Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 28.09.1992, Az.: 17 L 8360/91

Anspruch auf Feststellung eines Mitwirkungsrechts; Einsatz für regelmäßig auszuübende Funktionen und zur Sicherung eigener Einrichtungen; Umfang der Mitwirkung des Personalrats

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
28.09.1992
Aktenzeichen
17 L 8360/91
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 1992, 18156
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:1992:0928.17L8360.91.0A

Verfahrensgang

vorgehend
VG Braunschweig - 24.09.1991 - AZ: 11 A 23/91

Verfahrensgegenstand

Mitwirkung an einer Verwaltungsanordnung

Der 17. Senat
- Fachsenat für Personalvertretungssachen des Bundes -
beim Niedersächsischen Oberverwaltungsgericht hat
auf die mündliche Anhörung vom 28. September 1992
durch
den Vorsitzenden Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Dembowski und
die ehrenamtlichen Richter Polizeihauptmeister i. BGS Bockelmann,
Wissenschaftl. Mitarbeiter Esser,
Regierungshauptsekretär Olinski und
Postdirektor Weiß
beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluß des Verwaltungsgerichts Braunschweig - Fachkammer für Bundespersonalvertretungssachen - vom 24. September 1991 wird zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe

1

I.

Der Antragsteller erstrebt die Feststellung seines Mitwirkungsrechts.

2

Mit Erlaß des Bundesministers des Innern vom 19. Februar 1991 wurde der Einsatz für regelmäßig auszuübende Funktionen und zur Sicherung eigener Einrichtungen neu geregelt. Dabei entfiel die bisherige Funktion "Führer der Bereitschaftskräfte"; die Aufgabe wurde dem Offizier vom Dienst - OvD - übertragen. Hinsichtlich des OvD wird in Ziff. 2 des Erlasses für die Aufgabenstellung auf die auf die PDV 010 (BGS) Anl. 1 verwiesen; zur Inanspruchnahme/Arbeitszeit heißt es "Außerhalb der festgelegten Regeldienstzeiten Bereitschaftsdienst," Unter "Bemerkungen" wird angeordnet: "OvD muß in der Unterkunft ständig erreichbar sein."

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Aufgrund des Erlasses erging als "VS - Nur für den Dienstgebrauch" am 5. März 1991 der Abteilungsbefehl des Beteiligten, in dem der Einsatz für regelmäßig auszuübende Funktionen und zur Sicherung eigener Einrichtungen neu geregelt wurde. Darin wird hinsichtlich des OvD unter Ziff. 4.2 1. Spiegelstrich angeordnet:

Offizier vom Dienst

- Einsatz wie bisher

wenn der OvD das Dienstzimmer aus dringenden Gründen (Kontrollen, Verpflegungseinnahme etc.) verläßt, teilt er seinen Aufenthaltsort sowohl der FM-Betriebszentrale als auch grundsätzlich der Sicherungswache mit.

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Im 2. Spiegelstrich werden die zusätzlichen Aufträge des OvD im einzelnen aufgeführt.

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Nachdem der Antragsteller vergeblich ein Mitwirkungsrecht an der Anordnung unter Ziff. 4.2 1. Spiegelstrich beansprucht hatte, hat er das Verwaltungsgericht angerufen und beantragt

festzustellen, daß die Anordnung des Beteiligten vom 5. März 1991 unter Ziff. 4.2 1. Spiegelstrich seinem Mitwirkungsrecht gemäß § 78 Abs. 1 Nr. 1 BPersVG unterliegt.

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Der Beteiligte hat beantragt,

den Antrag abzulehnen,

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und im einzelnen dargelegt, daß er mit der Regelung keine Verwaltungsanordnung i. S. des § 78 Abs. 1 Nr. 1 BPersVG getroffen habe.

