregungen und Bedenken dem Regierungspräsidenten vorgelegen hätten und die Belange betroffener Bürger im Rahmen eines Planfeststellungsverfahrens zu berücksichtigen seien. In diesem Zusammenhang sei von Bedeutung, daß die Antragsgegnerin dies im anhängigen Gerichtsverfahren durch die Äußerung untermauert habe, daß bei der Aufstellung des Planes die Nachbarinteressen, welche erst im Verfahren nach § 7 AbfG zu berücksichtigen seien, zunächst außer Betracht blieben. Damit räume sie ein, ihre - der Grundeigentümer - Interessen bei der Aufstellung des 2. Teilabfallentsorgungsplans nicht berücksichtigt zu haben. Bereits aufgrund dieses evidenten Abwägungsausfalles sei die angegriffene Verordnung ohne weiteres unwirksam.

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Hinsichtlich der Umweltverträglichkeitsprüfung verwiesen sie auf eine beigefügte Stellungnahme der Ingenieurgemeinschaft Technischer Umweltschutz, Prof. Jäger und Partner. Diese Gemeinschaft habe aufgrund der vorliegenden Unterlagen die von Seng entwickelte Bewertungsmethode, der sich auch die Verfasser des Rahmenentwurfs bedient hätten, konsequent nach den Vorgaben des Wissenschaftlers angewendet und das Ergebnis mit dem der Antragsgegnerin verglichen. Sie hätten dabei im wesentlichen festgestellt, daß die bei Seng wichtigsten Kriterien der Wasserwirtschaft, also des Schutzes von Oberflächengewässern und Grundwasser, zugunsten anderer Kriterien vernachlässigt worden seien. Anschließend sei mit Hilfe einer wissenschaftlich zutreffenden Anwendung der Methode von Seng ein Vergleich des Standortes Klecken mit dem willkürlich ausgewählten Standort Klein Moor vorgenommen worden. Hierbei habe sich erwiesen, daß bei korrekter Durchführung der Umweltverträglichkeitsprüfung eine andere Standortentscheidung hätte gefällt werden müssen; denn der Standort Klecken sei danach lediglich mit einer Gesamtpunktzahl von 50,43 zu bewerten, der Standort Klein Moor demgegenüber mit einer von 60,33. Ein konkreter Vergleich der beiden Standorte nach hydrologischen Grundsätzen zeige darüber hinaus, daß der Standort Klecken hinsichtlich des Gewässerschutzes denkbar ungeeignet sei.

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Die Antragsteller beantragen,

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die Verordnung über die Abfallentsorgung im Gebiet des Regierungsbezirks Lüneburg - 2. Teilabfallentsorgungsplan für den Bereich des Landkreises Harburg - vom 29. Juni 1987 (ABl für den Regierungsbezirk Lüneburg 1987, S. 168) für nichtig zu erklären.

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Die Antragsgegnerin beantragt,

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den Normenkontrollantrag zurückzuweisen.

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Sie hält die Antragsteller nicht für antragsbefugt: Das Bundesverwaltungsgericht habe Grundstückseigentümern im Umfeld einer in einem Abfallentsorgungsplan vorgesehenen Abfallentsorgungsanlage keineswegs ein generelles Normenkontrollantragsrecht zugesprochen. Vielmehr habe es differenziert formuliert, wann ein Nachteil i.S. des § 47 VwGO und damit eine Antragsbefugnis im Einzelfall in Betracht kommen könne. Diese Anforderungen seien hier nicht erfüllt; denn der Inhalt der angegriffenen Verordnung sei nicht hinreichend konkretisiert, um ein Betroffensein der Antragsteller in rechtlich geschützten Interessen absehen zu können. Der Standort der Deponie werde nur ungefähr beschrieben, bezeichnet nach Teilbereichen der berührten Fluren. Wie die Antragsteller unter diesen Umständen mit Entfernungsangaben in Meterdistanzen oder der Beschreibung von einzelnen Deponieanlageteilen operieren könnten, bedürfe der Erläuterung. Der Teilabfallentsorgungsplan gebe dies jedenfalls nicht her. Gerade die unmittelbare Grundstücksbezogenheit, auf die abgehoben werde, könne so kaum ins Feld geführt werden; dafür sei die Planung zu grobmaschig. Auch im Zusammenhang mit den weiteren Festlegungen des Teilabfallentsorgungsplans hinsichtlich der Abfallarten und des Einzugsgebiets könne kein für die Antragsteller günstiges Ergebnis gefunden werden. Die insoweit angestellten Erwägungen der Antragsteller zu den Müllmengen, Entsorgungstechniken und Immissionsbefürchtungen seien rein spekulativ und fänden keine Grundlage in den Festlegungen der Verordnung.

