Amtsgericht Oldenburg (Oldenburg)
Urt. v. 19.02.2008, Az.: E10 C 10016/07 (WEG)

Rechtmäßigkeit einer Kostenauferlegung für eine Balkonsanierung

Bibliographie

Gericht
AG Oldenburg (Oldenburg)
Datum
19.02.2008
Aktenzeichen
E10 C 10016/07 (WEG)
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2008, 37296
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:AGOLDBG:2008:0219.E10C10016.07WEG.0A

Verfahrensgegenstand

Beschlussanfechtung

In dem Rechtsstreit
...
hat das Amtsgericht Oldenburg ...
auf die mündliche Verhandlung vom ...
durch
die Richterin am Amtsgericht ...
für Recht erkannt:

Tenor:

  1. 1.)

    Die Klage wird abgewiesen.

  2. 2.)

    Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

  3. 3.)

    Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung der Beklagten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn die Beklagten nicht zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

  4. 4.)

    Streitwert: 4.112,86 Euro

Tatbestand

1

Der Antragsteller wendet sich gegen einen Beschluss, nach dem ihm die Kosten für eine Balkonsanierung auferlegt werden.

2

Der Antragsteller ist ... der Wohnungseigentumsanlage ... Verwalter der Anlage ist die Firma Ulpts Immobilien aus Oldenburg.

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Zu der Wohnung des Antragsstellers gehört ein Balkon. Im November 2006 trat aufgrund einer Undichtigkeit des Balkons Feuchtigkeit in die Wohnung des Antragstellers ein. Auf der Wohnungseigentümerversammlung vom 4.10.2007 beschlossen die Eigentümer unter Ziffer 1), dass die in dem Beschluss angeführten Sanierungsarbeiten an dem Balkon durch die jeweils genannten Handwerksfirmen durchgeführt werden sollen. Unter Ziffer 2) beschlossen die Eigentümer mit 16 Ja-Stimmen, 1 Nein-Stimme und 1 Enthaltung, dass der Antragsteller die Kosten für die Reparatur bzw. Sanierung seines Balkons zu tragen hat. Gegen diese Beschlussfassung wendet sich der Antragsteller.

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Er ist der Ansicht,

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dass die Kosten von der Gemeinschaft zu tragen seien, da die Sanierung gemeinschaftliches Eigentum beträfe. Die von der Instandsetzung betroffenen Balkonbestandteile, wie das Balkongeländer, die Kunststoffverkleidung, die Regenrinnen, der Fliesenbelag einschließlich Estrich, der Bitumenvoranstrich und die Wandanschlüsse, seien nicht sondereigentumsfähig, auch wenn sie in §1 der Teilungserklärung den jeweiligen Wohnungen zugeordnet seien. Es habe insoweit bei der grundsätzlich geltenden Kostenverteilung des §16 Abs. 2 WEG zu bleiben.

6

Bei der Instandsetzung des Balkons handele es sich auch nicht um Regelung eines Einzelfalls, da die Sanierung im Rahmen der laufenden Verwaltung durchzuführen und dementsprechend im Wirtschaftsplan kostenmäßig ausgewiesen werden müsse. Die zu reparierenden Teile des Balkons müssten regelmäßig instand gesetzt werden. Es handele sich nicht um eine außerordentliche Baumaßnahme, zumal die Balkonsanierung auch Auswirkungen auf das Gesamtbild des Hauses habe und damit der gesamten Gemeinschaft zugute käme. Die Wohnung des Antragstellers sei auch nicht allein mit einem Balkon versehen. Auch die weiteren Wohnungen in der 1. und 2. Etage verfügten über Balkone.

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Zudem bestreitet er mit Nichtwissen, dass der Verwalter, durch die Wohnungseigentümer, die die er in der Versammlung vertreten habe, ordnungsgemäß bevollmächtigt gewesen sei und dass in der Versammlung ¾ aller stimmberechtigten Wohnungseigentümer im Sinne des §25 Abs. 2 WEG und mehr als die Hälfte der Miteigentumsanteile anwesend gewesen seien.

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Der Antragsteller beantragt,

den Beschluss der Wohnungseigentümergemeinschaft vom ... zu Ziffer 2 für ungültig zu erklären.

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Die Antragsgegner beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

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Sie meinen,

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dass der zu Ziffer 2 gefasste Beschluss wirksam sei.

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Es sei zwar zutreffend, dass in §1 der notariellen Teilungserklärung vom 1.11.1955 die Balkone dem Sondereigentum an den jeweiligen Wohnungen zugewiesen seien, obwohl dieses in Bezug auf die konstruktiven Balkonteile nicht zulässig sei. Dieser Regelung sei aber der Wille der Eigentümergemeisnchaft zu entnehmen, dass die jeweiligen Wohnungseigentümer die Kosten "ihrer" Balkone zu tragen hätten. Entsprechend hätten auch weitere Eigentümer die Kosten für die Balkonsanierung in der Vergangenheit getragen.