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Mit Beschluß vom 24. September 1991 hat das Verwaltungsgericht den Antrag des Antragstellers abgelehnt, im wesentlichen aus folgenden Gründen:

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Die Anordnung sei nicht mitwirkungspflichtig nach § 78 Abs. 1 Ziff. 1 BPersVG. Zweifelhaft sei bereits, ob es sich bei der streitbefangenen Verschlußsache überhaupt um eine eigene Anordnung des Beteiligten im Sinne dieser Vorschrift handele. Denn sie betreffe den "Einsatz für regelmäßig auszuübende Funktionen in den Standorten und zur Sicherung eigener Einrichtungen" und habe damit denselben Regelungsgegenstand wie der Erlaß des BMI vom 19. Februar 1991, der über die zuständige Mittelbehörde an den Beteiligten gelangt und bei dessen Zustandekommen der Hauptpersonalrat beteiligt worden sei. Das Mitwirkungsrecht aus § 78 Abs. 1 Ziff. 1 BPersVG stehe aber unter dem Vorbehalt, daß nicht schon die Spitzenorganisationen nach § 94 BBG bei der Vorbereitung der Anordnung beteiligt worden seien. An der Anordnung des Beteiligten vom 5. März 1991 habe jedoch selbst dann kein Mitwirkungsrecht des Antragstellers bestanden, wenn man dessen Auffassung folge und in ihr eine von dem ministeriellen Erlaß abweichende eigene Verwaltungsanordnung erblicke. Das ergebe sich aus dem materiell inhaltlichen Regelungsbereich der Anordnung, der weder innerdienstliche noch soziale oder persönliche Angelegenheiten der Beschäftigten zum Ziel habe. Die Art. und Weise, wie die Dienststelle als Behörde ihren gesetzlichen Auftrag im Staatsgefüge erfüllen solle, sei dem Einfluß der Personalvertretung entzogen. An Anordnungen, die darauf abzielten, die Erledigung der Aufgaben der Dienststelle gegenüber Außenstehenden zu gestalten, bestehe deshalb kein Mitwirkungsrecht. Die hier streitbefangene Anordnung betreffe in diesem Sinne den Dienstbetrieb als solchen; sie diene unmittelbar der Aufgabenerfüllung des BGS. Mit dem OvD-Dienst würden nicht nur gemäß § 5 BGSG die grenzschutzeigenen Einrichtungen gesichert; der OvD habe auch die Einsatzfähigkeit der Truppe im Sinne des ihr übertragenen gesetzlichen Auftrages der speziellen Gefahrenabwehr zu gewährleisten. Wie der OvD diesen Tätigkeiten nachzukommen habe, bestimme die streitbefangene Anordnung. Ihr Inhalt unterliege nicht der Mitwirkung des Antragstellers. Daß die betroffenen OvD durch sie zwangsläufig auch in ihren innerdienstlichen Angelegenheiten betroffen würden, vermöge ein Mitwirkungsrecht des Antragstellers nicht zu begründen. Es handele sich insoweit lediglich um eine notwendig mitverursachte Tangiertheit, ohne daß sich dadurch die auf keinen mitwirkungsbedürftigen Sachverhalt gerichtete Regelungsabsicht, die der Beteiligte mit der streitbefangenen Verschlußsache verfolgte, geändert hätte. Gerade im innerdienstlichen Bereich gebe es eine Fülle behördeninterner Organisationserlasse, die zwar auch innerdienstliche Angelegenheit regelten, gleichwohl aber nicht mitwirkungsbedürftig seien, da sie sich auf die eigentlich mitwirkungsbedürftigen Angelegenheiten der Beschäftigten nur reflexhaft auswirkten, während ihr eigentliches Ziel die Aufgabenerfüllung der Dienststelle sei. An ihnen bestehe nach der absolut herrschenden Meinung kein Mitwirkungsrecht.

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Gegen den ihm am 17. Oktober 1991 zugestellten Beschluß richtet sich die am 8, November 1991 eingelegte und zugleich begründete Beschwerde des Antragstellers, mit der er sein erstinstanzliches Vorbringen insoweit weiterverfolgt, als nach der Anordnung des Beteiligten der OvD das Dienstzimmer nur aus dringenden Gründen verlassen darf. Der Antragsteller vertieft dazu seine Ansicht, daß es sich dabei um eine mitwirkungsbedürftige Verwaltungsanordnung handele.

