Amtsgericht Oldenburg (Oldenburg)
Urt. v. 23.07.2008, Az.: E2 C 2126/07 (V)
Entschädigungsanspruch i.S.d. Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG); Benachteiligung wegen verweigerter Zutrittsgenehmigung zu einer Diskothek
Bibliographie
- Gericht
- AG Oldenburg (Oldenburg)
- Datum
- 23.07.2008
- Aktenzeichen
- E2 C 2126/07 (V)
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2008, 37388
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:AGOLDBG:2008:0723.E2C2126.07V.0A
Rechtsgrundlagen
- § 3 Abs. 1 AGG
- § 21 Abs. 2 S. 3 AGG
Verfahrensgegenstand
Forderung
...
hat das Amtsgericht Oldenburg Abt. V
auf die mündliche Verhandlung vom 30.06.2008
durch
den Richter am Amtsgericht ...
für Recht erkannt:
Tenor:
Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 500,00 € zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Der Kläger trägt 3/4, der Beklagte ¼ der Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % der zu vollstreckenden Forderung abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Der Kläger kann die Vollstreckung wegen der Kosten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % der zu vollstreckenden Forderung abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger macht einen Anspruch aus dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz im Zivilrechtsverkehr geltend.
Der Kläger wollte am 10.02.2007 gemeinsam mit drei Bekannten, dem Zeugen ... Dozent der Uni Oldenburg, dessen iranischer Ehefrau sowie dem Zeugen ..., Student an der Uni Oldenburg, u.a. die Diskothek des Beklagten ... in Oldenburg besuchen.
Der Türsteher der Diskothek, der Zeuge ..., verweigerte dem Kläger jedoch den Zutritt. Auch der später hinzugezogene Inhaber der Diskothek, der Beklagte, verwehrte dem Kläger den Einlass.
Der Kläger behauptet, ihm sei der Eintritt aufgrund seiner ausländischen Herkunft verweigert worden. Der Zeuge ... habe gleich gesagt: "Keine Ausländer! Anweisung vom Chef!" Auf Nachfrage der Zeugin ..., weshalb sie eingelassen werde, habe der Zeuge ... gesagt: "Weil Du eine weibliche Ausländerin bist." Durch diese Handlungsweise des Türstehers sei er aufgrund ethnischer Motive und des Geschlechtes benachteiligt worden.
Mit Schreiben seiner Prozessbevollmächtigten forderte der Kläger vergeblich vom Beklagten eine Geldentschädigung in Höhe von 2.000,00 €.
Der Kläger macht seinen Anspruch nunmehr im Klagewege geltend, wobei er eine Entschädigung in Höhe von 2.000,00 € für angemessen hält.
Der Kläger beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, an ihn eine angemessene Entschädigung zu zahlen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er behauptet, der Kläger habe nicht in die Gästestruktur der Diskothek gepasst und sei nur aus diesem Grund abgewiesen worden. Zudem sei der Kläger stark angetrunken gewesen.
Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen ... und ....
Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird verwiesen auf das Protokoll der Akte vom 30.06.2008.
Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze und auf die Anlagen zu den Schriftsätzen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Dem Kläger steht eine Entschädigung aus §§21 Abs. 2 Satz 3, 3 AGG zu.
Der Kläger wurde durch eine verweigerte Zutrittsgenehmigung zu der Diskothek des Beklagten benachteiligt im Sinne von §§3, 19 Abs. 1 Nr. 1 AGG. Eine Benachteiligung nach §3 Abs. 1 AGG liegt immer dann vor, wenn eine Person aufgrund eines der in §19 Abs. 1 AGG bezeichneten Merkmale in einer vergleichbaren Situation eine weniger günstigere Behandlung als eine andere erfährt. Eine solche unzulässige Benachteiligung nach §19 Abs. 1 AGG liegt insbesondere dann vor, wenn die Begründung eines zivilrechtlichen Schuldverhältnisses, das typischerweise ohne Ansehen der Person zu vergleichbaren Bedingungen in einer Vielzahl von Fällen zustande kommt, aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft abgelehnt wird. Bei den Diskotheken handelt es sich um solche Schuldverhältnisse, da die Betreiber regelmäßig keine besonderen Anforderungen an ihre Besucher stellen. Es besteht jedenfalls kein Anlass, die Besucher einer Diskothek nach deren Nationalität oder Rasse auszuwählen.