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Aber auch wenn der Antrag als zulässig beurteilt werden sollte, könne er keinen Erfolg haben. Ein Verfahrensfehler liege nicht vor. Eine Unterrichtung der Antragsteller über die Gründe der Nichtberücksichtigung ihrer Anregungen gemäß § 2 Abs. 3 Satz 6 des Nds. Ausführungsgesetzes zum AbfG sei erfolgt. Aus den darin verwendeten Formulierungen lasse sich ebensowenig auf einen Abwägungsausfall schließen wie aus ihren - der Antragsgegnerin - Äußerungen im vorliegenden Verfahren. Erkennbar hätten sich diese auf das feinplanerische Abwägungsmaterial bezogen, das notwendigerweise einem späteren Planfeststellungsbeschluß vorbehalten bleiben müsse. In diesem Zusammenhang sei darauf zu verweisen, daß auch das Bundesverwaltungsgericht davon ausgehe, daß mit der Festlegung eines konkreten Standortes nur dessen grundsätzliche Eignung bejaht werde und Detailfragen einer Lösung im Zulassungsverfahren überlassen bleiben dürften. Ein Abwägungsmangel wegen zu erwartender schädlicher Umwelteinwirkungen werde daher regelmäßig nur dann in Betracht kommen, wenn der Standort in dieser Hinsicht schlechthin ungeeignet sei. Davon könne bei Klecken nicht gesprochen werden. Es hätten auch zureichende Untersuchungen von Alternativstandorten stattgefunden. Soweit die Antragsteller diese Untersuchungen mit Hinweis auf das von ihnen vorgelegte Gutachten in Zweifel zögen, sei auf folgendes hinzuweisen: Das Bewertungsschema nach Seng stelle kein allgemein als verbindlich anerkanntes und eingeführtes Umweltverträglichkeitsprüfungs-Verfahren dar. Es handele sich um einen aus einer Dissertation aus dem Jahre 1979 entwickelten Beurteilungsmaßstab für Standortvergleiche, der wissenschaftlich anerkannt sei und sich in der Praxis bewährt habe. Damit sei nichts über die Tauglichkeit des von ihr - der Antragsgegnerin - verwendeten Beurteilungsverfahrens ausgesagt, weil keine unmittelbare Vergleichbarkeit der Systeme bestehe. Ein bloßes Umrechnen werde der Komplexität des Gesamtgefüges nicht gerecht. Nicht auf den direkten Vergleich und sein Ergebnis komme es an, sondern darauf, daß die von ihr vorgenommene Gewichtung der Abwägungskriterien der objektiven Gewichtigkeit der abwägungserheblichen Belange angemessen sei. Lediglich unterschiedliche Meinungen und Bewertungen - wie beispielsweise anhand von Seng gewonnene Ergebnisse - stünden daher einer angemessenen Gewichtung keineswegs entgegen. Herkunft und Grundlagen ihrer Bewertung könnten dem Rahmenentwurf entnommen werden. Dabei habe sie sich entgegen der Behauptung der Antragsteller an keiner Stelle auf das Seng-Verfahren berufen. Bereits insoweit gehe die Argumentation der Gegenseite fehl. Sie - die Antragsgegnerin - sei der Auffassung, ihre Bewertung abwägungsgerecht ausgestaltet zu haben. Die von den Gutachtern der Antragsteller vorgenommene Vergleichsbewertung und -berechnung stelle demgegenüber keine Abwägung, sondern nur eine bloße technische Alternativbetrachtung des von ihr gewonnenen Ergebnisses zu verschiedenen Gesichtspunkten dar. Damit fehle dieser Betrachtung das entscheidende planerische Element, das in einem Gesamtzusammenhang erst einen Abwägungsvorgang ausmache. Punktuelle Meinungsunterschiede verursachten für sich keine Abwägungsfehler, wenn - wie hier - das Ergebnis insgesamt abwägungsgerecht gefunden worden sei.