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Der Antragsteller beantragt,

unter Abänderung des erstinstanzlichen Beschlusses festzustellen, daß die Anordnung des Beteiligten vom 5. März 1991 in der Ziffer 4.2 erster Spiegelstrich, durch die festgelegt wird, daß der OvD nur aus dringenden Gründen (Kontrollen, Verpflegungseinnahme etc.) das Dienstzimmer verlassen darf, dem Mitwirkungsrecht des Antragstellers gem. § 78 Abs. 1 Ziff. 1 BPersVG unterliegt.

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Der Beteiligte beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

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Er verteidigt den angefochtenen Beschluß.

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens wird auf den Inhalt der Gerichtsakten, die Gegenstand der mündlichen Anhörung waren, Bezug genommen.

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II.

Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet.

16

Gegenstand des Beschwerdeverfahrens ist das beanspruchte Mitwirkungsrecht an Ziff. 4.2 1. Spiegelstrich der Anordnung des Beteiligten vom 5. März 1991 nur noch insoweit, als danach der OvD das Dienstzimmer nur aus dringenden Gründen verlassen darf. Soweit diese Anordnung dem OvD zugleich bestimmte Mitteilungspflichten auferlegt, hat der Antragsteller mit der Beschwerde klargestellt, daß er darin lediglich eine Konkretisierung des Erlasses des MBI vom 19. Februar 1991 sieht und selbständige Beteiligungsrechte daran nicht mehr geltend macht.

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Zu Recht hat das Verwaltungsgericht ein Mitwirkungsrecht des Antragstellers aber auch hinsichtlich des 1. Halbsatzes von Ziff. 4.2 1. Spiegelstrich verneint. Obwohl dieser als Bedingungssatz formuliert ist ("Wenn der OvD das Dienstzimmer aus dringenden Gründen ... verläßt, ...") muß er bei verständiger Auslegung dahin verstanden werden, daß der OvD nur aus dringenden Gründen das Dienstzimmer verlassen soll. Es erscheint aber schon zweifelhaft, ob darin eine eigenständige Regelung des Beteiligten liegt. Denn schon der Erlaß des Beteiligten vom 19. Februar 1991 verweist hinsichtlich der Aufgäben des OvD auf die PDV 010 (BGS) Anl. 1; dort ist in Ziff. 5.2 für den OvD bestimmt: "Er muß in seinem Dienstraum ständig erreichbar sein." Selbst wenn der Anordnung des Beteiligten, daß der OvD das Dienststimmer nur aus dringenden Gründen verlassen darf, danach noch ein eigenständiger Regelungsgehalt zukommt, stellt sie jedenfalls keine Verwaltungsanordnung i. S. von § 78 Abs. 1 Nr. 1 BPersVG dar. Denn es ist allgemein anerkannt, daß eine Verwaltungsanordnung "für die innerdienstlichen, sozialen und persönlichen Angelegenheiten der Beschäftigten" nicht vorliegt, wenn ihr Gegenstand die Art. und Weise der Aufgaben der Dienststelle ist, auch wenn sich dies mittelbar auf die Angelegenheiten der Beschäftigten auswirkt (BVerwG, Beschl. v. 23.7.1989 - 6 P 13.82 -, ZBR 1985, 285; v. 6.2.1987 - 6 P 9.85 -, PersV 1987, 464 f; VGH BW, Beschl. v. 3.10.1989, PersR 1990, 139, 141; Fischer/Goeres, GKÖD, Bd. V, § 78 Rn. 11; Lorenzen/Haas/Schmitt, BPersVG, § 78 Rn. 10 m.Nachw.). Es muß sich vielmehr um Anordnungen handeln, deren ausdrücklicher und alleiniger Zweck es ist, Angelegenheiten aus den genannten Bereichen zu regeln, die allein das Innenverhältnis betreffen, in dem sich die Dienststelle als "Arbeitgeber" und die Beschäftigten als "Arbeitnehmer" gegenüberstehen. Mit dieser Eingrenzung trägt § 78 Abs. 1 Nr. 1 BPersVG dem Grundsatz Rechnung, daß die Personalvertretung nicht Sachwalter der Allgemeinheit ist und ihr keine Einwirkungsmöglichkeit auf die Erfüllung der der Dienststelle vom Gesetz oder auf gesetzlicher Grundlage gestellten Auflagen eingeräumt werden darf (BVerwG, Beschl. v. 6.2.1987, a.a.O.; vgl. für den Fall der Mitbestimmung auch Beschl. v. 24.9.1991 - 6 P 6.90 -, PersR 1991, 469).