Die durchgeführte Beweisaufnahme hat hier ergeben, dass dem Kläger von dem Türsteher des Beklagten, dem Zeugen ..., mit dem Bemerken: "Keine Ausländer. Anweisung vom Chef" der Zutritt verweigert wurde. Dies haben die Zeugen ... und ... übereinstimmend bekundet. Das Gericht sah keinerlei Veranlassung, an der Richtigkeit der Angaben der Zeugen zu zweifeln, auch wenn - wie die weitere Beweisaufnahme ergeben hat - der Besuch der Diskothek des Beklagten auch dazu diente, gerade Ausländerfeindlichkeit festzustellen. Die Zeugen haben angegeben, dass sie zwei Ziele an dem Abend hatten, nämlich a) einen schönen Abend zu verbringen und b) auszutesten, ob der Kläger abgewiesen würde. Zwar mag hier das erste angegebene Motiv zweifelhaft sein, weil - was bekannt ist - sich in der Diskothek des Beklagten andere Personen aufhalten als wissenschaftliche Mitarbeiter und Dozenten der Uni Oldenburg und der Zeuge ... selbst angegeben hat, dass er in seiner Eigenschaft als Dozent das Ergebnis auch publik machen wollte. Das Gericht konnte sich allerdings nicht vorstellen, dass ein Dozent einer Universität und seine Ehefrau sowie ein Student wahrheitswidrige Angaben machen, um dem Begehren des Klägers zum Erfolg zu verhelfen, wenn auch offensichtlich der Wille, hier eine Präzedenzfall zu schaffen, groß ist, was auch deutlich wurde aus der nicht protokollierten Äußerung des Prozessbevollmächtigten des Klägers: "Wir wollen, dass Rechtsstaatlichkeit jetzt auch Einzug hält bei deutschen Diskotheken." Unter Berücksichtigung all dieser Umstände war allerdings davon auszugehen, dass es sich hier nicht um einen normalen Diskothekenbesuch handelte und deshalb auch der Kläger bereits mit einer anderen Erwartungshaltung versehen war und mit Sicherheit auch mit einem anderen Auftreten Einlass begehren wollte.
Dies ändert allerdings nichts an dem von den Zeugen geschilderten Verstoß gegen Bestimmungen des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes dem Grunde nach, ist aber, was später ausgeführt wird, bei der Höhe der Entschdädigung zu berücksichtigen.
Der Aussage der drei Zeugen stand zwar die Aussage des Zeugen ... entgegen, doch konnte dieser Aussage nicht gefolgt werden. Auch wenn der Zeuge selbst Ausländer ist, so war doch davon auszugehen aufgrund der drei weiteren Zeugenaussagen, dass der Zeuge dem Kläger Einlass verweigert hat mit dem Bemerken "keine Ausländer". Dass - wie der Zeuge ... bekundet hat -, der Kläger volltrunken gewesen sei bzw. stark angetrunken gewesen sei und deshalb nicht eingelassen werden konnte, haben die drei weiteren Zeugen ebenfalls nicht bekundet und dies erschien als Schutzbehauptung des Zeugen für seine ansonsten getätigte ausländerfeindliche Äußerung.
Nach allem war davon auszugehen, dass die vorliegende Einlassverweigerung damit begründet wurde, dass der Einlass für alle Ausländer nach der Anweisung des Beklagten ausgeschlossen ist. Trotzdem wurde jedoch der Begleitung des Klägers, welche iranischer Herkunft ist, der Zutritt in die Diskothek gestattet. Der Kläger hat demzufolge eine unmittelbare Benachteiligung im Sinne von §3 Abs. 1 AGG erfahren. Die Benachteiligung des Klägers führte auch zu einer Beeinträchtigung, da dieser sich durch die Zurückweisung in seiner Persönlichkeit verletzt fühlte. Dazu kam, dass die Verweigerung des Einlasses öffentlich geschah und der Kläger sich dadurch bloß gestellt und öffentlich herabgesetzt fühlte. Die Erheblichkeit der Beeinträchtigung wird grundsätzlich vermutet, wenn dem Benachteiligenden nicht der Beweis gelingt, dass die Erheblichkeit in diesem Einzelfall nicht gegeben ist. Hier hat die Beweisaufnahme zwar auch ergeben, dass die Beeinträchtigung gerade durch ein Testverhalten herbeigführt werden sollte, doch ändert dies nichts an der Tatbestandsmäßigkeit des Verhaltens des Türstehers.