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Im übrigen legt die Antragsgegnerin anhand von Beispielsfällen dar, daß die Bewertungen der Gutachter der Gegenseite selbst mit erheblichen Zweifeln behaftet seien.

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Für das weitere Vorbringen wird auf den schriftlichen Vortrag der Beteiligten verwiesen. Die Planunterlagen haben dem Gericht zur Einsicht vorgelegen.

Entscheidungsgründe

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Der Normenkontrollantrag ist unzulässig (1.); er hätte aber auch unabhängig davon in der Sache keinen Erfolg (2.).

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1. Die Antragsteller sind nicht antragsbefugt.

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Zwar kann ihnen nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts das Antragsrecht nicht schon deswegen abgesprochen werden, weil die angegriffene Verordnung unmittelbare Verbindlichkeit nur gegenüber dem Entsorgungspflichtigen äußert (vgl. § 6 Abs. 1 Satz 6 AbfG i.V.m. § 2 Abs. 1 Satz 3 Nds. AGAbfG); denn damit ist nicht ausgeschlossen, daß der Abfallentsorgungsplan aufgrund der in ihm enthaltenen Festlegungen Vorwirkungen äußert, welche die Antragsteller in rechtlich geschützten Interessen beeinträchtigen (vgl. BVerwG, Buchholz 451.22, Nr. 29). Die Antragsteller haben jedoch einen derartigen Nachteil i.S. des § 47 Abs. 2 VwGO weder schlüssig dargetan noch ist ein solcher aus der Verordnung und den dazu vorgelegten Unterlagen erkennbar.

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Die Möglichkeit eines negativen Betroffenseins im Rechtssinne ist naturgemäß davon abhängig, wie konkret die Abfallentsorgungsplanung ist. Da es sich um eine überörtliche, "vorbereitende" Fachplanung handelt, enthält sie im Regelfall grobmaschige Festlegungen, denen zwangsläufig auch nur ein an großräumigen Gesichtspunkten orientiertes Abwägungsmaterial zugrundeliegen wird. Insoweit sind Beeinträchtigungen von Belangen privater Dritter nur denkbar, soweit unvermeidliche nachteilige Einwirkungen auf deren Rechte bei der Realisierung der Planung - trotz ihrer Grobmaschigkeit - bereits vorgezeichnet sind.