18

Eine solche allein auf das Innenverhältnis bezogene Anordnung lag hier aber nicht vor. Die streitige Regelung sollte vielmehr, wie das Verwaltungsgericht zutreffend entschieden hat, unmittelbar die Aufgabenerfüllung des BGS sicherstellen. Das ergibt sich schon aus der Funktion des OvD, der für die Dauer der Diensteinteilung Vorgesetzter aller Polizeivollzugsbeamten im BGS ist, die im Sicherungsdienst eingesetzt oder als ständige Bereitschaft eingeteilt sind. Zu seinen Aufgaben gehören nach der PDV 010 insbesondere die

  • Regelung des Dienstbetriebes außerhalb der Dienstzeit,
  • Durchführung erforderlicher Maßnahmen bei Ingewahrsamnahme oder vorläufiger Festnahme einer Person im Sicherungsbereich,
  • Maßnahmen für notwendige Änderungen des Sicherungsdienstes,
  • Aufnahme und Weiterleitung von Meldungen über besondere Vorkommnisse,
  • Einleitung erforderlicher Maßnahmen zur Katastrophenhilfe und Nothilfe gemäß der allgemeinen Verwaltungsvorschrift des Bundesministers des Innern über die Verwendung des Bundesgrenzschutzes bei einer Naturkatastrophe oder bei einem besonders schweren Unglücksfall sowie zur Hilfe im Notfall vom 2. Mai 1974 (MBIBGS Nr. 14/74 S. 279) i.d.F. vom 4. November 1975 (MBIBGS Nr. 27/75 S. 476),
  • Entgegennahme von Alarmsprüchen und Durchführung erster Maßnahmen,
  • bei Straftaten, zu deren Erforschung der Bundesgrenzschutz zuständig ist, insbesondere bei solchen, die die Durchführung der Aufgaben des Bundesgrenzschutzes beeinträchtigen, die Anordnung aller keinen Aufschub gestattenden Maßnahmen, um die Verdunkelung der Sache zu verhüten (§ 163 Abs. 1 StPO).

19

Es liegt auf der Hand, daß zur Erfüllung dieser Aufgaben die ständige Erreichbarkeit des OvD in seinem Dienstzimmer unerläßlich ist. Wenn die Anordnung des Beteiligten vom 5. März 1991 diese schon in der PDV 010 enthaltene Regelung dahin konkretisiert, daß der OvD das Dienstzimmer nur aus dringenden Gründen verlassen soll, handelt es sich dabei um eine ... unmittelbar auf den Dienstbetrieb und die Aufgabenerfüllung des BGS bezogene Anordnung. Der Umstand, daß sie die persönliche Bewegungsfreiheit des OvD erheblich berührt, kann daran nichts ändern. Der unbestimmte Begriff "dringende Gründe" eröffnet - wie auch die in der Klammer angeführten Beispiele zeigen - im übrigen einen angemessenen Spielraum auch für persönliche Bedürfnisse; es ist jedenfalls nicht feststellbar, daß diese unmittelbar dienstbezogene Regelung die persönliche Sphäre des OvD in einem stärkeren Maße tangiert, als es zur Aufgabenerfüllung des BGS unbedingt notwendig ist. Elemente einer Anordnung für die innerdienstlichen, sozialen und persönlichen Angelegenheiten der Beschäftigten sind in ihr nicht enthalten.

20

Die Beschwerde war danach zurückzuweisen.

21

Die Rechtsbeschwerde war nicht zuzulassen, weil die gesetzlichen Voraussetzungen dafür nicht gegeben sind.

Dr. Dembowski,
Bockelmann,
Esser,
Olinski,
Weiß