13

Die Beschlussfassung sei nach §16 Abs. 4 WEG zulässig gewesen. Die qualifierten Mehrheiten hätten bei der Abstimmung vorgelegen. Die Hausveraltung sei auch ordnungsgemäß bevollmächtigt gewesen. Die Beschlussfassung sei auch inhaltlich gerechtfertigt, da sie der Möglichkeit der betroffenen Eigentümer zur alleinigen Nutzung der Balkone Rechnung trage. Es handele sich auch um eine Beschlussfassung zu einem Einzelfall, da keine generelle Änderung des Verteilungsmaßstabes beschlossen worden sei, sondern nur eine Regelung zu dem Balkon des Antragstellers getroffen worden sei. Über weitere Fälle habe die Gemeinschaft dann jeweils gesondert zu entscheiden.

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Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe

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Die Klage ist nach §§43 Nr. 4, 46, 23 Abs. 4 WEG zulässig, insbesondere fristgerecht erhoben.

16

Die Anfechtungsklage gegen die Beschlussfassung zu Ziffer 2) des Beschlusses vom 4.10.2007 ist seit dem 2.11.2007 beim Amtsgericht anhängig und seit dem 7.11.2007 rechtshängig. Nach Maßgabe des §167 ZPO ist für die Wahrung einer Frist der Eingang des Antrages maßgeblich, wenn die Zustellung - wie hier - demnächst erfolgt ist. Die Begründung ist am 4.12.2007 beim Amtsgericht Oldenburg eingegangen. Ferner sind die formellen Anforderungen des §44 WEG eingehalten.

17

Die Anfechtungsklage ist aber nicht begründet. Der Beschluss der Wohnungseigentümer zu Ziffer 2) des Beschlusses vom 4.10.2007 war nicht für ungültig zu erklären.

18

Die Beschlussfassung ist in formeller und materieller Hinsicht wirksam und entspricht den Anforderungen des §16 Abs. 4 WEG.

19

Die Wohnungseigentümer haben auf der Versammlung vom 4.10.2007 unter Ziffer 2 mit 16 Ja-Stimmen, 1 Nein-Stimme und 1 Enthaltung beschlossen, dass der Antragsteller die erforderlichen Kosten für die erforderlichen Reparatur- bzw. Sanierungsarbeiten an dem Balkon der ihm gehörenden Wohnung Nr. 16 zu tragen hat.

20

Laut den Angaben im Protokoll und der durch die Beklagten überreichten Anwesenheitsliste zu der Versammlung, die unstreitig irrtümlicherweise auf den 4.9.2007 datiert wurde, waren auf der Versammlung die Eigentümer und Bevollmächtigten von 18 Wohneinheiten und 1.000 der 1.000 stel Miteigentumsanteile vertreten. Die Eigentümer ... ke (418 Miteigentumsanteile), ... (585/1000 stel Miteigentumsanteil), ... (418/1.000 stel Miteigentumsanteil), ... (570/1.000 stel Mieteigentumsanteile) ... (570/1.000 stel Miteigentumsanteile) sind durch die Verwalterin Frau Hilke Ulpts vertreten worden. Hinsichtlich dieser Eigentümer haben die Beklagten schriftliche Bevollmächtigungen vorgelegt.

21

Bei der Beschlussfassung ist auch die qualifizierte Mehrheit nach §16 Abs. 4 WEG eingehalten worden. Danach bedarf eine wirksame Beschlussfassung der Mehrheit von ¾ aller stimmberechtigten Eigentümer - das sind vorliegend 13,5 Stimmen von insgesamt 18 Stimmen - und von mehr als der Hälfte der Miteigentumsanteile. Hier sind - wie bereits angeführt 16 Stimmen für den Beschluss abgegeben worden. Diese umfassen ausweislich des Protokolls 8.565 Miteigentumsanteile und damit mehr als die Hälfte der Miteigentumsanteile.

22

Neben diesen formellen Anforderungen räumt §16 Abs. 4 WEG den Eigentümern eine dahingehende Beschlusskompetenz ein, dass die Eigentümer unabhängig von dem in der Gemeinschaft geltenden Kostenverteilungsschlüssel eine abweichende Kostenverteilung für einen Einzelfall beschließen können, wenn es sich um eine Maßnahme zur Instandsetzung oder Instandhaltung des gemeinschaftlichen Eigentums im Sinne von §21 Abs. 5 Nr. 2 WEG handelt und der abweichende Maßstab dem Gebrauch oder der Möglichkeit des Gebrauchs Rechnung trägt. Diese Anforderungen sind vorliegend erfüllt.