49

Solche Nachteile für die Antragsteller sind hier nicht feststellbar. Der Standort der sie vermeintlich beschwerenden Anlage ist in der Verordnung nicht parzellenscharf angegeben. Vielmehr werden nur betroffene Bereiche ganzer Fluren benannt. Auch die Planunterlagen geben dazu nicht mehr her. Das dort enthaltene großmaßstabige Kartenmaterial weist nur eine schraffierte dreieckige Fläche im Bereich ostwärts der Bahnlinie und nördlich der Autobahn aus. Die von den Antragstellern zum Nachweis ihrer Betroffenheit angegebenen Entfernungen zwischen ihren Grundstücken und der geplanten Deponie selbst oder damit verbundenen Einrichtungen sind daher anhand der angegriffenen Verordnung nicht nachvollziehbar. Erklärlich sind die genauen Angaben allenfalls aus dem Umstand, daß der Standort ursprünglich - nämlich im 1. Teilabfallbeseitigungsplan - parzellenscharf ausgewiesen wurde (vgl. § 2 Nr. 1.6 der Verordnung v. 1. 9. 1975 - RegABl S. 238), oder daraus, daß inzwischen das Planfeststellungsverfahren für die Deponie Klecken eingeleitet wurde und sich daraus der genaue Standort der geplanten Anlage entnehmen läßt. Das ändert aber nichts daran, daß die hier in Rede stehende Norm eine solche Aussage nicht trifft. Der 2. Teilabfallentsorgungsplan begnügt sich mit einer ungefähren Beschreibung des betroffenen Bereichs sowie mit der Angabe der in der Anlage zu entsorgenden Abfallarten und des Einzugsbereichs der Deponie. Ausschließlich anhand dieser Festlegungen ist zu ermitteln, ob die Antragsteller einen Nachteil bei der Verwirklichung des Plans zu erwarten haben. Diese Ermittlungen können aber nur zu dem Ergebnis führen, daß die angegriffene Verordnung allein sie nicht beschwert. Die in ihr enthaltenen Festlegungen geben keinen Aufschluß über die Folgen, welche die Antragsteller bei Errichtung der Deponie zu gewärtigen haben; insbesondere lassen sich noch keine Aussagen darüber treffen, ob mögliche Immissionen die abwägungsrelevante Erheblichkeitsschwelle überschreiten werden. Auch durch die Tatsache, daß die Abfallarten und das Einzugsgebiet der Anlage bestimmt sind, werden die zu erwartenden Nachteile nicht in der erforderlichen Weise konkretisiert. Zwar läßt sich aus der Größe des Einzugsgebiets - nach Schließung der Deponien Drage, Dibbersen und Neu Wulmstorf der gesamte Landkreis Harburg - ableiten, daß die Anlage ein erhebliches Volumen wird aufweisen müssen. Welchen Einfluß dies auf die Situation der Antragsteller haben wird, kann aber frühestens beurteilt werden, wenn der genaue Standort der Deponie feststeht. Allein der Umstand, daß sie im näheren Bereich der in der Verordnung noch nicht genau plazierten Anlage leben, läßt trotz ihrer zu erwartenden Größe noch keine Aussage über die mit ihr verbundenen Belastungen zu.

50

Begründet die Verordnung somit für die Antragsteller keinen die Antragsbefugnis vermittelnden Nachteil, ist es auch ohne Belang, ob die durch die Abfallentsorgungsplanung abgeschichtete Standortwahl den rechtlichen Anforderungen genügt. Solange sie durch die Verordnung im Rechtssinne nicht betroffen sind, können sie auch nicht geltend machen, ihre Belange seien bei der Auswahl der Standorte nicht oder nicht hinreichend gewürdigt worden; denn das setzt zwingend voraus, daß die Norm überhaupt eine Regelung über rügefähige Interessen der Antragsteller trifft. Dies ist aber gerade zu verneinen. Die Antragsteller sind daher darauf angewiesen, die Umsetzung der grobmaschigen Festlegungen des Abfallentsorgungsplans durch ein Planfeststellungsverfahren abzuwarten. Erst wenn das Ergebnis dieses Verfahrens vorliegt, wird entschieden werden können, ob sie in abwägungserheblichen Belangen betroffen sind.

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2. Selbst wenn man aber - anders als der Senat - aufgrund der Nähe der Grundstücke der Antragsteller zu dem für die Abfallentsorgungsanlage vorgesehenen Bereich einen Nachteil i.S. von § 47 Abs. 2 VwGO für gegeben hielte, also meinte, bereits jetzt lasse sich feststellen, daß die Auswirkungen der Anlage für die Antragsteller die Erheblichkeitsschwelle überschreiten werden, könnte ihrem Normenkontrollantrag kein Erfolg beschieden sein. Voraussetzung dazu wäre nämlich, daß entweder die Standortwahl wegen unzulänglicher Alternativuntersuchungen an einem unheilbaren Mangel litte oder aber schon jetzt feststünde, daß die von der Anlage für die Antragsteller ausgehenden schädlichen Umwelteinwirkungen im Planfeststellungsverfahren nicht auf ein zumutbares Maß begrenzt werden können, der Standort somit schlechthin ungeeignet ist (vgl. BVerwG, aaO). Beides ist hier nicht der Fall.