Dass der Beklagte hier selbst nicht gehandelt hat ist unschädlich, weil ihm das Verhalten des Türstehers nach §278 BGB zugerechnet wird.
Die Ausschlussfrist des §21 Abs. 5 AGG ist eingehalten worden. Hiernach muss ein Anspruch auf Beseitigung oder Schadensersatz innerhalb einer Frist von zwei Monaten geltend gemacht werden. In welcher Form der Anspruch geltend zu machen ist, ist im Gesetz nicht geregelt. Der Kläger hat aber seinen Anspruch gegenüber dem Beklagten erstmals am 03.04.2007 - mithin innerhalb der Frist - geltend gemacht.
Nach §21 Abs. 2 Satz 3 AGG kann der Kläger eine angemessene Entschädigung in Geld fordern, wobei nach dieser Vorschrift die Genugtuung des Benachteiligten sowie sie Sanktion des Benachteiligenden im Vordergrund stehen sollen. Daher hängt die Höhe der Entschädigung von den Umständen des Einzelfalles ab. Ausgangspunkt ist jedoch immer die erlittene Persönlichkeitsverletzung. Es ist somit auf die Tragweite des Eingriffs, Ausmaß des Verschuldens sowie auf den Anlass und Beweggrund des Handelnden abzustellen. Dem Kläger wurde der Eintritt in die Diskothek des Beklagten verweigert. Dies geschah aufgrund seiner Stellung als männlicher Ausländer. Eine Beurteilung einer Person nach Herkunft oder Hautfarbe und Geschlecht ist zu verachten und muss daher nach dem Willen des Gesetzgebers sanktioniert werden. Es muss darauf geachtet werden, dass gerade im öffentlichen Leben derartige Diskriminierungen vermieden oder wenigstens mit Sanktionen geahndet werden und damit unter den Gesichtspunk der Generalprävention weitere vergleichbare Handlungen vermieden werden. Die Entschädigung soll eine Buße für den Benachteiligenden darstellen. Hier muss der Kläger sich jedoch vorhalten lassen, dass er den Vorfall provoziert hat. Er hatte von vornherein auch vor, das Verhalten der Türsteher und des Betreibers zu testen und musste somit auch mit einer Abweisung rechnen. Der dadurch entstandene Schaden, die Verletzung seiner Persönlichkeit, ist demnach nicht so groß, als wenn jemand völlig unverhofft an einer Diskothek abgewiesen und öffentlich diskriminiert wird. Er konnte sich also im gewissen Maße auf die Diskriminierung vorbereiten - nachdem er sie ja förmlich erwartet hatte -. Hinzu kommt, dass der Kläger offensichtlich keine psychischen Schäden durch die Abweisung erlitten hat. Selbstverständlich fühlt er sich durch das Handeln des Beklagten und seines Türstehers diskriminiert, jedoch war ihm eine derartige Reaktion von Anfang an bewusst und er rechnete damit und konnte sich auch darauf einstellen.
Unter Berücksichtigung all dieser Umstände erschien hier eine Entschädigung von 500,00 € angemessen, wobei hier die bewusste und billigend in Kauf genommene Herbeiführung der Benachteiligung zu einer Halbierung des ansonsten verwirkten Betrages führte.
Gemäß §511 Abs. 4 ZPO war hier die Berufung zuzulassen, weil die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat und - weil offensichtlich vergleichbare Fälle nicht entschieden sind - die Fortbildung des Rechts eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert.
Die Kostenentscheidung beruht auf §92 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in §§708 Nr. 11, 711 ZPO.