23

Auch, wenn in §1 der Teilungserklärung die Balkone dem jeweiligen Sondereigentum an den Wohneinheiten zugeschrieben sind, handelt es sich bei den konstruktiven Teilen der Balkone, die hier nach Ziffer 1 der Beschlussfassung vom 4.10.2007 von der Sanierung betroffen sind, um gemeinschaftliches Eigentum. Nach §§1 Abs. 4, 5 Abs. 2 WEG unterliegen dem gemeinschaftlichen Eigentum der Wohnungs- und Teileigentümer neben dem Grundstück die Teile, Anlagen und Einrichtungen des Gebäudes, die nicht im Sondereigentum eines Miteigentümers oder im Eigentum eines Dritten stehen können. Dazu zählen alle Teile des Gebäudes, die für dessen Bestand oder Sicherheit erforderlich sind. Dieser Würdigung steht auch nicht entgegen, dass sich diese Gebäudeteile im Bereich der im Sondereigentum stehenden Räume befinden. Bei den gesetzlichen Bestimmungen handelt es sich auch um unabdingbares Recht, so dass diese nicht durch Vereinbarungen der Wohnungseigentümer geändert werden kann. Für Balkone ist insoweit anerkannt, dass die Brüstung, die Seitenbegrenzung, das Geländer und die Bodenplatte einschließlich des isolierenden Belages zwingend gemeinschaftliches Eigentum sind, da sie in der Regel für den Bestand des Gebäudes maßgeblich sind.

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Nach den Erläuterungen in Ziffer 1 des Beschlusses sollen an dem Balkon des Klägers nachfolgende Sanierungsmaßnahmen durchgeführt werden:

  • Sanierung des Balkongeländers: die vorhandenen Kunststoffplatten sollen ausgebaut und gelagert werden, das Eisenbalkongeländer entrostet, geschliffen und lackiert werden. Anschließend sollen die Kunststoffplatten wieder montiert werden.

  • Die am Balkon vorhandene Zinkkastenrinne soll komplett demontiert und erneuert werden.

  • Balkonsanierung: Dazu soll der vorhandene Fliesenbelag samt dem Estrich abgestemmt werden, eine Gefälleausgleichschicht hergestellt, ein Bitumenvoranstich aufgetragen und der Balkon anschließend mit einer 2-lagigen Bitumenschweißbahn abgeklebt werden. Ferner sollen die Wandanschlüsse neu hergestellt werden und auf den Balkon eine Drainagematte samt Estrich und Bewehrung aufgebracht werden. Zum Abschluss soll der Balkon neu verfliest werden.

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Diese baulichen Maßnahmen dienen unstreitig der Widerherstellung des undichten Balkons Nr. 16 und stellt damit eine Instandsetzungsmaßnahme im Sinne des §21 Abs. 5 Nr. 2 WEG dar. Es handelt sich auch um eine bestimmte einzelne Maßnahme, da sich die Beschlussfassung ausschließlich auf den Balkon Nr. 16 bezieht. Über die Sanierung weiterer Balkone bzw. die Kostenverteilung in vergleichbaren Fällen wird in dem Beschluss keine Aussage getroffen.

26

Der Wirksamkeit der Beschlussfassung steht auch nicht entgegen, dass die Eigentümer getrennt dazu und zeitlich versetzt, entsprechende Beschlüsse für weitere Balkonsanierungen treffen können. Dieses ist nach dem Willen des Gesetzgebers zulässig. Gleiches gilt für den Umstand, dass die Sanierungsmaßnahmen auch Maßnahmen der laufenden Verwaltung sind, da die entsprechenden Reparaturen offensichtlich aufgrund des Alters der Immobilie erforderlich wurden. Auch der positive Einfluss auf das Gesamtbild des Hauses spricht nicht gegen eine Einstufung als Maßnahme im Einzelfall.

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Schließlich trägt die von dem Grundsatz nach §16 Abs. 2 WEG abweichende Kostenverteilung auch der Gebrauchsmöglichkeit Rechnung. Der Balkon kann ausschließlich durch den Antragsteller bzw. die Bewohner seiner Wohnung genutzt werden, da er nur durch das entsprechende Sondereigentum erreichbar ist.

28

Die Klage war daher abzuweisen.

29

Die Kostenentscheidung folgt aus §§91 ZPO, die zur vorläufigen Vollstreckbarkeit aus §§708 Nr. 11, 711 ZPO.