52

Zwar beanstanden die Antragsteller, daß die der Standortwahl zugrundeliegenden Umweltverträglichkeitsuntersuchungen unzulänglich waren. Ihrem Vortrag läßt sich jedoch weder entnehmen, daß ein Abwägungsfehler geschehen ist, noch daß ein solcher zu ihren Lasten gehen würde. Ihre Argumentation geht unter Bezugnahme auf das von ihnen vorgelegte Gutachten dahin, daß die Antragsgegnerin sich zwar der Methode von Seng bedient, dessen Bewertung der Parameter aber entscheidend verändert habe. Zu Recht weist die Antragsgegnerin darauf hin, daß allein damit noch kein Abwägungsfehler dargetan wird. Die Antragsteller hätten vielmehr im einzelnen geltend machen müssen, inwiefern die von der Methode Sengs abweichende Gewichtung einzelner Kriterien und die unterschiedliche Zusammenfassung der Teilkriterien zu Sammelkriterien zu einer Fehlgewichtung oder gar zu einem Abwägungsdefizit führt. Dies leisten sie nicht. Sie verweisen im Anschluß an das Gutachten der Ingenieurgemeinschaft Technischer Umweltschutz im wesentlichen darauf, daß der Belang (das Sammelkriterium) Wasserwirtschaft bei den Umweltverträglichkeitsuntersuchungen der Antragsgegnerin einen erheblich geringeren Stellenwert einnehme als bei Seng und daß bei einer Gewichtung der Belange, wie sie dieser Wissenschaftler vorschlägt, der willkürlich ausgewählte Standort Klein Moor eine erheblich höhere Punktzahl als Klecken erreicht hätte. Ein das Planungsermessen verletzender Abwägungsfehler läge darin aber nur, wenn allein das Bewertungsschema Sengs den Anforderungen des Gesetzes genügte. Dafür ist nichts erkennbar. Ebensowenig ist erkennbar, daß die von der Antragsgegnerin gewählte Gewichtung des Belangs Wasserwirtschaft unabhängig davon außerhalb dessen läge, was mit den Grundsätzen einer abwägungsgerechten Planung vereinbar ist. Im übrigen - und dies vernachlässigen die Antragsteller vollständig - führte die von ihnen bevorzugte stärkere Gewichtung der hydrogeologischen Parameter dazu, daß die speziell sie selbst schützende Belange "Mensch und Siedlung" und "Immissionssituation" nicht unerheblich geringer bewertet würden. Obwohl sie den sie treffenden Nachteil im wesentlichen aus der sich für sie verschlechternden Immissionssituation ableiten, reden sie einer Standortabwägung das Wort, welche die darauf zielenden Gesichtspunkte stark in den Hintergrund treten läßt. Auch von daher ist ihr Vortrag unschlüssig.

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Schließlich ist auch nicht einmal ansatzweise erkennbar, daß der nicht parzellenscharf ausgewiesene Standort Klecken schlechthin ungeeignet ist. Für eine solche Schlußfolgerung geben weder der Vortrag der Antragsteller noch der Inhalt der Verordnung und der ihr zugrundeliegenden Materialien etwas her. Ihnen lassen sich keine Anhaltspunkte dafür entnehmen, daß von der Deponie Umwelteinwirkungen ausgehen werden, von denen bereits jetzt feststeht, daß sie auch durch entsprechende Regelungen im Planfeststellungsbeschluß nicht auf ein für die Umgebung zumutbares Maß begrenzt werden können.

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Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, die über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. den §§ 708 Nr. 10 und 711 ZPO.

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Eine Vorlage der Sache nach § 47 Abs. 5 VwGO an das Bundesverwaltungsgericht kommt nicht in Betracht, weil der Senat dessen Rechtsprechung zur Grundlage seiner Entscheidung gemacht hat.

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Beschluß

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Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 90.000,-- DM festgesetzt.

58

Dr. Czajka

59

Richter am Oberverwaltungsgericht Kalz ist durch seinen Urlaub an der Unterschrift gehindert. Dr. Czajka

60

Kley